Vermutlich doch nicht Peltigera membranacea

Es gibt 15 Antworten in diesem Thema, welches 2.521 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Sennepilz.

  • Moin, weil es bei der letzten Peltigera von schlüsselrelevanter Bedeutung [Dank an Martin für den Link zum Schlüssel] war, wie lang die Rhizinen sind, habe ich heute mal einige von den Lappen am Hof umgedreht. Dabei bin ich auf eine gestoßen, die von oben gänzlich unverdächtig aussieht, sich aber unterseitig als ganz andere Art darstellt. Und zwar verlaufen die schmalen und stark herausragenden weißen Adern ziemlich durcheinander, was unregelmäßige Zwischenräume ergibt. Die Rhizinen sind mit 12 mm extrem lang, allerdings ist das bei membranacea nirgends erwähnt. Die Lappen sollen am Rand nach unten gebogen sein, das sieht von oben eher nicht so aus, bei dem Foto von unten könnte man das aber so sehen.


    LG, Bernd

  • Ei, schau!


    Ich werde den Eindruck nicht los, dass du im Pilzewunderland lebst!

    Was du nicht alles findest - bestimmt der niedrigen Bevölkerungsdichte und dadurch der Naturbelassenheit der Gegend gedankt!


    LG Martin

  • Die Bevölkerungsdichte spielt natürlich schon eine Rolle, zum Teil aber auch die extensive Bewirtschaft oder die Abwesenheit davon. Wichtig ist natürlich auch die Landschaft, ich wohne hier auf einer Moräne, die bodenmäßig recht kleinteilig zusammengewürfelt ist, Sand, Kies, Lehm, überwiegend kalkhaltig. Wenn man keinen mageren Boden hat, dann wird das mit den Bodenflechten nie was. Man muss die Natur zudem machen lassen und nicht alles umpfügen oder als Fördermittel-Plantage mit Bäumen bepflanzen - Wald kann man sowas ja nicht nennen. Beidseitig der Moräne und teils mittendrin auch Feuchtland. Dann kommt noch ein großes Moor, das in 1 km Luftlinie beginnt, hinzu, das größte Moor im Land das ganz ohne Betretungsverbot auskommt und bisher auch glücklicherweise noch frei von Besucherpfaden ist. Reliefmäßig aber schon sehr bescheiden - das alles spielt sich zwischen 110 und 150 m ab.


    Allein direkt am Hof, auf eigenem Grundstück, wäre das jetzt die 5. Peltigera. Allesamt überwiegend auf Flächen die bis 1990 Acker waren. Mit den Arten aus dem Moor wären es dann 8 oder 9.


    LG, Bernd

  • Hallo Bernd,


    Peltigera membranacea sieht von oben betrachtet so aus:


    und hier ein Blick auf die Rhizinen von Peltigera membranacea:


    Ich sehe da keinerlei Ähnlichkeit mit Deinem aktuellen Fund, bei dem es sich mit ziemlicher Sicherheit wieder „nur“ um Peltigera ponojensis handelt (die bei Dir ja nicht selten ist).


    P. ponojensis kann schon mal recht lange Rhizinen aufweisen, das liegt absolut noch im Bereich der Variabilität (die bei vielen Schildflechten recht groß ist und diverse Merkmale betreffen kann).


    Allerdings sind die Rhizinen bei P. ponojensis weitgehend glatt, während sie bei P. membranacea durch rechtwinklig abstehende Haare flaschenputzerartig aussehen.


    Beim Schlüsseln bitte immer die Gesamtheit der Merkmale im Auge behalten!


    LG Ingo

  • Hallo Ingo, vielen Dank für Deine Erläuterung und schön dich mal wieder bei den Flechten zu sehen.


    Meine Vermutung, dass es sich um P. membranacea handeln könnte, stützt sich vor allem auf die in Bild 3 gezeigten Eigenschaften, dass die schmalen und erhabenen Adern unregelmäßig verlaufen und die Zwischenräume eben nicht oval oder rhombisch sind, sonder polygonal - und diese Eigenschaft scheint unter den Schildflechten doch eher selten zu sein. Die Länge der Rhizinen ist dabei nicht relevant, das war nur die Story, weswegen ich dazu gekommen bin, mal wieder diverse Lappen umzudrehen.

    Dass P. membranacea von oberseits oft adrig daherkommt, habe ich gesehen. Allerdings gilt Dein Argument bezüglich der Vielfalt der Einzeleigenschaften doch nicht nur für ponojensis, sondern auch für membranacea, oder?


    Sind Dir schon andere Arten, einschließlich ponojensis, mit so einem ausgeprägten und unregelmäßigen Adermuster untergekommen? Abgesehen von membranacea? Die erhabene Aderung aus meinem Bild 3 sieht man ja auch in Deinem Bild 2. Es ist ja nicht so, dass ich nicht schon hunderte von ponojensis umgedreht und schon eine gewisse Vorstellung von deren Variansbreite hätte ... jedenfalls hier am Standort


    Bezüglich der Rhizinen, dass die so bürstig aussehen, das kann ich noch mal in diversen Feuchtigkeitsstadien versuchen - sieht man vielleicht nicht immer. Abgesehen von etwas Niesel ist der Boden unter den Flechten schon ziemlich trocken - kein Kunststück auf Sandboden.


