Wiesenwahnsinn mit Lamellen

Es gibt 18 Antworten in diesem Thema, welches 7.868 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Sennepilz.

  • Servus liebe Schwammerlnarrische, falls ihr derzeit überhaupt noch ins Forum schaut, man muss ja schließlich raus…

    Leider habe ich in den letzten Wochen arbeitsbedingt keine Zeit gehabt ernsthaft einen Wald aufzusuchen, trotzdem ist natürlich der Drang zu schwammern da und so schleich ich mich halt in der Mittagspause auf der Wiese ums Gebäude rum. Am Geländerand stehen Kiefern, einzelne Eichen und Buchen, die auch für Schatten sorgen, sodass die Wiese erstaunlicherweise gar nicht so trocken ist. Sie wird regelmäßig gemäht aber eher nicht gedüngt und besteht vermutlich seit der Bauzeit in den 90er Jahren so. Insgeheim habe ich schon lange gehofft da könnten sich mal ein paar Saftlinge oder dergleichen zeigen- aber was mich dort letzte Woche erwartete, hat mich schier aus den Latschen gekippt. In einem ca 10x20m großen Areal war alles voll davon. Bestimmt teilweise 20 Saftlinge pro Quadratmeter. Die Wiese war gelb wie sonst im Sommer mit Muichschegln (Löwenzahn) ==Gnolm16! Gigantisch. Natürlich musste ich mir das gleich aus der Nähe anschauen- vermutlich habe ich nun in der Arbeit meinen Ruf weg (ich hör sie schon "der Ingo sammelt bestimmt Drogenpilze!!!"). Naja mir ists wurscht, ich bin immer noch total geflashed (Mist, falsches Wort...nur vom Anblick natürlich!!). Zu meiner Verteidigung muss ich sagen dass ich noch nie einen Saftling gefunden habe und damit so gut wie alles für mich Erstfunde sind.

    Innerhalb einer Woche etwa war der Spuk dann auch wieder vorbei (ich war fortan jeden Arbeitstag dort) und schliesslich wurde gestern auch wieder gemäht sodass der Rest jetzt auch geschnipselt ist.

    Saftlinge habe ich wohl wissend dass es da Unmengen verschiedene Arten gibt nicht ernsthaft versucht zu bestimmen, also auch nicht zum mikroskopieren mitgenommen. Falls ich mir das irgendwann mal zutraue werde ich das nachholen. Trotzdem freue ich mich natürlich falls doch jemand makroskopisch eine Idee hat oder meine widerlegen kann.

    Ansonsten habe ich gehofft dass es mir mit den Erdzüngelchen und Würmchen etwas leichter fallen könnte. Leider bekam ich da eine volle Klatsche, denn alles was ich makroskopisch als relativ sicher angesehen hab, passte mikroskopisch garn nicht. Naja so ist das, aber dafür freue ich mich auf eine Diskussion hier, vielleicht ging es ja jemandem von euch schon ähnlich.
    Nun denn, kommt mit auf die Wiese hinter dem Raucherhäusl, wir gehen Richtung Rückseite der Kantine :P


    Los gehts mit einem Saftling den ich mir zutraue, dem schwärzenden Saftling (Hygrocybe conica) (1)




    daneben gab es einige deutlich kleinere Saftilinge, mehr ins Gelborange gefärbt, mit sehr schleimigem Hut und Stiel und am Hutansatz grünlicher Färbung, ich fand nur Gloiophorus psittacinus (2a) mit diesen grünen Farben, was mich allerdings störte war die grazile Gestalt





    im Laufe der Woche dunkelten die Hüte nach und auch das Grün kam besser durch:



    ein paar Meter weiter fand ich dann diese Kawentzmänner, die den Abbildungen des Papageien die ich kenne besser entsprechen, aber vielleicht sind die oberen ja auch in der Variationsbreite (2b)



    Dann gab es noch kleine Gelbe mit schleimigem Hut aber nicht so schleimigem Stiel wie die im obigen Beitrag. Glatt und vieicht leicht glitschig, aber nicht fädenziehend schleimig. Damit sollte es H. glutinipes eher nicht sein, vielleicht eher insipida? Aber da Erstfund wage ich mich in der Schleimigkeitsbeurteilung mal nicht zu weit aus dem Fenster. Und vermutlich gibt es mit dem Aussehen zig Arten (3)




