R. carpini? - mikroskopische Übungen

Es gibt 12 Antworten in diesem Thema, welches 3.733 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Oehrling.

  • Hallo zusammen,


    ich habe gestern (15.09.2021) einen Täubling auf dem gegenüberliegenden Spielplatz gefunden. Der ist mir zwar schon länger bekannt, aber er fruktizierte mal wieder. Ich habe einen sehr alten und später mehrere junge Frk mitgenommen. Ich war erst verwirrt, weil sie so unglaublich verschieden aussehen. Aufgefallen ist mir ziemlich schnell ihr Geruch, den ich sicher als Apfelmus/-kompott interpretiert habe. Da die Lamellen sehr dunkel sind, habe ich in mit einer vermuteten Spp-Farbe von mindestens III bei MM geschlüsselt und kam auf R. versatilis. R. carpini könnte es auch sein, aber dagegen spricht der Geruch und fehlendes gilben sowie schwärzen. Die Sporenpulverfarbe wird hoffentlich Klarheit bringen.


    Das soll aber nicht primär ein Bestimmungspost sein. Ich erhoffe mir hier, von euch Tipps zum Mikroskopieren zu bekommen - besonders zum Mikroskopieren der HDS. Ich stelle euch erst den Pilz vor und dann meine Ergebnisse des Mikroskopierens. Achtung! Viele Bilder :S


    Russula versatilis?

    Baumpartner: Hainbuche, ausschließlich

    Hut: 4-5 (7)cm, entweder gelblich-grün mit roten flecken oder außen rot bis rotgrau/lehmgrau mit gelblicher Mitte, nicht gerieft, Hh zu max. 1/3 abziehbar

    Lamellen: brüchig, und ziemlich gelb, IIIc (Farbe der Lamellen)

    Stiel: 2-3 (4)cm, durchwurmt; also ist unklar, ob der Stiel gekammert war


    Geschmack: mild, vielleicht nussig?

    Geruch: Apfelmus, süßlich


    Sporenpulver: steht noch aus


    FeSO4: gar nicht bis leicht rosa

    Guajak: St (+++) binnen 10 Sekunden, Lamellen etwas schwächer aber wohl auch (+++)

    Phenol: weinrot bis braunrot

    KOH: negativ

    Anilin: braun/rosa

    Sulfovanilin: rot -> lila


    Bild A. der ältere Frk, den ich zur Mittagszeit gefunden habe und auch erst mikroskopiert habe

    B, C & D. die jüngeren Frk, die ich am Abend fand


    Jetzt zu den Mikrofotos. Ich habe die HDS in Wasser, Kongorot (KR), Sulfovanilin (SV) und Karbolfuchsin mikroskopiert.


    Bilder 1 & 2. Im Wasser habe ich folgende braune Strukturen gesehen (alter Frk):

    3 & 4. ähnliche Strukturen habe ich auch in SV und KG gesehen:

    Diese Strukturen, die ich leider später nicht mehr wieder fand, sowohl an dem alten Frk als auch an den jüngeren, würde ich als Pileozystidien interpretieren, besonders, weil sie sich in SV angefärbt haben.


    5 & 6. Des weiteren habe ich keulenförmige und blasenförmige Strukturen gefunden:

    7, 8 & 9.

    Sind das Haare? Gehören die blasigen Zellen zu den keulenförmigen Strukturen?


    10. Unter Karbolfuchsin hat sich nichts spannendes gezeigt:

    Somit kann ich inkrustierte Primoridalhyphen ausschließen.


    11. und zum Schluss habe ich noch sowas in der Huthaut gefunden. Ich bin echt überfragt, da ich vier Strukturen ausmachen würde. Die blasenförmigen, die keulenförmigen, die Pileozystidien? und folgende:


    12. Bei den jüngeren Fruchtkörpern konnte ich folgendes noch finden. Pileozystiden nehme ich an. (Mitte links, Zelle mit Innenleben)


    13. Die Lamelle habe ich auch mikroskopiert. Das sollten Cheilozystidien in SV sein, da bin ich mir sicher



    So das sind meine Ergebnisse. Ich habe versucht sie zuzuordnen und zu interpretieren, aber weit gekommen bin ich nicht. Ob es jetzt R. versatilis ist, ist zweitrangig. Ich würde mich über Interpretationen der Strukturen freuen und Tipps, was ich anders machen sollte. Noch sind die Frk frisch, also ich werde sie gut untersuchen können; sie werden heute Abend zu Exsikkaten. Sporenpulverfarbe und Bilder zu den Sporen kommen später.


