Rehbrauner Dachpilz, Pluteus cervinus?

Es gibt 9 Antworten in diesem Thema, welches 2.308 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Habicht (†).

  • Hallo Freunde der Pilzwelt!


    Am Sonntag fand ich auf Holz Stink-Normalo-Lamellenpilze - ein mir aber noch gänzlich fremdes Thema.

    Deshalb möchte ich meinen Fund kurz vorstellen und hoffe ggf. auf Korrektur meiner Bestimmung.


    Am Fuße einer Kirsche wuchsen zwei (fast) verwachsene Pilze im Moos über/im Holz sehr eng beisammen.

    Ob das Holz zur Kirsche gehört weiß ich nicht, aber Nadelbäume waren keine in der Nähe (?), zumindest nicht viele...

    Bild 1 Zwei Pilze im Wald


    Pilze mit dunkelbraunen Kappen, schneeweißen Lamellen und einem braun-weiß gefasertem Stiel!

    Richtig hübsche sind das, finde ich! ==Gnolm13

    Bild 2 von der Seite


    Der Pilz verfärbt sich beim Ausstechen nicht durch Fingerdruck, auch die Lamellen nicht.

    Bild 3 Schräg von unten, kein Ring, keine Ringreste, weiße Lamellen


    Auch das Innere bleibt nach dem Aufschneiden weiß.

    Eine Hälfte habe ich mitgenommen, die andere zum Aussporen auf einen benachbarten Baumstamm gelegt.

    Bild 4 Querschnitt - Blick auf frei stehende Lamellen


    Der Stiel lässt sich leicht vom Hut trennen.

    Die Huthaut ist was man wohl radialfasrig nennt.

    Ob sie sich leicht ablöst, habe ich nicht getestet, aber auf dem Bild sieht man, dass sich links ein Streifen beim Schneiden abgelöst hat.

    Deshalb denke ich, sie ließe sich vermutlich leicht abziehen.

    Bild 5 Blick auf Huthaut


    Der Sporenabwurf übernacht war ergiebig und hellbraun.

    Vergleich mit den Farbtabellen im Buch (FoTE) ergibt eine Bezeichnung zwischen "cinnamon" und "clay buff".

    Auch die Lamellen hatten morgens die Sporenfarbe angenommen.

    Die Hutbreite liegt bei > 6 cm.

    Bild 6 Sporenabwurf


    Interessant sind die Mikro-Aufnahmen.

    Schon im Makroskop lassen sich bei 40x Vergößerung Zystiden mit verbreiterten Enden auf den Lamellen erkennen:

    Bild 7 Indiskreter Blick zwischen die Lamellen (40x)


    Wenn man eine Lamelle unters Mikroskop legt, konnte ich eine Stelle mit braunen Sporen finden.

    Zu dem Zeitpnkt hielt ich sie noch für eine Kontamination.

    Der Sporenabwurf hat mich eines besseren belehrt.

    Bild 8 Schrägaufsicht auf Hymenium mit reifen, braunen Sporen


    Etwas eingefärbt, um den Kontrast zu erhöhen, lassen sich sehr dickwandigen Zystiden mit Haken unter dem Mikroskop gut erkennen.

    Bild 9 Zystiden im Hymenium in 400x Vergrößerung


    Ach ja, Schnallen konnte ich keine ausfindig machen.

    Es müsste sich also um einen Pluteus handeln, alles spricht dafür.

    Bild 10 weitere Zystiden: keulenartige und spindelförmige Zystiden (Lamellenschneide?)


    Die Messung der Sporen ergibt die Werte 6,0-7,0-8,0 x 4,7-5,3-5,8, Q = 1,2-1,3-1,5; N = 8

    (Nur 8 Sporen? Da war ich ein wenig faul! Es waren einfach zu viele Sporen, die alle wild durcheinander schwammen und sich nicht beruhigen wollten ==Gnolm4 )

    Bild 11 Sporen


    Ich habe bestimmt auch am Pilz gerochen, in der Hinsicht hat der Pilz aber keinen bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen. ==Gnolm23


    Darf ich hier einen Pluteus cervinus vermuten, der seinen Namen, wie ich lese, wegen der "geweihartigen" Zystiden erhalten hat (finde ich ein wenig weit herbeigeholt)?

    Ich habe aber irgendwo hier gelesen, die Art wurde zur Artengruppe erweitert - dann vielleicht also ein Pluteus cervinus "sensu latu"?

    Allerdings sollte der Sporenabwurf dann eher pink sein, das kann ich hier (Bild 6) nicht erkennen.

    Einen weiterführenden Schlüssel habe ich im WWW leider nur für nordamerikanische Plutei gefunden, das hilft mir nix!