    Ein paar Meter weiter getrennt durch unzählige schwärzende Saftlinge standen die hier. Da war der Stiel richtig schleimig, dafür der Hut nicht so. (Könnte das H. glutinipes sein?) (4)



    So denn auch mal was nicht Saftliges:


    der Jungfernellerling, Cuphophyllus virgnieus, auch in ausreichender Zahl vorhanden:



    Schwarze Rötlinge mit geschwärzten und gesägten Schneiden, Hut fein beschuppt, etwas genabelt, evtl Entolomma serrulatum s.l. ?




    Daneben gabs Körnchenschirmlinge, zu denen sag ich nix, Anfang der Woche waren sie rotbraun, dann nach ein paar Tagen amiantbraunt, nun sind sie sofabeige. Sonderlich gerochen haben sie nicht.


    Lacktrichterlinge, möglicherweise zweifarbige (Lacc. bicolor)



    Außerdem ein paar Telamonien vermutlich aus dem C. hinnuleus Agg.?



    Weiterhin wunderschöne rote Täublinge (mit denen ich mich auch nicht auskenne), so nach kurzer Übersicht, könnte es einer von den "blutigen" (R. sanguineae Agg.) sein. Auf Kosten hatte ich keine Lust, zu nah am Raucherhüttl, man muss es ja nicht übertreiben.



    Die Kiefernwurzeln gehen offensichtlich auch weit unter die Wiese, der Reizker war allerdings befallen, evtl Hyphomyces? steinhart war er aber nicht.




    So damits nicht zu viel wird, mach ich hier mal ne Pause, die nicht lamellierten Pilze aka Keulen gibts dann im 2. Beitrag.

    Ich hoff es hat euch gefallen, schaut bei euch auch mal hinters Haus.. aber Schuhe fest schnüren..

    habe die Ehre, ich freu mich über eure Kommentare,

    Ingo

  • Hallo Ingo!


    Launig geschrieben, Deine Situation in der Firma und ich kann das total nachvollziehen, aber: ist der Ruf erst ruiniert… ab jetzt hast Du es leichter, wenn Du mal wieder über die Wiese krabbelst, und die Kollegen kommen mit den lustigsten Pilzen zu Dir, die sie irgendwo gefunden haben.

    (Einer unserer GFs hat meine Pilz- und Wald-Aktivitäten auf FB entdeckt und hat darüber zu anderen schon abfällige Bemerkungen gemacht, da muss man drüber stehen.)


    Nun aber zu Deinen Pilzen: Das ist eine tolle Wiese hinterm Raucherhäusel, wenn Du die im Blick behältst, findest Du bestimmt auch noch weitere tolle Sachen, bis es den Kleinen zu kalt wird.


    Lass uns weiter daran teilhaben. :)

  • Hallo Ogni, eine ganz wunderbare Saftlingswiese hast du da! Der vor dem Papageiensaftling könnte der Zähe Saftling sein.

    Lieben Gruß


    Claudia


    ...leben und leben lassen... ;)


    Hier im Forum gibt es grundsätzlich keine Verzehrfreigaben.

    Pilzsachverständige findest du hier.

  • Hallo Tuppie, ja da muss man drüber stehen, hilft ja nix und vieleicht hast du ja recht und es kommt mal jemand und zeigt bringt mir ein paar Sachen mit oder erzählt mir von neuen Pfründen!


    Wutzi, danke für den Tip, der Zähe Säftl kommt optisch schon ganz nahe, aber was auf den Fotos vieleicht nicht so gut rauskommt- die hatten tatsächlich an der Stielspitze bzw am Lamellenansatz eine Spur grün. Kann der das auch haben?


    Schönen Abend euch,

    Ingo

  • Das Grün kann er gut haben, Ingo

    Schöne Wiese!


