Placynthium nigrum (Schwarze Schuppenflechte) & Leptogium pulvinatum (Kissen-Gallertflechte)

Es gibt 2 Antworten in diesem Thema, welches 1.198 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von KaMaMa.

  • Hallo!


    Vor einer starken Woche war ich am Rande des Odenwaldes an einem alten, aufgelassenen Weinberg spazieren und entdeckte neben einer Sitzbank auf einem Kalkstein ein interessantes Objekt.

    Direkt neben dem Sitzplatz an der Vertikalfläche (Süd-Ausrichtung, 1/2m über Boden), zwischen Moosen, eine Schwarze Schuppenflechte (Placynthium nigrum oder ein "Tintenfleck").

    Bild 1 Flechte am Fundort: Schwarze Schuppenflechte - Placynthium nigrum


    Die Schwarze Schuppenflechte ist durch ihren gefelderten, graubraun-isidiösen Thallus und den eigenartigen, schwarzblau bis blaugrün schimmernden Vorthallus gut erkennbar.

    Gelegentlich finden sich bei ihr schwarze Apothecien.

    Das eigentlich Interessante für mich ist der hellbraune Aus-/Aufwuchs darauf, den ich zuerst für eine andere Flechte hielt.

    Bild 2 Blaugrüner Vorthallus der Schwarzen Schuppenflechte ist gut erkennbar - und hellbraune, buschig verzweigte Strukturen darauf. Der Bildeinsatz zeigt ein Apothecium.


    Der thallöse Epiphyt erweist sich trocken als sehr spröde.

    Unter dem Mikroskop zeigt sich, dass er keine Flechte ist. Aber was ist das:



    Bild 3abc: Aufwuchs trocken und nass, sowie ein Thallusläppchen geplättet in Wasser


    Unter dem Mikroskop erscheint die Oberfläche des Thallus von eckigen Pflanzenzellen gebildet zu sein.

    Bild 4 Thallusoberfläche


    Die Zellen wirken teilweise gelb, teilweise farb- und strukturlos, leer.

    Der Thallus selbst wirkt hohl und mit ist mit Blaualgen gefüllt:

    Aus einem Quetschpräparat treten die Blaualgen, die in kurzen Ketten vorliegen, in großer Zahl aus.

    Pilzhyphen sind definitiv nicht zu finden.

    Ich denke, es handelt sich um eine Pflanze, eventuell ein strukturloser Moos-Thallus.

    Bild 5 Nostoc-artige Algenzellen in kurzen Ketten treten aus dem gequetschen Thallus aus (in Wasser)


    Auf der Thallusoberfläche des Epiphyten lassen sich blasenartige Zellkomplexe in grün-gelben bis roten Farbtönen finden, gerne an geschützteren Stellen, wie in Achseln zwischen Thalluslappen.

    Hier könnte es sich um andere Cyanobakterien handeln (wie Gloeocapsa) oder vielleicht wiederum um Nostoc-Zellen in Gallertkugeln - können die auch in bunt?

    Bild 6 Rötliche Algenkugeln in Wasser


    Die nämlichen, gelb-grünen bis roten Algenkugeln treten auch in und auf dem Flechtenthallus des Placynthiums auf.

    Das Placynthium erweist sich mikroskopisch als eine erstaunlich bunte Flechte: derartig bunte Algen und blaue Hyphen (!) hatte ich bisher noch nicht gesehen, schon gar nicht in Kombination.

    Diese Farbenpracht liese denken, die Probe wäre eingefärbt, was sie aber nicht ist.

    Die Cyanoflechte Placynthium gilt als mit Nostoc assoziiert; in Nicht-Gallertflechten liegt Nostoc, wie ich lese, nicht in Kettenform vor, sondern geballt in kleinen Gallertkugeln, was hier passen könnte, wenn die Farbe nicht stört.

    Bild 7 Die gleichen Algenkugeln finden sich bei der Placynthium-Flechte (in Wasser)


    Bild 8 Blaue Flechtenhyphen im Flechtenthallus (1000x in Wasser), passend zum bekannten blauen Vorthallus von Placynthium.


    Nun habe ich gelesen, dass Hornmoose, ähnlich wie lichenisierte Pilze, eine symbiontische Beziehung zu Cyanobakterien eingehen können.

    Dabei dringen die Bakterien durch Spaltöffnungen in den gallerthaltigen, hohlen Inneraum der Hornmoose ein und vermehren sich im Hornmoos.


    Die gefundene Pflanze ist hohl und mit Cynabakterien gefüllt!

    Ähnliche Bakterien finden sich in und auf dem Flechtenthallus.


    Mein Verdacht ist deshalb, dass sich hier ein Hornmoos auf der Oberfläche der Cyanoflechte niedergelassen hat, dort den Phycobionten der Flechte in sich aufnehmen konnte und auf der Flechte weiterwächst.