    Passt das so? Falls ja, wäre das mein erster Dachpilz! ==Gnolm7


    LG, Martin

  • Hallo Martin,

    der gehört schon in das Pluteus-cervinus-Aggregat. Wegen des Geruchs des Pilzes: könntest du mit etwas gutem Willen Rettich oder Radieschen assoziieren? Das wäre sozusagen der Vorschrift entsprechend.

    Innerhalb des P.c.-Aggregates muss man sich anscheinend mit einer sehr unerquicklichen Schnallenzählerei in der Huthaut weiterbewegen. Den ähnlich aussehenden Schwarzschneidigen Dachpilz kann man dagegen wohl ausschließen.

    FG

    Oehrling

    PSVs dürfen weder über I-Net noch übers Telefon Pilze zum Essen freigeben - da musst du schon mit deinem Pilz zum lokalen PSV!

  • Hallo Öhrling!


    Sehr schön, dann lag ich wohl richtig, das freut mich.

    Zum Geruch verweigere ich die Aussage! Ich kann mich nicht erinnern. Besonders intensiv war der Geruch jedenfalls nicht.

    Zum Schnallenzählen in der Huthaut ist es zu spät, der Halbpilz wurde in kleinen Teilen über Totholz im Garten verteilt. Vielleicht gefällt es ihm hier.

    Nächste Mal dann!


    LG, Martin

  • Hallo,


    anderthalb Wochen später habe ich auf einem liegenden Baumstamm am Wegesrand des gleichen Waldes, nur ein paar hundert Meter weiter, wieder einen Lamellenpilz gefunden.

    Obwohl der Pilz recht groß ist (13/14cm), ist es nur ein Zufallsfund.

    Die Stelle habe ich aufgesucht, da 2m weiter ein Eichenstubben mit einem Schwefelporling steht, den ich kontrollieren wollte.

    An meinen Dachpilzfund vor ein paar Tagen hat mich dieser Pilzfund nicht erinnert.

    Der Pilz ist diesmal (über)reif und angefressen.


    Die Huthaut wirkt sehr dünn, braun-grau mit leichtem Grünstich.

    Da ich bei der Bestimmung nach mikroskopischer Kontrolle aber zum gleichen Ergebnis - nämlich Pluteus cervinus - komme, hänge ich den Fund hier mit an.

    Bild N1 Seitliche Ansicht


    Bild N2 Stiel ohne Velum


    Bild N3 Hutoberseite wirkt glänzend grau-braun


    Für zuhause steche ich einen Bereich aus der Hutmitte aus.

    (Hier hätte ich wieder eine Geruchsprobe nehmen sollen - vergessen...)

    Die Huthaut lässt sich leicht abziehen, wie ich feststelle.


    Der Sporenabwurf der Probe liefert viele dickwandige, glatte, elliptische Sporen mit rosa-braunem Schimmer.

    Die Abmessung der Sporen liegt bei etwa 6,6-7,0-7,4 x 4,7-5,0-5,3 (Q=1,4, N=10)

    Bild N4 Basidie, Sporen, Zystidie


    An der Lamellenkante liegen dünnwandige ballonförmige Zystiden, teilweise schwach inkrustiert:

    Bild N4 Lamellenkante


    Daran schließen sich einige dickwandige Zystiden mit nur einer Spitze ,teilweise auch inkrustiert, an.

    Weiter entfernt von der LAmellenkante herrschen nicht inkrustierte, dornenbewehrte Zystiden vor.

    Bild N5 Zystiden mit 2-5(?) Haken im Hymenium


    Die Hutdeckschicht habe ich noch auf Schnallen überprüft, an 40 geprüften Septen keine Schnalle gefunden.

    Bild N6 Hutdeckschicht gequetscht in Wasser mit schnallenlosen Septen


    Auch dieser Pilz würde dem Schlüssel nach wohl zum P.cervinus agg. gehören, obwohl er doch ganz anders aussieht wie der Pilz aus der Anfrage selbst (s.o.).


    Die Huthaut bestimmt den optischen Eindruck stark. Sie wirkt beim 2.Fund sehr viel dünner, heller, glänzender als die sattbraune Hut beim ersten Fund!

    Ich vermute, das es könnte daran liegen, dass sich beim Strecken der Hyphen im Fruchtkörper die Huthaut stark dehnt, bis sie fast durchscheinend wirkt wie in Bild N3.

    Wenn das so sein sollte, dann könnte ich mir gut vorstellen, dass es sich tatsächlich um den gleichen, oder zumindest um nahe verwandte Pilze handelt.


    Ist das auch P.cervinus, trotz der anderen Erscheinungsform?


    LG, Martin

    Einmal editiert, zuletzt von KaMaMa () aus folgendem Grund: Bild nachträglich eingebunden

  • Die Merkmale passen mE zu P. cervinus,


    die Septen in der HDS ohne Schnallen trennen ihn klar ab, von P. pouzarianus.


    lgpeter

    "Die, die Kriege von oben führen sind feige Schreibtischtäter, die nicht wissen wie schrecklich Krieg ist".

