Hallo liebe Flechten-Gemeinde,
eine sehr wichtige, weil weitverbreitete Gruppe rindenbewohnender Flechten stellen die grauen Schwielenflechten (Physcia/Phaeophyscia/Physconia) dar, die sich in sehr großer Dichte auf Stämmen und Ästen der Bäume ringsum bei mir zuhause tummeln. Auf graue Physcien mit Apothecien stoße ich relativ selten, weshalb ich mich immer über sie freue.
Nach Wirth/Hauck/Schultz ("Die Flechten Deutschlands") dominieren unter den Physcien die sehr häufigen Arten P.tenella (Apothecien mäßig häufig) und P.adscendens (Apothecien ziemlich selten), gefolgt von den Arten P.aipolia und P.stellaris (beide normalerweise mit Apothecien). Die anderen Sorten seien wohl ziemlich selten. Es heißt dort auch, dass aufgrund von Eutrophisierungstendenzen die sehr häufigen, eigentlich auf Stein beheimateten Arten P.caesia (Apothecien eher selten) und P.dubia (Apothecien häufig) immer öfter auf Bäumen zu finden seien. Ich finde die letztgenennten Arten sehr häufig auf Stein, an Bäumen habe ich sie noch nicht erkannt.
Aufgrund der Häufigkeitsangaben des Auftretens der Flechten einerseits, der Häufigkeit der Ausbildung von Fruchtkörpern andererseits, sollten die meisten der von mir beobachteten Physcien mit Apothecien also entweder P.aipola oder P.stellaris sein. P.aipolia gilt lt. Bestimmungsbuch als seltener als P.stellaris - das gilt auch für den Bereich mittleren Neckar nach dem Verbreitungsatlas "Flechten Baden-Württembergs" von 1987. Doch ich kann bisher leider P.stellaris keiner der von mir fotografierten grauen Schwielenflechten zuordnen! Deshalb würde ich gerne einige meiner Schwielenflechten-Aufnahmen hier zeigen und zur Diskussion stellen, ob ich die Flechten richtig anspreche - ich beschäftige mich noch nicht lange mit dem Thema und bin kein Biologe.
Auf dem Ast in Bild 1, zwischen dem, was ich ziemlich sicher für P.adscendes halte, sitzt in der Astgabel eine andere graue Flechte. Sie besitzt dunkle, bereifte Apothecien - eine P.aipolia oder P.stellaris? Die Läppchen liegen, wie gefordert, dicht am Ast an (keine P.tenella, P.adscendens). Besitzt sie weiße Flecken auf dem Thallus zur Unterscheidung zu P.stellaris? Ich habe die Flechte mitgenommen und zuhause angefeuchtet unter der Stereolupe kontrolliert, um eventuell vorhandene weißen Flecken auf der Rinde zu finden. Ich denke, sie sind in Bild 2 zu erkennen. Ich wüsste nicht, was sonst mit weißen/hellen Flecken gemeint sein könnte. Ferner finde ich, dass die lockere Anordnung der Randlappen besser zu P.aipolia als zu P.stellaris passt.
Bild1
Bild 2
Die zentralen Flechten in Bild 3 würde ich für ebenfalls für P.aipolia (hier umgeben von kleineren P.tenella-Individuen) halten, da P.tenella ja normalerweise keine Apothecien besitzt - oder ist das hier eine Ausnahme? Ich sehe jedenfalls nirgends Lippensorale, auch wenn die Rhizinien oben rechts im Bild deutlich unter den Randläppchen tenella-artig hervorlugen. Ich finde, die Flechten sehen derjenigen in Bild 1 gleich - also wieder P.aipolia?
Bild 3
Anders sieht die Flechte in Bild 4 aus. Die Apothecien der Flechte in Bild 4 (am Baumstamm wachsend) sind vollständig weiß bereift, die Randlappen überlappen sich gegenseitig, der Thallus ist im Zentrum sehr stark "gekräuselt". Ich vermute, es handelt sich definitiv um eine andere Flechte als in den vorherigen Aufnahmen, also nicht um P.aipolia. P.stellaris besitzt m.W. aber eher unbereifte Apothecien und scheidet somit vermutlich aus, obwohl die dichte Anordnung der Lappen zu P.stellaris passen könnte... Nun?
Bild 4
Eine sehr ähnliche, gekräuselte Thallusstruktur, wie in Bild 4, habe ich bisher nur ein weiteres Mal beobachtet (Bild 5). Die Flechte am Baumstamm in Bild 5 besitzt allerdings lediglich eine, ganz winzige Apothecie (roter Pfeil):
Bild 5
Recht ähnlich wirkt auch die Flechte, die sich in Bild 6 an einen Ast klammert. Sie weist stark bereifte Apothecien und dicht anliegende Randlappen auf:
In Bild 7 nun meine ich, wegen der helmartigen Lappenenden, eine P.adscendens zu sehen, die ausnahmsweise Apothecien ausgebildet hat. Die aufsteigenden, helmartigen Lappenenden sprechen m.E. hierfür:
Bild 7
Eine weitere graue, physcienartige Flechte, die in großer Anzahl flächig einen Stamm bewuchs, und eine wirklich hohe Dichte von Apothecien aufwies, ist in Bild 8 gezeigt. Die Flechte weist zudem viele flächenständige - aber nicht kugelförmige - Sorale auf, sodass ich hier geneigt bin, in dieser Flechte keine Physcia (caesia/dubia), sondern eher eine Phaeophyscia (orbicularis) zu erkennen.
Bild 8
Die Aufnahmen wurden durchweg an mehr oder minder einzel wachsenden, bzw. locker gruppierten Laubbäumen gemacht. Ich erinnere mich hauptsächlich an Ahornbäume (außer Bild 1, eventuell an Kirschpflaume).
Da ich keine Chemikalien besitze, komme ich mit den Bestimmungsschlüsseln nicht wirklich weiter.
Die angeblich relativ häufige P.stellaris habe ich also noch nicht gefunden, oder doch?
Ich neige zu folgender Zuordnung:
Bild 1-3 Physcia aipolia
Bild 4-6 mir völlig obskur (oder doch P.stellaris??)
Bild 7 Physcia adscendens
Bild 8 Phaeophyscia orbicularis
Was meint ihr dazu?
LG Martin