    LG Oliver

  • Hallo Oliver,


    ich würde hier den Hainbuchentäubling (Russula carpini) vermuten und mich mithilfe geeigneter Literatur nochmals mit dessen Merkmalen vertraut machen. Dass R. carpini auffallend gilbt oder schwärzt, habe ich z. B. noch nie gehört.


    Beim Mikroskopieren sind die Betrachtung der Huthaut in Kongorot sowie die Betrachtung der Sporengröße und des Sporenornament in Melzers Reagenz das Maßgebliche.

    Von der Huthaut muss man mit einer Pinzette ein möglichst dünnes, optimalerweise leicht transparentes Stück abziehen, an dem kein Hutfleisch mehr klebt (diese ballon-/blasenförmigen Zellen sind Hutfleisch!), dieses von beiden Seiten in Kongorot einfärben und - ganz wichtig! - mit der Oberseite nach oben auf dem Objektträger platzieren. Dann gibt man einen Tropfen Leitungswasser darauf und legt das Deckgläschen drauf.

    Die dünneren, schmaleren Hyphen sind die Haare, da kommt es vor allem auf die Haarenden an, die bei R. versatilis verjüngt, bei R. carpini dagegen regelrecht zugespitzt und nicht bloß verjüngt sein sollten. Beide Arten dagegen haben mehrfach bis vielfach septierte Dermatozystiden (das sind die größeren, dickeren, etwas stärker grauen Huthautelemente), das taugt also nicht gut als Unterscheidungmerkmal. Haarenden und Dermatozystiden sieht man meist besonders gut am Rand des Huthautstückes. Wenn man will, kann man diesen Bereich vergrößern, indem man das Huthautstück mit 2 Präpariernadeln in mehrere Teile zerreißt.

    Die Sporen von R. versatilis sind relativ feinwarzig, die von R. carpini dagegen grobwarzig ornamentiert. Man gibt einen Tropfen Melzers auf einen Objektträger, nimmt sich vom Sporenabwurf etwas weg und verrührt dies mit der Präpariernadel mit dem Melzers, danach gibt man das Deckgläschen drauf. Am Mikroskop muss man volle Lichtstärke geben, also die Blende komplett öffnen. Das Ornament wird unter dem 100er-Ölimmersionsobjektiv untersucht, indem man an der Feinschärfenregelung hin- und herdreht.


    Makroskopisch ist die Unterscheidung etwas leichter: das Sporenpulver von R. versatilis ist ockergelb, das von R. carpini dagegen dottergelb, also mehr orangegelb. R. versatilis gilbt im Alter ziemlich stark, R. carpini dagegen nicht bzw. kaum auffallend.


    Die bei deiner Kollektion auftretenden Hutfarben spiegeln sehr gut die Bandbreite von R. carpini wieder, d. h. das kann trotz stark unterschiedlicher Hutfarben alles die gleiche Art sein.


    FG

    Oehrling

    PSVs dürfen weder über I-Net noch übers Telefon Pilze zum Essen freigeben - da musst du schon mit deinem Pilz zum lokalen PSV!

    6 Mal editiert, zuletzt von Oehrling ()

  • Nachtrag:

    Da ich immernoch voller Fragen bin, habe ich heute weiter mikroskopiert - nämlich an einem jüngeren Frk. Ich bin mir sicher, Pileozystiden gefunden zu haben. Also in SV schwarzgraue Strukturen. Sie ähneln den Strukturen in Bild 4.

    Sie scheinen sehr dünn zu sein und sind teilweise gebändert.


    Die blasenförmigen und keulenförmigen Strukturen bereiten mir weiterhin Sorge. Sie scheinen einen "gepunkteten" Inhalt zu haben.

    Die würde ich als Epikutishaare einschätzen. Alle Strukturen waren nicht septiert.

    Mit meinen Interpretationen der Strukturen fällt R. vesatilis weg, aber wer weiß, ob ich richtig liege.


