Chandolin - Plaine Madeleine, Teil 2

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  • Hallo zusammen


    Hier noch der Rest zu meinem vorgestrigen Ausflug. Bei den Bestimmungen hier bin ich mir teils gar nicht sicher, bitte korrigiert mich schonungslos.


    Habitat sofern nicht anders erwähnt: Montaner Fichten-/Kiefernwald mit einzelnen Lärchen.


    Ich versuche mich immer mal wieder mit Phlegmacien zu beschäftigen, aber die sind mir doch noch recht schleierhaft.


    1) Cortinarius cf. glaucopus


    Hier die KOH-Reaktion (3%): auf dem Hut, im Hutfleisch und in der Stielbasis.

    Fleisch in der Stielbasis blassgelb, weiter oben bläulich, im Hut wieder blassgelb.


    So richtig will ich nicht an glaucopus glauben, denn sie haben einen kräftigen, würzig-komplexen Geruch.

    Geschmack ebenso und etwas bitter.

    C. glaucopus soll ja fast geruchlos sein, so hatte ich ihn auch schon gefunden und ohne Zweifel bestimmt.

    Eine echte Alternative habe ich leider nicht.


    Sporen sehr kurz, selten länger als 7.5 µm.


    2) Cortinarius cf. saginus


    Lamellen teilweise schartig. Geruch schwach, etwas holzartig.


    Hier war ich anfangs richtig glücklich, weil ich im Atlas des Cortinaires den wunderbar passenden C. saginoides fand.

    Aber offenbar wurde der molekular untersucht und zu C. varius gestellt ??!! Der kann es aber eigentlich nicht sein.


    KOH auf dem Hut und im Fleisch negativ


    An der Stielspitze zeigt sich aber nach ca. zwei Minuten eine gelbbraune Reaktion, die dann wieder verschwindet.


    Sporen recht schlank, mandel- oder zitronenförmig.

    Die Sporen passen nicht zu dem, was ich in meiner Literatur als C. saginus finde.


    3) Cortinarius croceus


    Wenigstens da bin ich mir halbwegs sicher. Aber man weiss ja nie.


    Kurze, kräftig warzige Sporen.


    4) Clitocybe cf. marginella


    Auffallend ist der gelbbraune Hutrand, der fein gerieft ist. Der Hut verfärbt sich hygrophan zu weisslich, aber mit dunkler Mitte.


    Die Sporen sind klein und helfen kaum weiter.


    In der FN kommt C. marginella raus, wobei die Unterscheidung zu C. agrestis nur über die kräftige Hutrandfarbe gelingt.

    Mein eigener experimenteller Clitocybe-Schlüssel kommt auf C. agrestis, in dem Schlüssel fehlt C. marginella aber noch.

    Die Original-Beschreibung von Harmaja beschreibt aber eher einen schlanken Pilz mit stärker gestreiftem Hut.

    Kann sein dass der irgendwann anders interpretiert wurde.


    5) Helvella pezizoides


    Mit dieser kleinen Lorchel habe ich viel Zeit verbracht. Die Fruchtkörper wuchsen dort rasig, keiner war grösser als 1.5 cm.

    Nach Skrede 2017 kommt man auf Helvella pezizoides, findet dann aber im Internet völlig verwirrende Darstellungen.

    Die Art wurde u.a. bei Boudier anders dargestellt, als sie wohl in der Original-Beschreibung gemeint war.

    Skrede et al. 2020 zeigen dann aber genau das was ich gefunden habe.


    6) Hebeloma cf. mesophaeum

    Beweisen kann ich es nicht wirklich. Es könnte auch H. subtortum sein, die Lamellenzahl ist aber etwas zu tief und die Sporen passen nicht so ganz.

    Für H. mesophaeum fehlt der typische zweifarbige Hut. Aber eine bessere Idee habe ich nicht.

    Geruch kräftig nach Rettich.


    Sporen recht blass, wenig warzig, nicht dextrinoid, 9.0-10.2-11.5 x 5.2-5.7-6.2 µm, Q = 1.60-1.78-1.99


    Störend: Die häufigste Zystidenform war deutlich lageniform mit sehr dickem Bauchteil, ungestielt.

    Die Form würde besser zu H. pubescens passen, die aber nur aus Spitzbergen bekannt ist und auch sonst nicht in Frage kommt.


    7) Entoloma spec.

    Hier habe ich aufgegeben. Vielleicht hat jemand eine zündende Idee.

    Alle Versuche laufen ins Leere, am ehesten in die Nähe von E. prunuloides, das aber einen völlig anderen Habitus hat.


    Hut um 1.5cm im Durchmesser, deutlich hygrophan. Stiel silbrig überfasert. Geruch schwach, etwas säuerlich.

    Habitat: Recht magere Alpweide, in der Nähe nur einzelne Lärchen.