    LG Rudi

    aktuell vor dem APR21: 8 Punkte... Eintritt: 8-5= 3 Punkte - inzwischen durch Stummmalus 3-5= -2 Punkte

    Platz12 : +4P, Segmentwette: +4P, Pltzierungswette: +10P= 16 Chips

    wp.markones.de

  • die hatten tatsächlich an der Stielspitze bzw am Lamellenansatz eine Spur grün. Kann der das auch haben?


    Schönen Abend euch,

    Ingo

    das kann er gut:)

    Lieben Gruß


    Claudia


    ...leben und leben lassen... ;)


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  • Hallo zusammen,


    eine schöne Wiese mit vielen schönen Arten, aber ein Zäher Saftling (Hygrocybe laeta) ist nicht dabei, die Fotos 5 bis 11 zeigen ausnahmslos den Papageien-Saftling (Hygrocybe psittacina).


    Foto 12 - 14 ist vom Gesamteindruck und mit trockenem Stiel eindeutig Hygrocybe ceracea.


    Foto 15 ist Hygrocybe insipida. Diese Art hat zwar häufig einen rötlichen Stiel (zumindest im oberen Bereich bzw. direkt unter dem Hut), aber man findet nicht selten auch Exemplare bzw. Kollektionen mit rein gelben Stielen (wie hier). Bei Hygrocybe glutinipes wären bei so jungen Fruchtkörpern auch die Hüte mit einer starken Schleimschicht überzogen


    Foto 17 + 18 wie von Dir vermutet: Entoloma serrulatum


    LG Ingo

  • Hallo Ingo,


    zur Ergänzung: Deine "schmächtigen" Papageien-Saftlinge erinnern zwar von den Farben an Hygrocybe laeta, ein Blick auf die Unterseite der Hüte genügt aber, um H. laeta auszuschließen. Hygrocybe laeta hat sichelförmige und kurz bis weit am Stiel herablaufende Lamellen. Bei Hygrocybe psittacina sind die Lamellen dagegen abgerundet (bogig) und meist erst deutlich oberhalb des Bogens am Stiel angewachsen (mit Zahn). Außerdem hat Hygrocybe laeta eine gelatinöse Lamellenschneide, ist eine solche auch mit Lupe nicht zu erkennen, kann ein Fund nicht H. laeta sein.


    Kleine, schmächtige und mit nur wenig bzw. schnell vergänglichem Grün ausgestattete Papageien-Saftlinge sind typisch für sehr hagere, eher basenarme und schon leicht versauerte Böden. Bei mir sind das vor allem die Sandböden der Senne, alle dort zu findenden Papageien-Saftlinge sind nur ganz jung ein wenig grün und sehen ansonsten so aus wie auf dem folgenden Foto bzw. so wie die von Dir gefundenen Exemplare.


    Hygrocybe psittacina aus der Senne



    LG Ingo

  • Hallo Ingo, danke für deine sehr detaillierten Ausführungen, zu meiner großen Schande sehe ich dass ich nach deinem ersten Beitrag übersehen habe dass du dich im Nachtrag sogar zu allen Pilzen nochmal geäußert hast. Es tut mir leid, dass ich erst so spät darauf reagiere. Ich wollte mich noch mal hinsetzen und zu den Saftlingen nachlesen habe es aber leider noch nicht geschafft. Ich wollte auch doch nochmal das Mikroskop anwerfen um vieleicht etwas mehr Infos zu liefern, aber auch das habe ich nicht geschafft bisher.

    Ich möchte dennoch soweit ich das ohne tiefergehendes Studium beurteilen kann kurz darauf eingehen


    Zu H. psittacina: hier habe ich viel gelernt und nun auch einige Bilder von H. laeta angesehen auf denen die grüne Stielspitze und aber auch herablaufende Lamellen gut zu sehen sind. Das wird sicherlich hängenbleiben. Die von dir beschriebene Ökologie passt zu den hageren Burschen denn die Wiese steht auf vielleicht 1-2cm Erde, dann kommt Sand. Sie liegt schliesselich in Mitten der typischen mittelfränkischen Kiefernsandwüste (sog. mittelfränkische Sandachse), etwa 4m vom Standort steht eine freistehende einzelne Kiefer auf der Wiese.


    cf H. ceracea: diesen Arbeitsnahmen hatten die Bilder bei mir im Ordner, ich hatte ihn aber wieder verworfen da die Abbildung im Lassoe mir etwas kräftigere, wächserne FK zu zeigen schien. Mit der Abbildung im Tintling stimmem sie von Farbe und Lamellenansatz sehr gut überein. Ich denke diese gelben Saftinge sind schon recht schwierig. Va. für einen Anfänger.


