Kleine Finger aus dem Ast - Typhula contorta (Makrotyphula fistulosa var. contorta)

Es gibt 8 Antworten in diesem Thema, welches 2.314 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von ogni volta.

  • Servus zusammen, letzte Woche war ich mit dem Familienbesuch nach dem Karpfenessen ein kleine Runde verdauen ums Gasthaus herum. Als wir einen Erlenbruch über ein kleines Brücklein passierten fand ich in einer Astgabel hängend einen relativ großen verzweigten -vermutlich- Erlenast mit witzigen kleinen Fingerchen dran. Passt ja nun zum nahenden amerikanischen "Fest".

    Er war vermutlich in luftiger Höhe gewachsen und vom Sturm letztens abgebrochen worden. Erstmal hatte ich keinen Schimmer was das denn sein könnte. Ich nahm also das ganze Geweih mit, es sah schön aus, vielleicht könnte ich es sogar irgendwo zur Deko drapieren. Daraus wurde nix, der Nachwuchs erhob auch Besitzansprüche und beim folgenden Gerangel hatte das Geweih das Nachsehen. Dennoch habens ein paar Bruchstücke mit nach Hause geschafft wo ich einen der Finger mal der Länge nach zerschnitt und feststellte dass sie hohl und brüchig waren. Das Gefühl sagte mir dass es kein Asco sein würde, was sich mikroskopisch bestätigte. Schliesslich wurde ich bei den Keulen fündig, es sollte eine verkümmerte Form der Röhrigen Keule sein.

    Das kann ich hinsichtlich der Oberfläche, Haptik und Farbe nachvollziehen. Auffällig war aber das büschelige Wachstum, was ich so von der Röhrigen Keule nicht kenne. Auch fand ich die eigentlich immer auf vergrabenem Holz/Detritus oder zumindest Holz das teilweise in der Erde steckte. Aber gut vielleicht fehlt der verschwurbelten in der luftigen Höhe einfach das Wasser..

    Weiss da jemand was Aktuelles dazu? Also ob Varietät/Forma oder doch mehr? Interessieren würde mich auch ob jemand von euch schon mal Übergangsformen gefunden hat? oder gibt es nur entweder anmutige Stricknadeln oder quasimodo Finger?




    Sporen "egel"förmig


    ein fragliches Ornament konnte ich ihnen nicht entlocken, vielleicht habe ich sie aber einfach auch in BWB ersäuft

    Sie waren für Makrotyphula fistulosa etwas zu groß und vor allem zu dick.. (16.8) 17.3 - 19 (19.1) × (7.7) 8.1 - 9.2 (10.1) µm Q = (1.9) 1.92 - 2.26 (2.3) ; N = 17

    ich habe extra zwei verschiende Abwürfe vermessen (in H2O), gleiches Ergebnis, aber evtl kommt das durch die Trockenheit nach einer Woche auf meinem Balkon?


    Schnallen gabs reichlich, Basidien konnte ich nicht in fotogenem Zustand auftreiben, und auch nicht beurteilen ob 2 oder 4 Sporig, sollte aber wohl auch egal sein.


    ein freundlicher Geist mit Bart...


    Ich freu mich über eure Kommentare,

    viele Grüße

    Ingo

  • Hallo,

    ja, das dürfte die Verdrehte Röhrenkeule (Macrothyphula fistulosa var. contorta) sein.

    Ja, hatte schon "Übergangsformen" wie sowas:

    Macrotyphulafistulosa-00020.jpg

    Beste Grüße

    Dieter

  • Servus Dieter, danke für deinen Kommentrar! Dein Bild würde ich ja eher noch als kleine oder wachsendene Keule ansehn.

    Was mich überzeugen würde wäre ein Ast der vielleicht auf einer Seite im Boden steckt und ein Kontinuum von kleinen gewundenen Fruchtkörpern bis ausgeformten Keulen auf der anderen Seite hat. Hat jemand sowas schon mal gefunden? Bzw was ist mit den Sporenmaßen, sie die eher milieubedingt verändert oder hat jemand auch schon mal bei der var. contorta dickere Sporen festgestellt?

    herbstliche Grüße Ingo

  • Hallo Ingo,

    Weiss da jemand was Aktuelles dazu? Also ob Varietät/Forma oder doch mehr?

    Aktuell wird die Art im Index Fungorum als eigenständige Art geführt und zu Typhula gestellt. Typhula contorta (Holmsk.) Olariaga

    Da beruft man sich auf eine Arbeit von Olariaga & Salcedo. Hier zum nachlesen (S. 40/41).

    New combinations and notes in clavarioid fungi_Olariaga & Salcedo, Mycotxon 121, 2012.pdf

    Was mich überzeugen würde wäre ein Ast der vielleicht auf einer Seite im Boden steckt und ein Kontinuum von kleinen gewundenen Fruchtkörpern bis ausgeformten Keulen auf der anderen Seite hat. Hat jemand sowas schon mal gefunden?

