Ackerling oder nicht Ackerling?

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  • Hallo,


    da immer mehr Pilze mit Hut aus dem Boden sprießen, komme ich nicht umhin immer wieder einen einzustecken und zuhause genauer anzusehen.

    Gestern z.B. war da dieses hübsche ockergelbe Pilz-Duo auf dem Waldboden.

    Bild 1 Pilze in Laubstreu


    Bild 2 Glatter Stiel mit schwachen Velum-Überresten (?), Lamellen herablaufend.


    Bild 3 Ein Saprophage


    Bild 4 Weißes Mycel im Boden


    Leider habe ich den Pilz wegen meiner anderen Funde vergessen und erst einen Tag später aus seiner Sammeldose befreit.

    Bild 5


    Die Sporen sind braun (wie meine Finger), glatt-dickwandig, ohne Ornament, inamyloid, aber ev. mit einem Keimporus.

    Die Sporenmaße liegen um 7,5-8,0-8,5 x 4,8-5,2-5,5 (Q=1,7, N=10).

    Bild 6 Sporen in Wasser


    An den Lamellen lassen sich dicke, ölgefüllte (leicht gelbliche) Zystiden mit 1(-2) fingerartigen Ausstülpungen erkennen:

    Bild 7 Zystiden


    Die Huthaut lässt sich abziehen.

    Die Huthaut in Aufsicht zeigt kugelige Zellen

    Bild 8 Aufsicht auf Huthaut (Wasser/Kongo)


    Ich lande bei den Braunsporern mit nicht ornamentierten Sporen und kugelförmigen Zellen in der HDS.

    Und letztlich bei den Ackerlingen (normal geformte Basidien, nicht kopfige Cheilozystiden, etc.).


    Bevor ich weitermache und einzugrenzen versuche, würde ich gerne wissen, ob ich hier mit Agrocybe richtig liege?


    LG, Martin

  • Hi,


    hätte jetzt keinen anderen Arbeitsnamen dafür...


    l.g.

    Stefan

    Risspilz: hui; Rissklettern: bisher pfui; ab nun: na ja mal sehen...


    Derzeit so pilzgeschädigt, das geht auf keine Huthaut. :D


    Meine Antworten hier stellen nur Bestimmungsvorschläge dar. Verzehrsfreigaben gibts nur vom PSV vor Ort.


    PSV-Prüfungstemine 2024: hier

  • GriasDi Martin,

    ich denke, dass Du mit Ackerlingvrichtig liegst. Schaut nach einem aus dem A. praecox-Aggregat aus.

    Schau Dir den Lamellenansatz noch mal an. Das nennt man nicht "herablaufend".

    Die Lamellen sind "ausgebuchtet angewachsen mit Zahn herablaufend".

    An liabn Gruaß,

    Werner

  • Hallo Werner,


    beim Lamellenansatz bin ich mir ein wenig unschlüssig.

    Hier das Foto vom noch "frischen", trotzdem schon recht angefressenen Pilz im Wald.

    Es zeigt mMn keine Ausbuchtung der Lamellen:

    Bild L1 Lamellen-Ansatz im Wald fotografiert (Datail aus Bild 2 oben)

    Zählt der dünne, weiße Fortsatz am Stiel mit zur Lamelle?

    Wenn ja, wäre sie am Stiel "herablaufend". Da der weiße Fortsatz sehr dünn ist, wahrscheinlich "mit Zahn herablaufend"


    Der Lamellen-Ansatz beim zerschnittenen Pilz einen Tag später sieht man eine Lücke ( = Ausbuchtung ?) auf:

    Bild L2: Sich durch Trocknung vom Stiel ablösende Lamellen


    Ich vermute, die Lücke ist nicht echt, sondern geht auf einen Trocknungsriss zwischen Lamelle und Stiel zurück und ist also nicht echt.

    Eine Ausbuchtung liegt vielleicht eher nicht vor, wird nur durch die Überlagerung suggeriert.

    Wie man ein solches Anwachsmuster genau nennt - tja, keine Ahnung...



    Voraussetzend

    1) die Sporen besitzen tatsächlich einen Keimporus am stumpfen Ende (Bild 6)

    Bild L3 Keimporen


    2) die gefundenen dicken Zystiden (Bild 7 oben) wachsen im Hymenium unmittelbar zwischen Basidien, also handelt es sich um Pleurozystiden

    Bild L4 Pleurozystide und Basidie


    3) die Fetzen und Verfärbungen im oberen Stielviertel sind Rückstände eines Velums

    Bild L5 Velumreste


    4) Sporengröße 8 x 5 (s.o.), die Sporenwandstärke wurde ich aus den Bildern auf nur 0,3µm abschätzen


