Alnicola cf. badiofusca -> nein, Hebeloma spec.

Es gibt 20 Antworten in diesem Thema, welches 3.632 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Tricholomopsis.

  • Hallo zusammen


    Ich habe gestern diese kleinen Kerle gefunden. Am Standort wollte ich mich noch nicht auf eine Gattung festlegen, mikroskopisch scheint es aber klar eine Naucoria zu sein.


    Standort: Am Strassenrand auf nackter Erde zwischen Kies, am Rand eines Gartens.

    Diese weissen Fasern sind kein Velum, sondern stammen von Pflanzensamen.


    Junge Exemplare waren vollständig dunkelbraun, fast purpurbraun, vor allem auch die Lamellen.

    Der ganze Fruchtkörper blasst aus Richtung zimtbraun.

    Hut nicht gerieft, Geruch sehr unterschiedlich. In der Kollektion gab es Exemplare mit starkem Rettichgeruch, andere mit Pelargoniumkomponente.

    Geschmack deutlich säuerlich-bitter, vor allem die Lamellen.




    Mikroskopie:

    Sporen 8.5-10.5 x 4-5.5 µm, schwach skulpturiert. In KOH sieht man es schlecht.


    In Baumwollblau und Kongorot sieht man es besser, einige sind auch im Profil nicht ganz glatt.


    Cheilozystiden sehr zahlreich, urticoid.


    HDS hyphig, mit grossen Schnallen, inkrustiert.


    Kaulozystiden büschelig, schlanker als die Cheilozystiden.


    Wenn ich nach FN schlüssele oder im Ludwig blättere, komme ich auf keinen grünen Zweig.

    Dann habe ich aber den Schlüssel von Moreau et al. 2013 gefunden. Dort komme ich auf Alnicola badiofusca.

    Da passt eigentlich alles sehr gut, bis auf zwei Sachen:

    - Die Lamellen sollten nicht ganz so dunkel sein wie bei meiner Kollektion

    - Die Sporenform gefällt mir auch nicht so richtig, die sollten wenigstens teilweise schlanker und zugespitzt sein


    A. badiofusca ist zwar recht neu beschrieben, aber wohl gar nicht selten.

    Auf der Seite von Matthias gibt es einen Präsentation von A. cf. badia, das hat mich auf die Fährte gebracht.


    Hatte jemand von euch schon etwas ähnliches in der Hand?


    Gruss Raphael

  • Hallo,


    Alnicola hätte warzige Sporen - die bei deinem Fund sehen glatt aus.

    Außerdem passt die Lamellenfarbe nicht.

    Ich bin recht sicher, dass Du da eine Psilocybe s.l., wahrscheinlich eine Deconica hast.


    beste Grüße,

    Andreas

  • Hallo Andreas


    Ganz glatt sind sie nicht, und es gibt sogar glattsporige Arten (z.B. Naucoria tantilla).

    Psilocybe s.l. müsste zudem einen Keimporus haben.


    Gruss Raphael

  • Hallo Raphael,


    du hast recht, Psilocybe/Deconica scheidet wohl aus.

    Aber an Naucoria mag ich bei der Lamellenfarbe nicht glauben, auch die Sporen in KOH sehen eher nach Spp. violettbraun aus als nach Spp. rostbraun. Die Sporen mögen zwar leicht uneben werden, aber Naurcoria hätte dann doch deutlich warzige Sporen, auch N. tantilla hat zumindest raue Oberfläche. Zudem wäre der Standort ja doch recht befremdlich, oder gibt es da Erlen im Garten? Oder wenigstens in Frage kommende Mykorrhizapartner?

    Andererseits sehen bei den älteren, bereits etwas ausgeblassteren Fruchtkörpern auch die Lamellen nicht mehr so dunkel aus - also vielleicht doch Naucoria?


    Ich würde die Bilder mal an P.-A. Moreau mailen, der sagt Dir mit Sicherheit was dazu.


    beste Grüße,

    Andreas

  • Hallo Andreas


    Doch das Spp ist tatsächlich rostbraun (hat mich auch überrascht).