    Hat jemand hier eine Idee, ob der Flechten-Epiphyt hier tatsächlich ein Hornmoos ist? ==Gnolm23

    Über eure Vorschläge werde ich mich sehr freuen!


    LG, Martin

  • Hallöle!


    Ein Nachtrag zum vermeintlichen Hornmoos: Die Sache klärt sich jetzt auf!

    Die Vermutung Richtung Hornmoos war durch die pflanzegewebe-artige Struktur (siehe Bild 4 oben) ausgelöst und war natürlich grundfalsch. :girre:

    Wie sich heute erweist, handelt es sich eben doch um eine Flechte. Na, also doch im richtigen Forum!


    Im gleichen Biotop lassen sich unweit der ersten Funstelle folgende, sehr sehr fein gelappte, zerschlitzt wirkende Thalli auf den Mauern entdecken.

    Die kissenförmigen Lager sind teilweise auf/in Moos wachsend, aber auch direkt auf dem sonnenbeschienenen Kalkstein der Weinbergsmauer zu finden.

    Bild N1: Fund auf Moos


    Bild N2: Fund auf Moos


    Bild N3: Fund auf Mörtel


    Bild N4: Schnitt durch trockenen Thallus


    Bild N5: Lupenaufnahem von gequollenem, mehrfach gefindeten Lappen


    Bild N6 Mikroskopaufnahme



    Trocken ist die Flechte sehr spröde und zerbricht unter Druck.

    Die braune Flechte quillt in Wasser stark auf und zeigt einen pflanzenzellen-arigen Cortex.

    Die Zellen sind gitterförmig angeordnet (vgl. Mikroskopaufnahmen bei Irishlichens) und eine Zellschicht dick.

    Was ich als Nicht-Biologe für Pflanzenzellen hielt, ist in Wahrheit ein Pseudoplektenchym, aus dicht gepackten Pilzhyphen.


    Mein sehr starker Verdacht geht hier in Richtung Leptogium pulvinatum, der Kissenförmigen Gallertflechte.

    Die Zuordnung wird durch den Flechtengattungs- und Leptogium-Schlüssel nach Wirth gestützt!


    Bild N7 Cortexoberfläche mit einzelliger Schicht Pseudoplektenchym, darunter Algenzellen


    Bild N8 Nostoc-Algenketten



    Die Mikroskopaufnahmen (Habitus, Cortex, Algen,...) des aktuellen Fundes gleichen denen von dem Fund auf Placynthium nigrum im Originalpost, so dass ich beide Funde der gleichen Flechte zuordnen möchte.


    Leider sind die Funde steril, was aber wohl typisch ist.

    Eine Sporenanalyse konnte ich also nicht durchführen.


    L. pulvinatum kommt auf kalkreichen Substraten vor, in Lücken auf Trockenrasen oder auch auf bemoostem oder erdverkrustetem Kalkstein, an besonnten Stellen und wurde früher als Variante von L. lichenoides geführt. Die Flechte ist im Fundgebiet Odenwald / Neckar bereits nachgewiesen.


    Was mir noch unklar bleibt, sind die rötlichen Zellpakete (Algen?) in Bild 6&7 oben.



    LG, Martin

  • KaMaMa

    Hat den Titel des Themas von „Placynthium nigrum (Schwarze Schuppenflechte) mit epiphytischem Hornmoos?“ zu „Placynthium nigrum (Schwarze Schuppenflechte) & Leptogium pulvinatum (Kissen-Gallertflechte)“ geändert.
  • Hallo!


    Bei den rötlichen Zellpaketen (Bild 6-7) handet es sich höchstwahrscheinlich um auf dem Flechtenthallus aufsitzende Cyanobakterien der Gattung Gloeocapsa.

    Wenn man epilithische Flechten mit der Lupe betrachtet, finden sich regelmäßig schwarze Beläge neben und auf den Flechten, die ich bisher nie genauer betrachtet hab.

    Bild N9 Schwarze Beläge auf epilithischen Flechten


    Betrachtet man diese Beläge unter dem Mikroskop, erschließt sich deren Zusammensetzung.

    Nach kurzer Recherche ist klar, dass es sich hierbai um Cyanobakterien der Gattung Gloeocapsa handelt.

    Dies sind leuchtend grüne, rote, gelbe, graue etc. Cyanobakterien, die in gemeinsamen, dicken Gallerthüllen sitzen.

    Ein wahrer Farbenrausch:

    Bild N10 Gloeocapsa-Kolonien 1000x in Wasser


    Bild N11 Gloeocapsa-Kolonien 1000x in Wasser


    Bild N12 Gloeocapsa-Kolonien 1000x in Wasser


    Bild N13 Gloeocapsa-Kolonien 1000x in Wasser


    Bild N14 Gloeocapsa-Kolonien 1000x in Wasser


    LG, Martin