    LG Oliver

  • Hallo Oehrling

    ich scheine wohl Strukturen zu interpretieren, die nicht von Interesse sind. Das ist aber auch verwirrend unterm Mikroskop. Ich hab mir die Pileozystidien von R. carpini angesehen und die haben teils abgeschnürte Enden - das konnte ich auch beobachten! Nur fotografiert habe ich das wohl nicht. Das Mikroskopieren ist echt schwer, aufgeben werde ich aber nicht!


    LG Oliver

  • EDIT

    ahh, da habe ich zu lange rumgedackelt...


    Ich würde mich über Interpretationen der Strukturen freuen und Tipps, was ich anders machen sollte.

    Hallo Oliver,


    versuche mal die abgezogene Huthaut so gut wie möglich von Tramaresten abzuschaben um diese grossen blasenartigen/kugligen Gebilde loszuwerden. Die Transparenz vom max 1mm² Präparat wird dadurch bestimmt besser. Diese keuligen und septierten Zystiden ja das sind Dermato- bzw. hier Pileozystiden. Gut wäre eine Vergrösserung von 400.


    Deine Vorschläge R. carpini oder R. versatilis kommen schon in die engere Wahl, das ist jetzt die Aufgabe vom Mikroskopieren, was sollte ich sehen damit ich zu einem Namen komme. Ohne Sporenpulverangabe ist so eine Entscheidungsgruppe manchmal sehr gross. Bei deinen Mikros erahne ich sehr hohe Stacheln der Sporen, aber auch das trifft bei beiden zu, wobei ich nach der guten Mikroaufnahme Nr5 und den grünen Hutfarben eher zu R. carpini tendiere. Siehe Bild, aber die müsste man in Kongo nochmals mehrfach nachweisen um da sicher zu sein. Das schmal auslaufende Endglied der Zystide sieht wie verhungert oder das Ganze wie eine Spritze aus. Nur meine Vermutung.


    Bild Nr5 verändert


    LG

    claus

  • Hallo Claus,


    so langsam verstehe ich, wie so eine Pileozystidie aussieht. Ich hab mich auch so langsam gefragt, ob die blasenförmigen Zellen (ich nehme mal an, dass sind Sphaerozysten) vom Trama stammen. Gut, dann weiß ich jetzt bescheid. Danke!

    Ich habe in Wasser paar mehr dieser keulenförmigen Strukturen, also Pileozystiden, gefunden, ich werde mit den Bildern aber noch warten :S

    Die werfen sehr wenig Sporen ab. Zum Mikroskopieren wird es wohl reichen (vermessen kann ich eh noch nicht), aber zum Beurteilen der Farbe ist es zu wenig. Ich habe jetzt alle Frk auf Papier ausgelegt. Daumen sind gedrückt.


    LG Oliver

  • Das Sporenpulver wird direkt vom Hut auf den Objektträger oder eine andere glatte, zweckmäßigerweise weiße Fläche ausfallen gelassen. Nach dem Ausfallen wird das Pulver mit einer Rasierklinge o. ä. zu einem Häufchen zusammengeschoben. Man wundert sich manchmal, wieviel Sporenpulver man auf diese Weise erhält. Auch wenn der Abwurf schwach ist, kommt so genug Pulver zusammen, dass man die Farbe beurteilen kann.

    FG

    Oehrling

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  • Hallo Oehrling,


    ja so habe ich das auch bei den anderen Täublingen immer gemacht und da kam auch viel bei rum, nur der will irgendwie nicht.

    Ich gebe denen noch diese Nacht :S

    Die Sporen sind übrigens eher oval bis eiförmig als rund. Sie sind eigentlich gar nicht komplett rund - natürlich mit dem Apiculus zur Seite liegend beurteilt. Die Ornamente sind nicht verbunden und ich würde sie nicht als kurz einschätzen, aber das muss nichts heißen.

    Hier noch Bilder von Pileozystiden in Wasser. Das müssen jetzt aber welche sein. ^^




    Die haben die charakteristische Form und scheinen nicht leer. Wie nennt man das Innenleben überhaupt? Also die "Sandkörner" in den Pileozystiden.


