Corticioide Pilze: verm. Tulasnella violea & Candelabrochaete septocystidia

Es gibt 13 Antworten in diesem Thema, welches 3.309 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Tomentella.

  • Hallolo zusammen!


    Heute beginnt mein Weihnachtsurlaub. ==Gnolm7 Da bin ich nach der Arbeit gleich mal noch schnell in den Wald, weil die Sonne so schon geschienen hat.

    Auf einem stark verrottenden, liegenden Baumstamm (vermutlich Laubbaum, kein Nadelbaum weit und breit), war allerhand pilzlicher Bewuchs zu finden:


    Zum Beispiel ein auffälliger, rosafarbener, resupinater Pilz mit glatter Oberfläche - stellenweise mit Knubbelchen in Bild 1a und 1b (Hyphoderma cf roseocremum?), ...

    Bild 1a


    Bild 1b


    ... ausgesporten, goldgelben Winterschleimpilz-Fruktifikationen (Hemitrichia spec?), ...

    Bild 2


    ... sowie ganz viele andere Pilze, wie kleine Discomyceten etc., UND

    und eben einem sehr großen Pilz, der zwischen weißer und beiger bis bräunlicher Färbung changiert (Bild 3a/b).

    Interessanterweise reagiert er auf Druck mit einer orangenen Flüssigkeitsabsonderung, die sich in roten Tropfen sammelt (Bild 3c/d)!

    Ich dachte naiverweise, der müsste doch einfach zu bestimmen sein, ob seines kuriosen Verhaltens. Leider nein.

    Leider finde ich keinen ähnlichen Pilz in der Literatur.

    Bild 3a


    Bild 3b


    Bild 3c


    Bild 3d


    Ich bin mir nicht sicher, ob die weißen Flächen zum gleichen Pilz gehören, oder schon wieder zu einem anderen Pilz gehören.

    Weiß und beige gehen in einander über, es schient auch Zwischenformen (Bild 3b, rechts im Bild) zu geben.

    Bild 3e


    Kann bitte jemand einen Tipp geben, welchen skurrilen Pilz ich hier gefunden habe?

    Könnt das eventuell ein Conferticium (cf. ochraceum) sein?

    Aber sondert der überhaupt Flüssigkeit bei Berührung ab?


    LG, Martin

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Martin!


    Bei diesen Krustis ist das schon so: Ohne Blick durch die Linsen keine Bestimmung.

    Geraten wäre jetzt Folgendes: 1 = >Tulasnella violea<; 3 = Gloiothele lactescens; von Schleimpilzbestimmung verstehe ich +/- nichts. :gkopfkratz:

    Aber gerade beim dritten ist die Vermutung auch wirklich sehr vage, weil es eine ganze Menge an Krustis gibt, die bei Angriffen von Parasiten oder ungünstigen Wetterbedingungen irgendwelche Tropfen ausscheiden. Das muss nicht unbedingt ein zielführendes Merkmal des Pilzes selbst sein.



    LG; Pablo.

  • Hallo Pablo,


    Aha, war ja eigentlich so zu erwarten!

    Dann gehe ich morgen nochmal hin und kratze mir von beiden Krusten etwas ins Becherlein. Die nächsten Tage habe ich ja Zeit und den Baumkadaver müsste ich wiederfinden.

    Vielleicht bekomme ich etwas mehr mit dem Mikroskop zum Thema heraus.


    Ich glaube, meine kleine Metalldose, in die ich beim Probensammeln (früher meist Flechten) immer alles bunt durcheinander geschmissen habe, ist bei diesen weichen Krusten nicht brauchbar. Metalldosen sind für feuchte Pilze überhaupt blöd, da an der Matelloberfläche irgendwelche Reaktionen stattfinden können, wie z.B. neulich bei meiner Ascococryne, die zuhause so komisch süßlich roch. Exakt den gleichen Geruch hatte ich einige Tage später wieder in der Nase bei einem völlig anderen Pilz, obwohl die geleerte Dose völlig geruchsneutral war. Ich bestelle mit jetzt Kuststoffdöschen!


    LG, Martin

  • Hallo Martin,

    bei Deinem Schleimpilz denke ich an Hemitrichia calyculata, aber das müßte mikroskopiert werden, um es festzunageln. Das Capillitium ist bei der Art stark vernetzt, kaum ohne freie Enden. Der relativ lange, abgesetzte Stiel spricht auch für H.calyculata.

