Glück auf, ihr Lieben,
ich gehe seit einer Weile einer - in den meisten eurer Augen sicherlich basalen - Frage nach, die mir keine Ruhe lässt. Es ist ja gemeinhin bekannt, dass Pilze sexuellen und asexuellen Verbreitungsmechanismen nachgehen. Die beneidenswerte Fähigkeit zur vegetativen, asexuellen Vermehrung, in Form von Konidien oder durch simple Fragmentierung ist hierbei die für mich einfacher verständliche. Um sich generativ, sexuell zu vermehren müssen jedoch erst zwei unterschiedliche Hyphen zusammenfinden, und verschmelzen. Ein neues gemeinsames Myzel bildet sich, dessen Zellen mit je einer elterlichen Erbinformationskopie beladen sind. Das schlussendliche Ziel ist natürlich die Fruchtkörperbildung.
Nun zu meiner Frage. Warum entstehen in meiner Austernpilzkultur Fruchtkörper? Ich gehe davon aus, die Sporen, die die Grundlage der handelsüblichen Körnerbrut bilden, sind alle vom selben, elterlichen Organismus entnommen. Befruchten sich die "Kinder" also gegenseitig? Es muss ja zu einer Verschmelzung kommen, denn ohne diese findet nach meinem Verständnis keine Fruchtkörperbildung statt.
Fruchtkörperbildung in Kulturen
- Pleurotes Osterhase
- Erledigt
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Hi.
Wenn sich zwei einkernige Zellen (bzw. Hyphen. also mehrere Zellen eines Primärmycels) der selben "Art" treffen, verschmelzen zwar die Zellen (Plasma, Zellorganellen), aber nicht die Zellkerne.
Das ist ein entscheidender Unterschied von Pilzen gegenüber Pflanzen und Tieren.
Der Pilz lebt dann weiter als zweikerniges Mycel. Die Erbgutverschmelzung bzw. der eigentliche "Sexualakt" findet erst in den Fruchtkörpern statt, die das zweikernige ("geschlechtsreife") Mycel bildet, also erst im Zuge der Bildung der geschlechtlichen Sporen.
Wenn du also ein Mycel von Pleurotus ostreatus klonst, das zuvor schon mal Fruchtkörper produziert hast, dürfte das bereits ein zweikerniges Mycel sein, kann also immer wieder Fruchtkörper bilden. Auch alle Klone davon.Ob einkernige Mycelien auch ein Konidienstadium bilden können, weiß ich nicht - Klonen kann man aber auch einkernige Mycelien, nehme ich an. Bringt nur nicht allzu viel, bzw. ist das unsicher, ob die dann Fruchtkörper bilden können.
Es gibt aber wie bei der Vermehrung von Tieren und Pflanzen auch im Pilzreich ungefähr 9x1099999999999 Sonderfälle und Ausnahmen, wo dieses und jenes dann hier und da doch geht oder anders funktioniert - aber für's grundsätzliche Verständnis ist das eher unwichtig, denke ich.LG; Pablo.
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Hi Pablo,
freut mich, dass du dir die Zeit genommen hast, meine Wissenslücke zu stopfen. Nach meinem Verständnis ist es doch aber so, dass auch die handelsüblichen Körnerbruten aus sexuellen Sporen hervorgehen, oder nicht? Diese dürften doch dann keine Klone darstellen, sondern eben neue, generative Zellen nach dem "Sexualakt". -
Hi.
Ich habe mich nie damit beschäftigt, wie im Kulturbetrieb die "Bruten" gewonnen bzw. gezüchtet werden. Allerdings würde ich schon davon ausgehen, daß das Mycelfitzelchen sind, also irgendwelche vitalen Zellen eines "fertigen" (zweikernigen) Mycels enthalten.
Erst wenn man ein Mycel mit neuen Eigenschaften haben wöllte, müsste man kreuzen, das wäre dann ein etwas schwieriger Prozess als ein fertiges Mycel einfach zu zerschneiden und dann aus den Fitzelchen neue Mycelien wachsen zu lassen.
LG; Pablo.
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Grüß euch,
also ich kann ein paar Infos zur gelebten Praxis beitragen, allerdings gibt es dazu noch immer eine Frage, die ich mir selbst noch nicht beantworten konnte, hab mich aber auch noch nie intensiver mit der Weitergabe von Erbgut bei Pilzen beschäftigt und mich bisher damit begnügt, dass es mit den gängigen Methoden in der Zucht funktioniert.
