Hallo zusammen!
Beim Wandeln durch den Wald, gelangte ich nach einer Weile in einen interessanten Bereich, an dem ein Bach aufgestaut wird und der Waldboden feuchter bleibt.
Tatsächlich ließ sich hier endlich ein Pilz finden, noch dazu ein Erstfund für mich - Pseudoinonotus dryadeus, der Tropfende Schillerporling.
Über den abgefallenen Restes vom Vorjahr schiebt sich ein junger Fruchtkörper aus dem Stamm einer Eiche:
Bild 0 Pilzfund - Pseudoinonotus dryadeus
Aber zur Flechte:
Im Baumbestand fallen neben Eichen die vielen pittoresk spannrückigen und flechtenüberzogenen Hainbuchen auf.
Ein Stück weiter, beim Kontrollieren eines Hainbuchenstamms fallen mir im Kopfhöhe oliv-braune Krustenflechten mit großen, schwarzbraunen Perithecien auf.
Bild 1 Idyllisches Waldstück mit aufgestautem, entenbegrütztem Bach
Bild 2 Flechtenverkrustete Hainbuche
Bild 3 Kernflechten am Hainbuchenstamm in Teichnähe
An einer Stelle löst sich die Borke vom Stamm und die darüber wachsende Flechte kann leicht abgestemmt werden, um als Probe mit nach Hause zu wandern.
Bild 4 Probenentnahmestelle
Die Perithecien sind sehr groß, bis über 1mm (sichtbarer) Durchmesser.
Die P. sind tief in den Thallus eingesenkt, seitlich überwachsen.
Der Cortex wirkt an seiner Oberfläche wachsartig und glänzt fettig/ölig.
Auf der Thallusoberfläche fallen weiter Pseudocyphellen in Form kleiner, weißer Pünktchen auf.
Bild 5 Probe der Hainbuchenrinde mit Krustenflechte, Moos und kleinen weißgrauen Staubflechten
Ein Keilschnitt in den Thallus zeigt dessen Aufbau.
Im Perithecium befindet sich zwischen dem äußerem, schwarzem Involucrellum und dem schwarzen Hymenium innen ein bräunlicher Bereich (Excipulum).
Bild 6 Keilschnitt in olivgrünen Flechtenthallus durch Algenschicht, Perithecien mit kugeligem, d.h. unten geschlossenem Involucrellum, und Mark bis ins Substrat (braune Borke in Bildmitte)
Mit KOH reagiert das Mark im Keilschnitt gelb, das Excipulum/Subhymenium "blutet" tief rot:
Bild 7 KOH+ rot im Subhymenium/Excipulum; gelb im Mark
Das Hymenium mit Excipulum lässt sich mit dem Zahnarztbesteck leicht aus dem festen Involucrellum lösen und unter das Mikroskop verfrachten.
Im Mikroskop (Wasser) sind unterhalb der Asci ein gelbes Exsudat erkennbar:
Bild 8 Übersicht: Hymenium mit dunklem Excipulum und gelbem Pigment unter dem Hymenium
Bild 9 Hymeniumbereich mit leuchtend gelben Pigment (verfärbt sich während der Untersuchung langsam nach rot)
Lugol-Zusatz bewirkt keine Farbreaktion.
Bei Zugabe von KOH unter das Deckglas verfärbt sich die Umgebung um das Excipulum schnell tiefrot:
Bild 10 KOH(20%)-Zusatz zu Wasser unter Deckglas
Die glatten Sporen sind spindelförmig, vierzellig und braun - erinnern ein wenig an das Michelin-Männchen.
Sie sitzen zu acht einreihig in den Schläuchen.
Die Trennwände sind sehr dick, sehr kleine linsenförmige Zell-Lumina erzeugend.
Die Paraphysen sind sehr dünn und unverzweigt.
Bild 11 Acht reihig angeordnete Sporen in Schläuchen mit sehr dicken Trennwänden
Die Sporenabmessungen sind:
19,8-21,0-22,2 x 7,1-7,5-7,9 , Q = 2,7; N = 10
Die Algen handelt es sich um Trentepholia: grün-gelbe, rund-dickwandige Zellen
Bild 12 Algenzelle(n)
Alles passt zur Gattung Pyrenula, die hierzulande fast nur auf Hainbuche (!), Buche und Esche vorkommt.
Die beiden in Frage kommenden Arten P. nitida und P. nitidella unterscheiden sich in Perithecien- und Sporengröße.
P. nitida hat schmälere Sporen < 8µm, P. nitidella breitere Sporen > 8µm; P. nitida hat größere Perithecien >0,5mm, P. nitidella kleinere < 0,4mm.
P. nitida bevorzugt Carpinus, P. nitidella Fraxinus als Substrat.
P. nitidella gilt als noch wärmeliebender als P. nitida.
Alle beobachteten Eigenschaften weisen auf Pyrenula nitida, die Glänzende Kernflechte hin.
Sie lebt nach Wirth auf glatter, saurer Rinde; in niederen Lagen hauptsächlich am unteren Stammabschnitt von Carpinus, in gleichmäßig luftfeuchten Eichen-Hainbuchen-Wäldern (Teich!) und gilt zudem als recht schattenliebend (WAldflechte).
Ich denke, die Zuordnung passt, Verbesserungen und Korrekturen sind jederzeit herzlich willkommen!
LG, Martin