Servus beinand,
ich habe heute beim Gassigehen als Beifang einen Morchelbecherling am Wegrand im Fichtenwald gefunden, ohne Esche etc. Aber das ist off topic. Ich habe am selben Weg, aber an anderer Stelle ebenfalls am Wgrand zahöreiche, von einem Rostpilz befallene Bingelkrautpflanzen entdecken können. Die Bestimmung sollte einfach sein. In Jules Buch wird nur Melampsora rostrupii erwähnt.
Die Aecien sind vom Caeoma-Typ (die Fotos musste ich zuhause machen, da ich keine Kamera dabei hatte - deshalb der seltsame Hintergrund):
Natürlich prüfe ich auch solche Funde mikroskopisch nach. Im Klenke & Scholler werden ja noch andere Melampsora-Arten an Mercurialis erwähnt.
Nun, die Sporen der Aecien waren sehr groß und messen (25 lebend in Wasser gemessen) 17-22,6-30,5 x 15,5-20,1-23 µm
Sie haben ein sehr schönes Ornament - hier zwei Tafeln (Kollegen) und ein Ausschnitt aus der zweiten Tafel, damit man das Ornament auch sieht, wenn man nicht auf die Bilder klickt:
Sporenkollage mit Beispielmessung – die Form ist variabel von kugelförmig über fast quaderförmig mit abgerundeten Ecken bis länglich (Voranschau - draufklicken und vergrößern für maximale Auflösung)
Sporen in unterschiedlichen Schärfeebenen. Richtig hübsch finde ich, wie sich die Öltröpfchen innerhalb der Sporen anlagern und so kleine Ringe bilden (mittlere Sporenreihe) – (Voranschau - draufklicken und vergrößern für maximale Auflösung)
Auf die Sporenoberfläche und dort auf die Enden der Warzen scharfgestellt.
Vergleiche ich nun die Maße mit dem Standardwerk von Klenke & Scholler (2015), dann ergibt sich ein kleines Problem:
Schlüsselt man, dann wird erst gefragt, ob es eine mediterrane Aufsammlung sei, sie nur auf Mercurialis annua vorkäme oder ob der Wirt M. perennis oder M. ovata sei. Da es M. perennis ist, kommt man sofort aud M. rostrupii. Geht man den Alternativweg, geht's weiter auf 2 - da wird gefragt, ob die Aecidien orange oder weiß sind - also orange und man ist bei Melampsora pulcherrima.
Soweit so gut, nur steht in der Beschreibung vom M. rostrupii, dass die Sporen nur 13–24 × 11–17 μm groß seien. Melampsora pulcherrima, die mediterrane Art an Mercurialis annua hingegen soll größere Sporen mit Maßen von 20–26 × 15–20 μm haben.
So, jetzt habe ich also an M. perennis eine großsporige Melampsora, die inBezug auf die Sporenmaße allein also auf M. pulcherrima passt.
Was tun? Ein Blick in den Klassiker - der Brandenburger... was sagt der? Der gibt für Melampsora pulcherrima sogar Maße von 15-29 x 15-22 µm an. Das passt sehr gut zu meinem Fund.
Und für M. rostrupii gibt er 13-24 x 11-17 µm anm also genau das, was auch Klenke & Scholler schreiben.
Trotzdem kann es M. pulcherrima nicht sein - falscher Wirt... Sporen nicht gelb genug gefüllt... Befall auf Blättern und nicht am Stängel... Oberbayerisches Voralpenland auf 700 m, nicht wirklich mediterran...
Also bei Jule nachschauen. Sie hat den Erstnachweis für Deutschland (von M. pulcherrima) in der Z. Mykol. 2019 publiziert: (PDF) Bemerkenswerte Funde phytoparasitischer Kleinpilze (11)
"Melampsora rostrupii dagegen parasitiert in Deutschland nicht selten auf Mercurialis perennis und wechselt
insbesondere zu Populus tremula, seltener zu anderen Pappeln aus der Leuce-Gruppe
(Klenke & Scholler 2015). Weiterhin werden die Caeoma-Lager am Ausdauernden
Bingelkraut meist an dessen Blättern, seltener an den Stängeln ausgebildet. Die
Aeciosporen sind mit 20-26 x 15-20 µm größer als die von Melampsora pulcherrima (13-
24 x 11-17 µm)."
Dort steht es also anders herum - jetzt soll Melampsora rostrupii die größeren Sporen haben?!
Entweder haben also Brandenburger und auch Klenke & Scholler die Maße verwechselt und die beiden Arten hier über kreuz oder Jule hat es verdreht. Eigentlich müsste Jule die Maße verdreht haben, denn sie diskutiert ihre Ausssage nicht einmal (und gibt leider keine Quelle dafür an). Hätte sie bemerkt, dass die beiden Standardwerke die Maße verwechslet hätten, würde ich denken, dass sie dies in ihrer Publikation zumindest erwähnt und richtigstellt. Hätte ich jetzt also recht kleine Sporen gefunden, wäre ich sicher bei M. rostrupii.
So bleibt eine Restunsicherheit. Gibt es noch eine Art mit großen Sporen an Mercurialis perennis? Haben sich die Standardwerke geirrt? Was sind eure Erfahrungen (es sind ja einige PhytofreundInnen hier unterwegs). Habt ihr die Sporen (I) vermessen und mit der Literatur abgeglichen?
Ich habe jetzt mal Melampsora rostrupii als Namen gewählt, aber wegen der Unsicherheit der Angaben in der Literatur bleibt erstmal ein kleines cf. Ich muss mal die Originalbeschreibung nachrecherchieren (oder auf Input von euch und von Jule warten).
Auf alle Fälle ist es ein schöner Pilz - die Sporen haben was, ein tolles Ornament.
Liebe Grüße,
Christoph