    Nein, also ich nicht. Wenn man der obigen Studie Glauben schenkt, handelt es sich bei Typhula fistulosa (= Macrotyphula fistulosa) um eine eigenständige, von T. contorta getrennte Species. Gründe dafür sind dort nachzulesen, auch, weswegen diese Arten jetzt zu Typhula gestellt sind. Also wirst Du so einen Ast vermutlich vergeblich suchen.;)

    Bzw was ist mit den Sporenmaßen, sie die eher milieubedingt verändert oder hat jemand auch schon mal bei der var. contorta dickere Sporen festgestellt?

    Leider habe ich meine Aufsammlungen der Typhula contorta nicht mikrokopiert.

    Olariaga & Salcedo erwähnen jedoch größere Sporen und geben auch einige Literaturhinweise dazu an.


    Als Ergänzung noch eine Collage einiger eigenen Funde.



    Liebe Grüße, Nobi

    Hier geht es zu meinen Themen.

    -------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

    Chips: 72

  • ogni volta

    Hat den Titel des Themas von „Kleine Finger aus dem Ast - Makrotyphula fistulosa var. contorta“ zu „Kleine Finger aus dem Ast - Typhula contorta (Makrotyphula fistulosa var. contorta)“ geändert.
  • Hallo Ingo,


    toller Fund, toller Pilz! :daumen:

    Aber was sind denn das für Flechten auf dem Ast direkt hinter deinen Keulen? Die sehen seltsam (weil unscharf?) und interessant aus.

    Hypogymnien vielleicht?


    LG, Martin

  • Hallo Martin, sorry meine Antwort hat etwas gebraucht, ob die Flechten interessant sind oder Allerweltsarten kann ich nicht beurteilen, da ich außer Xanthoria parietina keine kenne;)

    Aber vielleicht kannst du uns ja mehr sagen? Glücklicherweise hab ich den Ast noch auf dem Balkon gehabt. Bei Interesse gerne noch mehr Fotos per PN oder einem Extra Faden oder so.





    Viele Grüße Ingo

  • Hallo Ingo!


    Ob die Flechte selten ist oder nicht, hängt davon ab, in welcher Gegend du den Ast gefunden hast! :gzwinkern:


    Ich denke, auf deinem Ast haben wir ziemlich sicher Platismatia glauca, die Blaugraue Tartschenflechte, vor uns (Bild 1 Mitte und rechts, Bild 2-3 flächig).

    In den kühlen Bergen soll es davon Massenvorkommen geben!

    Ich konnte erst vor knapp einer Woche ein Exemplar - mein allererstes - hier am Neckar nach langer Suche (> halbes Jahr) finden, und von Patrick im Forum bestätigt bekommen (Platismatia glauca).

    Ganz links in Bild 1 ist noch eine weitere, knitterige, graue Balttflechte zu erkennen, die unter der grünlich/grauen P.glauca mit der braunen Unterseite hervorlugt.

    Hierbei handelt es sich wohl um die sehr häufige Art (zumindest bei mir hier) Parmalia sulcata, die Furchen-Schüsselflechte.


    Hübsches Ding jedenfalls, diese P.glauca - und SO viele auf einem Ast!


    LG, Martin


    Danke, dass du meine Neugierde gestillt hast!

    Für Flechten interessieren sich - selbst hier im Pilzforum - erstaunlich wenige Leute.

    Ich hab' keine Ahnung warum.


    Tartschen waren mittelalterliche Schilder, die ursprünglich randliche Vorrichtungen besaßen, um die gegnerische Waffe zu fangen und einzuklemmen oder gar zu brechen.

    Dadurch war die Schildform, denke ich, etwas verschnörkselt und deshalb hat man die Bezeichnung auf diese kraus-schörkeligen Flechten übertragen. :gidee:

  • Tja, das hätte ich eigentlich vorher gründlich lesen sollen:

    Deine Fundstelle war ein Erlenbruch im "mittelfängischen" Karpfenland!


    Interessant: Mein Fund war in Bachnähe auch an Erle (eher sauere Borke). Als nicht ganz unähnliche Fundsituation: Keuperland im süddt. Schichtstufenland; hier Neckar, dort Regnitz/Pegnitz/Rezart und eher flach-hügelig - und trotzdem gibt's also bei Nürnberg so viele davon!

    Da werd ich ganz neidisch!


    LG, Martin

  • Hallo Martin, danke für Deinen ausführlichen Beitrag und die interessanten Hintergrundinfos zu den gekräuselten Schilden! Toll dass Du die Flechte im Bokeh der Fotos bereits erspäht hast! Der Standort ist schon recht geschützt gelegen ohne grössere Strasse, Landwirtschaft oder Industrie in der näheren Umgebung sodass ich mir das schon vorstellen könnte, dass da auch mal was anspruchsvolleres vorkommt. Es ist übrigens nicht so dass mich Flechten nicht interessieren würden, sie sind ja sehr hübsch, ich halte die Bestimmung nur für (noch) schwieriger als bei den solitären Pilzen, sodass ich mich erstmal auf die konzentriere:saint:

    Aber ich freue mich wenn Du mit uns auch hin und wieder Ausflüge in die Lichenologie teilst oder auf die Flechten im Bild hinweist :)

    Viele Grüße an der Neckar, Ingo