Bestimmungshilfe – Diatrype undulata kann es eigentlich nicht sein...?!

Es gibt 7 Antworten in diesem Thema, welches 1.827 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Bernd Miggel.

  • Neulich mache ich den Fund eines Flächigen Eckenscheibchens, das sich aufgrund des Substrats, seiner makroskopischen Merkmale und seiner Sporen problemlos als Diatrype undulata bestimmen ließ. Der Fund ist aber insofern bemerkenswert, als eines der beobachteten Mikromerkmale gar nicht so recht zu einer Diatrype passen will. Siehe dazu weiter unten, Abschnitt „Paraphysen“.



    Fundmerkmale:

    • Funddatum – 19. Januar 2022.
    • Bodenart, anstehendes Gestein: „ Braunerde aus geringmächtiger lösslehmhaltiger Fließerde über Fließerde aus Buntsandstein-Material“ über Oberem Buntsandstein.
    • Standort: Nordschwarzwald, Geimeinde Straubenhardt, 550 m Höhe.
    • Fundort: unter einer älteren Hängebirke, Mischwald, Halbschatten, Wegnähe.
    • Substrat: am Boden liegender, 3-4 cm dicker, 80 cm langer Birkenast in der Optimalphase der Vermorschung, komplett mit der Fundart überzogen.
    • Belegnummer: „Miggel div22002,smb“.


    Bild 1 – Heller Standort: die Birke im Vordergrund.



    Makroskopische Merkmale:


    Stroma:

    • mehrere Stromata mit Flächengrößen von bis zu 10 x 8 cm, Dicke 0,5-0,8 mm
    • Oberfläche schwarz, flach/eben, mit Querrissen
    • Rand: steil, wellig geschwungen, schwarz

    Bild 2 – schwarzes Stroma von 6 x 3 cm Ausdehnung und schwarzem, steilem, geschwungenem Rand; Ostiolen als feine Punkte gerade so erkennbar.


    Bild 3 – Detail, die Bildbreite entspricht 1 cm; Ostiolen als zahlreiche, schwarze Stipsel erkennbar.


    Ostiolen:

    • 0,1-0,15 mm im Durchmesser, das Stroma um etwa 0,5-0,8 mm überragend.
    • kegelförmig, 3-4 mal deutlich gespalten.

    Bild 4 – Ostiolen in der Aufsicht.


    Perithecien:

    • ellipsoid, bis 0,5 x 0,3 mm groß.
    • 1-reihig im Stroma.
    • Meist dicht aneinanderliegend oder sich gegenseitig zusammendrückend.

    Bild 5 – Querschnitt durch ein Stroma, Bildbreite 10 mm.



    Gesamtstruktur - nach CHLEBICKI (2005) (Bild 6):

    • Das Ektostroma (A) ist der obere, schwarze, homogene Teil des Stromas, das Konidiomata und Konidien produzieren kann.
    • Die Ostiolen (B) sind die Auslässe für die Sporen.
    • Das Entostroma (C, D) ist der heterogene Teil des Stromas. es liegt unterhalb des Ektostromas und kann Perithecien und Asci generieren. Es besteht aus zwei Schichten:
      • einer oberen, weißen, homogenen Myzelschicht (C) sowie
      • einer unteren, heterogenen, aus weißem Myzel und braunem Substratgewebe bestehenden Schicht (D).
    • Die Perithecien (E) enthalten die Asci mit je acht Sporen. Die Perithecien sind hier schwarz, ellipsoid und beim Fund bis zu 0,3 x 0,5 mm groß. Sie liegen meist dicht beieinander und sind ab und zu gegenseitig zusammengedrückt.

    Bild 6 - Gesamtstruktur. Erläuterungen imText. Deutlich erkennbar der steile, schwarze Rand auf der linken Seite.



    Mikroskopische Merkmale:


    Asci:

    • achtsporig, Sporen im Ascus uregelmäßig biseriat angeordnet.
    • Größe: gemessen bis 6 x 85 µm.
    • Apikalring sehr schwach J+.

    Bild 7 – Ascus in Baralscher Lösung; eine Spore hat den Ascus bereis verlassen.


    Bild 8 – Ascus in Baralscher Lösung; der Apikalring ist leicht bläulich, d.h. sehr schwach J+.



    „Paraphysen“:


    Die Asci fand ich in Strukturen eingebettet, die ich hier mit „Paraphysen“ bezeichnen möchte.

    Interessanterweise waren diese „Paraphysen“ weder in Phloxin noch in SDS-Kongorot auffindbar. Dies gelang nur in Baralscher Lösung! Diese Strukturelemente sind unizellular bis mehrfach septiert, besitzen einen Maximaldurchmesser 8 µm und eine Maximallänge von ca. 200 µm.

    Lt. der Fachliteratur gibt es bei unseren Diatrype-Arten jedoch keine Paraphysen!


    Bild 9 –Sporen tragende Asci (A) sowie eine „Paraphyse“ (P); Präparat in Baralscher Lösung.


    Bild 10 – zwei mehrfach septierte „Paraphysen“. Präparat in Baralscher Lösung.


    Bild 11 – Verschiedene Ausprägungen der „Paraphysen“. Präparate in Baralscher Lösung.



