Becs de Bosson 21.08.2022

Es gibt 4 Antworten in diesem Thema, welches 1.380 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Clavaria.

  • Hallo zusammen


    Letzten Sonntag habe ich eine längere Bergtour gemacht. Nach 11 Stunden kam ich fix und fertig heim - ok, würde ich nicht auf Pilze achten wären es nur 9 Stunden gewesen.


    Der Aufstieg durch das Vallon de Rechy ist geprägt von alpinen Sümpfen. Ziel war der Gipfel mit den beiden Spitzen hinten links.

    Hier gab es einige spannende Pilze:


    1: Ein winziger Bovist, etwa 5 mm im Durchmesser.

    Die Bestimmung ist nicht schwierig: Bovista pusilla.


    Sporen mit Anhängsel und sehr fein warzig, man sieht es kaum.


    Capillitium in Baumwollblau.


    2: Ein brauner Rötling

    Mit kräftigem Mehlgeruch, gefunden in einer Quellflur auf 2800m. Man beachte, dass der Hut zur Mitte fast schwarz wird.

    Das fiel mir schon letztes Jahr bei der gleichen Art auf, Entoloma bipelle.


    Sporen etwas heterodiametrisch, aber auch einige isodiametrisch, so dass man im Schlüssel nicht weiss welchen Weg man wählen muss.

    Ohne Cheilozystiden.


    HDS deutlich zweischichtig, teils inkrustiert, teils intrazellulär pigmentiert.


    3: Ein Nabeling, den ich schon angekündigt habe:

    Die wuchsen auf 2600m in einer Quellflur, zu hunderten im Moos. Nach langem Hin und Her denke ich, dass es einfach Omphalina pyxidata ist.


    Entscheidend: Er hat Cheilozystiden, nicht sonderlich auffällig, aber doch gut erkennbar. Die anderen ähnlichen Arten sollten das nicht haben.


    Die Basidien zeigen aber schon, wie wenig konstant die übrigen Merkmale sind. Es gab am gleichen Fruchtkörper wild durchmischt 1,2 oder 4 Sterigmen.




    Bei den Sporen noch schlimmer, erst dachte ich an eine Mischkollektion oder Fremdsporen, aber jede Sporenform habe ich im gleichen Präparat an Basidien gefunden:

    Etwa zur Hälfte schlank tropfenförmig, die anderen irgendwie rundlich oder breit elliptisch.



    Und (wohl von 1-sporigen Basidien) gab es immer wieder übergrosse Sporen.


    4: Ein Scheidling

    Er wuchs parasitisch an lebendem Moos, wieder in einer Quellflur. Ich dachte der kann nicht schwierig sein, da gibt es ja nicht sooo viele.

    Aber weit gefehlt, ich habe mit der Bestimmung etwa zwei Stunden verbracht. Es ist wohl Volvariella paludosa, vor zwei Jahren in Russland beschrieben.

    Bon erwähnt in einem Artikel auch einen solchen alpinen Scheidling, verzichtet aber darauf ihm einen Namen zu geben (so kennt man Bon doch gar nicht...).

    Sequenzierung ist schon in die Wege geleitet.


    Sporen mehrheitlich über 8 µm lang, womit Volvariella murinella aus dem Spiel ist. Auch das Habitat und das parasitische Wachstum passen nicht zu murinella.


    Cheilo- und Pleurozystiden gross, oft kopfig.


    5: Ein Ritterling

    Der ist aus dem tiefer gelegenen Fichtenwald, ca. 1600m. Das war auf dem Rückweg, ich war hundemüde und das Standortfoto ist Mist.

    Geruch süsslich mit mehliger Komponente. Hut deutlich faserig-samtig. Ich komme fast nicht an Tricholoma albidum vorbei, kann das sein?

    Oder einfach eine weiss Form von Tricholoma terreum?


    Sporen eher klein, meistens kürzer als 6 µm.


