Neulich mache ich den Fund eines Flächigen Eckenscheibchens, das sich aufgrund des Substrats, seiner makroskopischen Merkmale und seiner Sporen problemlos als Diatrype undulata bestimmen ließ. Der Fund ist aber insofern bemerkenswert, als eines der beobachteten Mikromerkmale gar nicht so recht zu einer Diatrype passen will. Siehe dazu weiter unten, Abschnitt „Paraphysen“.
Fundmerkmale:
- Funddatum – 19. Januar 2022.
- Bodenart, anstehendes Gestein: „ Braunerde aus geringmächtiger lösslehmhaltiger Fließerde über Fließerde aus Buntsandstein-Material“ über Oberem Buntsandstein.
- Standort: Nordschwarzwald, Geimeinde Straubenhardt, 550 m Höhe.
- Fundort: unter einer älteren Hängebirke, Mischwald, Halbschatten, Wegnähe.
- Substrat: am Boden liegender, 3-4 cm dicker, 80 cm langer Birkenast in der Optimalphase der Vermorschung, komplett mit der Fundart überzogen.
- Belegnummer: „Miggel div22002,smb“.
Bild 1 – Heller Standort: die Birke im Vordergrund.
Makroskopische Merkmale:
Stroma:
- mehrere Stromata mit Flächengrößen von bis zu 10 x 8 cm, Dicke 0,5-0,8 mm
- Oberfläche schwarz, flach/eben, mit Querrissen
- Rand: steil, wellig geschwungen, schwarz
Bild 2 – schwarzes Stroma von 6 x 3 cm Ausdehnung und schwarzem, steilem, geschwungenem Rand; Ostiolen als feine Punkte gerade so erkennbar.
Bild 3 – Detail, die Bildbreite entspricht 1 cm; Ostiolen als zahlreiche, schwarze Stipsel erkennbar.
Ostiolen:
- 0,1-0,15 mm im Durchmesser, das Stroma um etwa 0,5-0,8 mm überragend.
- kegelförmig, 3-4 mal deutlich gespalten.
Bild 4 – Ostiolen in der Aufsicht.
Perithecien:
- ellipsoid, bis 0,5 x 0,3 mm groß.
- 1-reihig im Stroma.
- Meist dicht aneinanderliegend oder sich gegenseitig zusammendrückend.
Bild 5 – Querschnitt durch ein Stroma, Bildbreite 10 mm.
Gesamtstruktur - nach CHLEBICKI (2005) (Bild 6):
- Das Ektostroma (A) ist der obere, schwarze, homogene Teil des Stromas, das Konidiomata und Konidien produzieren kann.
- Die Ostiolen (B) sind die Auslässe für die Sporen.
- Das Entostroma (C, D) ist der heterogene Teil des Stromas. es liegt unterhalb des Ektostromas und kann Perithecien und Asci generieren. Es besteht aus zwei Schichten:
- einer oberen, weißen, homogenen Myzelschicht (C) sowie
- einer unteren, heterogenen, aus weißem Myzel und braunem Substratgewebe bestehenden Schicht (D).
- Die Perithecien (E) enthalten die Asci mit je acht Sporen. Die Perithecien sind hier schwarz, ellipsoid und beim Fund bis zu 0,3 x 0,5 mm groß. Sie liegen meist dicht beieinander und sind ab und zu gegenseitig zusammengedrückt.
Bild 6 - Gesamtstruktur. Erläuterungen imText. Deutlich erkennbar der steile, schwarze Rand auf der linken Seite.
Mikroskopische Merkmale:
Asci:
- achtsporig, Sporen im Ascus uregelmäßig biseriat angeordnet.
- Größe: gemessen bis 6 x 85 µm.
- Apikalring sehr schwach J+.
Bild 7 – Ascus in Baralscher Lösung; eine Spore hat den Ascus bereis verlassen.
Bild 8 – Ascus in Baralscher Lösung; der Apikalring ist leicht bläulich, d.h. sehr schwach J+.
„Paraphysen“:
Die Asci fand ich in Strukturen eingebettet, die ich hier mit „Paraphysen“ bezeichnen möchte.
Interessanterweise waren diese „Paraphysen“ weder in Phloxin noch in SDS-Kongorot auffindbar. Dies gelang nur in Baralscher Lösung! Diese Strukturelemente sind unizellular bis mehrfach septiert, besitzen einen Maximaldurchmesser 8 µm und eine Maximallänge von ca. 200 µm.
Lt. der Fachliteratur gibt es bei unseren Diatrype-Arten jedoch keine Paraphysen!
Bild 9 –Sporen tragende Asci (A) sowie eine „Paraphyse“ (P); Präparat in Baralscher Lösung.
Bild 10 – zwei mehrfach septierte „Paraphysen“. Präparat in Baralscher Lösung.
Bild 11 – Verschiedene Ausprägungen der „Paraphysen“. Präparate in Baralscher Lösung.
Sporen:
Sie sind allantoid, gelblich, hyalin und dünnwandig. Folgende Maße erhielt ich von zwei unabhängigen Proben.
[Mit L = Länge, B = Breite, Q = Schlankheitsgrad L / B, V = Volumen, av = average (Durchschnitt)]:
Präparat 1 (20 Sporen in Baralscher Lösung, 95-prozentiges Vertrauensintervall):
L x B = 5-7,4 x 1,1-1,7 µm Lav x Bab = 5,9-6,5 x 1,3-1,45 µm Qav =4,2-4,9 Vav = 5,5-7 µm3
Präparat 2 (28 Sporen in Wasser mit ein wenig Phloxin, 95-prozentiges Vertrauensintervall):
L x B = 5,4-7,5 x 1,15-1,65 µm Lav x Bav = 6,2-6,6 x 1,35-1,45 µm Qav = 4,45-4,85 Vav = 6-7 µm3
Bild 12 – Sporen in Wasser mit wenig Phloxin
Bemerkungen:
- Folgt man der Fachliteratur, dann dürfen die bei uns wachsenden Diatrype-Art keine Paraphysen besitzen! Daher meine Frage: Wer kann zur Klärung der Frage beitragen, um was es sich bei diesen Strukturelementen handelt; und wer hat schon ähnliche Beobachtungen gemacht?
- Die in den Arbeiten von CHLEBICKI, A. (2005) und RAPPAZ, F. (1987) für die fünf europäischen Diatrype-Arten angegebenen Merkmale habe ich tabellarisch als Excel-File zusammengefasst. Wer sich für diese Tabelle interessiert, kann mir gerne eine PM mit seiner Email-Adresse schicken.
Literatur:
- BREITENBACH, J. & KRÄNZLIN, F. (1981): Pilze der Schweiz Band 1, Ascomyceten.
- CHLEBICKI, A. (2005) - Diatrype from the Czech Republic. In: Czech. Mycol. 57(1-2): 117-138.
- GÖRKE, C. & LOTZ-WINTER, H. (2015): Reflexionen zur Gattung Diatrype in Deutschland. Südwestdeutsche Pilzrundschau, 51. Jg. Heft 2: 40-45.
- RAPPAZ, F. (1987): Taxonomie et nomenclature des Diatrypacées a asques octosporés. Mycologia Helvetica 2: 285-648.
Viele Grüße
Bernd