    Sporen:


    Sie sind allantoid, gelblich, hyalin und dünnwandig. Folgende Maße erhielt ich von zwei unabhängigen Proben.

    [Mit L = Länge, B = Breite, Q = Schlankheitsgrad L / B, V = Volumen, av = average (Durchschnitt)]:


    Präparat 1 (20 Sporen in Baralscher Lösung, 95-prozentiges Vertrauensintervall):

    L x B = 5-7,4 x 1,1-1,7 µm Lav x Bab = 5,9-6,5 x 1,3-1,45 µm Qav =4,2-4,9 Vav = 5,5-7 µm3


    Präparat 2 (28 Sporen in Wasser mit ein wenig Phloxin, 95-prozentiges Vertrauensintervall):

    L x B = 5,4-7,5 x 1,15-1,65 µm Lav x Bav = 6,2-6,6 x 1,35-1,45 µm Qav = 4,45-4,85 Vav = 6-7 µm3


    Bild 12 – Sporen in Wasser mit wenig Phloxin



    Bemerkungen:

    • Folgt man der Fachliteratur, dann dürfen die bei uns wachsenden Diatrype-Art keine Paraphysen besitzen! Daher meine Frage: Wer kann zur Klärung der Frage beitragen, um was es sich bei diesen Strukturelementen handelt; und wer hat schon ähnliche Beobachtungen gemacht?
    • Die in den Arbeiten von CHLEBICKI, A. (2005) und RAPPAZ, F. (1987) für die fünf europäischen Diatrype-Arten angegebenen Merkmale habe ich tabellarisch als Excel-File zusammengefasst. Wer sich für diese Tabelle interessiert, kann mir gerne eine PM mit seiner Email-Adresse schicken.


    Literatur:

    • BREITENBACH, J. & KRÄNZLIN, F. (1981): Pilze der Schweiz Band 1, Ascomyceten.
    • CHLEBICKI, A. (2005) - Diatrype from the Czech Republic. In: Czech. Mycol. 57(1-2): 117-138.
    • GÖRKE, C. & LOTZ-WINTER, H. (2015): Reflexionen zur Gattung Diatrype in Deutschland. Südwestdeutsche Pilzrundschau, 51. Jg. Heft 2: 40-45.
    • RAPPAZ, F. (1987): Taxonomie et nomenclature des Diatrypacées a asques octosporés. Mycologia Helvetica 2: 285-648.


    Viele Grüße

    Bernd

  • GriasDi Bernd,

    welch ein tolles Porträt!

    Ich hab D. undulata schon ein paar mal bestimmt anhand des Substrates in Verbindung mit der Ostiolenform, Stromafarbe und Sporengröße. Demnach ist Dein Fund für mich klar D. undulata.

    So tief wie Du bin ich aber in die "Innereien" nicht gegangen. Deshalb hab ich auch nichts über Paraphysen in dem Zusammenhang gewusst.

    An liabn Gruaß,

    Werner

  • Hallo Werner,


    danke für deinen netten Kommentar!

    Schade, dass so wenig Kommentare kommen, ich könnte wegen der "Paraphysen" Hilfe brauchen.


    Liebe Grüße

    Bernd

  • Servus Bernd,

    Ich bin heute zufällig an einer jungen abgstorbenen Esche vorbeigekommen, auf der einige Schwammerl fruktifizierten. Darunter auch:

    Diatrype stigma cf.


    Nun hab ich mir das mal angeschaut, und habe wie du solche Paraphysenähnliche Gebilde gesehen.




    Leider kenn ich mich nicht so mit mit Diatrypen aus, aber du siehst auch in den Anderen gibt es solche Teile.

    Wahrscheinlich hilft es dir nun aber auch nicht recht viel weiter - oder?


    Die in den Arbeiten von CHLEBICKI, A. (2005) und RAPPAZ, F. (1987) für die fünf europäischen Diatrype-Arten angegebenen Merkmale habe ich tabellarisch als Excel-File zusammengefasst. Wer sich für diese Tabelle interessiert, kann mir gerne eine PM mit seiner Email-Adresse schicken.

    Die Tabelle kannst mir gerne zukommen lassen, meine Adresse bekommst du gleich

    Danke


    Grüße

    Felli

  • Hallo Felli,


    doch, das hilft mir weiter!

    Die Bestimmungstabelle habe ich dir geschickt.


    Viele Grüße

    Bernd

  • Hallo zusammen,


    ich kann zwar auch nicht wirklich zur Klärung der Frage beitragen, aber mir ist am Wochenende eine Diatrypella verruciformis unters Mikro gekommen. Die hat zwar schon von sich aus Paraphysen, daneben waren aber auch solche breiteren, kettenartigen Strukturen zu sehen (Fotos habe ich davon leider keine gemacht).


    Björn

  • Hallo zusammen,


    ich habe Björn Wergen auf diese unklaren Elemente im Hymenium angesprochen. Nach dem, was er mir mitteilte, gehe ich von Paraphysen aus, die ab einem bestimmten Alter der Fruchtkörper nicht mehr vorhanden sind, weil sie degenerieren (zerfließen). Es könnte sich theoretisch auch um die unreifen Basidien eines chionosphaeroiden Phragmobasidiomyceten handeln. Doch das ist eher unwahrscheinlich.


    Viele Grüße - Bernd