    Sporen mehrheitlich isodiametrisch und recht klein, meistens < 9 µm.


    Die Frage nach Zystiden kann ich nicht eindeutig beantworten. Es gab hier und da solche schlanken, aber auffälligen Zellen, die die Basidiolen deutlich überragten.


    Hier noch so eine.


    Schnallen konnte ich ohne grosse Mühe finden.


    HDS: Eine Kutis


    Hat da jemand irgendeine Idee?



    Viele Grüsse

    Raphael

    • Offizieller Beitrag

    Morgen, Raphael!


    Dein erster Schleierling könnte doch zu den Multiformes gehören?

    Vermutilch nicht ganz einfach, da zu einer Bestimmung zu kommen, aber man kann es durchaus >hiermit< versuchen.

    Der zweite sieht schick aus, spannend, aber die kann ich nicht einschätzen. Mit Cortinarius varius hat das aber nichts zu tun. Der verhält sich doch in mehreren Punkten ganz anders als varius, aber was es nun ist...?



    LG; Pablo.

  • Dein erster Schleierling könnte doch zu den Multiformes gehören?

    Vermutilch nicht ganz einfach, da zu einer Bestimmung zu kommen, aber man kann es durchaus >hiermit< versuchen.

    Hallo Pablo


    Habe mir mal den Schlüssel in dem Paper vorgenommen, da kommt man ohne Alternative zu C. caesiolamellatus.

    Der kann er aber eigentlich nicht sein, da gibt es makro- und mikroskopisch zu viele Abweichungen.

    Mal schauen, ob Cortinarius oder sonstwer noch eine Idee hat.


    Gruss Raphael

  • Hallo Raphael, Hallo Pablo,

    also für mich passt die Nr 1. schon zu C.glaucopus
    Kleine, dichtwarzige Sporen , eingewachsen fasrige Huthaut, etwas metallisch glänzender Stiel, schwach gerandete Knolle.
    Das Biotop sollte ein Nadelwald ( Fichte) auf +/- Kalk sein

    Wie war den die Lamellenfarbe des jüngsten Exemplars , da sollte noch ein deutlicher Blauschimmer zu sehen sein ?

    Wenn ja, wäre ich mir mit C.glaucopus recht sicher


    Die Nr 2. ist kein C.saginus ,da fehlt der "Geschmückte Stiel" , Saginus hat deutliche Velumgürtel am Stiel und wächst im sauren Nadelwald
    Die Sporen wären auch zu gross

    Eigentlich passt sehr viel zu C. patibilis , ausser der KOH Reaktion im Fleisch
    Diese sollte bei C.patibilis mit schwacher Kalilauge ( 3-5%) sehr deutlich gelb-orange ausfallen.
    Wenn du noch eine hast , verdünne die Lauge mal deutlich und teste nochmal
    An berührten Stellen sollte die Art recht deutlich braunfleckig werden.
    ANsonsten wäre das sicher ein interessanter Kandidat für eine Sequenzierung


    Vielleicht schaut Mykollege_Günter noch rein und hat eine bessere Idee


    beste Grüße

    Uwe

  • Hallo Uwe,


    Zu 1: Kann denn C. glaucopus so einen kräftigen Geruch haben? Der störte mich richtig, als die Pilze beim Bestimmen neben mir lagen.

    Der Blauschimmer war da aber sehr undeutlich, man konnte es nur an dem einen Exemplare erahnen.

    Habitat würde stimmen (Fichten, Kalk). Hier noch ein paar weitere Fotos:





    Zu 2: Da habe ich mit 3% KOH getestet, war alles negativ (blassbraun).

    Eine Verfärbung beim Berühren gab es nicht, habe sogar am Stiel gerieben um das zu testen.

    Hier auch noch zwei Bilder.




    Gruss Raphael

  • Hallo Raphael,

    zu Nr1. fällt mir wirklich nichts anderes ein, die Lamellen sind auf jeden Fall blau-violett wenn du ganz junge Pilze gehabt hättest, auch das passt zu C.glaucopus
    Eventuell gibt es im Dunstkreis von C.glaucopus ja noch weitere Arten die bisher nicht wirklich erkannt sind
    Im Atlas de cortinaire sind auch noch Arten im beschrieben , die Glaucopus sehr nahe kommen.
    In wieweit diese allerdings genetisch trennbar wäre, ist mir nicht bekannt.


    Bei Nr 2. sieht man auf den Bildern jetzt, dass die Pilze ja richtig filzig behaart sind am Hut , wie am Stiel
    Das ist schon speziell, damit ist C.patibilis natürlich raus
    So filzig ist z.B. C.balteatoalbus , dafür sind die Sporen aber deutlich zu gross

    Alles sehr spannend.

    Hast du Exsikkate dazu ?