    ... dann gelange ich unter Verwendung des Schlüssels aus

    Niveiro N, Uhart M & Albertó E, "Revision of the genera Agrocybe and Cyclocybe (Strophariaceae, Agaricales, Basidiomycota) in Argentina", 2020, DOI: http://dx.doi.org/10.1590/2175-7860202071038


    1) ... with a germ-pore => 2

    2) Veil .. marginal patches in the pileus => 3

    3) Pleurocystidia present ... or .. with spores less than 13 mm long, generally < 10 mm long => 4

    4) Large Pleurozystidia (46–77 × 22–48 mm) => Agrocybe broadwayi

    Smaller pleurocystidia (up to 53 × 25 mm) => 5

    Hier liege ich mit gemessenen 40-50 x 17-23 natürlich genau dazwischen...

    5) ... growing in grasslands

    ... growing in forests => Agrocybe neocoprophila


    ... zu dem Ergebnis:

    Naja - irgendein Ackerling wird es schon sein, Die gemessene Zystindegröße hilft mir nicht wirklich, und im Wald wächst auch Gras...

    Hier hätte ich wohl viel mehr Zystiden messen müssen, um zu einem Ergebniss kommen zu können. Aha!

    Mir geht es mehr um die Beschäftigung als solche, das Üben und Erkennen von Details. :grolleyes:


    LG, Martin

  • Hi,


    du kannst die Lamellenhaltung gerade angewachsen; bzw. mit Zahn herablaufend. Lamellenhaltung ist immer variabel. Ich hatte auch schon genug Ritterlinge, die keinen "Burggraben" hatten.


    l.g.

    Stefan

    Risspilz: hui; Rissklettern: bisher pfui; ab nun: na ja mal sehen...


    Derzeit so pilzgeschädigt, das geht auf keine Huthaut. :D


    Meine Antworten hier stellen nur Bestimmungsvorschläge dar. Verzehrsfreigaben gibts nur vom PSV vor Ort.


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  • GriasDi Martin,

    die Ausbuchtung ist nur schwach zu sehen, weil die Lamellen relativ schmal sind, und beginnt schon weit vom Stiel entfernt. Und zwar an der Stelle, an der die Schneide den Knick zum Stiel macht. Bei breiteren Lamellen, die auch noch erst kurz vor dem Stiel ausgebuchtet sind, ist der sog. "Burggraben" natürlich viel besser zu sehen. Zur genauen Artbestimmung kann ich nicht viel beitragen. Ich hab mir die von Dir zitierte Aggregataufdröselung des Praecoxkomplexes noch nicht mal angeschaut. Den Keimporus hast Du aber richtig erkannt.

    An liabn Gruaß,

    Werner

  • Hallo Martin

    Wenn Du ein Schlüsselergebnis erhältst, musst Du anschließend grundsätzlich immer mit den entsprechenden Artbeschreibungen abgleichen!!!.
    Schon die Form der Pleurozystiden bei den Zeichnungen schließt beide Arten aus und auch die Sporengrößen passen nicht. Ohne alle Beschreibungen gelesen zu haben entsteht der Eindruck, dass die Schlüsselnummern 4 und 6 vertauscht sind.

    LG Karl

  • Hallo Martin


    Die zitierte Arbeit beschäftigt sich mit südamerikanischen Ackerlingen, ich würde die für hiesige Funde nicht verwenden. Auch wenn ein paar der Arten weltweit vorkommen.

    A. broadwayi und A. neocoprophila sind beide in Europa noch nicht nachgewiesen (was natürlich nicht zwingend bedeutet, dass es sie hier nicht gibt). Im Gegenzug fehlen in dem Schlüssel einige wichtige europäische Arten.

    Für Europa gibt es meines Wissens noch keine moderne Bearbeitung des Artenaggregats um A. praecox. Wenn du schlüsseln willst, kommst du an Funga Nordica oder Gröger nicht vorbei. Und da dürftest du ohne Zweifel bei Agrocybe praecox agg. landen.


    Gruss Raphael

  • Hallo Karl und Raphael,


    ohje - da habe ich aber ein Fass aufgemacht!


    Das wollte ich bestimmt nicht so verstanden haben...

    Ich wollte eigentlich sagen, weiter als bis Agrocybe lässt sich der Pilz mit meinen spärlichen Mitteln nicht einkreisen und konne zu keinem Ergebnis.

    Und einen guten europäischen Schlüssel hatte ich nicht gefunden, leider nur den angegebenen.

    Die Gegenprüfung nach dem Schlüsseln ist Pflicht, da pflicht ich bei. Dass die Zystiden nicht gut passen, hatte ich zwar auch festgestellt, aber nicht explizit erwähnt.


    Da habt Ihr natürlich mit allem völlig Recht, Asche auf mein Haupt!


    LG, Martin