Aprikosenfarbiger, wuchernder Rindenpilz = Hyphoderma cf. mutatum

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  • Hallo,


    heute entdeckte ich an einem mächtigen Kirschbaum auf der Unterseite eines seiner noch lebenden Hauptäste helle, apricot-farbene Pilzbeläge, welche die Borke und Epiphyten (Moos, Flechten, ...) überwucherten.

    Die Pilzlager hatten eine Größe von jeweils einigen Zentimetern Durchmesser.

    Am Rand sind ringsum einzelne Hyphen zu erkennen.


    Beim Versuch mit Hilfe des Buches (FOTE) den Pilz einzukreisen, merke ich wieder den Anfängerfehler begangen zu haben, den Pilz nicht gedrückt oder sonstwie verletzt zu haben.

    Im normalen Fotografier-Abstand ist mir jedanfalls kein (intensiver) Geruch aufgefallen.


    Die Farbe des Pilzes kommt mir jedoch so eigentümlich vor, dass ich mir vorstellen kann, ihn man ihn makroskopisch beurteilen kann.

    Vermutlich kommt man hier wieder nicht ohne Mikroskopieren weiter, habe ich recht?

    Könnte es sich vielleicht um Candelabrochaete spec. (cf. septocystidia) handeln?


    LG, Martin


    Die Bilder:

    Bild 1


    Bild 2 Detail aus Bild 1: einzelne Hyphen am Rand erkennbar


    Bild 3 Flechten und Moos überwuchernd. Pilzzipfel am oberen Lagerrand formen das überwachsene Moos nach.


    Bild 4 auf glatterem Substrat


    Bild 5

  • Hallo,


    weil das rein makroskopisch vermutlich nix werden kann, bin ich heute nochmal zum Pilz, um u.a. eine Probe mitzunehmen.

    1) Geruch ist vollig unauffällig - will sagen, ich rieche nichts. Auch nach Reiben am Pilz bleiben Pilz und Finger geruchlos.

    2) Eine Verfärbung kann ich nach Drücken/Reiben in-situ nicht feststellen; die mitgenommene Probe wird innerhalb der seither vergangenen 2-3h langsam bräunlich (ob durch den ausgeübten Druck oder einfach die Zeit, weiß ich nicht).

    3) Der Fruchtkörper fühlt sich elastisch-feucht an, nicht wachsartig. Er haftet gut an und lässt sich nicht vom Substrat abschieben.

    4) Nach Abschneiden vom Ast (inkl. Borke) erscheint das Lager etwa < 1/2 mm dick (Bild 6).

    5) Mit der Pinzette lässt sich kein Stückchen ausreißen, der Pilz platzt unter dem Druck entzwei. Schnitt mit Rasierklinge nötig (Bild 7).

    6) Es tritt keine weiße Milch aus, somit ist Gloiothele raus, auch wegen der Schnallen und der nicht amyloiden Sporen (s.u.).

    7) Mikroskop:

    - Basidien sind 4-sporig, Sterigmen normal (Bild 8-10)

    - Sporen zylindrisch-gurkenförmig, ohne Ornament, hyalin, nicht amyloid (in Lugolscher Lösung, ohne Bild)

    - Hyphen & Sporen dünnwandig (z.B. Bild 12-13)

    - Einfache Schnallen sind vorhanden (Bild 12)


    Ich muss in den FOTE wegen der starken Eigenfarbe (Bild 1-3 oben) vermutlich unter den "smooth, firm, coloured corticoids" suchen.

    Hier kann ich die Pilze mit den amyloiden und den ornamentierten Sporen ausschließen.

    Die Auswahl wird dünn, aber ich weiß nicht so recht wohin mit dem Pilz. Irgendwas passt immer nicht zu den Beschreibungen.


    Vielleicht kann jemand von den Wissenden den Pilz mittlerweile erkennen?


    LG, Martin


    Bilder:

    Bild 6 Probe


    Bild 7 Dünnschnitt mit Schleimschicht links über Hymenium (kommt eventuell von Schneiden?)


    Bild 8 Wasser Basidien mit Sporen


    Bild 9 in Kongorot


    Bild 10 Basidie/Sporen in Kongorot


    Bild 11 Riesenzelle = Cystidie? (vgl. Sporen daneben)


    Bild 12 Schnalle


    Bild 13 nochmal Sporen (in Karmesinessigsäure)

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Martin!


    Mein Verdacht dazu wäre mal Hyphoderma mutatum.

    Die sporen und das makroskopische Aussehen würden passen, die Zystiden sind bei der Art nicht immer auf Anhieb zu sehen. Hilfreich kann da ein Anfärben mit Phloxin sein, weil sich damit Zystiden und Basidien / Basidiolen etwas unterschiedlich einfärben.