    H. insipida: hier habe ich mich vom Epithet leiten lassen nachdem der Fuß hier mal richtig schleimig war, aber wie du richtig bemerkst Ingo, der Hut war es nicht.


    E. serrulatum fand ich sehr schön mit diesen schwarzen Lamellenschneiden, ein sehr eleganter Pilz. Danke für die Bestätigung!


    Letzte Woche war ich auch nochmal auf der Wiese, die meisten Saftlinge waren verblüht, ausnahmslos alle Keulen waren weg.

    Dafür sind einige sehr kleine rote Saftlinge sowie Eierschalenboviste (Bovista plumbea) erschienen. Fotos werde ich nachliefern, sobald ich zu den roten Saftlingen noch etwas gelesen habe, so lerne ich einfach besser.


    Schönen Abend,

    Ingo

  • So ich kann ja doch nicht schlafen, also doch noch das Update von letzter Woche:


    Neu erschienen:


    diese relativ kleinen roten Saftlinge mit relativ trockenem, mit scheint sogar feinschuppigem Hut. Der Stiel war glatt, aber ebenfalls eher trocken und wurzelholzartig knotig. Die Lamellen etwas gelblicher-rot und ein kleiner gelber Halo um den Hutrand. Nach meiner spärlichen Literatur könnte ich mir Hygrocybe miniata den Mennigroten Saftling vorstellen. H. substrangulata soll wohl eher auf recht feuchten Standorten vorkommen und dazu zählt der Sandboden hier eher nicht.






    Außerdem gabs noch zwei wunderbare etwas größere Saftlinge, die ich Hygrocbe tequila sunrisis nennen möchte.


    Stiel und Hut waren eher trocken sodass ich mir hier aufgrund des zentral roten und peripher gelben Hutes Hygrocybe mucronella vorstellen könnte oder eben eine alte H. insipida.


    Ferner gabs noch einen feinen Rötling, den ich nicht näher untersucht habe, ich hatte mal an einem anderen Standort auf Sandboden einen ähnlichen aber doch mit kräftigerem Habitus der mir als Entoloma sericeum bestimmt wurde. Ob das hier auch in Betracht kommt wage ich nicht zu beurteilen.



    Weiter gabs die hier, da nehme ich am Wochenende vielleicht mal welche mit für einen Sporenabwurf ob das Riss oder Ritter ist. Da scheinen noch einige nachzukommen.


    in jung


    Dann gabs auf einer Hundsflechte (Peltigera spec) wachsend diese wenige Millimeter großen Schirmchen:


    Ob das in Richtung Arrhenia rickenii gehen könnte?


    Und zuguterletzt ein schlüpfender Bovist:


    Bovista plumbea (wörtlich der bleierne Fähenfurz, das ist mal ein deutscher Name) ich las es sei die Typusart, das erstaunt mich, die hatte ich noch nie vorher gesehen.


    Ich hoff es hat euch auch wieder gefallen, ich meine das ist toll was auf dieser kleinen Wiese alles für Pilze wachsen, da muss unter der Oberfläche ein Hyphengewirr sein, Wahnsinn.

    Ich würde mich gerne den ganzen tollen Pilzen noch näher widmen, sie auch mikroskopieren, aber das überfordert mich leider gerade und so bleibt es vorerst bei ein paar farbigen Bildchen und ein paar Spekulationen darüber.


    Viele Grüße Ingo

  • Hallo Ingo,


    bei den kleinen roten Saftlingen wird es sich, wie von Dir vermutet, um Hygrocybe miniata handeln. Die makroskopischen Merkmale in Verbindung mit den Standorteigenschaften lassen meines Erachtens keine andere Art zu. Ein Sporenabwurf würde alle Zweifel beseitigen.