    Aktuell bin ich weit davon entfernt, den Arbeitstitel zu revidieren, aber weitere Bilder reiche ich sicher nach und vielleicht ergibt sich ja dann die eine oder andere Richtung.


    Liebe Grüße,

    Bernd

  • Hallo Bernd,


    das Adernetz Deines Fundes ist etwas stärker entwickelt als bei einer durchschnittlichen P. ponojensis, aber absolut noch im Rahmen des Vorstellbaren. Man findet bei Schildflechten immer wieder Exemplare die bei verschiedenen Einzelmerkmalen von der Norm abweichen und dann möglicherweise an eine andere Art denken lassen.


    Zu beurteilen ist aber die Gesamtheit der Merkmale und da ist Dein Fund doch recht eindeutig als P. ponojensis zu bestimmen. Auf keinen Fall ist es Peltigera membranacea, da passt nicht nur das gesamte Erscheinungsbild nicht, auch der Standort schließt diese Art weitestgehend aus. Peltigera membranacea hat (im Gegensatz zu P. ponojensis) sehr hohe Feuchtigkeitsansprüche und wäre an diesem Fundort kaum existenzfähig.


    Eine gute Vorstellung von der Variabiltät vieler Schildflechten vermitteln die zahlreichen Fotos dieser Seite: https://www.waysofenlichenment.net/lichens/Peltigera/


    LG Ingo

  • kruenta

    Hat den Titel des Themas von „Vermutlich Peltigera membranacea“ zu „Vermutlich doch nicht Peltigera membranacea“ geändert.
  • Hallo Ingo,


    die Nachuntersuchung speziell der Rhizinen hat keine solchen Flaschenbürsten zu Tage gebracht, entweder einfache Rhizinen oder solche die oberseits verzweigt sind oder pinselartig in Büschel übergehen, Teilweise gibt es einige ganz feine Haare weiter unten, aber das ist wohl nicht gemeint.


    Wo hast Du die membranacea gefunden? An Fließgewässer? Flachmoor? Bruchwald? Sehe ich das richtig, dass das stämmige Moos da Climacium dendroides ist?


    LG, Bernd

  • Hallo Bernd,


    die Peltigera membranacea stand zusammen mit anderen Schildflechten am Rand eines schattigen Waldwegs in sehr geschützter und kühler Lage inmitten eines größeren Waldgebietes mit hohem Nadelholzanteil. Der Boden war sandig-lehmig und nur normal feucht, entscheidend war hier sicherlich der Schutz vor Wind und Sonne und daraus resultierend die wohl ganzjährig recht hohe Luftfeuchtigkeit.


    Bei dem Moos handelt es sich um das Gemeine Grünstängelmoos (Pseudoscleropodium purum, Syn.: Scleropodium purum).


    LG Ingo

  • Hallo Ingo, in dem Fall ist das Substrat gar nicht so abweichend und die Substratansprüche sind kein Ausschlusskriterium. Der konkrete Standort ist in jungem unterholzigen (viel Laubanteil, der die Feuchtigkeit viel besser hält als Nadelgehölz) Kiefernwald, der von drei Seiten von älterem Wald umgeben ist. Mit Sonne ist ab 11 Uhr etwa Schluss.

    Natürlich kein Kerbtal mit Bächlein, wo ich ziemlich regelmäßig P. praetextata finde - aber die mag es ja doch noch deutlich feuchter.


    LG, Bernd

  • Hallo Bernd,


    wenn Du sagst, dass der Fundort deiner Schildflechten in einem jungen Kiefernwald liegt, der zumindest vormittags auch noch direktes Sonnenlicht erhält, dann glaube ich nicht, dass es dort für Peltigera membranacea feucht genug ist. Die Art stellt noch höhere Ansprüche an die Luftfeuchtigkeit als Peltigera praetextata und sie zählt auch definitiv nicht zu den Flechten, die in jungen Waldbeständen zu finden ist.


    Ich vermute, dass Dein Fundort vor einigen Jahren noch deutlich weniger dicht mit jungen Bäumen bestanden war, mit noch guten Bedindungen für Schildflechten des Offenlandes wie Peltigera ponojensis. Jetzt wächst die Fläche langsam zu und es wird schattiger und feuchter, was auch den üppigeren Wuchs der Peltigera ponojensis erklären würde.


    Bei der nah verwandten Peltigera rufescens konnte ich dergleichen öfters beobachten, die Thalli werden mit dem Einsetzen einer leichten bis mäßigen Beschattung erstaunlich groß und kräftig und ähneln dann (von oben betrachtet) sehr denen von Peltigera canina.


    Dieses üppigere Wachstum ist aber nur vorübergehend, denn mit dem Fortschreiten der Sukzession bzw. der Entwicklung zum Wald unterliegt P. rufescens dann doch schnell der Konkurrenz durch Moose, Gräser und krautige Pflanzen. Bei der nah verwandten und ökologisch ähnlichen P. ponojensis wird die Entwicklung nicht anders sein.


