Parmotrema und Hypotrachyna

Es gibt 7 Antworten in diesem Thema, welches 2.580 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von KaMaMa.

  • Hallo zusammen,


    in einem kleinen feuchten Tal eines Neckarzuflusses (Schozach), wachsen weiter hinten alte Apfelbäume, moosbehangen und flechtenüberzogen.

    Dazwischen eine gut 30 Schritt lange, gestürzte Esche (oh das Eschensterben!).

    Auf halber Höhe ist die Esche flechtenbedeckt, eine sehr gute Gelegenheit für mich, diesen alten Flechten näher zu kommen! :gkrass:



    Zwischen großen, alten Punctelien und apothecientragenden Parmelien (sehe ich zum ersten Mal) ...

    Bild 0: apothecientragende Parmalia sulcata


    ...wächst auf dieser Esche auch eine eher ungewöhnliche, grünlich/bläuliche und sehr lockige Blattflechte.

    Die Unterseite (Bild 4) ist schwarz, am Rand der jüngeren Lappen aber braun und trägt kaum (schwarze, unverzweigte) Rhizinien.
    An den Lappenrändern wachsen schwarze Rhizinien, die über den Rand hinaus stehen und auch von der Oberseite aus sichtbar sind (Bild 2).

    Ältere Lappenränder tragen helle Sorale.

    Bild 1


    Nochmal etwas stärker vergrößert:

    Bild 2


    An den Ästen der Apfelbäume vor Ort finde ich die vermutlich gleichen Flechten wieder.

    Die Sorale wirken in Bild 3 aber etwas dunkler:

    Bild 3 altes Exemplar mit dichtgepacktenen Soralen und lokal Pilzbefall


    An einem auf dünnerem Ast wachsend Exemplar kann man sehr gut Unterseite und Wimpern erkennen.

    Dieses kleinere Exemplar trägt wieder hellere Sorale wie das große Exemplar auf Bild 1 und 2.

    Bild 4


    Habe ich hier etwa Parmotrema perlatum - ich weiß nicht, ob die so üppige Sorale ausbildet - oder nicht doch eher Hypotrachyna (revoluta) vor mir?

    Beide Flechten wären neu für mich, ich kann das schwer beurteilen.

    Oder ist das was ganz anderes? :gkopfkratz:



    Ein Stückchen weiter finde ich folgende, eng anliegende, glatte Flechten einer offenbar anderen Art - kenne ich auch bisher nicht:

    Bild 5


    und ein etwas größeres Exemplar mit Soralen:

    Bild 6


    Die Flechten in Bild 5/6 wirken an den Rändern glatt wie aufgebügelt, da fände ich nur Hypotrachyna africana vergleichbar.

    Was meinen denn die Forenten zu diesen beiden Flechtentypen, die sich mit diesen für mich neuen Flechten besser auskennen? :ghilfe:

    Vielen Dank für eure Meinung!


    Da habe ich auf jeden Fall einen interessanten Ort gefunden!


    LG, Martin

  • Hi Martin,


    Also ne fruchtende P. sulcata hatte ich selbst noch nie gefunden, schick...


    Bilder 1,2 und 4 zeigen Parmotrema perlatum, die anderen traue ich mir nicht sicher zu. Unten auf Bild 1 ist auch noch eine Punctelia (wohl subrudecta) zu sehen.


    Bild 3 hätte ich wegen der Läppchenform spontan zu Parmelina geschoben, aber da passt die Anordnung der Sorale auf den Rändern nicht recht, spannend...


    Muss auch neidvoll gestehen, bei uns im Mitteldeutschen Trockengebiet sieht die Epiphytenvegetation bei weitem nicht so gut aus...


    LG Peter

  • Tja, Peter, die Flechtenflora hier entspricht nirmalerweise nicht ganz dem, was auf den Bildern oben zu sehen ist. Ich suche seit einem halben Jahr hier die Gegend ab.


    Ich bin von den Funden hier bin ich ganz hin und weg - so leid es mir für die Esche tut. In luftiger Höhe sehen die Flechten schon meist interessant aus, nur kommt man sonst nicht dran.


    Aber auch die Apfelbäume sind ziemlich ungepflegt und "renaturiert". Die Epiphyten freut's.

    Allerdings sind viele der Flechten auch ihrerseits befallen und haben schon bessere Tage gesehen...


