Lecanora chlarotera befallen mit Vouauxiella lichenicola

Es gibt 5 Antworten in diesem Thema, welches 1.291 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von KaMaMa.

  • Hallo Freund der Flechten,


    eben entdecke ich beim Sichten meiner heutige aufgenommemen Fotos eine ungewöhnliche Krustenflechte.

    Am Stamm einer alten, sechstämmigen Linde sitzt eine kleine, grauweiße, isidiöse Krustenflechte mit (!) Apothecien.

    Leider habe ich nur ein Bild vor ihr gemacht.


    Jetzt stehe ich auf dem Schlauch - ist das was Triviales?

    Oder eventuell eine nicht sterile Pertusaria coccodes oder P. flavida?


    Vielleicht hat jemand eine Idee, um was es sich handeln könnte?


    Bild 1 Linde am Waldrand, direkt angrenzend Felder


    Bild 2 Lindenstämme


    Bild 3 Flechtenfund im Bildzentrum


    Wahrscheinlich lohnt sich ein zweiter, gezielter Besuch!

    Ich sollte dann KOH dabeihaben.


    LG, Martin

  • Nachtrag:


    So, war heute nochmal dort. Wie üblich lag ich völlig daneben, es ist offenbar viel einfacher als gehofft.

    Kein eindeutiges Ansprechen auf KOH vor Ort, deshalb habe ich mich entschlossen die Flechte mitzunehmen!


    Nach genauerer Untersuchtung und Durchschlüsseln lande ich - wer hätt's gedacht - bei der weit verbreiteten Lecanora chlarotera (K+ gelb)!


    Farbreaktionen: Thallus K+ leicht gelblich (?); P+ leicht gelblich (?) / Apothecienscheibe K-, C-, P-

    Thallus geschlossen, weiß, warzig, ohne Rand

    Sporen 1-zellig, spindelförmig mit 2 großen Tropfen / Abmessungen: 11-11,5 x 5-5,5 µm etwas klein, aber vermutlich nicht vollständig reife Sporen, da durch Quetschen aus Schläuchen befreit.

    Kugelige, dickwandige Grünalgen

    Apothecien bis 1mm, gestielt, Rand lecanorin, Scheibe hellbraun

    Große Kistallhaufen in Apothecien-Mark, beständig in KOH (Oxalat)

    Kleine Kristalle im Epihymenium, auflösend in KOH

    Epihymenium NICHT K+ violett (Pertusaria ist raus!), Epihymenium entfärbt sich in KOH!

    Paraphysen manchmal verzweigend


    Beschreibung:

    L. chlarotera kommt bevorzugt an freistehenden Bäumen vor, oft auch an staubigen Straßen- und Feldbäumen, stickstofftolerant.

    Apothecienrand glatt/gekerbt bis warzig möglich; so breit wie dick; nie überstehend über Hymenium.

    Apothecien auf verengter Basis sitzend, Scheibe in allen möglichen Brauntönen, oft mißfarben durch Parasitenbefall (!), selten auch bereift.

    Thallus zusammenhängend, glatt bis warzig, oder areoliert; weißlich-hellgrau (selten gelbgrau)


    Die Untersuchungsergebnisse passen zur Beschreibung der Flechte.

    Diese Flechte ist sehr häufig, eine der häufigsten, wenn nicht die häufigste (braunfrüchtige) Lecanora auf Rinde - für mich damit absolut plausibel!


    Vielleicht bestätigt ja noch eine Analyse des Untermieters die vermutete Flechtenart?


    LG, Martin


    Noch ein Paar Bildlein:

    Bild N1 Probe


    Bild N2 teilweise fehlfarbiges Apothecium durch Befall


    Bild N3 Querschnitt durch Apothecium


    Bild N4 Massiv große Kristalle im Apothecien-Mark


    Bild N5 Sporen einzellig und spindelförmig mit 2 großen Tropfen


    Bild N6 Bräunliches Epihymenium im Wasser mit kleinen Kristallen besetzt


    Bild N7 Epihymenium in KOH entfärbt, Kristalle aufgelöst

  • KaMaMa

    Hat den Titel des Themas von „Pertusaria mit Apothecien?“ zu „Pertusaria mit Apothecien? Lecanora chlarotera!“ geändert.
  • Hallo!


    2. Nachtrag: Lichenicoler Pilz in Lecanora charlotera


    Im angefeuchteten Zustand sind die schwarzen Fruchtkörper des lichenicolen Pilzes, insbesondere in den transparenten Apothecien-Scheiben, gut erkennbar.

    Die kugelrunden bis elliptischen Fruchtkörper befinden sich aber auch im Thallus.

    Ihre Abmessungen liegen bei etwa 50µm bis einigen 100µm.

    Die Fruchtkörper setzten Konidien frei, Größen um 7-8 x 3,5-5 µm²

    Bei schwacher Vergrößerung (40x/100x) wirken die Konidien leicht bläulich/grau-grünlich.

    Die Form mit den zwei Tropfen an den Enden erinnert mich etwas an Fahrradketten. :gzwinkern:


    Handelt es sich ev. um eine Lichenoconium-Art?

    Licheniconium lecanorae sieht makroskopisch wohl ähnlich aus, aber die Konidien sind anders.

    Leider habe ich keine Literatur zu dieser Pilzgruppe.

    Hat jemand eine Idee, nach was ich suchen muss?

    Vielleicht: thorben96 ? Pilzler 13 ? Oder sonst jemand?


    Über einen Tipp würde ich mich sehr freuen!


    LG, Martin


    Bild L1 Apothecien mit eingebetteten, schwarzen Fruchtkörpern im Hymenium der Lecanora


    Bild L2 Schwarzer, ca. 50µm großer Fruchtkörper mit weißlich-hyalinen Hymeniumresten


    Bild L3 Gequetschter Fruchtkörper gibt Konidienfracht frei


    Bild L4 Konidien des lichenicolen Pilzes

  • Super Matthias,


    vielen Dank für den Schlüssel, fer wird sicher helfen!


    Vielen Dank dafür!


    LG, Martin

  • Hallo!


    Ich hab den Schlüssel runtergeladen und mit der Beschreibung in Wagner Paper über Flechten und Mikropilze bei Osnabrück (S.144) verglichen: Vouauxiella lichenicola scheint tatsächlich sehr gut zu dem Fund zu passen! Die türkisen Konidien mit den beiden Tröpfchen sind wohl charakteristisch.


    Damit wird zudem die Bestimmung der Flechtenart als Lecanora chlarotera weiter gestützt. Super! :gbravo:


    Grüßend und sich freuend, Martin

  • KaMaMa

    Hat den Titel des Themas von „Pertusaria mit Apothecien? Lecanora chlarotera!“ zu „Lecanora chlarotera befallen mit Vouauxiella lichenicola“ geändert.