Probleme mit giftigen Ritterlingen

Es gibt 13 Antworten in diesem Thema, welches 2.186 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von ingosixecho.

  • Liebe Ritterlingsfreunde!


    Die meisten Menschen hierzulande, die sich näher mit braunen Ritterlingen befassen, kennen sicher auch den (mittlerweile historischen) Artikel von Walther Neuhoff, welcher in den "Westfälischen Pilzbriefen" veröffentlicht wurde.


    Link: https://wwwuser.gwdg.de/~rjahn/Pilzbriefe/PB_Bd_1_11.pdf


    Dabei war lange unklar (bzw. ist es noch), um welche Art aus dem T. pessundatum - Umfeld es sich genau handelt. Viele ähnlichen Arten wurden im Anschluss in Sippenhaft genommen und für giftig erklärt.


    Leider konnte ich die berühmte Tricholoma pessundatum selbst nie finden. Allerdings scheint diese Art nicht in Betracht zu kommen, da sie zumindest als ungiftig gilt. Dafür gibt es in unseren Kiefernwäldern eine recht ähnliche Art. Die erscheint, nach meinen Beobachtungen, vor allem nach heißen Sommern besonders besonders zahlreich. Wobei "zahlreich" übertrieben ist. Lasst es mal 20 - 30 Exemplare sein.

    Was mir vor allem seit zwei Jahren aufgefallen ist - die Teile können richtige "Trümmer" werden. Exemplare mit 20 cm Höhe und 15 cm Hutdurchmesser können da schon mal vorkommen.
    Ein konstantes Merkmal ist aber, dass die Länge der Stiele größer ist als der Durchmesser der Hüte. Bei Tricholoma pessundatum - dem "Niedergedrückten Ritterling", soll es sich genau anders herum verhalten.


    Hier ein paar Bilder vom vergangenen Wochenende:









    Gemeinhin werden solche Funde unter Tricholoma stans geführt. Vor allem aufgrund der gerippten Hutränder. Allerdings ist Tricholoma stans, nach der Originalbeschreibung von E. Fries, eine Art mit erkennbar striater Hutoberfläche und Rippen an den Huträndern. Vor allem wurde (hier auch FNE 4) noch nirgendwo berichtet, dass die Art giftig sei. Diese hübschen Ritterlinge hier sind es zweifelsfrei!


    Das ist allerdings nicht so neu. Ich hatte es bereits 2020 im DGfM-Forum geschrieben. Was mich eigentlich umtreibt ist die Frage, ob diese Art auch in anderen Regionen gefunden wird oder wurde.

    Der alte Vergiftungsfall rührte von Pilzen her, die in der Dübener Heide aufgesammelt wurden. Irgendwo in den Lausitzer Kiefernwäldern müssten die auch zu finden sein. Diese sind von der Bodenbeschaffenheit mit dem Müllroser Forst vergleichbar. Im berühmten Areal bei Nürnberg könnten die eigentlich auch wachsen, oder?


    Über aktuelle Meldungen zu diesem Thema wäre ich hoch erfreut.


    Grüßlis Ingo

  • Hallo Ingo


    Ich habe aus dem nahegelegenen Kiefernwald eine Kollektion, ich ich ursprünglich als Tr. pessundatum bestimmt hatte, inzwischen aber eher für Tr. stans halte.

    Keine Ahnung ob dir das weiterhilft. Man erkennt gut den gerippten Rand und die radialen Fasern.



    Lg, Raphael

  • Hallo Raphael,

    diese Pilze kenne ich aus dem Nürnberger Sandkasten als Tricholoma albobrunneum im Sinne der FNE4. Sie sind deutlich kleiner als die Pilze aus dem stans-/pessundatum-/populinum-Komplex, die Hutbreite überschreitet kaum je 6 cm, wohingegen die anderen gut und gerne 15 cm Hutbreite haben können.


    Hallo Ingo,

    die von dir präsentierten Pilze wachsen auch im Nürnberger Sandkasten. Sie haben nicht immer Tropfenflecken auf der Huthaut. Wenn diese Tropfenflecken tatsächlich ein Bestimmungsmerkmal für pessundatum darstellen sollten (aber nur dann), sind dies keine pessundatum, sondern populinum, denn an meinem Fundort gibt es auch Zitterpappeln. Ob der Hutrand gerippt ist, scheint in gewisser Weise altersabhängig zu sein, so dass man das Artkonzept T. stans sicherlich auch hinterfragen darf.