    Normalerweise geht aber auch KOH (3%). Ein paar Ansichten zum Vergleichen:





    LG; Pablo.

  • Hallo Pablo,


    ich muss schon sagen: Wow!!!

    Eigentlich dachte ich, das sei wieder eine mit vertretbarem Aufwand nicht bestimmbare "weiße Kruste".

    Deine Bilder und ausführliche Analyse passt ja wie die Faust auf's Auge!!

    Und so hervorragende Mikroskopbilder! :gbravo::gbravo:

    Die, wie du schreibst, dickwandigen Hyphen bzw. Lamprozystiden in der Matrix habe ich - glaube ich - auch an einer Stelle gesehen. Ich habe allerdings keine Aufnahme davon gemacht, weil ich an eine Kontamination dachte.


    Da hast du dir wirklich viel Mühe gegeben, vielen Dank! Ich werde das in Ruhe nochmal vergleichen.


    Phloxin habe ich nicht da, KOH schon ( 20%).

    Ob ich mit den Proben von gestern noch arbeiten kann, wird sich erweisen - vermutlich nicht. Aber eine Zystidie habe ich ja wohl doch gefunden. g:D


    Ich sehe, du färbst mit Melzer, ich habe für die Flechten Lugol gekauft und hier verwendet, geht hier beides?


    LG, Martin

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Martin!


    Das dicke Element auf deinem Bild 11 ist keine Zystide, sondern das wäre dann so ein Fremdkörper. :gzwinkern:

    Melzer verwende ich bei Krusten nur um zB die Amyloidität (oder Dextrinoidität) nachzuweisen. Da ist Melzer normalerweise besser als Lugol, weil die "Krustologen" alle mit Melzer arbeiten, und man nicht wie bei Ascos rücksicht wegen der Lethalität von melzer nehmen muss. Bei Hyphoderma ist aber eh alles inamyloid, und eine Hyphoderma dürfte dein Fund auf jeden Fall sein - allenfalls noch eine der großsporigen Phlebia - Arten (Phlebia albida sieht ähnlich aus!), aber bei Phlebia ist auch alles immer inamyloid.

    Wenn du in KOH mikroskopierst: Verdünne es auf 3% - 5%.

    Wenn du höhere Konzentrationen verwendest, wird alles so brabschig, die Hyphenwände blähen sich dann oft auf oder Strukturen (zB Zystiden) lösen sich auf.



    LG; Pablo.

  • Hallo Pablo,


    das Probenmaterial habe ich heute nochmals aktiviert, einen neuen Dünnschnitt erzeugt und nach den Lampro- und Leptozystiden gesucht, die nun für Hyphoderma charakteristisch sein sollten. Ich denke, fündig geworden zu sein.

    Die Lamprozystiden hatte ich gestern schon gesehen, konnte aber nichts damit anfangen und habe deshalb keine Aufnahme gemacht.


    Bild 14-16 in Wasser mit einem bissili KOH(20%)-Zusatz; Bilder 17-20 mit Kongorot


    Lamprozystiden, dickwandig mir Kristallbesatz, im Volumen gefunden:

    Bild 14


    Bild 15


    Bild 16


    Ich vermute hier Leptozystiden, dünnwandig, im Hymenium, aus H. ragend:

    Bild 17


    Bild 18


    Bild 19


    Sind das nicht auch Lamprozystiden, die aus dem Hymenium ragen?

    Bild 20


    Wenn ich das Pilzrad bei Hyphoderma richtig interpretiere, gibt es auch kristallbesetzte Hyphen(abschnitte).

    Könnte in Bild 21 derartiges zu sehen sein, oder klebt da nur Cytoplasma von der Schnittwunde?

    Bild 21


    Ach ja, da war auch noch eine gelbliche Zystide:

    Bild 22 (in Wasser + KOH)


    Das passt doch alles zu Hyphoderma (cf. mutatum)?!

    Der Pilz ist im FOTE natürlich nicht enthalten. :gnichttraurig:

    Hätte ich bei den weißlichen Corticioiden geschaut, hätte ich zumindest die Gattung Hyphoderma finden können.

    Der Pilz war mir zu farbig für eine Einordnung unter weißlich.

    Wahrscheinlich ist es ja ohnehin irgendein anderer Hyphoderma, die sind ja bestimmt noch nicht alle untersucht.

    Wer interessiert sich schon für so was! g:D


    LG, Martin

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Martin!


