Flocki im Miniaturformat?

Es gibt 39 Antworten in diesem Thema, welches 10.948 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Toffel.

  • Hallo Ralph,


    ich will ja nicht besserwisserisch rüberkommen, aber das Foto zeigt definitiv keinen Rotfußröhrling (im engen Sinne). Du bist aber in der richtigen Gattung (die Rotfußröhrlingsgruppe wurde von Xerocomus abgetrennt, was auch Sinn macht - habe den neuen Gattungsnamen aber gerade nicht parat).


    Damit wir aber nicht aneinander vorbei reden: Im Volksmund sind alle kleinen Filzröhrlinge, ob mit oder ohne roten Stiel, ob mit oder ohne Schüppchen, ob blauend oder nicht, "Rotfußröhrlinge", wenn sie keine Ziegenlippen sind (also wenn sie einen zumindest im Alter rissigen Hut haben).


    Der abgebildete Pilz hat keine ausgeprägte rote Subcutis. Damit fällt Xerocomus pruinatus schonmal aus. Xerocomus ripariellus ebenfalls.
    Xerocomus cisalpinus, Xer. chrysenteron und Xer. porosporus haben Risse ohne rot (bzw. können dies haben; Xer. porosporus hingegen gar nicht).


    Der Stiel hat gar keine Flocken, also fällt Xerocomus chrysenteron aus (sorry, Ralph, aber ist so).


    Das Rot am Stiel erscheint in homöopathischen Dosen. Noch ein Ausschlussgrund für den echten Rotfußröhrling.


    Die schmutzigen, grauen Stielfarben lassen mich sehr stark an Xerocomus prorsporus denken. Der würde im Anschnitt recht deutlich blauen. Man muss aber mikroskopieren, da es einen Doppelgänger gibt, der amyloide und nicht trunkate Sporen besitzt (im Gegensatz zu Xer.porosporus, der inamyloid ist und trunkate Sporen hat).


    Xer. cisalpinus können wir ausschließen, denke ich.
    Xerocomus communis ebenfalls (Hutfarbe zu einheitlich braun, Stiel zu schmutzig)
    Xerocomus rubellus ist röter.
    Xerocomus dryophilus ss. auct. ital. ist ebenfalls viel freudiger gefärbt (kommt auch in Deutschland vor).


    Xerocomus truncatus kenne ich nicht anhand von Frischmaterial. Dieser hätte ähnlich wie Pseudoboletus parasiticus eine perforierte Sporenwand (nur im Elektronenmikroskop sichtbar) und leicht gestreifte Sporen (entgegen vieler Literatur - ich habe Originalmaterial aus Nordamerika untersucht - und es gibt wenige Aufsammlungen aus Europa).


    Jetzt haben wir die gängigen Arten erstmal durchgekaut (Xerocomus fennicus gibt es m.W. bei uns nicht - es gibt noch weitere Beschreibungen / Arten...).


    Am plausibelsten ist für mich Xer. porosporus, der "Falsche Rotfußröhrling", wobei mir der Name nicht schmeckt, da er eigentlich fast nichts mit dem echten Rotfuß gemein hat (Xer, pruinatus wäre da besser als Doppelgänger geeignet).


    Die Xerocomi hat der Teufel gesehn, finde ich. Ich bestimme auch keinen sicher, ohne mikorskopiert zu haben - bis auf typische Xerocomus chrysenteron. Und allein der deutsche Name "Rotfuß" suggeriert doch einen roten, nicht schmutzig grauen Stiel?!


    carolin:
    Literatur ist so eine Sache. Der aktuelle Röhrlingsband der Reihe Fungi Europaei ist eine gute Zusammenstellung. Ansonsten gibt es nur Einzelartikel in Fachzeitschriften. Als Autoren sind Redeuilh (Frankreich, leider verstorben), Sutara (Tschechien) und Klofac zu nennen. Klofac hat einen Schlüssel zu den europäischen Röhrlingen in der Ö.Z.P. publiziert. Und dann gibt es natürlich noch den Engel / Klofac (deutschsprachig), wobei ich hier mit manchen Interpretationen etwas hapere. Damals war aber noch absolutus Chaos in dieser Gruppe. Mittlerweile wurden weitere Arten beschrieben und das Ganze lichtet sich.


    Liebe Grüße
    Christoph


    P.S.: Ralph: wenn das für dich ein Rotfußröhrling im weiteren Sinne ist, weil du die einzelnen Arten nicht trennst (ich weiß ja nicht, wie tief du in die Röhrlinge eingestiegen bist), dann hast Du auf eine gewisse Art nicht Unrecht. Entspricht vielleicht dem Benennen eines Hallimaschs als Armillaria mellea, auch wenn er nicht Honiggelb ist und eigentlich Armillaria ostoyae ist.[hr]
    P.S.: das Foto des ausgewachsenen Flockis ist ganz sicher Boletus erythropus, also der Flocki. Die Farbgebeung variiert sehr stark. Es gibt gelbe, gelbbraune, hellbraune, dunkelbraune Flockis. Es gibt Flockis mit wenig Rot am Stiel, es gibt Flockis fast ohne Rot am Stiel. Flockis sind sehr variabel, wenngleich sie recht oft dunkelbraune Hüte und rote Flocken (statt gelblicher) am Stiel haben. Junge Flockis sollten auch deutlich blauen. Alte Exemplare hingegen verlieren diese Eigenschaft eher, wenn sie eintrocknen. Das liegt an der Variegatsäure, die das Blauen verursacht.

