Seltsam - Leucoagaricus ionidicolor?

Es gibt 17 Antworten in diesem Thema, welches 3.306 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von zuehli.

  • Hallo zusammen,


    einen sehr unverhofften, überraschenden und auch verblüffenden Fund konnte ich heute in einem alten Buchenwald in Wiednähe machen. Unter Buchen, Hainbuchen bzw. unter einem alten liegenden Stamm bot sich mir ein seltsames Bild. Mehrere Fruchtkörper, büschelig lagen auf dem Waldboden. Wie abgemacht und dann da hingelegt. Also ohne feste Verbindung zum Boden oder Substrat. Auch waren die Fruchtkörper nicht mehr ganz taufrisch, das Hutfleisch und Lamellen schon etwas weich. Allerdings zeigten sich nach wie vor kräftige Farben.


    Ich komme hier zu Leucoagaricus ionidicolor ... zuehli : war das nicht dein Erstfund für Deutschland?


    Also: Kräftige lila Farben in Hut und Stiel, Hut schuppig, unter den lila Schuppen Richtung creme-weiß. Lamellen cremeweiß, später nachgilbend, frei. Hut bis 4cm.

    Stiel mit kräftigem Ring, wirkte auf den ersten Blick eher nicht aufsteigend, kann aber dem Alter des Pilzes geschuldet sein. Definitiv ist er oberhalb eher creme, unterhalb kräftig lila!


    Sporen glatt ohne Keimporus, ellipsoid bis leicht mandelförmig; große Ausreißersporen, dann teils eingeschnürt (wohl keine Seltenheit bei der Gattung).

    Sporen deutlich dextrinoid und kongophil

    Vermessen habe ich den "Sporenabwurf" auf dem unteren Hut:


    Cheilos zahlreich, büschelig und schmal clavat (bis 50µm), hier 1000fach in Kongorot


    400fach Melzer


    HDS mit langen Elementen (bis 300µm beschrieben), sollte passen:


    Hier mal Aufnahmen vom Standort


    Und Studioaufnahmen


    Schnallen habe ich keine gesehen ...


    Das wäre schon wieder eine noch unkartierte Art für Rheinland-Pfalz. Mich wundert nur extrem, diesen Pilz im Dezember anzutreffen, sind die Leucoagaricusse doch wärmeliebend (so auch für diese Art beschrieben). Alles irgendwie mysteriös ... aber was soll das sonst sein. Und wie soll der sonst dahin kommen.


    LG Sebastian

  • Hallo Sebastian,

    ich hab Leucoagaricus inonidicolor schon mehrmals gefunden, ist immer mal wieder im Wiener Prater anzutreffen. Die sahen genauso aus. Schöner Fund!

    LG

    romana

    103-15 APR2017+17(3.Platz)+2(Wette)=107-1(OBR)-15 APR2018=91+13(3.Platz)+8(Wetten)=112-2+7(Wette)=117-15 APR2019=102+8(8.Platz)=110-15 APR2020=95+12(3.Platz)+27(Wetten)=134-15 APR2021=119+10(4.Platz)+12(Wetten)=141-15+16 APR2022=142-15(APR2023)=127

  • Moin Sebastian,


    auch auf den zweiten Blick sieht das gut aus. Ich habe mir ja so eine Theorie zu der Art zurechtgelegt. Ich glaube zunächst nicht, dass der besonders wärmeliebend ist, so wie Ludwig schreibt. Ich habe die Art jetzt viermal gesehen, davon an drei Jahren im eigenen Garten, zuletzt im August 2017. Das Substrat scheint mir jetzt aufgebraucht zu sein, obwohl ich das bemerkenswert finde, dass er da öfters aufgetaucht ist, weil ich die Erfahrung gemacht habe, dass Lepiotaceae meist nicht über mehrere Jahre am selben Standort wachsen. Die anderen Funde sind dann aus Oktober/November, also nicht besonders warme Monate. Die Funde von Eric Strittmatter (Saarland) und Jan-Arne (NRW) sind übrigens auch aus dem November. Angeblich hat den Lothar K. schon in 1995 in Bayern gehabt, den habe ich nachgefragt wegen der genaueren Fundumstände, aber keine speziellen Infos mehr gekriegt.

    Zum Standort ist zu sagen, dass ich meine, dass der unter Koniferen wächst, meist "gut gedüngte" Stellen bevorzugt und außerdem bin ich der Überzeugung, dass der mit Leucoagaricus badhamii vergesellschaftet ist. Von daher gesehen könnte es durchaus sein, dass deine Fundstelle nicht der originale Wuchsort ist.

    Vielleicht kann ja romana dazu auch noch was sagen?