    Bei der „Hygrocybe tequila sunrisis“ wird es nur nach dem Foto schwieriger, aber auch da besteht eine große Wahrscheinlichkeit, dass du mit deiner ersten Vermutung (Hygrocybe mucronella) richtig liegst. Hygrocybe mucronella sollte bitter schmecken, da der bittere Geschmack selten aber auch mal fehlen kann, empfiehlt sich auch hier ein Sporenabwurf (der ist bei H. mucronella mit keiner anderen Art zu verwechseln).


    Der Rötling gehört zur Untergattung Leptonia, mehr kann man im vorliegenden Fall und ohne Mikromerkmale kaum dazu sagen. Es könnte was aus dem Entoloma corvinum-Umfeld sein (siehe hierzu Ein Rötling aus dem corvinum/serrulatum-Komplex ). Entoloma sericeum (eine sehr häufige Art aus der Untergattung Nolanea) sieht für mein Empfinden ganz anders aus und ist hier nicht in Betracht zu ziehen.


    Die kräftigen Fruchtkörper im weiteren Verlauf deiner Fotostrecke (eine Nummerierung deiner Fotos wäre hilfreich) sind wohl irgendwelche Erdritterlinge, mit denen kenne ich mich aber nicht aus.


    Den nächsten kenne ich besser, denn wenn die kleinen braunen Schirmchen da definitiv auf der Schildflechte wachsen, dann ist das Arrhenia peltigerina, der Schildflechten-Nabeling. Interessant ist die Schildflechte auf der der Pilz dort offensichtlich wächst. Man kann von dieser zwar nicht allzu viel erkennen, aber das was man sieht deutet auf Peltigera neckeri, eine in Norddeutschland schon beinah ausgestorbene, in Süddeutschland aber wohl noch nicht ganz so seltene Art.


    Arrhenia rickenii ist bei den von Dir beschriebenen Standorteigenschaften nicht zu erwarten, die Art benötig einen kalkreichen oder zumindest sehr basenreichen Untergrund, wobei das auch Bauschutt oder eine mit Moosen überwachsene Betonmauer sein kann.


    LG Ingo

  • Servus Ingo, dein Detailwissen ist beeindruckend, vielen Dank dass du es mit uns teilst.
    Mit Sporenabwurf bei der fraglichen H. miniata und mucronella meist du vermutlich die mikroskopische Sporenform? wenn man die damit tatsächlich schon absichern könnte, dann sollte ich das hinbekommen sofern sie morgen noch dastehen.

    Zum Rötling muss ich gestehen dass die einzige Art (abgesehen von den Frühjahrsrötlingen) mit der ich bisher Kontakt hatte die oben erwähnte war, somit habe ich mir keinerlei Hoffnung gemacht damit einen Zufallstreffer zu landen.
    Gleiches gilt für den Nabeling- da hatte ich bisher nur einmal auf einer Klettertour einen optisch ähnlichen auf Kalkfelsen, der mir als A. rickenii bestimmt wurde. Kalkigen Untergrund kann ich zwar nicht 100% ausschliessen (Bauschutt kann immer mal entsorgt worden sein) wenn man sich den Rest der Pilzarten und Pflanzen ansieht ist der eher unwahrscheinlich. Ich werde auch dort nochmal genau nachsehen, die Peltigera war zwar nicht mehr in einem sonderlich ansehnlichen Zustand aber vielleicht kann ich sie noch etwas besser ablichten sodass eine Eingrenzung vielleicht besser möglich ist.
    Bis dahin, einen schönen Abend

    Ingo

  • Mit Sporenabwurf bei der fraglichen H. miniata und mucronella meist du vermutlich die mikroskopische Sporenform?

    Hallo Ingo,

    ja, ich meine die mikroskopische Sporenform, wichtig ist nur, dass man für die Beurteilung derselben einen repräsentativen Querschnitt reifer Sporen heranzieht und speziell bei Saftlingen sollte man hierfür immer einen Sporenabwurf mit einer großen Zahl an Sporen untersuchen. Die wenigen und möglicherweise nicht voll ausgereiften Sporen, die man in einem Quetschpräparat der Lamellen oder anderer Fruchtkörperteile findet, können unter Umständen schnell ein falsches Bild vermitteln.