    Argentum atque aurum facile est laenamque togamque mittere, boletos mittere difficile est
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  • Mittlerweile wurden weitere Arten beschrieben und das Ganze lichtet sich.


    Mir kam es bei jeder weiteren Art, die Du genannt hast, immer dunkler vor... :D


    Auch wenn ich jetzt gerade wirklich nichr mehr hinterherkomme, ist es alleine interessant zu erfahren, wieviele verschiedene Rotfußröhrlinge es gibt. Meine Literatur, die ich bisher besitze, ließ mich in dem Glauben, es gäbe ganz genau EINEN.
    Mit genug Zeit und Muße werde ich mich aber gerade den Röhrlingen einmal ausgiebiger widmen. Der Röhrlingsband, den Du genannt hast, wäre da doch ein Anfang...


    Vielen Dank für die ausführlichen Infos und liebe Grüße,
    Carolin


    P.S.: Und eines gelobe ich: Ich werde nie wieder leichtfertig von einem Rotfuß-Röhrling sprechen...

  • danke für die ausführungen... ich hatte letztes oder vorletztes jahr auch einige verschieden "rotfüße" gefunden, die hier im forum nur in 2 oder 3 arten unterteilt wurden und irgendwie traf auf einen aber nichts richtig zu.


    mir wurde damals immer entweder zu herbstrotfuß oder noch einem anderen geraten..


    so habe ich das kennengelernt hier im forum..


    mich hat es damals schon sehr interessiert, ob es nicht noch andere gibt.


    was ich hier gelernt hatte (und im restlichen internet) war einfach, dass rotfüße einen glatten stiel haben, der rötliche töne im unteren bereich hat, dazu eine kappe, die rissig sein kann und dessen risse rötlich gefärbt sind, bzw. wenn man den hut anschneidet an der oberen fläche unter der huthaut, dazu recht intensiv gelbes fleisch, das blumig riecht und bei einer sorte einen hellen hutrand um den schon fast grau-bräunlichen hut.


    so war bisher meine definition eines rotfußröhrlings.


    mich hat auch der graue stiel bzw, braune auf dem anderen foto nicht verwundert, da das rot oft schnell in ein braun umschlägt, wenn man ihn eine zeit liegen lässt, bzw. das rot verblasst und fotos sehr oft eine andere farbe anzeigen. typisch war für mich die maserung des glatten stiels, die typischen risse mit färbung und die dunkelfärbung des stiels am unteren ende. auch das korallenartige aussehen der röhrenenden (die oft schon eher weiss sind als gelb) passen dazu im vergleich zu anderen röhrlingen.


  • Ich denke, dieses Werk wird Dich für den Einstieg ein wenig überfordern - kannst Du italienisch?


    :) Da sprichst Du jetzt natürlich sowas an...
    Ich kann ja nicht mal Latein, wie Du weißt - und das habe ich gelernt!


    Also, dann werde ich mich nach etwas anderem umsehen müssen...
    Wäre dieses hier für den Anfang geeignet?


    Die Grosspilze Baden-Württembergs: Die Großpilze Baden-Württembergs, Bd.2, Ständerpilze: Leisten-, Keulen-, Korallen- und Stoppelpilze, Bauchpilze, Röhrlings- und Täublingsartige: Amazon.de: German J. Krieglsteiner: Bücher


    LG,
    Carolin

  • Hallo Carolin,


    sorry, hatte ich vergessen zu erwähnen (dass die Fungi Europaei oft auf italienisch, aber mit englischen Zusammenfassungen geschrieben sind - es gibt aber auch englischsprachige Bände, nicht aber den Xerocomus).


    Die Pilze Baden-Württembergs gefallen mir gut, sind aber eigentlich keine Bestimmungsbücher. Hier geht es mehr um die Ökologie der einzelnen Arten. Deshalb findest Du keine ausführlichen Beschreibungen der Arten.


    Heinz Engel, Aurel Dermek, Wolfgang Klofac, Erhard Ludwig, Thomas Brückner: Schmier- und Filzröhrlinge s. l. in Europa. Die Gattungen Boletellus, Boletinus, Phylloporus, Suillus, Xerocomus. H. Engel, Weidhausen 1996, ISBN 3-926470-08-9., ist auf deutsch.


    Jetzt ist mir auch die neue Gattung wieder eingefallen: Xerocomellus (für die Rotfüße, Xerocomus s.str. sind die Ziegenlippen incl. Phylloporus).