    Folgende Merkmale deiner "Pessundaten" scheinen für mich artkennzeichnend zu sein:

    - glatte, schmierige, nie striate Huthaut

    - Hutoberfläche eher blassbraun mit einem deutlichen altrosa Ton, nie mahagonibraun, öfters mit konzentrischen Tropfenflecken

    - ganz wenig Braun am Stiel, der Stiel ist bei jungen Pilzen ziemlich reinweiß und bekommt erst im Alter diffus verwaschene blassbräunliche Flecken

    - nie definierter Weiß-Braun-Übergang am Stiel

    - mittelgroß (ausgewachsen ca. 8 bis 12 cm Hutbreite), kleiner jedenfalls als ausgewachsene T. batschii oder T. ustaloides, aber deutlich größer als T. albobrunneum

    - starker Mehl-Gurke-Geruch (d. h. Mehlgeruch mit säuerlicher Komponente)

    - auf nacktem Sandboden wachsend, mitunter kaum aus dem Sand herausschauend

    (den Geschmack muss ich unbedingt mal prüfen, wenn ich in zwei Wochen hinfahre)


    FG

    Oehrling

    PSVs dürfen weder über I-Net noch übers Telefon Pilze zum Essen freigeben - da musst du schon mit deinem Pilz zum lokalen PSV!

  • Hallo Stephan,


    die Pilze sind definitiv mild. Sie haben eigentlich niemals Tropfenzeichen am Hut. Die gerippten Hutränder kann man auch schon bei Jungpilzen erahnen - bei mittelgroßen Exemplaren sowieso. Die von dir vor einiger Zeit gezeigten Pilze halte ich für echte pessundaten. Entscheidend ist das Verhältnis von Höhe zu Breite. Allerdings - wenn da auch Espen waren, wird es schwierig.

    Bei Geschmacksprobe bitte vorsichtig vorgehen. Bitte nicht nur die Pilzreste ausspucken!


    Grüßlis Ingo


    p. s. die Pilze wachsen immer direkt aus dem feuchten Moos heraus - nie aus Sandwegen. Im Prinzip wie die langstieleigen Steinpilze im Kiefernwald. Daher auch die Größe.

  • Hallo Raphael,


    wie Stephan schon schrieb, handelt es sich bei deinem Fund um einen Pilz aus dem albobrunneum-Aggregat. Bei meinen Ritterlingen fehlt die striate Hutoberfläche.

    Ob sich unter T. albobrunneum verschiedene Arten verbergen, kann ich nicht sagen. Du könntest deinen Fund gerne mit den Kollektionen im Ritterlings-Projekt im DGfM-Forum vertgleichen.


    GR Ingo

  • Nachtrag:

    Nach den "historischen" Vergiftungsmeldungen könnte diese Art auch auf den eiszeitlichen Sandstreifen am südlichen Ostseeufer beschränkt sein. Was würde ich dafür geben, wenn ich das mal in polnischen oder litauischen Pilzforen nachfragen könnte.


    GRI

  • Bei Geschmacksprobe bitte vorsichtig vorgehen. Bitte nicht nur die Pilzreste ausspucken!

    Hallo Ingo,

    danke für den Hinweis. Ich werde eine Wasserflasche mitnehmen und mir nachher den Mund ausspülen. Mir ist klar, dass bei den Weißbraunen eine Kostprobe nicht ungefährlich ist.

    FG

    Oehrling

    PSVs dürfen weder über I-Net noch übers Telefon Pilze zum Essen freigeben - da musst du schon mit deinem Pilz zum lokalen PSV!

  • Frag doch einfach mal nach. Ich erinnere mich an eine Foristin litauischer Abstimmung (vielleicht hieß sie Joli, aber ich habe lange nichts mehr von ihr gelesen), und Kozaki hat polnische Familie, glaube ich. In diesem hilfsbereiten Forum könnte ich mir tatsächlich gut vorstellen, dass jemand zu dolmetschen bereit ist.

    Hallo Craterelle,


    ich hoffe ja immer noch, dass hier mal jemand aus den betreffenden Regionen reinschaut. Die Teile scheinen wirklich speziell zu sein, was das Vorkommen angeht. Die von mir des Öfteren gezeigten Amanita pini (die im ähnlichen Areal vorkommen) konnte ich bisher auch nur in meinen eigenen Beiträgen besichtigen. Bereits im direkten Berliner Umland gibt es hierzu leine Fundmeldungen.