    LG Ingo

  • So, der Sporenabwurf der beiden Saftlinge hat geklappt, die fragliche H. mucronella ist keine, denn sie hat "gewöhnliche" Saftlingssporen, nicht die beschriebene "Glocken"form (siehe Ingo’s Beitrag im Pilzepilze Forum). Sie war zwar mittlerweile mit allerhand Bakterien und Getier besiedelt und hat einen tollen Geruch verströmt (NH3 lässt grüßen) aber ich denke die Sporenform sollte sich dadurch nicht zu sehr geändert haben.




    Die H. miniata sollte dagegen passen, sie hat recht große Sporen, die aber zumindest mit den Angaben in Wikipedia (wohl nach R. Philips) sehr gut übereinstimmen.

    (7) 7.6 - 9.1 (9.8) × (3.5) 4.1 - 5 (5.8) µm

    Q = (1.6) 1.7 - 2.1 (2.2) ; N = 33

    ohne Apiculus gemessen


    Gruß Ingo

  • Hallo Ingo,


    der erste Sporenabwurf schließt Hygrocybe mucronella aus, im Rennen ist aber noch Dein zweiter Verdacht (Hygrocybe insipida). Da passt die Sporenform und wenn die Sporenlänge sich im Bereich von 5,5-7,5 µm bewegen sollte, dann spricht viel für diese Art. Hier ein Sporenfoto von H. insipida:


    Sporen von Hygrocybe insipida


    Beim zweiten Sporenabwurf passt zwar die Größe der Sporen zu Hygrocybe miniata, es fehlen aber die für diese Art typischen, basal erweiterten (birnenförmigen) Sporen, siehe das folgende Mikrofoto:


    Sporen von Hygrocybe miniata


    Da die Abweichung bei der Sporenform erheblich ist, möchte ich Dich bitten, auch noch die Lamellentrama der fraglichen Pilze zu mikroskopieren und die Länge der Zellen zu bestimmen. Sind sie relativ kurz (max. 150 µm) lang, dann ist es trotz der Sporen H. miniata, sind sie dagegen deutlich länger (150 - 500 µm) dann ist es der Knoblauch-Saftling (Hygrocybe helobia) . Diese Art ist makroskopisch sehr ähnich, aber viel seltener als H. miniata, erscheint in der Regel auch etwas früher im Jahr und ich wäre sehr überrascht, wenn sie es tatsächlich ist. Angesichts der bisher schon gezeigten Arten ist sie Deiner Wiese aber durchaus zuzutrauen..


    LG Ingo



  • Guten Abend zusammen, der Hut des roten Saftlings (fragliche H. miniata) ist leider bereits entsorgt gewesen, ich versuche diese Woche nochmal einen neuen zu ergattern und die Zell-Länge zu messen (falls es mir gelingt so lange Zellen aus der Trama zu präparieren ohne sie zu zerreißen?). Die Sporenform wäre aber ja schon sehr anders...


    Die Sporenmaße der zunächst für H mucronella gehalteten Kollektion liegen mit (5.8) 6.2 - 6.7 (7.1) × 3 - 3.5 (3.7) µm; N = 16 wohl im Bereich von H. insipida sodass das hinkommen könnte.


    Freudige Nachricht habe ich vom Nabeling, der wächst nämlich tatsächlich auf(!) der Flechte und ist bereits mikroskopiert. Sporenmaße passen zu Arrhenia peltigerina, die Basidien sind zumeist 4-Sporig, auch meine ich nach langer Suche doch einige Schnallen aufgetrieben zu haben außerdem erkennt man im basalen Stielbereich in 100% Ansicht Kaulozystiden. Es gelang mir nicht diese mikroskopisch zu präparieren (wie macht ihr das ohne alles zu einem Klumpen zusammenzuschieben?)


    unter dem Basalfilz erkennt man die blass blaugrüne verwitterte Flechte


    der Stiel zeigt in der Vergrößerung Kaulozystiden


    Sporen zumeist leinsamenförmig, insgesamt relativ stark polymorph, da wohl teils noch unreif (Abwurf)

