Hallo Pilzfreunde,
in diesem Jahr war man ja froh wenn man endlich mal wieder einen Täubling gesehen hat, egal welcher und an diesem Tag waren es sogar vier Stück. Dieser Story-Pilz stand im Buchenwald keine zwei Meter weg vom Asphaltweg. Optisch vollkommen klar, eine Mini-Ausgabe von Russula lepida – Harter Zinnobertäubling. Bei diesem brauchte es keine Kamera auspacken, da reicht ein Handyfoto mit Doku dachte ich und das Fatale nahm seinen Lauf. Oh, der ist ja scharf, doch einer aus dem ungeliebten und schwer definierbaren Emetica Aggregat und ich gab ihm den Arbeitsnamen R. fageticola. Der nötige Sporenabwurf war erfolglos, gequetschte Lamellen ergaben ein (teil)netzige Ornament und die Elemente der HDS waren bei einer flüchtigen Überprüfung im grünen Bereich, einzig die Guajakreaktion war irgendwie intensiver/schneller als gewohnt, ok der ist noch klein, dann R. fageticola. Hier erstmal die Pilzdaten
R21-010 fageticola
25.07.2021 - 12:44
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Eingestufte Art: mini lepida
Anz. Exemplare: 2
Haupt Baumpopulation: Buche
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Sporenpulver: kein Abwurf,
GESCHMACK, sofort, scharf,
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FUNDORT, Laubwald, Waldweg, Laubschicht, trocken, 470 m,
BÄUME 20m UMKREIS, Buche (Fagus), Eiche (Quercus),
EXEMPLARE, jung, paarweise,
HUT GRÖSSE, 1 - 3 cm,
HUT FARBE, rosa/rot, creme/weiss,
HUT OBERFLÄCHE, matt, samtig,
HUT RAND, nicht gerieft, leicht gerieft,
PEELING, 1/3 abziehbar, 1/2 abziehbar,
UNTER HUTHAUT, rötlich,
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LAMELLEN, spröde, weiss bis creme,
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STIEL OBERFLÄCHE, weisslich/creme,
STIEL KONSISTENZ, fest,
STIEL VERLETZUNG, ins bräunliche,
GERUCH, schwach, Brot/Gebäck,
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Chemie:
FeSo4, negativ / falb-ocker,
GUAJAK (8 sec), Stiel: +++ schlagartig, Lam: +++ schlagartig,
PHENOL (gepr.),
KOH (gepr.),
NH3 (gepr.),
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Sonst. Angaben: La Druckstellen bräunen, kein Abwurf, kein Hds Exsikkat angefertigt
Leider nur Handybilder
1) auf den ersten Blick wie eine mini R. lepida, aber der Pilz war ja scharf
2) Hutdurchmesser max 3,5cm
3) auch die Huthaut ein wenig weiter abziehbar als bei R. lepida, unter der Hh rötlich, wie bei R. fageticola
4) die Lamellenfarbe könnte durchaus für R. fageticola und weisses Sporenpulver passen, also…
5) diese Wachstumsform war schon etwas ungewöhnlich, Stielbasis bei Berührung ocker-bräunlich
Jetzt, bei der Durchsicht aller diesjährigen Funde fällt mir bei diesem Pilz eine Hutbereifung auf den Fotos auf.
6) die Bereifung vorher nicht bemerkt, auch das gilben/bräunen der Lamellen R. fageticola zugeschoben
7) und auch die sichtbare Stielbereifung habe ich nicht bemerkt
Haben denn nicht alle Täublinge mit Hutbereifung auch Inkrustierungen? R. fageticola hat doch gar keine Inkrustierungen und wäre damit doch eine Fehlbestimmung! Hier die vorhandenen Mikroaufnahmen:
8) Pileozystiden in Sulfovanillin waren vorhanden, alle Formen, zylindrisch, kopfig, spindelig, dick, schmal
9) Karbolfuchsin, und tatsächlich, es waren auch inkrustierte Zystiden vorhanden gewesen!
10) sie waren sogar in Kongorot sichtbar wenn man aufgepasst hätte, hätte!
11) Dermatozystiden in der Breite von 8mü und mehr zu sehen
12) Haarelemente zylindrisch und final rundlich, 1 TS = 2,5mü
Eine Nachprüfung der HDS ist leider nicht möglich, denn auf meiner Exsikkattüte „R21-010 fageticola“ steht die Notiz „LEER“ weil damals dieser Pilz mit anderen Prüfresten aus Versehen in der BIO landete. Das Fatale entwickelt sich zum Supergau, ohne Sporenpulverfarbe hilft das beste Bestimmungsbuch hier nicht weiter.
Fakt ist „es ist ein scharfer Täubling mit Inkrustierungen“
Fakt ist aber auch die Regel „Täublinge mit inkr. Primordialhyphen sind mild“, meine Überlegungen waren jetzt folgende:
suche alle Täublinge mit inkrustierten Dermatozystiden, das waren 13 Stück und filtere davon diejenigen mit inkr. Primordialhyphen (mild) raus, übrig bleiben 7 Stück.
Jetzt sind nur noch Scharfe und die restlichen Milden übrig (aber ohne inkr. Primordialhyphen)
R. paludosa
R. rubra (scharf)
R. rutila (scharf)
R. seperina
R. tinctipes
R. velenovskyi
R. viscida
Jetzt noch alle restlichen überwiegend Milde davon weggefiltert (passt eh keiner richtig zu den o.a. Merkmalen) und es bleiben noch Zwei, Juhuu
R. rubra
R. rutila
Beide Arten sind mir bisher nicht bekannt, makroskopisch wie mikroskopisch per Literatur aber sehr nahe stehend und für mich deshalb nur per Chemie zu trennen.
Im Protokoll meines Pilzes steht „Guajak +++ schlagartig“, diese Reaktion ist bei R. rubra vorgegeben,
bei R. rutila ist diese Reaktion mit „Guajak 0 negativ“ vorgegeben und diese fällt somit aus dem Rennen.
Mit einem Sporenabwurf wäre eine Bestimmung bestimmt einfacher und eine Fehlbestimmung bestimmt auch vermeidbar gewesen. Ich bin überzeugt, dass meine Überlegungen zu dem gezeigten Täubling jetzt besser zu ihm passt und er auf den Arbeitsnamen Russula rubra cf – Scharfer Zinnobertäubling hören sollte.
Was meint ihr, könnte das hinkommen?
Raucht der Kopf? Ha, ja mir auch… Danke für Euer Interesse!
Liebe Grüsse
claus