    Die Mykorrhiza-Partner in der Gruppe sind noch nicht richtig klar. Erlen gab es aber in 5m Entfernung auch. Ich muss nochmal schauen gehen um alle potentiellen Partner zu notieren.


    Ich überlege mal ob ich den Mut habe damit P.-A. Moreau zu belästigen... :/


    Gruss Raphael

  • Servus Raphael,


    für mich sind die Sporen im Profil gesehen klar warzig / uneben. Rostbraunes Sporenpulver passt auch. Damit wäre ich auch bei einer der dunkellamelligen Naucorien, wobei ich die selber nie in der Hand hatte. P.-A- Moreau ist sicher der ideale Ansprechpartner. Trau dich - er wird es sicher nicht als Belästigung empfinden ;-).


    Liebe Grüße,

    Christoph

  • Hallo,


    ah, okay, also wenn Du tatsächlich rotbraunes Sporenpulver hattest, dann bleibt wirklich nur Alnicola. Und dann auch noch eine Erle in der Nähe ....


    Pierre-Arthur Moreau ist sehr freundlich und hilfsbereit, da kannst Du Dich ruhig trauen. Er findet den Fund bestimmt spannend, Naucoria ist eine seiner Lieblingsgattungen. Und wenn Du sie als Alnicola bezeichnest dann wird er dich noch mehr mögen *ggg*


    beste Grüße,

    Andreas

  • Hallo zusammen


    Ich war inzwischen nochmal am Standort, habe noch mehr Exemplare gesammelt und nach dem Mykorrhiza-Partner gesucht.

    Es gab zwar in einiger Entfernung Erlen, aber die FK wuchsen fast kreisförmig um eine Salweide, bis unmittelbar an dem Stamm. Ich gehe darum schwer davon aus dass das der Partner ist.


    P.A. Moreau hat inzwischen geantwortet, für mich bedeutet das: Zurück an den Start.


    "Collection 2 is not Alnicola badiofusca, unfortunately. The ecology is distinct (badiofusca only grows under Alnus alnobetula (=Alnus viridis), and the microscopy does not match : the spores are too cylindrical for an Alnicola, and the cystidia are too blunt, too. But it might be more interesting. My first idea is to redirect you to Henry Beker, because it looks much more like a Hebeloma sect. Hebeloma (some species around Hebeloma nigellum); but the very dark original colour of the cap looks really unusual. Hebeloma pseudoamarescens would be a possibility but I know it much lighter in colours. I reject Alnicola amarescens and geraniolens, which would be the most likely (habitat and gross morphology could be compatible) because of the smell, which is not raphanoid in any of these species (rather Pelargonium-like), and here again the cystidia are not acute enough.

    Let me know if you have other ideas. Coll. 2 looks really interesting for a Hebeloma-lover, I am not experienced enough in them to be affirmative on the species mycelf."


    (nebenbei: Collection 1 war eine andere Alnicola von letztem Jahr die ich ihm geschickt hatte, wenigstens dort lag ich mit A. cholea richtig)


    Bei so dunklen Farben wäre ich nie auf Hebeloma gekommen und will auch jetzt nicht wirklich daran glauben. Mikroskopisch könnte ich mir das gut vorstellen - aber makroskopisch?

    Ich habe ein wenig mit FE14 geschlüsselt und sogar geblättert. Mit so dunklen Farben und so extremer Farbveränderung will da einfach nichts passen.


    Fazit: Ich stehe im Moment völlig auf dem Schlauch und habe nicht einmal eine Idee, in welcher Gattung ich noch suchen soll...

    Aber ich bleibe dran. Vielleicht schicke ich es wirklich noch an Henry Baker.


    Gruss Raphael

  • Clavaria

    Hat den Titel des Themas von „Alnicola cf. badiofusca“ zu „Alnicola cf. badiofusca -> nein, unbekannter LBM“ geändert.
  • Hallo Raphael,


    du könntest ein Stückchen zum Sequenzieren schicken, dann dürfte wenigstens die Gattung klar(er) sein nachher.