    (8.3) 8.6 - 10.7 (11.4) × (4.8) 5.1 - 5.6 (5.9) µm

    Q = (1.5) 1.6 - 2 ; N = 17





    Die Flechte habe ich auch versucht nochmal etwas zu charakterisieren jedoch bisher nicht mikroskopiert. Reagenzien zur Flechtenbestimmung besitze ich keine. Im Randbereich konnte ich noch einige besser erhaltenen Thalli finden. Ich habe sie extra nach einem Regenguss fotographiert. Vielleicht könnt ihr ja mit den Bildern was anfangen.




    Parasitiert der Nabeling eigentlich die Flechte oder ist er ein (hochspezialisierter) Saprobiont? Ein Symbiont wirds nicht sein, so lausig wie der Zustand der Flechte ist...


    Viele Grüße Ingo

  • Hallo Ingo,


    die fraglichen Hygrocybe miniata müssten jetzt ja schon etwas weiter entwickelt sein und eventuell so aussehen wie auf dem folgenden Foto.


    Hygrocybe miniata


    Zusätzlich zur Mikroskopie der Lamellentrama würde ich auch noch einen weiteren Sporenabwurf untersuchen, nach Möglichkeit von einem etwas älteren, voll aufgeschirmten Fruchtkörper. Die Zellen der Lamellentrama kann man problemlos im Verbund vermessen, einfach ein kleines Stück einer nicht zu dicken Lamelle zwischen Objekträger und Deckgläschen positionieren, etwas quetschen und dann mikroskopieren. Ob es sich um eine subreguläre Lamellentrama (mit kurzen Zellen) oder um eine reguläre Lamellentrama (mit langen Zellen) handelt, ist sofort zu erkennen (der Unterschied ist sehr groß).


    Glückwunsch zum Fund von Arrhenia peltigerina, die Art scheint in Bayern ja recht selten zu sein (noch kein Fund in pilze-deutschland.de). Nach meiner Einschätzung parasitiert der Nabeling die Schildflechten. Bei einem Befall lässt sich häufig eine auffällige Verfärbung der Flechtenthalli ins Gelbliche beobachten. Hierin gleicht Arrhenia peltigerina einer ebenfalls an Schildflechten parasitierenden Form von Gamundia striatula.


    Gamundia striatula auf deutlich verfärbten Schildflechten


    Vorkommen von Gamundia striatula oder Arrhenia peltigerina lassen sich daran auch schon in Abwesenheit von Fruchtkörpern erahnen bzw. ausfindig

    machen.


    In der weit überwiegenden Zahl der Fälle wird Peltigera rufescens parasitiert, gelegentlich auch Peltigera didactyla. Das sind im Offenland auch die mit Abstand häufigsten Schildflechten. Erst einmal fand ich Arrhenia peltigerina an Peltigera canina und bei Deinem Fund scheint es sich um die seltene Peltigera neckeri zu handeln. Ganz sicher bin ich mir nicht, da ich auf Deinen Fotos nicht erkennen kann, ob die Schildflechten eine glatte oder eine bereifte bzw. feinfilzige Thallusoberseite aufweisen. Dies lässt sich erst bei halbwegs trockenen Thalli und am besten mit Lupe beurteilen. Ich vermute, dass sie glatt ist.


    Für die Bestimmung von Schildflechten werden nahezu ausschließlich makroskopische Merkmale herangezogen, Mikroskop und Reagenzien spielen praktisch keine Rolle. Problematisch ist die große Variabilität vieler Arten und Peltigera ist trotz der Größe der Thalli eine der schwierigsten Flechtengattungen.


    LG Ingo

  • Guten Abend zusammen,

    ich habe nochmal einen älteren der roten Saftlinge aufgetrieben. Mittlerweile sind sie etwas ausgeblichen bzw in Richtung Gelb verfärbt.