    LG Ingo

  • Hallo Ingo,


    ich lese hier mit und freue mich über deine ausführlichen Erklärungen zu den Peltigeren.


    Was mich allerdings wundert, ist dass eine Flechte des Ofenlandes im Wald ûppiger gedeiht als im Freien.


    LG, Martin

  • eine Flechte des Ofenlandes

    Hurra, wieder so ein Schöner!


    ist das eigentlich weit vom Auenland wech?


    GLG

    Link zu Pilzlehrwanderungen: Pilzschule Rhein-Main

    Link: Verzehrfreigaben gibt es online nicht

    Galerie: Pilzfotos "zum Anfassen"/Stereobilder

    Der frühe Vogel fängt den Wurm. Soll er doch im Dunkeln tappen...ich fange lieber Pilze. Fossas sind auch nur aktiv, wenn es sich lohnt.

    Meine Fotos und Artwork dürfen nicht ohne meine vorherige ausdrückliche Genehmigung außerhalb dieses Forums verwendet werden!

    Pilz-Chips: 90+8 für Nobis Pilz-Cover-Rätsel=98, +2 Interne Tribünen-Punkte-Wette APR 2022=100, +4 PhalschPhal-Gedicht APR = 104 +5 Rätselgedicht = 109, 3 als Rätselprämie an Lupus = 106

  • Was mich allerdings wundert, ist dass eine Flechte des Ofenlandes im Wald ûppiger gedeiht als im Freien.

    Hallo Martin,


    das habe ich so nicht geschrieben. Die Thalli werden lediglich bei einer leichten bis mäßigen Beschattung größer (also mit dem Heranwachsen der ersten Pioniergehölze) und das natürlich auch nur wenn die Begleitvegetation aus Moosen, Gräsern und Kräutern den Schildflechten weiterhin eine Chance lässt, was nur auf recht nährstoffarmen Standorten der Fall ist. In "richtigen" bzw. alten Wäldern (außer in extrem lichten Beständen auf Extremstandorten) gedeihen keine Offenland-Schildflechten wie Peltigera rufescens oder P. ponojensis (die Ränder von breiteren und lichtreichen Waldwegen mal ausgenommen, aber das wären dann auch schon wieder Standorte, die dem Offenland zuzurechnen sind).


    LG Ingo

  • Hallo,


    Wege sind ja nun eine recht neue Erfindung. Was haben die Flechten vorher gemacht? Und vor allem wo? Wälder können auch in unseren Breiten ziemlich licht sein, etwa die Flechten-Kiefernwälder (FFH LRT 91T0), wobei ich mich nicht erinnern kann, dass ich in solchen Peltigera gesehen hätte. Flechten sind zudem vielfach Pioniere. Etwa an Flüssen, wo neue Hänge freigespült werden. Oder kleinteiliger gesehen, auf Maulwurfshügeln, Ameisenhügeln, Scharrstellen von Wildschwein und Fuchs, Sandbädern von Reh und Hirsch etc. Der Fokus auf "alte Wälder" erscheint nicht plausibel. Insbesondere da diese alten Wälder weitaus weniger dicht und heller waren als heutige Altersklassenwälder, einfach weil immer mal wieder offene Stellen durch Kalamitäten oder umgefallene alte Bäume entstehen. Und durch Grasen der großen Pflanzenfresser, die neben dem Grasen auch gern mal junge Bäume einfach umrennen oder entrinden.


    Übrigens habe ich an der verdächtigen Flechte neben den üblichen P. schreberii, H. splendens des Nadelwalds und der noch als Rest vorhandenen Rh. squarossa des Offenlands auch die genannte Ps. purum gefunden.


    Sennepilz hast Du auch eine Meinung zu der anderen Peltigera horizontalis/neopolydactyla im vorherigen Thema?


    P.S. im Ofenland gibt es keine Flechten, die brennen einfach zu gut :D


    Ach ja, das Mähen mit dem Trommelmäher und das Beweiden mit Schaf und Pferd tut den Peltigeras keinen Abbruch, die sehen kurz danach immer reichlich zerfetzt oder zerlatscht aus, aber im Trend werden es mindestens nicht weniger. Wohingegen bei klassischen Pilzen der Eindruck entsteht, dass die Schafe sich allergrößte Mühe geben, dass ja kein Pilz stehen bleibt - das ist derzeit das reinste Massaker von Täublingen, Erdritterlingen und Kuhmäulern ...


    LG, Bernd

  • @ Sennepilz hast Du auch eine Meinung zu der anderen Peltigera horizontalis/neopolydactyla im vorherigen Thema?

    Hallo Bernd,


    ja, habe ich, da Martin Dich dort aber schon auf die meines Erachtens richtige Spur geführt hat, wollte ich mich nicht einmischen. In Frage kommen Peltigera horizontalis und Peltigera polydactylon (P. neopolydactyla dagegen nicht). Ich tendiere zu P. polydactylon, wage nur anhand der gezeigten Bilder aber keine Entscheidung.


    LG Ingo