    Die andere mögliche Art ist H. clavata mit wenig vernetztem Capillitium und kürzerem, direkt in das Köpfchen übergehenden Stiel.

    LG Ulla

  • Danke, Ulla, für deine Rückmeldung!


    Hemitrichia ist also vermutlich richtig. Damit kann ich gut leben, ich bin froh, die richtige Gattung zu erkennen!

    Ein Stück weiter fand ich einen kleinen, gelben Wattebausch an einem Stubben, der aus vielen verwobenen Capillitia der vermutlich gleichen Schleimer gebildet war.

    Rechts unterhalb der gelben Watte steht noch einer von der Band mit geschlossener Peridie.


    LG, Martin

  • Hallo,


    ich habe versucht, meine Hausarbeit zu erledigen und war nochmals vor Ort, um Probenmaterial fürs Mikroskop zu entnehmen.

    Wurde dabei vormittags vom Forster entdeckt und befragt, was ich denn hier (abseits des Weges) täte. Nach kurzer Aufklärung war er einerseits verwundert, für was alles Leute in den Wald kämen, andererseits meinte er, dann bräuchte er heute ja nicht mehr zu jagen. Vermutlich weil er meinte, dass ich das Wild nachhaltig von seiner Anfütterstelle verjagd hätte. Naja, dann haben zumindest die Rehlein dank mir eine Gnadenfrist!


    Zum Material:

    Probe vom rosa Krustenpilz (Bild 1a/b oben)

    Die Oberfläche ist rosa, wirkt unter Stereolupe feinfilzig (1d)

    Basidien (?) gefunden mit dicken, keulenartigen Anhängseln (Sterigmen oder Sporen, Bilder 1e,h,i)

    Eine Schnalle gefunden ? (Bild 1f)

    Elliptische (etwa 4:3), ornamentierte Sporen (Bilder 1g,k) passen in Form nicht zu Basisdien-"Anhängseln" (keine Messmöglichkeit)

    Basidien und Sporen reagieren in Lugol gelb


    Aufgrund der Sporenform, der filzigen Oberfläche etc. ist mein erster Gedanke, Hyphoderma, wohl falsch!

    Inwieweit das allerdings zur vorgeschlagenen Tulasnella viola passt, bin ich überfragt.

    Meine mikroskopischen Beobachtungen wiedersprechen der These Tulasnella zumindest nicht, wenn ich das richtig sehe.

    Vielleicht würde T.subglobispora besser passen, sie hat eine weniger intensive (grau-rosa) Färbung und Schnallen.


    Zum anderen Pilz mit der ockerfarbenen Kruste (blutend, Bild 3 oben) habe ich auch eine Probe genommen, sie scheint aber steril zu sein.


    LG, Martin


    Bilder:

    Bild 1c

    Bild 1d Makroskop-Aufnahme, Probenentnahme etwa hier für Mikroskop


    Erstmal in Wasser

    :

    Bild 1e, eventuell Basidie in Bildmitte (nur 3 Anhängsel erkennbar)


    Bild 1f mit Einzelhyphen zur Schnallensuche (roter Pfeil: ev. Schnalle sonst keine im Bild zu erkennen)


    Bilder 1g eventuell ornamentierte Sporen, stimmen mit den Dingern an den Basidien in der Form leider nicht überein...


    Bild 1h Basidie in verd. Kongorot


    Bild 1i Basidie in verd. Lugol


    Bild 1j


    Bild 1k

  • Hallo,


    ich bin's nochmal mit Mikros des beigen, vermeintlich blutenden Rindenpilzes.


    Der im Zentrum bräunliche Pilz besitzt einen weißen, Hof aus dünnen Hyphenbündeln (Bild 1g,h).

    Der Übergang zwischen braunem Zentrum und weißem Hof ist fließend.

    Die Oberfläche des Pilzes wirkt feinfilzig (Bild 3h).

    Die Quetschpräparate wirken auch mich steril, zeigen aber eine auffällig hohe Dichte an kristallbesetzten Zystiden (Bild 3i)


    Die Bilder, auch die Zystidien, gleichen denen von Candelabrochaete septocystidia, dem Braunweißen Schichtpilz, in FoTE und in Internet recht gut.

    Ob die Zystidien hier, wie bei C.s. gefordert, oft septiert sind, kann ich in meinen Mirkoskopbildern nicht erkennen.