    Hast du auch zu den Flechten auf Bild 5 und 6 eine Meinung?


    LG, Martin

  • Hallo Peter!


    In puncto Parmelina: Ich kenne bisher zwar nur tiliacea, die hat doch flächenständige Isidien und keine Randsorale, die möchte ich für Bild 1-4, inkl. 3 eigentlich kategorisch ausschließen.


    Also noch ein paar höher auflösende Bilder zu der Flechte von Bild 3, vielleicht bringen die Licht ins Dunkel:

    Bild 7


    Bild 8


    Bild 9


    Bild 10


    Ich denke nicht, dass hier Parmelina hinkommt. Vielleicht doch eher Hypotrachyna, Parmotrema, Cetrelia, ?

    Die haben doch alle +/- wellige Thallusränder wie diese Flechte.

    Cetrelia hat aber wohl weiße Sorale, und weiße Pseudocephyllen - das sehe ich hier alles nicht.

    Warum also nicht H.revoluta? Die soll gar nicht sooo selten vorkommen.

    Oder eben das gleiche wie in Bild 1/2 & 4: also P. perlatum - bis auf die etwas dunkleren Sorale in Bild 3 erkenne ich eigentlich keinen Unterschied.

    Am Flechtenrand (z.B. in Bild 10) sind die Sorale übrigens ähnlich hell wie bei den anderen Flechten in Bild 1,2 & 4.


    À propos Parmelina - meinst du eventuell die Flechten in Bild 5 & 6?

    Das könnte mit Parmelina tiliacea hinkommen, das ist mir bei meiner Exotensuche entgangen...

    Man sieht halt, was man sucht (böswilliger: sehen will) :gkopfwand:.


    LG, Martin

  • Hi Martin,


    Wie gesagt bei uns herrschen andere klimatische Bedingungen vor, an Cetrelia hätte ich gar nicht gedacht, weil sowie bei uns wohl ne absolute sensation wäre. Ich tappe bei Mehreren der Aufnahmen im Dunkeln und denke, da kann dir z. B. Patrick besser helfen. 5 und 6 sollten nicht parmelina sein, da fehlt der "hübsche Schwung" in den Lappen.


    Auffällig bei Bild drei ist, dass die sorale überwiegend seitenständig sind und so derb, dass sie schon fast isidiös wirken. Ich Weiss, das die 3 nicht Parmelina sein kann. Hypotrachyna kann ich nicht ausschließen aber dir auch keine Bestätigung liefern...


    Ich hoffe, dass dir da wer anders weiter helfen kann als ich...


    LG Peter

  • Hallo,


    das Thema lässt mich so schnell nicht los! Ich war gestern nochmal vor Ort und habe (hoffentlich) bessere Aufnahmen - auch den der Unterseite gemacht und Pröbchen für die Stereolupe genommen. Leider habe ich keinen Sammelkasten, nur eine Dose und während der Fotosession kamen mir weitere interessante Flechten unter, sodass ich jetzt nicht mehr mit Sicherheit sagen kann, welche Probe von welcher Felchte stammt.


    Deshalb beschränke ich mich nur auf in-situ Aufnahmen!

    Zu Bild 3, der Flechte mit den grob-serediösen, aufsteigenden Randlappen.


    Bild 3a Flechte in-situ

    Unterseite der Flechte am Rand junger Lappen bräunlich. Rhizinien bis zum Rand vorhanden. Sichtbare Rhizinien sind unverzweigt, schwarz


    Bild 3b Flechte in-situ

    Unterseite älterer Bereiche schwarz, Rhizinien schwarz, am Rand eher bräunlich und seltener, kürzer, aber vorhanden


    Bild 3d Flechte in-situ: Rhizinien bis zum Rand!


    Den Wirthschen Schlüssel unter Parmelia sensu latu anwendend (ich probier's mal wieder) komme ich nach diversen Farbentscheidungen bei Punkt 15 an und entscheide mich für Sorale statt Isidien (vgl. Bild 3b, die Thallusoberseite liegt voll mit abgelösten Soredien) => 23.

    Ich sehe (Bild 3a) Rhizinien bis zum Rand => 24, aber keine Pseudocephyllen (sonst Punctelia) => 25.