    Die Kombination aus Lampro- und Leptozystiden gibt es in einer ganzen Reihe von Rindenpilzgattungen.
    Was mich gerade so ein wenig irritiert, sind die aus dem hymenium herausragenden, inkrustierten Zystiden. Das habe ich bei H. mutatum noch nie so beobachtet.

    Der Rest passt schon, inkrustierte Hyphen - wie von dir gezeigt - findet man auch bei Hyphoderma immer mal wieder bei diversen Arten.

    Hattest du die Sporen mal ausgemessen? Das wäre noch wichtig, ob das von der Größe her passt.



    LG; Pablo.

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Martin!


    Trockne mal einen Beleg davon. Das lässt sich bei bedarf auch noch aus dem Exsikkat nachbestimmen.

    Ein Messokular kostet ja auch nicht die Welt, sowas lässt sich bestimmt irgendwie mal auftreiben. Theoretisch kann man auch recht präzise schätzen, wenn man irgendwas unters Mikro legt von dem man weiß, wie groß es ist (Stockschwämmchensporen oder so). Taugt natürlich nix für Bestimmungen, wo man wirklich genau messen muss, aber man kann dann schon ganz gut abschätzen, ob die Sporen eher so im Bereich 5µm oder im Bereich 10µm liegen.



    LG; Pablo.

  • Hallo Pablo!


    Tja, das Material liegt im Moment offen auf meinem Schreibtisch zuhause und trocknet dort allmählich vor sich hin, weil ich dachte damit fertig zu sein.


    Ich bin gerade übers WE auf der Schwäbischen Alb: Flechten, Pilze, Regen, Herbst und bunte Blätter. Und Feuersalamander. Toll. :gstrahlen:


    Falls die Probe bis Sonntag vergammelt statt getrocknet sein sollte - ich weiß ja, wo der Pilz wohnt...


    Möchtest du etwa den Beleg zur Untersuchung haben? Lese ich das richtig zwischen den Zeilen heraus?


    LG, Martin

  • Guten Morgen Pablo,


    jetzt ist bei mir, denke ich, der Groschen gefallen! Oh. :grotwerd:

    Du schlägst mir vor, da ich wahrscheinlich in naher bis mittlerer Zukunft mein Mikroskop aufrüste, dass ich eine Probe für die Tage, die da kommen, aufbewahre.

    DAS macht mehr Sinn!


    Auch in diesen Fall gilt bestimmt, dass frisches Material für Analysen besser geeignet sein wird. Bis der dicke Ast vom Pilz verzehrt sein wird, werden noch viele Sonnen und Monde über den Kirschbaum hinwegziehen.


    LG, Martin

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Martin!


    Ich bin total im Verzug was das Untersuchen von zugeschickten Pilzen betrifft - zB von Bernd aus Litauen liegt noch ein bislang kaum halb durchgegucktes Paket mit Porlingen und Krusten bei mir - seit dem Frühjahr!

    Also muss ich zurückhaltend sein, was das Annehmen von Pilzen zum Untersuchen betrifft.
    Daß du das aber hin bekommst, da bin ich schon zuversichtlich. Bei solchen Pilzen ist meistens auch die Untersuchung von Herbarmaterial unproblematisch. Zumindest bei recht dicken, wachsartigen Rindenpilzen geht das ganz gut, undankbar sind manche Porlinge oder solche ganz dünnen Krusten, die beim Trocknen nahezu verschwinden.

    Aber in dem Fall kann man beim getrockneten Material auch ganz gut einen feinen Schnitt setzen, die Probe muss man dann in KOH etwas quellen lassen, aber die Strukturen sind dann schon vernünftig zu beobachten und auch weniger vergänglich als zB bei Ascomyceten.



    LG; Pablo.

  • Hallo Pablo,


    alles gut! Da hängt mein Herz nicht dran.


    Wie gesagt, ich hatte dich zuerst nicht korrekt verstanden und gegrübelt, warum ich einen Beleg trocknen soll, wo ich ja zuhause keine Messmöglichkeit habe. Und zur Arbeit (Reinraum) nehme ich sowas natürlich nicht mit! Außerdem arbeite ich dort und kann da nicht meinem Hobby nachgehen.


    Ich hätte dir die Probe zugeschickt, falls du das selbst für irgendwas (Arbeit, Forschung, Interesse,...) haben wolltest. Das hätte ich natürlich gemacht, zumal ich und viele andere auch von euch ja allemal viele Tipps und Erklärungen bekommen! :ganbeten:


    LG, Martin

  • KaMaMa

    Hat den Titel des Themas von „Aprikosenfarbiger, wuchernder Rindenpilz“ zu „Aprikosenfarbiger, wuchernder Rindenpilz = Hyphoderma cf. mutatum“ geändert.