    Der Habitus passt, feinfilzige Oberfläche, kristallbesetzte, lange Zystidien sind vorhanden.

    C.s. soll "auf Druck etwas rötend" sein (123Pilz)


    Bild 3f Probe


    Bild 3g Streolupenbild Oberfläche Kustenrand


    Bild 3h Streolupenbild Oberfläche Kruste


    Bild 3i Quetschpräparat in Kongorot


    Bild 3j


    Bild 3k


    Bild 3l

  • KaMaMa

    Hat den Titel des Themas von „Blutender corticioider Pilz nicht zuordenbar“ zu „Blutender corticioider Pilz ev. Candelabrochaete septocystidia?“ geändert.
    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Martin!


    Tulasnella viola würde ich nach deinen Mikrobeobachtungen als bestätigt ansehen. :thumbup:


    Candelabrochaete (wäre übrigens was richtig Ausgefallenes) soll sich auf Gattungsebene durch kurze, dicke Hyphen auszeichnen - bei deinem Fund scheinen die Hyphen aber "normal" ausgeprägt zu sein.

    Mich erinnert das irgendwie an Phanerochaete leprosa (wäre auch was Ausgefallenes), da müssten aber außer den septierten Zystiden auch noch reguläre Lamprozystiden (ebenfalls inkrustiert, aber spindelig und dickwandig) vorhanden sein. Sporen müsste man auf jeden Fall noch finden; Rindenpilze mit inkrustierten Septozystiden gibt es zwar nicht allzu viele, aber doch eine ganze Reihe. FoTE gibt da nur einen recht kurzen und unvollständigen Einblick in die gesamte Vielfalt, 123 einen kurzen, unvollständigen und leider teils ziemlich fehlerhaften. :gzwinkern:

    Wenn du kannst, versuche es mal mit einem Präparat in Kongorot, da findet man mitunter auch die Sporen etwas leichter (vor allem wenn die winzig sein sollten).



    LG; Pablo.

  • Ojojoj,


    auf was hab ich mich da nur eingelassen? ==Gnolm6

    Jetzt hab ich schon mindestens viermal Proben von diesem Schichtpliz mikroskopiert, zweimal in Kongorot, zweimal in Wasser und ich glaube vor lauter Verzweiflung sogar in Karmesinessigsäure, und noch keine Sporen entdeckt. Vielleicht sind die winzig klein und ich übersehe sie in den Zytoplasma-Ölgetröpfel, das immerzu herumschwimmt?


    Die Probe liegt seit einigen Stunden zum Trocknen offen aus, und ist es bestimmt schon. Vielleicht kann ich sie morgen oder so noch mal reaktivieren. Nur wenn ich schon viermal zu blind war, Sporen zu finden, was lässt mich hoffen, noch fündig zu werden? ==Gnolm4


    Und dabei dachte ich schon fast, fündig geworden zu sein ... ==Gnolm23


    Ich bleibe dran!


    LG, Martin

    • Offizieller Beitrag

    Hallo.


    Rindenpilze kann man sehr gut trocknen. Man muss sie dann halt in KOH ein wenig quellen lassen, aber im Gegensatz zu Ascos zB bleiben die Strukturen gut erhalten. Da verändert sich nicht viel. Darum mikroskopiere ich selbst Rindenpilze oft aus dem Exsikkat - wenn die allerdings schon beim einsammeln ein Problem hatten (zu stark verwittert, zu jung, steril etc.), dann hat man selten noch eine Bestimmungschance. Egal ob frisch oder exsikkiert.


    Was bei deinem Fund auch sehr wichtig wäre: Schnallen?
    Das ist aber in der Tat mitunter schwierig zu beobachten bei solchen Pilzen. Candelabrochaete hätte meines Wissens keine, Phanerochaete auch nicht (höchstens an den Subikulumhyphen). Andere Gattungen mit solchen Zystiden würden dann aber wiederum Schnallen bilden.


    So zum Vergleich, was das für Sporen sein könnten, hier mal Phanerochaete leprosa:


    rechts oben, 1 Strich = 1 µm. Das ist dann tatsächlich winzig, und wenn man da nicht behutsam durchfokussiert, sind die Sporen in einem Präparat ziemlich unsichtbar.



    LG; Pablo.

  • Hallo Pablo,


    auf Schnallen hatte ich versucht zu achten und bisher keine entdeckt.