    GR Ingo

  • GriasDi Ingo,


    ich stelle da mal zwei Funde, die ich mit Matthias Dondl entsprechend FNE4 auch als T. stans bestimmt hab, zur Diskussion.

    Interessant ist, dass die Funde aus dem Vorderen Zillertal bei Uderns bzw Fügenberg sind, wo die nächste Kiefer 10km entfernt im Inntal steht. Als Mykorrhizapartner kommt hier nur Fichte oder Tanne infrage:









    Hier noch der andere Fund etwa 1km vom anderen entfernt im reinen Fichtenwald:



    Interessant war auch, dass ich genau an den Stellen zeitgleich meine einzigen T. portentosum-Funde in der Gegend gemacht hab. Zusammen mit dem ersten Fund konnten wir auch T. matsutake finden.

    Wie gesagt...fernab einer Kiefer...




    An liabn Gruaß

    Werner

  • Hallo Werner,


    toll! Vielen Dank. Ich kann mich an einen Beitrag von Matthias erinnern, wo er die mal zeigte. Keine Ahnung, wo das war. Entweder bei pilzepilze oder DGfM.

    Beide Kollektionen entsprechen zu 99,5 % meinen Funden bei Kiefer. Ich war auch einige Jahre bei Tricholoma stans nach FNE4. Allerdings halte ich das hier mittlerweile für etwas Eigenes. Ich hatte zum Thema auch schon eine Unterhaltung mit Kai Reschke. Der meinte, dass die Probleme erst losgehen, wenn die Gensequenz nicht mit T. stans übereinstimmt. Dann wären erstmal Grundlagenforschungen an der Tagesordnung.


    Eigentlich schade - bei Cortinarius und Inocybe geht es ja auch irgendwie.


    Grüßlis Ingo


    p. s. zum Matsutake fällt mir nichts ein. War das ein "alpiner" (also bitterer)?

  • Hallo Miteinander,


    merkwürdigerweise sind diese Pilze in diesem Jahr schon durch. Vielleicht ist es ja zu warm. 2020 konnte ich noch am 08. November Jungexemplare finden. Tricholoma populinum var. Espe läuft allerdings noch. Das ist die Art, die der hier gezeigten noch am ähnlichsten ist.


    Was mich auch in meiner Meinung bestärkt - ruft man im www. Bilder von Tricholoma stans auf, sind da kaum welche dabei, die (diesen hier) Neuhoffs Giftritterlingen ähneln. Das sind fast immer irgendwelche mittelbraunen Ritter mit striaten Hüten und Rippen am Hutrand.



    Grüßlis Ingo

  • Hallo zusammen und besonders Ingo,


    ich habe mit Interesse dieses ältere Thema gelesen. Ohne viel Ahnung von braunen Ritterlingen zu haben, stellen sich mir noch folgende Fragen:

    1. Woher weißt du, dass die Pilze auf den Bildern in deinem Ursprungsbeitrag „zweifelsfrei“ giftig sind? Hat sich jemand daran vergiftet?

    2. Warum sollte man von (giftigen) braunen Ritterlingen keine Geschmacksproben nehmen, bzw. besonders vorsichtig sein? Ist eine Aufnahme über die Schleimhäute hier (als Ausnahmefall bei Pilzen) möglich und sind die so stark giftig, dass eine Aufnahme geringster Mengen über die Schleimhäute gefährlich ist?

    3. Welche Arten sind jetzt deiner/eurer Meinung nach giftig und gibt es dazu mittlerweile Referenzen?


    Ich würde mich über Antworten freuen-

    Viele Grüße

    Emil

  • Moin Emil,


    ich gebe zu, ich bin nicht der Schnellste. Ich muss die aktuellen Erkenntnisse noch im Tintling posten. Als Folgebeitrag für die beiden aus den Jahren 2014 und 2016.

    Bei den Kostproben hatte ich mich etwas unscharf ausgedrückt. Kleine Stückchen durchkauen und gleich wieder ausspucken ist ungefährlich.

    Ich meinte eigentlich Kostproben von Gerichten, wo welche von denen mit gekocht wurden. Da reicht ein Löffel Sud!


    Grüßlis Ingo