Standard in der Vermehrung von Pilzmyzelien ist normalerweise das Klonen, also die vegetative Vermehrung von Individuen, welche sich aufgrund ihrer Wachstums- und Fruchtungseigenschaften in der Zucht bewährt haben. Solche Stammkulturen lassen sich zur weitervermehrung übrigens, richtig durchgeführt, über Jahrzehnte lagern.
Zur Gewinnung neuer Individuen zur Weiterzucht gibt es wiedereum zwei Möglichkeiten.
Einerseits das klonen von Wildstämmen, welche logischerweise bereits dikaryotisch sind und die Erbinformation zweier Elternorganismen enthalten. Diese Methode ist aber in eher die Ausnahme.
Methode zwei, welche in der Praxis eher Anwendung findet, ist die Selektion geeigneter Zuchtstämme aus Sporen.
Hierzu werden Sporen aus einem Abdruck auf Agar-Platten aufgebracht, die daraus resultierenden dikaryotischen Mycelien optisch bewertet und vielversprechend aussehende Individuen wiederum in Reinkulturen gezogen. Diese werden dann auf ihre Wachstums- und Fruchtungseigenschaften getestet und die besten Genetiken wieder als Stammkulturen eingelagert, um damit weitere Substrate zu beimpfen.
Damit kommen wir dann zu der Frage, der ich nie weiter nachgegangen bin,auch wenn sie mich in meiner Anfangszeit in der Pilzzucht immer wieder mal beschäftigt hat. Danke fürs "in Erinnerung rufen"
Die aus Sporen gezüchteten Myzelien sind zwar auch dikaryotisch, allerdings werden sie in der Praxis nicht aus Sporen zweier Elternorganismen gezüchtet, sondern aus einem Abdruck eines einzigen Pilzes. Trotzdem können sie extrem unterschiedliche Eigenschaften aufweisen, sowohl was das Mycel- und Fruchtkörperwachstum angeht, wie auch im Bezug auf die benötigten Fruchtungsbedingungen.
Warum allerdings eine derart große genetische Variationsbreite bei Individuen, welche eigentlich aus nur einem Elternindividuum hervorgehen, möglich ist, hab ich bisher auch noch nicht verstanden... aber es funktioniert auf jeden Fall und ich muss der Frage die Tage mal auf den Grund gehen
Liebe Grüße
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Lieber Florian,
einen sehr umfassenden Einblick hast du mir da gegeben. Ich konnte mir denken, dass das Ausgangsprodukt, welches die Körnerbrut bevölkert, Sporen aus dem Abdruck eines einzigen Individuums sind. Umso mehr verwundert mich die von dir angesprochene Varianz, insofern bin ich schon mal beruhigt, diese Frage nicht völlig unberechtigterweise zu stellen.
Aus den Sporen gehen als Myzelien hervor, die bereits wieder dikaryotisch sind? Das würde meine Verwunderung über die Kapazität der Zuchtindividuen erklären, Fruchtkörper zu bilden. Aber wo, unter welchen Umständen sind Pilze denn dann überhaupt monokaryotisch? Nur, wenn sie aus vegetativen Sporen hervorgehen?
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Grüß dich,
zwischenzeitlich hab ich noch etwas über die Frage nachgedacht, und eigentlich ist die Anwort auf die Ursprungsfrage gar nicht so komplex. Ich versuche also mal das halbwegs verständlich wiederzugeben.
Erst keimen (auch in Kultur) monokoaryotishce Myzelien aus den einzelnen Sporen, welche sich jedoch möglichst schnell ein weieres, kompatibles monokaryotische Myzel suchen, um mit diesem zu einem dikaryotischen zu verschmelzen. Dieser zustand bleibt während der gesamten vegetativen Phase des Pilzes bestehen, also sind in einem Pilzindividuum noch immer die gesamten Erbinformationen der beiden Elternsporen enthalten. Der eigentliche Paarungsakt, also die Verschmelzung der Erbinformation, findet allerdings erst bei der Sporenbildung statt.
dH haben auch die Sporen aus einem einzelnen Sporenabdruck eine viel größere genetische Variationsbreite als dies etwa bei den selbstbefruchteten Samen einer einzelnen Pflanze der Fall wäre, weil ja selbst in einem Abdruck Sporen vorhanden sind, welche die verschiedenen Mixturen genetischer Information von zwei Organismen enthalten.
Liebe Grüße