Servus zusammen, hier wie versprochen der zweite Teil des Wiesenwahnsinns (den ersten Teil gibts hier).
Leicht zu übersehen da als trockene Grashalme getarnt und von all den knalligen Saftlingen überblendet habe ich die kleinen Keulchen und Würmchen oft erst bei weiteren Besuchen meiner neuen Spielwiese entdeckt. Ich fand sie nicht minder faszinierend. Auch mit denen hatte ich mich bisher mangels Funden noch nie beschäftigt und so war ich erstaunt dass viele dieser schlanken Ranken sogar Ständerpilze sind- ich hatte sie eher für Ascos gehalten. Schön blöd- daher habe ich auch großzügig welche eingesteckt in der Annahme sie wären leicht zu mikroskopieren. Tja.... Na ok, ich bin eigentlich schon irgendwie zurecht gekommen, allerdings wollten manche partout nicht absporen so dass ich mehrere Anläufe gebraucht habe. Um im vorhinein zu wissen welche Merkmale wohl wichtig sein könnten habe ich schon mal Makroskopisch selektiert was infrage kommen könnte- witzigerweise leiteten mich die Sporen dann oft ganz woanders hin. Sie scheinen es einem also mal wieder auch nicht allzu leicht zu machen.
Ich hoffe aber es kann vielleicht der ein oder andere mit den Angaben etwas mehr anfangen und mich gegebenenfalls korrigieren ( nobi_† oder Clavaria vielleicht? das wäre famos!)
Anfangen möchte ich auch hier mit noch etwas Boden unter den Füßen, bevor es ans wilde Spekulieren geht:
1) Wunderschön anzusehen, nichts für emfpindliche Nasen, ich habe tatsächlich die Hundek. gesucht bis ichs gecheckt habe wo der Geruch herkommt: Telephora palmata, die stinkende Lederkoralle. Bei näherem Hinschnuppern auch klar verfaulender Kohl und keine Hundek. Entschuldigung!
2) Joa und da ist der Boden auch schon weg, die Folgenden standen zwischen einer großen Gruppe schwärzender Saftinge und ich hätte sie so vom Aussehen mit dem Weissen Spitzkeulchen, Clavaria falcata s.l. vereinbar gefunden.
Standort:
Mal eher spitz mal keulig:
Massenaspekt, gesellig, aber nicht büschelig
Edit: diese Kollektion, die ich etwa eine Woche später einige Meter weiter fand, hielt ich zunächst auch dem C. falcata agg. zugehörig, die FK waren jedoch größer, etwas gelblicher und hatten einen auffallend gelben "Stiel". Nach Längsteilung eines FK zeigt sich gelbes Fleisch. In der Diskussion unten wurde hierfür C. flavipes vorgeschlagen.
erkennbarer Fuß, der glatter war als der Rest und auch etwas gelblicher (falls das keine Alterserscheinung ist) Edit: s.u. scheint typ. für C. flavipes zu sein.
Die waren echt zickig, erst der dritte Sporenabwurf hat geklappt. Die Sporen sollen bei Cl. falcata glatt mit deutl. Apiculus sein.
(7.2) 7.4 - 8.5 (8.8) × (6) 6.2 - 7.5 (7.7) µm
Q = (1) 1.1 - 1.26 (1.3) ; N = 22
bwb
Ich finde sie weder glatt noch haben sie für mich einen über-deutlichen Apilulus..
Schnallen fand ich keine, das muss aber ja auch nichts heissen..
Weitere Ideen habe ich leider nicht, ihr vielleicht?
3) Nicht weit davon gab es stattliche gelbe Keulchen mit zentraler Furche- makroskopisch hätte ich Clavulinopsis helveola für möglich gehalten.
Links Anfang der Woche rechts Ende der Woche.
Mikroskopisch waren die Sporen allerdings nicht stachelig, oder vieleckig sondern hatten nur einen Buckel + einen Apikulus. Damit ist C. helveola raus und ich favorisiere nun Clavariopsis laeticolor, die "schön leuchtende".