    HDS aus zylindrischen Elementen, ohne Schnallen.



    So, das waren die Pilze, nun noch ein paar Landschaftsbilder.


    Der Aufstieg zum Gipfel ist etwas abenteuerlich, man muss wohl mindestens schwindelfrei sein. Der Weg führt tatsächlich durch dieses Loch.


    Von oben hat man dann einen wunderbaren Blick über ein exzellentes Exkursionsgebiet.


    Der Rückweg ins Tal führt durch diverse Habitate (Lärchen, Erlen, Fichten), leider war dort aufgrund der Trockenheit nicht viel los.


    Lg, Raphael

  • Servus Raphael,


    wieder tolle Funde! Der Scheidling ist genial!


    Zum Ritterling: Der Mehlgeruch schließt weiße Formen von Tricholoma terreum aus. Was mich wundert, ist die süßliche Komponente dabei. Tricholoma albidum (vermutlich ein Albino von Tr. argyraceum) reicht nur nach Mehl, nicht süßlich. Mit süßlich plus Mehl wäre man eher in dem Formenkreis rund um Tricholoma orirubens. Hier kenne ich aber keine Albinos.

    Hat der Fruchtkörper denn irgendwo nach dem Aufsammeln etwas gegilbt?


    Omphalina pyxidata kenne ich nur ohne Zystiden. Es wurde aber eine Varietät mit Zystiden beschrieben:

    Omphalina pyxidata var. cystidiata M. Curti, Contu & Vizzini (in Vizzini et al. 2012: A new cystidiate variety of Omphalina pyxidata (Basidiomycota, tricholomatoid clade) from Italy. Mycotaxon 120: 361-371. doi: 10.5248/120.361


    Dieses Taxon hat aber neben Cheilozystien auch Pleurozystiden, Caulozystiden und Pileozystiden!


    Sollten nur Cheilozystiden auftreten, wäre zu klären, dass dies bei den nah verwandten Taxa nicht auftreten kann. Da bisher das ganze Aggregat meist als O. pyxidata angesprochen wurde, wäre ich hier vorsichtig, das als Trennmerkmal zu verwenden.


    Liebe Grüße,

    Christoph

  • Hallo Christoph


    Der Ritterling hat nirgends gegilbt, auch nicht gerötet. Inzwischen ist er getrocknet, aber noch immer reinweiss.


    Bei der Omphalina habe ich mich nach Ludwig gerichtet, der solche Marginalzellen erwähnt.

    Wie konstant das ist weiss ich nicht, und andere Arten wurden wohl nie systematisch darauf untersucht.

    Am Stiel habe ich tatsächlich etwas gefunden was man Kaulozystiden nennen könnte, war das mir aber zu wenig markant.

    Ich denke es sind eher herausragende Hyphenenden. Pileo- und Pleurozystiden gab es keine.


    Gruss Raphael

  • Servus!


    Was für eine schöne Tour!
    Das würde sich sogar ohne Pilze lohnen. :)


    Bei dem Ritterling könnte man vielleicht noch Tricholoma columbetta abgleichen, bzw. mal recherchieren, ob es in dem Umfeld noch weitere Arten gibt, weil T. columbetta schon eher Laubbäume mag. Vom Aussehen her könnte das allerdings passen. Die blauen Flecken an der Stielbasis hat columbetta ja nicht immer, und der Geruch ist meiiner Erfahrung nach auch erstmal diffus - komplex. Allerdings zumindest für meine Nase eher nicht süßlich (das wäre Tricholoma album, der aber ein Eichenbegleiter ist und entfernter stehende Lamellen hat).



    LG; Pablo.

  • Hallo zusammen


    Kurze Nachinfo, die Sequenzierung des Scheidlings hat tatsächlich Volvariella paludosa ergeben.

    Falls jemand die SZP abonniert hat, gibt es dann dort im zweiten Heft 2023 ein ausführliches Portrait.


    Gruss Raphael