    Das heißt aber, wie ich verstanden habe, nicht wirklich viel, da nicht jedes Septum welche haben muss und - in einem Nabensatz habe ich im Forum herausgelesen, dass Schnallen sich rückbilden können. Stimmt das?


    Meine Probe ist tatsächlich bereits durchgetrocknet.

    Ich habe gerade vorhin nochmal auf die Schnelle versucht einen Schnitt durch die Probe zu erzeugen (ist gelungen) und in einer Mischung aus Wasser und 20% KOH einzuweichen. Ist auch gelungen, ich konnte die Probe dünn pressen. Aber mit Kongorot hat sich das nicht vertragen, jede Menge Kristallbildung in der Lösung, was die Sicht stört. Aber von Sporen wieder nix zu sehen... Ich bin mir eigentlich sicher, wenn welche da gewesen wären, hätte ich sie sehen müssen. Basidien habe ich auch keine gesehen...

    Ich glaube ich habe einfach Pech mit dieser Probe in puncto Sporen.


    Auf jeden Fall habe ich mal die Substratrückseite angeschaut, von wegen Weißfäule oder Braunfäule. Ich denke hier liegt eine Weißfäule vor.

    Bild von Substratrückseite


    Vielleicht ist auch dieses seltsame Gewurstel interessant; mir sagt das gar nichts. Sind das womöglich "dendrohyphida", wohl mit Bäumchenhyphen zu übersetzen? Das wäre dann vielleicht doch zur Gattungseingrenzung interessant (Peniophora et al.).

    Bild mit Gewurstel


    LG, Martin

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Martin!


    Kongorot-SDS verträgt sich gar nicht mit Laugen. Das ist das, was du beobachtet hast: Da entsteht eine massive Kristallausfällung.
    Zur Mikroskopie von Herbarmaterial gibt es Kongorot in Ammoniak, das geht besser auch mit KOH.

    Oder man muss Wechselbäder für's Präparat durchführen: Also einweichen in KOH - Ausspülen mit Leitungswasser - dann einfärben mit Kongorot (in SDS oder in Wasser). Das funktioniert auch, ist aber ziemlich aufwendig.


    Die Hyphenwürstchen auf dem Hymenium könnten auch Fremdhyphen sein. Das kommt bei solchen Krusten oft vor, daß da noch ein paar andere Pilze drauf herumhyphen. Irgendwie passen diese Zellen nicht recht zu den übrigen Hyphen des Fruchtkörpers; Dendrohyphidien sind das jedenfalls nicht. Ich würde den Fund auch nicht für eine Peniophora halten, da sind die Schnallen normalerweise nicht so schwer zu finden. Auch inkrustierte Septozystiden gibt es in der Form bei Peniophora normalerweise nicht.


    Das mit den Sporen ist in der Tat schade - aber das Problem kenne ich leider auch zur Genüge. Schöner Pilz, Lustige Strukturen... Aber nulls Sporen und Pech gehabt mit der Bestimmung. g:(

    Vorschlag: Wir fragen mal noch Tomentella , ob er zu dem Fund eine Idee hat. Wenn er keine sinnvolle Idee hat, dann vermutlich niemand hier im Forum.



    LG; Pablo.

  • Hallo Pablo,


    viel Dank für die Tipps!

    Tolle Idee mit Tormentella, falls es ihn interessiert - ansonsten war's das hat!

    Der nächste Pilz wartet schon!


    LG, Martin

  • Hallo Martin und Pablo,


    Phanerochaete septocystidiata (Odonticium septocystidiatum, Candelabrochaete septocystidiata) würde ganz gut zu deinen Bildern passen. Der rotbraune Farbton des Hymenophor war bei fast allen meinen Funden vorhanden. Die allantoiden Sporen 4,5-6,5 x 1,5-2,5 µm wären natürlich die richtige Absicherung, aber die haben wir ja leider nicht.

    Für Phanerochaete leprosa halte ich die inkrustierten Zystiden für zu stumpf und zu dünnwandig, aber ganz ausschließen

    will ich diese Art auch nicht. Man sieht auch mit etwas "guten Willen" Septocystiden.:)


    LG

    Frank

  • KaMaMa

    Hat den Titel des Themas von „Blutender corticioider Pilz ev. Candelabrochaete septocystidia?“ zu „Corticioide Pilze: verm. Tulasnella violea & Candelabrochaete septocystidia“ geändert.