    Obwohl - letztes Jahr hatte ich im Hunsrück einen LBM bei dem ich keine Ahnung von der Gattung habe, auch nach dem Sequenzieren nicht ...... Aber ein Versuch wärs wert.

    Solltest Du die Kosten scheuen, würde ich die übernehmen, wenn ich ein Pilzchen als Beleg haben kann dann.


    beste Grüße,

    Andreas

  • Hallo Andreas


    Ich versuche mal hier beim WSL um einen Gefallen zu bitten. Ich muss aber zugeben dass ich mich bisher immer um Sequenzierungen gedrückt habe.

    Neulich war ich auf der Seite von alvalab und habe ehrlich gesagt keine Ahnung, was ich da unter "orders" bestellen muss, damit dabei etwas rauskommt was mir hilft.

    Die Kosten wären mir egal...

    Ich hab auf jeden Fall die Doku noch an Henry Beker geschickt, kann ja nicht schaden.


    Gruss Raphael

  • Hallo Raphael,


    ich würde einfach die ITS machen lassen, am besten gleich auch rückwärts. Damit kannst Du dann in GenBank oder so blasten, also vergleichen, und bekommst die 100 oder wahlweise auch 250 nächstähnlichen Treffer angezeigt. Damit ist in den meisten Fällen eigentlich die Gattung klar, gelegentlich auch schon die Art. Immer unter der Voraussetzung, dass die Treffer-Sequenzen auch richtig bestimmt sind ....

    Viel mehr kann man damit auf die Schnelle erst mal nicht machen, aber manchmal juckt es mich einfach zu sehr, dass ich nicht weiß welche Gattung eine Kollektion sein soll. Wenn sich dann dabei herausstellt, dass die Gattung klar ist, aber keine Art hinreichend identisch ist, dann könnte es sich lohnen sich mit dem Fund und dem nächstverwandten Artenspektrum mal intensiver auseinanderzusetzen.


    beste Grüße,

    Andreas

  • Update: Henry Beker ist sicher dass es eine Hebeloma ist. Am ehesten H. alpinicola, die aber makroskopisch nicht so richtig passt.

    Ich schicke ihm etwas Material, er möchte das sequenzieren. Es wird also einige Zeit dauern bis es da Neuigkeiten gibt.


    Gruss Raphael

  • Clavaria

    Hat den Titel des Themas von „Alnicola cf. badiofusca -> nein, unbekannter LBM“ zu „Alnicola cf. badiofusca -> nein, Hebeloma spec.“ geändert.
  • Hallo zusammen


    Ich bin gerade dran den Versand vom Eksikkat vorzubereiten.

    Jetzt habe ich aber ein ganz banales Problem: Im internationalen Versand muss ich den Inhalt deklarieren, mit schützender Verpackung ist die Sendung zu dick um als Briefsendung durchzugehen.

    Was schriebe ich da drauf, damit keine Alarmglocken losgehen und irgendein ahnungsloser Zollbeamter meine Pilze zerstört?


    - Getrocknete Pilze? Nee...

    - Biologische Proben? Ui nein...


    Wie macht ihr das?


    Gruss Raphael

  • Hallo Raphael,


    doch, getrocknete Pilze ist die richtige Einordnung, die zugehörige Zolltarifnummer ist die 07123900.

    Ich kreuze dann "Geschenk" oder "Warenprobe" an und gebe einen fiktiven kleinen Wert an. Zu 99% wird das dann aufgrund des geringen Wertes nicht weiter zollamtlich behandelt. Und getrocknete Pilze sind ja nun nix schlimmes. Ein Problem ist wenn Du lebende Kulturen verschicken willst, die darfst Du niemals so deklarieren, sonst werden sie unweigerlich an der Grenze oder spätestens an der Uni abgefangen und vorsorglich vernichtet ....


    beste Grüße,

    Andreas

  • Das ist ja interessant. Gilt diese Deklarationspflicht auch innerhalb der EU?