    Der Sporenabwurf gelang wieder gut und reichlich. Die Sporenform hatte sich überraschenderweise wirklich etwas in Richtung Birnenform verändert, jedoch immer noch vorwiegend elliptisch. Der Apiculus war nun dunkler und etwas bläulich. Die Maße waren quasi identisch zu Erstuntersuchung.


    hH


    Mit den Tramazellen habe ich mich wie erwartet schwer getan. Aber nur so lernt man. Ich habe eine Lamelle mit der Pinzette entnommen, die Lamellenschneide mit einer Klinge abgetrennt, den Rest dann mit Präpariernadeln in kleine Fäden zerpflückt, in Kongo/NH3 gefärbt, gewaschen und unter dem Deckglas mehr oder minder sanft gequescht. Irgendwie scheine ich aber nicht den richtigen Druckpunkt erwischt zu haben denn entweder es lagen immer noch mehrere Zellschichten übereinander oder sie waren total zerquetscht. Nach 5 Präparaten habe ich aufgehört.

    Ich habe versucht ein paar Zellen zu messen bei denen ich Anfang und Ende gut sehen konnte. Sie lagen unter 150µm, aber ob das nun repräsentativ ist und ob nicht auch H. helobia mal ein paar kurze Zellen produzieren kann weiß ich natürlich nicht und bin hier wieder auf eure Expertise angewiesen (falls die Bilder zur Beurteilung taugen)




    Und nochmal kurz zur Flechte: ich habe ca 5x5cm großes unparasitiertes Stück entnommen und eine Woche trocknen lassen. Sie hat auch in trocknem Zustand einen leicht seidigen Glanz und mit der Einschlaglupe konnte ich keine Behaarung feststellen.


    ca 2m entfernt habe ich noch ein von möglicherweise der gleichen (?) Flechte bewachsenes Areal gefunden. Einige Thalli sind dort auch bräunlich verfärbt. Ich werde die Stelle beobachten und bin gespannt ob dort irgendwann auch Nabelinge erscheinen.


    Viele Grüße und ein schönen Wochenende

    Ingo

  • Hallo Ingo,


    jetzt ist alles zweifelsfrei, der Saftling ist Hygrocybe miniata und die Schildflechte ist Peltigera neckeri.


    Zur Lamellentrama des Saftlings: Da hast du dir mehr Mühe gemacht als nötig. Auf Kongorot kann man verzichten und das Quetschen geht ganz einfach, indem man mit der Fingerspitze auf das Deckglas tippt (evt. mehrmals), bis die darunter platzierten Lamellenstückchen erkennbar in die Breite gehen bzw. plattgedrückt sind. Das übt sich sehr schnell.


    Außerdem sind die Ergebnisse deiner Versuche absolut brauchbar, man erkennt eindeutig eine subreguläre Lamellentrama (aus kurzen Elementen). Zum Vergleich füge ich ein Mikrofoto von H. miniata aus der Senne ein.


    Hygrocybe miniata, Lamellentrama


    Die Sporen passen jetzt auch etwas besser und rein makroskopisch war dein Fund eh Hygrocybe miniata und nicht H. helobia. Meine Funde von H. miniata (alle aus der ostwestfälischen Senne) hatten immer große Anteile birnenförmiger Sporen im Abwurf, aber offenbar hält sich H. miniata gelegentlich nicht an die "Vorgaben" aus der Bestimmungsliteratur und kann dann auch mit ausschließlich zylindrischen bis ellipsoiden Sporen gefunden werden. Siehe hierzu auch das Sporenfoto auf der folgenden Seite: Hygrocybe miniata Fungus Species


    Bei der Schildflechte hast du ein Stück getrocknet, welches zusätzlich zur glatten Oberfläche auch nahezu alle anderen relevanten Merkmale erkennen lässt, besser geht es nicht. Peltigera neckeri ist damit zweifelsfrei bestimmt. Bei den braunen Thalli auf dem zweiten Foto handelt es sich um eine weitere Schildflechte und zwar höchstwahrscheinlich um Peltigera canina, die hier mit der kleineren und deutlich dunkleren P. neckeri vergesellschaftet ist. Die häufig (aber keineswegs immer) braun gefärbte Peltigera canina zählt zu den Arten mit einer im trockenen Zustand filzigen Thallusoberfläche.


    LG Ingo