    Die Tüpfelreaktion habe ich zwar nicht gemacht, aber ich entscheide mich gegen Platismatia glauca, weil so kraus und wellig wie Lollo rosso ist die Flechte nicht, zudem ist die Unterseite nicht braun. Dann lande ich bei denn "seltenen, ozeanischen Flechten", allesamt Gattung Hypotrachyna.

    Dann Sorale sind m.E. nicht halbkugelförmig (H.laevigata), nicht in der Fläche (H.taylorensis).

    Lappen quer zur Längsrichtung eingerollt? Rhizinien einfach (oder gegabelt oder mehrfach dichotom verzeigt)?

    Das passt, denke ich, gut und ich wähle für die Flechte in Bild 3 "Hypotrachyna revoluta".



    Die Flechten in Bild 1, 2 und 4 sind anders, wobei der Hauptunterschied wohl in der Rhizinien-Verteilung liegt!

    Bild 1a Flechte in-situ, Blick auf Unterseite, vergleiche mit Bild 4


    Bild 4a


    Bild 1b Blick auf Unterseite und Sorale


    Lange Cilien am Thallusrand (Bild 1a, 4a) sind vorhanden, Unterseite am Rand glänzend braun (4a), weiter innen schwarz (1b). Rhizinien schwarz und unverweigt (1b).

    Und: keine Rhizinien am Rand (Bilder 1a, 1b, 4a)!

    Beim Bestimmungsschlüssel geht'S von 23 nach 35. Da wird's eng, es bleiben Cetrelia und Parmotrema übrig.

    Da die Flechte keine Psedocephyllen hat nur Parmotrema. Hier wird getüpfelt - ich passe.

    Ich versuche es ohne weiter: da die Sorale an den Rändern zusammenfließen, bleiben nur P.stuppeum (Bortensorale) und P.perlatum (eher kopfige Sorale) übrig.

    Da hört es bei mir auf...

    Die beiden Arten wachsen wohl gerne auch auf Esche (Fraxinus), wie das Fundstück aus Bild 1.


    Damit hättest du, Peter, mit deiner Einordnung der Flechten in Bild 1,2 und 4 als P.perlatum also recht! :ganbeten:

    Die Flechte in Bild 3 sieht für mich von oben betrachtet diesen Expemlaren sehr ähnlich, die Rhizinienverteilung auf der Unterseite aber ist etwas anders.

    Ich würde deshalb hier eine Hypothrachyna immer noch nicht nicht ausschließen wollen - vielleicht äußert sich noch ein Fachmann hier.


    Zu den Flechten in Bild 5 und 6 habe ich (noch) keine Meinung.

    Vielleicht kann ein Fachmann seine Meinung hierzu mit uns teilen. :gverstanden:


    LG, Martin

  • Hallo Martin

    Die Bilder 7–10 kannst Du mal mit Hypotrachyna afrorevoluta vergleichen. Hierfür sprechen die eher groben Soredien (und auch die Rhizinen sollten bis an den Rand der Lappen vorhanden sein, also anders als bei Parmotrema, die ja eine rhizinenfreie Zone am Lappenrand hat). Parmelia hätte Pseudocyphellen (weißliche Aufbrüche auf der Thallusoberseite) Parmelina ist nicht sorediös; bleibt also eigentlich nur noch Hypotrachyna.

    Fruchtende Parmelia sulcata ist schon nicht schlecht. Die gab es lange Zeit fruchtend wohl nur auf den Nordseeinseln zu beobachten, in jüngster Zeit finde ich sie in Schleswig-Holstein auch im Binnenland fruchtend, auch schon an Straßenbäumen in der Stadt; auch im Kurpark von Bad Pyrmont (Weserbergland) hatte ich sie neulich fruchtend gefunden. Da scheint sich also was zu verbessern in puncto Luftqualität.


    Beste Grüße aus dem Norden

    Patrick

  • Hallo Patrick.


    Das sind ja super Neuigkeiten!

    Erstens habe ich Hypotrachyna UND Parmotrema gefunden

    Zweitens, dass die Luftqualität sich verbessert, ist gut, und man weiß es ja eigentlich auch - aber so ein direkter Nachweis ist dich schön, nicht nur für die Flechten.


    So darf es weitergehen!


    Liebe Grüße aus dem Süden, Martin

  • KaMaMa

    Hat den Titel des Themas von „Hypotrachyna oder nicht?“ zu „Parmotrema und Hypotrachyna“ geändert.