    Wenn ja, hätte ich zumindest an Nr.2 Interesse und würde die eventuell mal, am Ende der Saison, sequenzieren lassen

    Schreib mir eine Mitteilung wenn du interessiert bist, ich kann dir auch eine Schweizer Adresse für den Versand angeben.

    Gruss

    Uwe

  • Hallo,


    ich würde den ersten auch zumindest in die nahe glaucopus-Verwandtschaft stellen. Die eingewachsen-faserigen Hüte, der metallische Schimmer am Stiel und die Blautöne von Stiel und Lamellen und noch dazu die kleinen Sporen lassen da m.E. keine Alternative.


    Den zweiten hätte ich optisch zunächst als balteatoalbus angesprochen, eventuell auch als C. crassus (dann müsste er Zystiden haben). Vielleicht gibt es ja auch einen crassus ohne Zystiden? Ich w+rde jedenfalls nochmal mit KOH im Fleisch testen, ob da wirklich kein Fleck mit gelber Umrandung entsteht.


    beste Grüße,

    Andreas

  • Hallo Uwe


    Danke für die Bemühungen!

    Im Moment wohnen die noch im Kühlschrank, für den Fall dass es noch Untersuchungen an Frischmaterial braucht.

    Gibt es makrochemische Tests, die ich sinnvollerweise jetzt für alle Fälle noch machen könnte?

    Ich mache morgen dann Eksikkate und kann dir gerne etwas davon schicken. Kannst mir eine PN mit deiner Adresse schicken.


    Gruss Raphael

  • Sorry für den späten Einsatz.

    Also erstens sollte man mit konzentrierter KOH testen. Trotzdem sieht man auf einem Foto eine leicht gelbe Reaktion auf der Stieloberfläche. Ich denke, es handelt sich im ein Vertreter der Phlegmacioides (Variecolores).

    Mit diesen großen Sporen und der filzigen Hutoberfläche kommen da nur noch ca 5 Taxa infrage: variecolor, balteatus, durus, clarobaltoides var. longispermus und pseudonaevosus.

    Vom Habitus und der Hutoberfläche her und der möglicherweise doch schwachen KOH-Reaktion tendiere ich zu C. balteatus.

    schöne Grüße in die Runde

    Günter

  • Hallo zusammen


    Vielen Dank für die ausführlichen Rückmeldungen!

    Hat etwas gedauert bis ich mich wieder melde, diese Woche war der Job sehr stressig.


    Der erste war keine Bilderbuch-Kollektion, deshalb verfolge ich das nicht weiter und lasse es bei Cortinarius cf. glaucopus.


    Beim zweiten habe nochmal ein wenig im AdC gestöbert. Meine Schlüsselversuche endeten bei C. maculatipes, was ein Synonym zu C. pseudonaevosus ist.

    Ich habe dann hier eine recht gute Darstellung dieser Art gefunden: (PDF) Some interesting and little known Cortinarius species found at the 37th J.E.C. congress at Brennabu, Valdres, Norway, in 2019


    Das passt vieles recht gut, aber eben nicht alles. Der Habitus passt eben schon besser zu C. balteatus.

    Hinzu kommt diese weisse, abgesetzte Stielspitze. Ich weiss nicht ob das ein halbwegs zuverlässiges Merkmal ist.

    Aber diese Stielspitze sehe ich auf vielen Bildern von C. balteatus, auf den wenigen Bildern von C. pseudonaevosus nicht.


    Fazit: Ich lege es als Cortinarius cf. balteatus ab.


    Lg, Raphael

  • Hallo zusammen


    Drei Jahre später... Die Sequenz von Nr. 1 würde für Cortinarius subrubrovelatus sprechen (Match mit Typus 99.54%).

    C. glaucopus ist allerdings sehr nahe. Beim Liimatainen et al. 2014 werden aber einige Unterschiede aufgeführt, die alle für subrubrovelatus sprechen.


    LG Raphael

  • Servus Raphael,


    ich hab mittlerweile schon etliche Glaucopodes mit Sequenz, die zu C. glaucopus s.str., subfoetens oder subrubrovelatus gehören. Ich kann bislang immer noch keine verlässlichen morphologischen Trennmerkmale erkennen. Die in Liimatainen et. al. (2014) postulierten halte ich für Wunschdenken. Vielleicht wird's ja noch - oder man synonymisiert irgendwann doch.


    Grüße

    Hias

  • Hallo Hias


    Ja, ich finde sowohl die genetischen als auch morphologischen Unterschiede extrem dürftig.

    Auch Liimatainen et al. schreiben, dass die genetische Abweichung sehr klein ist.

    In dem Paper wird auch nicht wirklich klar, aus wie vielen Kollektionen sie ihre morphologischen Unterschiede ableiten und wie konstant diese sind.


    So gesehen spricht nichts dagegen, einfach Cortinarius glaucopus agg. dranzuschreiben.


    LG Raphael