Hallo Flechtenfreunde!
Beim Aufarbeiten meiner Vogesen-Urlaubsfotos konnte ich neben der mir bereits vertrauten Parmelina tiliacea vermutlich noch weitere Parmelina-Arten ausmachen, die ich bisher in natura nicht kannte und deshalb hier kurz diskutieren möchte.
Die Linden-Schüsselflechte P. tiliacea kommt bei mir zuhause im Neckarbecken nur mäßig häufig vor, ist stellenweise aber gehäuft anzutreffen.
Das muss nicht weiter verwundern, da es sich bei dieser Art einerseits um die am häufigsten vorkommende und anderseits auch um die am weitesten nach Norden vordringende Parmelina-Art handelt.
Nach Wirth gilt sie als staubtolerant und in Hinblick auf Feuchtigkeit als nicht zu anspruchsvoll.
Sie kommt gerne auf freistehenden Bäumen vieler Gattungen wie Fraxinus, Tilia, Acer, Ulmus, Malus, Fagus, ... etc. vor.
Wenn man die Linden-Schüsselflechte kennt, ist sie aufgrund ihrer weißgrauen Färbung und ihres rosettigen Wachstums schon von Ferne realtiv gut erkennbar.
Aus der Nähe fallen die rundlich gelappten Thallusränder und das Fehlen von netzigen Pseudocyphellen (vgl. Parmelia) auf.
Insgesamt ist die Oberfläche, abgesehen von den isidien-tragenden Stellen, recht glatt; Apothecien sind bei P. tiliacea eher selten zu finden.
So konnte ich auch hier im Vogesen-Urlaub etliche frei stehende Laubbaumstämme mit Parmelina tiliacea bewachsen vorfinden, z.B. folgende Exemplare:
Bild 1 Typisch sterile Parmelina tiliacea mit anliegenden, isidientragenden Thalluslappen
Machmal findet sich ein fruchtendes Exemplar:
Bild 2 Reichlich fruchtende Parmelina tiliacea mit braunen Apothecien und feinen, schwärzlichen Isidien auf der Thallusrinde.
Die schwarze Unterseite ist im Bild stellenweise gut erkennbar.
Vergößerter Bildausschnitt mit Isidien von P. tiliacea
Die anderen Parmelina-Arten gelten nach Wirth als selten bis extrem selten.
Erstaunt war ich deshalb, als ich hier in den Vogesen andere Parmelina-Flechten z.T. am gleichen Baumstamm vorfand:
Die beiden Parmelina-Flechten in Bild 3 & 4 besitzen überaus zahlreich Apothecien und fallen deshalb sofort auf.
Der Thallus der Funde hat die parmelina-typische Form und Färbung, aber keine Spur von Isidien.
Statt dessen exisiteren schwarze Vertiefungen ("Maculae") auf der Thallusoberseite, eventuell Pyknidien.
Der Flechtenthallus ist tief bis zum Zentrum eingeschnitten.
Also definitiv keine Linden-Schüsselflechte, am ehesten käme wohl hier mMn die "Bärtige" Schüsselflechte Parmalina carporrhizans (= P. quercina var. corporrhizans)
Parmelina quercina in Betracht (Korrekturgrund siehe nächster Post, korrigierende Einfügungen in kursiv).
Die Bezeichnung "bärtig" für P. carporrhiza wird klar, wenn man die Flechte einmal gesehen hat, da die Rhizinien wie ein dichter, schwarzer Bart um die Apothecien herum wachsen können!
Fundstellen für entsprechende Aufnahmen sind im nächsten Post verlinkt.
P. quercina kommt lt. Literatur (Wirth) in lichten Bergwäldern der (sub- bis hoch)montanen Stufe und an Einzelbäumen (Querus; auch Acer, Fraxinus, Fagus) vor.
Vorkommen von P. carporrhiza in Frankreich nach van Haluwyn im Süden und Korsika, von P.quercina überall in Frankreich außer im Mittelmeerraum.
Hier in den Vogesen sind wir also nicht völlig falsch, um sie zu finden.
P. quercina wurde früher zusammen mit P. carporrhizans der gleichen Art zugerechnet.
Carporrhiza wird teilweise noch als Variation von Quercina betrachtet, die Unterscheidungskriterien erscheinen mir uneinheitlich und unklar. Einen Apothecien-Bart sehe ich jedenfalls nicht!
[Und hier war ich wohl zu voreilig:
P. quercina bevorzugt Wuchsorte höher in der Baumkrone und kommt vermutlich nicht in Betracht.
Der Thallus von P. quercina wäre geringer eingeschnitten, die Thallus-Unterseite unterhalb der Apothecien wäre rhizienfrei im Gegensatz zu P. carporrhizans - das habe ich allerdings nicht überprüft.]
Bild 3: Fruchtende Parmelina cf. carporrhizans quercina an Eschenstamm (leider nur Handybild)
Bild 4 Fruchtende Parmelina cf. carporrhizans quercina an Roteichenstamm
Bildausschnitt aus Bild 4 mit Apothecien ohne Rhizinien-Bart und Makulae auf oberer Thallusrinde
Unter einer anderen Esche, auf Silikatgestein der Wegeinfassung, lies sich eine dritte Art finden - die "Pillen-Schüsselflechte" Pamelina pastillifera.
Sie wächst nach Wirth im ozeanischen und (sub)montanen Bereich eigentlich auf Rinde (Fagus, Quercus, Fraxinus), kann aber auch auf Silikatgestein vorkommen, wenn auch selten(er).
In Frankreich nach van Haluwyn in der collinen bis montanen Stufe.
Sie bevorzugt feuchtere Habitate als die zuvor genannten Parmelina-Arten.
Bild 5 Weg zum Tennisplatz mit P. pastillifera
Bild 6 Parmelina pastillifera auf Silikatgestein unter Esche
Bild 7 Parmelina pastillifera mit grauen & schwarzen, pillenartigen Auswüchsen (namensgebende "Pastillen") direkt unter einer Esche auf Silikatgestein
Ausschnitt aus Bild 7: namensgebende, schwarze, eingedellte "Pastillen"
Die vierte in Europa vorkommende Parmelina-Art P. quercina konnte ich nicht ausmachen - vielleicht nächstes Mal!
Falls ich meine Zuordnung(en) falsch sein sollte(n), bitte ich um Korrektur.
LG, Martin