    LG
    Christoph

    Argentum atque aurum facile est laenamque togamque mittere, boletos mittere difficile est
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  • Christoph,


    das Buch, das Du nennst, dürfte schwer aufzutreiben sein...


    Wenn ich mal ein bisschen weniger um die Ohren habe, kann ich mich aber in der Uni-Bibliothek nach geeignetem Lesewerk umsehen. Das wäre dann auch die kostengünstigere Variante.
    Ich bin sowieso ein Freund des Probelesens vor dem Kauf - zumal wenn es sich um Bücher ab 50€ aufwärts handelt...


    Wenn jemand aber etwas über Röhrlingsliteratur weiß, die man aktuell noch beziehen kann, die außerdem für (lern- und lesewillige) Anfänger geeignet ist, freue ich mich über weitere Vorschläge!


    Liebe Grüße,
    Carolin



  • Hm, ein sehr gutes Werk, das hauptsächlich die Ökologie der Pilze anspricht. Als Anfängerbuch würde ich das nicht bezeichnen, letztendlich musst Du selbst entscheiden, ob das was für Dich ist.
    Ich kann Dir heute abend mal eine eingescannte Seite schicken, damit Du Dir ein Bild machen kannst.


    Gruß Harald[hr]


    Heinz Engel, Aurel Dermek, Wolfgang Klofac, Erhard Ludwig, Thomas Brückner: Schmier- und Filzröhrlinge s. l. in Europa. Die Gattungen Boletellus, Boletinus, Phylloporus, Suillus, Xerocomus. H. Engel, Weidhausen 1996, ISBN 3-926470-08-9., ist auf deutsch.


    Das ist so gut wie überhaupt nicht aufzutreiben und wenn dann für horrendes Geld.
    Auf dem neuesten Stand ist es sowieso nicht und man kann eigentlich auch gar nicht so richtig gescheit damit arbeiten (ich zumindest habe es bislang noch kaum benutzt - das muss aber nix heißen ;)).


    Gruß Harald

  • Hallo Harald!


    Ich habe mal (noch oberflächlich) den Bestand der Uni-Bibliothek abgefragt: Da ist sicherlich etwas für mich dabei, z.B. auch dieses "Großpilze Baden-Würtembergs"... (und über 400 andere Werke)
    Wenn mir ein Buch dann nicht zusagt, halb so schlimm. Und wenn ich denke, nicht mehr ohne leben zu können, kann ich es dann immer noch selbst kaufen ;) Am Ende die beste Lösung...


    Falls dem ein oder anderen noch etwas zum Thema Röhrlinge einfällt, lasst es mich wissen, dann kann ich gezielt danach suchen!


    Vielen Dank und liebe Grüße,
    Carolin


    P.S.: Über die eingescannte Seite würde ich mich natürlich sehr freuen :)


  • P.S.: Über die eingescannte Seite würde ich mich natürlich sehr freuen :)


    Ui, das habe ich gestern abend noch vergessen. Heute bin ich nicht mehr zuhause - wird also morgen (bzw. WE) werden...


    Aber wenn Du Zugung zur UB hast kannst Du es Dir doch mal ausleihen?


    Gruß
    Harald

  • Hallo zusammen!


    Heute habe ich ein Foto machen können, auf dem noch einmal zu sehen ist, dass der junge Hexenröhrling ersteinmal gelbe Poren hat. (Ich glaube nicht, dass bei diesem Exemplar wieder Zweifel auftreten, ob es sich um einen Flocki handelt...)



    zuehli: Dir habe ich eine PN geschickt :)


    Liebe Grüße,
    Carolin


  • (Ich glaube nicht, dass bei diesem Exemplar wieder Zweifel auftreten, ob es sich um einen Flocki handelt...)


    Unzweifelhaft - ein Prachtexemplar!
    Weide Dich an dem Anblick, denn hier in Gießen und Umgebung gibts kaum Flockis, dafür umso mehr die netzstieligen Brüder, weil hier relativ viel Kalkboden ist.
    In der Marburger Gegend ist es dafür umgekehrt.


    Gruß Harald

  • Hallo Carolin!


    Ich habe gerade zufällig die von Andreas Gminder publizierte Abhandlung "Pigmentverlust bei Hexenröhrlingen". Südwestdt. Pilzrundschau 26(2): 32-33 gefunden. Ich dachte mir, dass dich das vielleicht interessieren könnte. Ich komme da allerdings nicht ran. Vielleicht jemand aus dem Forum...?


    Viele Grüße
    Toffel


  • Ich habe gerade zufällig die von Andreas Gminder publizierte Abhandlung "Pigmentverlust bei Hexenröhrlingen". Südwestdt. Pilzrundschau 26(2): 32-33 gefunden. Ich dachte mir, dass dich das vielleicht interessieren könnte. Ich komme da allerdings nicht ran. Vielleicht jemand aus dem Forum...?


    Voilà - ich habs mal auf den Scanner gelegt (SWDPR 26/2, 1990):