    Hier das Teil aus meinem Garten:


    Beste Grüße

    Harald

  • Hallo an alle,

    wenn eine Art als "wärmeliebend" bezeichnet wird, bezieht sich das im Allgemeinen nicht auf den Zeitpunkt der Fruchtkörperbildung, sondern darauf, dass das Mycel in Gegenden mit wärmerem Klima stärker verbreitet ist. Gerade im Mediterranen sind November und Dezember die wichtigsten Monate der Fruchtkörperbildung, denn auch italienische Pilze brauchen Wasser, und das ist im August halt oft knapp.


    Welche der Pilzarten wirklich Wärme "lieben", und welche nur "wärmetolerant" sind, und dadurch in warmem Klima einen Standortvorteil gegenüber wärmeempfindlichen Arten haben, ist wohl nicht klar zu trennen.


    Jedenfalls können wir uns durch den Klimawandel auf die weitere Verbreitung dieser Arten einstellen - in diesem Fall würde ich mich sehr freuen, so eine wunderschöne Art auch mal zu finden. Danke für's Zeigen!


    Gruß,

    Wolfgang

  • Ja klar Wolfgang, da hast du natürlich recht und eigentlich wollte ich ja noch dazu sagen, dass die Art sicherlich aus wärmeren Gegenden zu uns gekommen ist.

    Aber die "wärmeliebenden" Arten (spontan fallen mir da noch Amanita strobiliformis und Boletus aereus ein) haben in unseren Gefilden jetzt die Wollsocken angezogen. :)


    Sebastian_RLP . Du kartierst den doch sicherlich?


    Beste Grüße

    Harald

  • Hallo zusammen, lieben Dank für eure umfassenden Rückmeldungen,


    Die Funde von Eric Strittmatter (Saarland) und Jan-Arne (NRW) sind übrigens auch aus dem November

    Stimmt, habs mir gerade nochmal angeschaut. Gut!


    ich denke damit, dass dies passen sollte. Das mit dem mehrmaligen auftauchen finde ich interessant. Die Stelle ist gut/schnell zu erreichen (auch mal abends nach der Arbeit). Das werde ich sicher nachbeobachten und ggf. auch nächstes Jahr mal engmaschig im November oder auch früher frequentieren. Wäre natürlich schön, denn dann noch im frischen Stadium vorzufinden. Myzel war da reichlich im Boden. Fragt sich natürlich immer nur von was (der liegende riesige Buchenstamm da ist an sich schon immer einen Abstecher wert, was ich da dran schon alles gefunden habe. Müsste eigentlich die Artenanzahl an diesem Stamm mal zählen!). Insgesamt ist die Lage an der Wied denke ich schon mit milderen Temperaturen vergesellschaftet, mediterran ists an der Wied aber selbstverständlich nicht.

    wenn eine Art als "wärmeliebend" bezeichnet wird, bezieht sich das im Allgemeinen nicht auf den Zeitpunkt der Fruchtkörperbildung, sondern darauf, dass das Mycel in Gegenden mit wärmerem Klima stärker verbreitet ist. Gerade im Mediterranen sind November und Dezember die wichtigsten Monate der Fruchtkörperbildung

    danke für deine Erläuterung Wolfgang. So hatte ich wärmeliebend in der Tat nicht interpretiert. Aber so würde da natürlich auch ein Schuh draus, auch mit der Fruktifizierung in den Novembermonaten. Auf Mallorca (da hatte ich neulich mal berichtet von Funden dieses Jahr) waren ja auch Oktober und November als Hauptmonate nachzulesen.


    Vom Vorkommen an sich scheint der Pilz ja gar nicht so wählerisch, wenn man Ludwig glaubt: "Terrestrisch unter Laub- und Nadelbäumen in Wäldern, Parks, ruderalisierten Stellen oder auf stark zersetzendem Holz und anderen Pflanzenresten, auf lehmig-tonigem bis sandig-humosem Boden" ... also eigentlich so ungefähr überall :cool:


    Mit Kresylblau hätte ich noch die "starke" Metachromasie der Sporen (Ludwig) testen können. Habe ich aber leider nicht vorrätig. Wäre nochmal ein relativ sicheres Trennungsmerkmal zu Lepiota, wenn ich das richtig lese. Aber ich denke, dass passt auch so. Mögliche infragekommende Lepioten kann man auch so ausschließen. L. fuscovinacea kenne ich auch gut von mehreren Funden. Der kann farblich auch schon mal in diese Richtung gehen, hat aber gröbere Hutschollen, hat kleinere Sporen und auch der Ring passt so nicht dazu. Außerdem zeigen sich die Haare der HDS dort mehrfach septiert. Noch weiter weg ist Lepiota rubella oder sonst was ...


    Die Erfahrungen von romana dazu würden mich in der Tat auch interessieren.


    Du kartierst den doch sicherlich?

    Ja sicher, stehe eh gerade mit Dagmar in Kontakt und habe den Fund der Naucoria salicis von letzter Woche auch schon kartieren lassen.