Schnallen:
Basidien teils 2 meist aber 4 sporig
Sporen mit "Buckel" und großem zentralen Öltropfen, man könnte auch sagen avocadoförmig
(6.2) 6.8 - 8.2 (8.5) × (4.6) 4.9 - 5.7 (6) µm ohne Apiculus
Q = (1.2) 1.25 - 1.56 (1.6) ; N = 18
Könnte das hinkommen mit C. laeticolor?
4) Dann gabs noch bei den schmächtigen Papageinensaftlingen mittelgroße fahlgelbliche Keulchen:
Basidien meist viersporig
Sporen, subglobos, glatt, kleiner Apiculus, fast vollständig mit großem Öltropfen gefüllt
(5.8) 5.9 - 6.5 (7) × (5.7) 5.8 - 6.3 (6.8) µm
Q = 1 - 1.07 (1.1) ; N = 22
Apiculus 0.8-1.1 µm
Könnte das Clavaria flavostellifera sein? Edit: Danke an Ingo (Sennepilz): C. cf flavipes
5) dann kommen endlich ein paar Ascomyceten: der Krötenöhrling Otidea bufonia zumindest hier bin ich mit wieder etwas sicherer, denn die mikroskopischen Parameter passen auch dazu
Paraphysen krückstockartig mit granulärem lichtbrehendem Inhalt
Asci Iod-
Sporen glatt mit zwei Öltropfen
(11.7) 12.2 - 14.3 (14.9) × (5.5) 5.6 - 6.79 (6.8) µm
Q = 2 - 2.3 (2.4) ; N = 12
6) und zu guter Letzt eine Zunge die ich erst gestern gefunden habe, obwohl ich sicher bin das Gebiet schon mehrmals überlaufen zu haben.
Ich hab mich irre gefreut weil ich schon lange mal eine Zunge finden wollte. Sie wiederlegt meine Theorie dass von außen schöne Pilze oft innen langweilig sind und umgekehrt. Sie waren von innen mindestens genauso bezaubernd und endlich mal was mit satten fetten Sporen. Die hatte ich gerade mal eine Stunde zum Sporen auf einen Objektträger gelegt, dann wollte ich sie woanders hin legen außer Kinderreichweite und hab festgestellt das schon alles schwarz war darunter. So musste ich dann auch erstmal verdünnen um überhaupt einzelne Sporen sehen zu können! Dennoch befürchte ich sie sind noch unreif denn sie haben nur maximal drei Septen und soweit ich herausgefunden habe sollen alle schwarzen Erdzungen mehr Septen haben. Nach einem Schlüssel von Irene Ridge der online zu finden ist scheidet Geoglossum umbratile aus, denn bei ihr sollen die Paraphysen am Ende umgebogen und meist ohne Auftreibung sein, was nicht zutrifft. Geoglossum cookeianum könnte vielleicht noch passen falls ich nochmal welche finde die häufiger septierte Sporen haben?
Edit: Geoglossum glutinosum s.u.
Stiel glatt, schmierig
Paraphysen fast immer kopfig, kaum umgebogen, länger als die Asci
Porus Iod+
Asci 8 Sporig
einfach wunderschön
Sporen, maximal 3x septiert, vermutlich trotz massigem Aussporen unreif?
(59.4) 61.3 - 75.5 (77.7) × (3.6) 4 - 4.6 (4.7) µm
Q = (12.9) 14.5 - 17.1 (17.2) ; N = 12
Das war die Ausbeute der Wiese, ich bin hellauf begeistert und frage mich ob ich überhaupt wieder in den Wald gehen sollte.
Vielleicht übertreibe ich mal wieder maßlos, ich habe halt bisher noch nie Saftlinge oder Keulchen gefunden und vielleicht habe ich sie bisher auch nur immer übersehen, aber mir scheint diese Wiese, auch wenn sie "urban" und nicht sonderlich naturnah ist ein Kleinod für Wiesenpilze zu sein. Ich hoffe sie wird nicht im Rahmen des geplanten Neubaus platt gemacht und sie bleibt uns noch ein paar Jahre erhalten. Dann werde ich zu gegebener Zeit wieder berichten.
Danke fürs Mitgehen, über Kommentare freu ich mich wie immer sehr,
euer Ingo