    LG Oliver

    Danke für eure Geduld mit mir. :S

  • Oliver

    Hat den Titel des Themas von „R. versatilis? - mikroskopische Übungen“ zu „R. caprini? - mikroskopische Übungen“ geändert.
  • Das Innere der Pileozystiden besteht nicht aus Feststoffen (du nennst das "Sandkörner"), sondern aus einer gelartigen Masse. Diese füllt bei manchen Arten die ganze Zystide aus, bei anderen Arten nur unvollständig, und es gibt auch Arten, bei denen kaum Gelmasse in den Pileozystiden ist. Das ist ein wichtiges Bestimmungsmerkmal. Diese Gelmasse lässt sich mit Sulfovanillin anfärben und wird dann blaugrau bis blauschwarz.

    Dein erstes der drei Fotos in Beitrag Nr. 8 zeigt eindeutig ein Knäuel aus Haaren und Pileozystiden. Da es ein Knäuel ist, ist es schwer interpretierbar. Es lassen sich mit viel gutem Willen Haare mit zugespitzten Enden erahnen. Du müsstest im Präparat gezielt nach den wenigen Stellen suchen, wo beides (Haare und PZY) nebeneinander sichtbar ist, nur solche Stellen taugen für die Bestimmung etwas. Die beiden anderen Fotos sind absolut nicht interpretierbar, im Bild schwimmen Bruchstücke und Abschnitte munter durcheinander.

    FG

    Oehrling

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  • Hallo Oehrling,


    ich meinte per se gar nicht Festkörper, sondern Punkte, die man sieht und auch in den Zeichnungen. Gut, wenigstens habe ich Pileozystiden gefunden - war viel schwieriger als gedacht.

    Ich werde das Sporenpulver abwarten und den Pilz als R. cf. carpini ablegen, ich kann den (unterm Mikroskop) nicht mehr sehen ^^

    Vielleicht werde ich das Exsikkat irgendwann nochmal untersuchen und dann auch vermessen.

    Mir macht das Mikroskopieren trotzdem Spaß und ich hoffe, ich werde bald solche Strukturen sicher feststellen können.

    Ihr habt mir aber gut mit den Anfängen geholfen und ich hab jetzt wenigstens eine abstrakte Idee, nach was ich suchen muss. Danke!


    LG Oliver

  • Oliver

    Hat den Titel des Themas von „R. caprini? - mikroskopische Übungen“ zu „R. carpini? - mikroskopische Übungen“ geändert.
  • Hallo Oliver,


    die Sporen von Russula carpini sind sehenswert. Ich drück' dir die Daumen für den Abwurf, ansonsten würde ich ein winziges Stück Lamelle quetschen und natürlich in Melzers-Reagenz mikroskopieren. Sie haben ziemlich lange (ca. 1-1,5 Mikrometer), isolierte, dünne Stacheln. Beim Quetschen können sie sogar abbrechen, daher wäre der Abwurf ideal und der Lamellenmethode vorzuziehen.


    Leider hab ich nur ein altes Bild (Handykamera):
    R.carpini x1000[Öl] MELZER


    LG Thiemo

    Bestimmungen anhand von Fotos sind immer unter Vorbehalt und mit Restrisiko!

    Sichere Freigabe zum Verzehr können nur Pilzsachverständige vor Ort geben!

  • Hallo Thiemo,


    die Sporen habe ich mir schon angeguckt, für das Mikroskop hat es gereicht, aber es war so wenig, dass es von IIIa bis IVe alles gewesen sein könnte. Hab mehrere Frk ausgelegt, damit ich was zusammenbekomme.

    Handyfoto, also naja, nicht gerade sehr gut, aber wie schon oben gesagt, die sind isoliert und nicht rund, sondern eher oval/eiförmig. Natürlich nur bei denen beurteilt, bei denem der Apiculus seitlich zu sehen war.


    Die Farbe des Sporenpulvers soll es final entscheiden und für weiteres üben, werde ich mir andere Pilze (Täublinge) angucken.


    LG Oliver

  • Hallo Oliver,

    den Heini findest du bestimmt nochmal, der ist ja nicht selten - vielleicht sogar an der gleichen Stelle. Und mit dem jetzt erworbenen Vorwissen kannst du ganz anders an die Bestimmung rangehen.

    FG

    Oehrling

    PSVs dürfen weder über I-Net noch übers Telefon Pilze zum Essen freigeben - da musst du schon mit deinem Pilz zum lokalen PSV!