    LG Sebastian

  • Hallo miteinander,

    ich hab jetzt grad nachgesehen, wann ich diesen Pilz gefunden habe und das war am 5. Oktober und am 27. Oktober. Heuer Mitte Oktober hat mir jemand diese Art in die Pilzberatung gebracht, er wurde im Umland von Wien gefunden, über den genauen Standort kann ich leider nichts sagen. Wien liegt im pannonischen Klima und hier kommen gerne mal Pilze vor, die es eigentlich eher in südlichen Gefilden gibt. Häufig anzutreffen ist Omphalotus olearius, Amanita strobiliformis und Cyclocybe cylindracea - das sind nur einige Beispiele.

    Der Standort meiner beiden Funde war der Wiener Prater, das ist ein nicht mehr regelmäßig überfluteter Auwald. Er wuchs in Bereichen, in denen Pappeln und Eschen vorherrschen. Beide Exsikkate liegen im Herbarium der ÖMG bzw. des botanischen Instituts Wien. Dort gibt es einen weiteren Fund aus dem Prater aus dem Jahr 2010 und einen Fund aus der südlichen Steiermark, die auch eher wärmegetönt ist.


    Hier noch Fotos meiner Funde, die leider nicht so gut sind, wie sie sein könnten...





    LG

    romana

    103-15 APR2017+17(3.Platz)+2(Wette)=107-1(OBR)-15 APR2018=91+13(3.Platz)+8(Wetten)=112-2+7(Wette)=117-15 APR2019=102+8(8.Platz)=110-15 APR2020=95+12(3.Platz)+27(Wetten)=134-15 APR2021=119+10(4.Platz)+12(Wetten)=141-15+16 APR2022=142-15(APR2023)=127

  • Der Standort meiner beiden Funde war der Wiener Prater, das ist ein nicht mehr regelmäßig überfluteter Auwald. Er wuchs in Bereichen, in denen Pappeln und Eschen vorherrschen.

    Na dann ist meine Koniferen-Theorie wohl obsolet. romana , kannst du denn sagen, ob da in der Nähe vielleicht auch schon mal Leucoagaricus badhamii gesichtet wurde?


    LG

    Harald

  • Hallo Romana, auch dir herzlichen Dank für diesen umfassenden Bericht!


    Dann kann ich wohl mal nächstes Jahr verstärkt im Oktober und November Ausschau halten. Er war ja bei mir jetzt Anfang Dezember alles andere als taufrisch. Vermutlich kann der unter Koniferen und Laubbäumen.

    Interessant ist irgendwie auch die Farbvarianz deiner beiden Funde. Die oberen Fruchtkörper wirken auf meinem Bildschirm schon fast fleischfarben, das untere kräftig lila.


    LG Sebastian

  • Hallo Harald,

    ich hab am selben Tag im selben Waldstück auch Leucoagaricus badhamii gefunden. Soweit ich mich erinnern kann, wuchs der ganz in der Nähe von L ionidicolor, sie stehen in der chronologischen Fundliste direkt nebeneinander. Generell kommt Leucoagaricus badhamii im Wiener Prater gar nicht selten vor.


    Hallo Sebastian,

    die Fruchtkörper auf den ersten beiden Fotos waren schon wesentlich älter als der auf den anderen beiden Fotos. Ich denke, deswegen wirken sie auch heller.


    LG

    romana

    103-15 APR2017+17(3.Platz)+2(Wette)=107-1(OBR)-15 APR2018=91+13(3.Platz)+8(Wetten)=112-2+7(Wette)=117-15 APR2019=102+8(8.Platz)=110-15 APR2020=95+12(3.Platz)+27(Wetten)=134-15 APR2021=119+10(4.Platz)+12(Wetten)=141-15+16 APR2022=142-15(APR2023)=127

  • Hi.


    Cooler Fund, würde ich auch gerne mal sehen.

    L. badhamii ist hier im Auwald einigermaßen gängig aber der hübsche Leucoagaricus ionidicolor ist mir noch nicht über den Weg gelaufen.


    LG.

    Bin lediglich fortgeschrittener Anfänger.
    Posts sind nicht als Essensfreigabe zu verstehen. :-]

  • Hallo Harald,

    hab noch vergessen zu erwähnen, dass die Pilze auf dem ersten Foto direkt neben einem schon zerfallenden Laubholzstamm wuchsen, also an einer sehr nährstoffreichen Stelle. Bei meinem ersten Fund weiß ich es nicht mehr genau, das Waldstück ist aber grundsätzlich sehr nährstoffreich.

    LG

    romana

    103-15 APR2017+17(3.Platz)+2(Wette)=107-1(OBR)-15 APR2018=91+13(3.Platz)+8(Wetten)=112-2+7(Wette)=117-15 APR2019=102+8(8.Platz)=110-15 APR2020=95+12(3.Platz)+27(Wetten)=134-15 APR2021=119+10(4.Platz)+12(Wetten)=141-15+16 APR2022=142-15(APR2023)=127