    Quelle: "Masters Of War", Bob Dylan

  • Hi,


    in dem Aggregat gibt's ja noch ein paar Mehr Arten, Pluteus hongoi z.B.


    Ansonsten ist die Hutfarbe sehr variabel in der Gruppe. Das ist kein wichtiges Bestimmungsmerkmal. Der fehlende Rettichgeruch ist spannend, denn Pl. cervinus s.st. riecht in der Regel deutlich nach altem Rettich.


    l.g.

    Stefan

    Risspilz: hui; Rissklettern: bisher pfui; ab nun: na ja mal sehen...


    Derzeit so pilzgeschädigt, das geht auf keine Huthaut. :D


    Meine Antworten hier stellen nur Bestimmungsvorschläge dar. Verzehrsfreigaben gibts nur vom PSV vor Ort.

  • Hallo Stefan,


    danke für deine Anmerkung! Wieder was gelernt. :gfreuen:


    Allerdings hatte ich doch nicht geschrieben, dass der Rettichgruch fehlt, sondern ich habe nicht am Pilz gerochen - und deshalb keinen Geruch aufgenommen, den ich hier nennen könnte (Anfängerfehler); d.h. der Pilz mag sehr wohl nach altem Rettich - oder nicht danach - gerochen haben, ich weiß es nicht, weil ich es nicht überprüft habe.


    Wenn ich das Gelesene (Wikipedia) richtig interpretiere, gibt es drei untereinander ähnliche, in der HDS schnallenlose Dachpilze (P.cervinus, P.hongoi und P.rangifer = P.cervinus-Klade) - P.rangifer allerdings nur boreal vorkommend und in Mitteleuropa nicht nachgewiesen.

    Dann blieben P.cervinus und P.hongoi (wie du erwähnst) übrig, die beide in Mitteleuropa vorkommen.

    Das Label "Dachpilz aus der P.cervinus-Klade" ist mir genau genug!


    Dass ich die Bestimmung nicht vollständig hinkriege, macht mir nichts aus - ich stehe ja noch am Idiotenhügel der Lernkurve.

    Jedenfalls habe ich keinen Rötling oder Pfifferling falsch zugeordnet, das hätte mich eher geärgert. :gzwinkern:


    LG, Martin


    P.S.

    Ist es jetzt gewünscht oder nicht, den Titel nach einer Bestimmung/Korrektur anzupassen?

    Ich würde dann "Pilzfunde aus dem P.cervinus-Aggegat" oder so als Überschrift wählen.

  • Hi,


    du kannst den Titel ändern, oder nicht. Das ist deine Entscheidung. :)


    l.g.

    Stefan

    Risspilz: hui; Rissklettern: bisher pfui; ab nun: na ja mal sehen...


    Derzeit so pilzgeschädigt, das geht auf keine Huthaut. :D


    Meine Antworten hier stellen nur Bestimmungsvorschläge dar. Verzehrsfreigaben gibts nur vom PSV vor Ort.

  • Wenn ich das Gelesene (Wikipedia) richtig interpretiere, gibt es drei untereinander ähnliche, in der HDS schnallenlose Dachpilze (P.cervinus, P.hongoi und P.rangifer = P.cervinus-Klade) - P.rangifer allerdings nur boreal vorkommend und in Mitteleuropa nicht nachgewiesen.

    Dann blieben P.cervinus und P.hongoi (wie du erwähnst) übrig, die beide in Mitteleuropa vorkommen.

    Das Label "Dachpilz aus der P.cervinus-Klade" ist mir genau genug!


    Dass ich die Bestimmung nicht vollständig hinkriege, macht mir nichts aus - ich stehe ja noch am Idiotenhügel der Lernkurve.


    Servus Martin,


    ich sehe dich nicht am Idiotenhügel der Lernkurve stehen, eher am Ende deiner technischen Möglichkeiten angelangt,:gklimper:


    "Aus diesem Grund lässt sich der Rehbraune Dachpilz im Moment auf Artebene nur sicher mit Hilfe genetischer Methoden (DNA-Sequenzierung) bestimmen".

    Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Rehbrauner_Dachpilz


    thx für den Tipp zur Quelle, meine Funde bestimme ich gerne mit den PdS. P. hongoi und P. rangifer sind darin nicht angeführt. Auch ich habe wieder ordentlich dazugelernt.


    Bei meinem aktuellen Fund








    habe ich daher nur Septen ohne Schnallen in der HDS gesucht, vergeblich.


    Sehenswerte Mikroaufnahmen hat Dieter Wächter hier veröffentlicht.


    lgpeter

    "Die, die Kriege von oben führen sind feige Schreibtischtäter, die nicht wissen wie schrecklich Krieg ist".

    Quelle: "Masters Of War", Bob Dylan