    Exsikkate für Empfänger in den Niederlanden, Belgien und Spanien habe ich zuletzt einfach als Paket ohne Deklaration verschickt und noch nie ein Problem damit gehabt.


    Beste Grüße

    Hias

  • Hallo Matthias,


    nein, innerhalb der EU brauchst Du das CN22 nicht. Als Privatperson kannst Du das eh nicht nutzen, denn Briefe dürfen Privatpersonen nicht mehr ins Ausland schicken wenn sie was anderes als ausschließlich Dokumente beinhalten und Warensendungen sind generell nur für Gewerbekunden möglich.

    Du kannst alles was nicht Dokumente sind als Privatperson also ausschließlich per Päckchen/Paket verschicken, und dafür brauchst Du (bei Sendungen außerhalb der EU, also Schweiz, Großbritannien, Norwegen, und alles außerhalb Europa) das etwas umfangreichere CN23-Formular, wie es auch die Post verwendet. Gibts dort auch automatisch wenn Du mit deinem Paket dorthin gehst. Die einzutragenden Angaben sind in etwa dieselben wie oben dargestellt: Stückzahl, Wert, Zolltarifnummer, Ursprungsland.

    Bei einem Warenwert von >1000 Euro muss eine digitale Ausfuhranmeldung erfolgen, die aber nur jemand vornehmen kann der beim Zoll angemeldet ist.


    Solange Du also nur innerhalb der EU verschickst, ist alles problemlos.


    beste Grüße,

    Andreas

  • Hallo zusammen


    So, über ein Jahr später weiss ich was es ist.

    Ich glaube es zwar nicht recht, aber ich muss Henry Beker wohl vertrauen nachdem er sie sequenziert und gründlich untersucht hat.


    Es ist: Hebeloma mesophaeum :D


    Zugegeben wohl die ungewöhnlichste mesophaeum-Kollektion, die ich je gesehen habe.


    Gruss Raphael

  • Danke für die "Aufklärung", Raphael.

    Es ist: Hebeloma mesophaeum

    =O=O=O

    Ich weiß schon, warum ich eher den Feldmykologen als den rein wissenschaftlich arbeitenden Sequenzierern traue!

    Natürlich ist das NIEMALS Hebeloma mesophaeum! Jedenfalls meinem Artenverständnis nach.

    Die sollte doch eher so aussehen!


    Also, wenn das so weitergeht, werde ich mir wohl ein anderes Hobby suchen. ;)

    Insekten zum Beispiel. Da habe ich ja schon etwas hineingerochen in letzter Zeit.


    LG, Nobi

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    Chips: 72

  • Servus Raphael,


    das Hebeloma mesophaeum ein Chamaeleon ist, war mir schon bewusst. Dieses Farbspiel hätte ich aber niemals dieser Art zugeschrieben. Ich würde auch ein sehr deutliches Velum universale erwarten. Jetzt ist Henry Beker aber DER Hebeloma-Spezialist himself. Insofern kann auch ich mich nur wundern. Weißt du zufällig, welches Gen / welche Gene er sequenziert hat? (Wäre es nur die ITS, bliebe ich skeptisch)


    Ich muss aber davon ausgehen, dass Henry Beker so viel Erfahrung hat, dass er schon vorher solche extreme Ausprägungen oder Zwischenformen gesehen hat, sodass ihn die Makroskopie nicht aus den Socken haut, sondern ein "jo, kann auch mal so dunkel sein, kenn ich" hervorlockt.


    Danke für die Aufklärung! Das bestätigt mir wieder auf Neue, wie spannend und überraschend die Mykologie ist. Ich bleibe dem Hobby treu und wechsle nicht zu den Krabbeltieren :D (ohne abzustreiten, dass auch die äußerst faszinierend sind).


    Liebe Grüße,

    Christoph