Zweimal Weiß auf Grün

Es gibt 12 Antworten in diesem Thema, welches 2.446 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Argross.

  • Nein, damit meine ich nicht den mittelfränkischen Fußballverein mit dem Kleeblatt 8o


    Das warme und damit vorallem schneefreie Wetter der letzten Wochen nutzte ich um immer mal wieder Moospolster am Straßenrand und auf Grundstücksmauern an denen ich vorbei kam etwas genauer zu betrachten. Moosbecherlinge im engeren Sinne konnte ich dabei leider nicht finden.


    Dafür rauhe Mengen dieser kleinen weißen Becher, die ich als Bryoscyphus dicrani bestimmte.





    Apothecien bis 1,5-2mm, meist kleiner


    Massenaspekt. Ob das Moos C. purpureus oder etwas anderes ist kann ich nicht beurteilen. Es ist jedenfalls ein sehr feinblättriges, dunkelgrünes Moos was ich typischerweise in den Fugen zwischen Gehsteigplatten finde. Die hier gezeigten Funde stammen jedoch von Mauern, da sie dort einfach größere Polster bilden, die schöner zu photographieren sind.


    vergrößert:

    nach etlichen Funden kann ich sie mittlerweile schon ohne mich zu bücken aus fast 2m Höhe benennen :D

    entweder sie haben ein gutes Jahr oder sie sind in meiner Gegend im Gegensatz zu den gefärbten Verwandten einfach recht häufig.



    Haken+


    Iod-


    Sporen lanzettförmig, glatt: 16) 17.4 - 20.5 (21.1) × (6) 6.2 - 7 (7.5) µm Q = (2.6) 2.64 - 3.1 (3.2) ; N = 20




    Den zweiten Fund, den ich vorstellen möchte machte ich an einer vertikalen Seite eines großen (Silikat-) Sandsteinquaders. Es handelt sich um gruppierte reinweisse "Eiszapfen" bis ca 1,5mm Länge auf abgestorbenem Moos/Rhizoid (einer Glashaarbewehrten Spezies zB Syntrichia ruralis?). Wie erwartet gestaltet sich die Bestimmung schwierig. Die Sporenmaße passen gut zu Mucronella calva, die allerdings auf Holz (ausschließlich?) vorkommt. Ebenfalls in Frage kommt Ceratellopsis spec. die auf abgestorbenen Moosen vorkommen soll, was besser passt, für sie werden jedoch größere Sporenmaße angegeben. Kristalle, Schnallen und amyloide Sporen sind wohl kein Trennmerkmal da bei beiden Gattungen beschrieben. Ich kann daher keine definitive Zuordnung treffen. Aber vielleicht hat sich ja jemand von euch bereits eingehender damit beschäftigt und hat eine Meinung dazu?




    Kristalle



    Spitze steril siehe Beitrag unten!


    Sporen (ohne Apiculus):

    (4.9) 5.2 - 5.9 (6) × (2.4) 2.5 - 3 (3.1) µm

    Q = (1.8) 1.9 - 2 (2.2) ; N = 21


    (mit Apiculus):

    (5.4) 5.7 - 6.4 (6.6) × (2.4) 2.6 - 3.06 (3.1) µm

    Q = (1.9) 2 - 2.3 (2.4) ; N = 19


    Viele Grüße

    Ingo

  • Hallo Ingo,


    beitragen kann ich hier leider nichts, außer, dass ich deine Funde super spannend finde.

    Danke fürs Einstellen!


    Ich gehe zu meinem Leidwesen bisher immer leer aus, wenn ich Moospolster kontrolliere. Also darf ich weiter auf einen so hübschen Erstfund hoffen... ==Gnolm2


    LG, Martin

  • Hallo Martin, freut mich dass dir der Bericht gefällt. Nach langer erfolgloser Suche war ich über die kleinen Weißen auch sehr glücklich. Mittlerweile geht es mir allerdings so, dass ich oft im ersten Moment denke „oh toll endlich Moosbecher!“ aber dann sind es doch wieder „nur“ diese altbekannten. Aber es wäre ja langweilig wenn man alles sofort finden würde was man sucht!

    In diesem Sinne wünsche ich uns weiterhin eine spannende „Jagd“! Irritierte Blicke der Nichteingeweihten sind einem jedenfalls sicher. Ein Herr hatte mal vermutet ich hätte vielleicht den Ehering verloren und wollte mir beim Suchen helfen. Ein Hausbesitzer meinte sich gleich verteidigen zu müssen, er wisse dass die Mauer mal wieder gepflegt gehöre. Als ich verneinte hätte ich gerne seine Gedanken gelesen ==Gnolm5

    Viele Grüße nach Westen,

    Ingo

  • Hallo Ingo,


    eine Mucronella ist das nicht, sondern schon eine Ceratellopsis.

    Ich leite deinen Fund mal an Klaus Siepe weiter.


    VG : Thorben

  • Hallo Thorben, vielen Dank schon mal, vielleicht meldet sich Klaus Siepe ja.


    Bis jetzt scheint es ja noch keinen brauchbaren Schlüssel für Ceratellopsis zu geben?

    Ich habe mal die im Forum vorhandenen Beiträge (die meisten sind ja von dir) durchgesehen und so richtig viel Ähnlichkeit hat leider keiner.


    Nachdem ich bei der letzten Untersuchung unter Zeitdruck nur zwei FK untersucht und keine guten Aufnahmen hinbekommen habe, war ich gerade nochmal drüber:


    Und ich muss mich korrigieren: die Spitze ist nicht steril!




    die Keulchen besitzen einen Stiel und dieser ist tatsächlich steril


    die Hyphenstruktur war schwierig darzustellen (sämtliche gefärbten Präparate sind misslungen daher ungefärbt)



    und ich bin mir nicht sicher ob ich vielleicht Zystiden gefunden habe?



    Viele Grüße

    Ingo

  • Hallo Ingo,


    die Gattung Ceratellopsis ist alles andere als einfach.

    Es gibt zwar Beschreibungen von Arten, aber Typusbelege sollen oft nicht mehr vorhanden sein.

    Einen Schlüssel wirst du vergeblich finden.

    Kennst du eigentlich schon diese Arbeit hier ?

    In der Arbeit wurden einige Aufsammlungen der Ceratellopsis sequenziert.


    VG : Thorben

  • Hallo Ingo (bin hier relativ neu, kaum Beiträge),


    ich habe gerade deinen Beitrag gesehen und auch ein kleines weißes Keulchen auf Moos bearbeitet welches augenscheinlich deinem Fund zumindest sehr ähnlich ist.


    Kurz: ca. 1mm, inamyolid, Sp. 4,5-6(7) x 3-3,5µm. Frk. Spitze fertil, Hyphen bis 8µm, keine Schnallen gesehen, ohne Skeletthyphen, viele Kristalle


    Anhand Artikel:


    Phylogenetic origins and family classification of typhuloid fungi, with


    emphasis on Ceratellopsis, Macrotyphula and Typhula


    Olariaga, S. Huhtinen, T. Læssøe, J.H. Petersen, and K. Hansen


    STUDIES IN MYCOLOGY 96: 155–184 (2020)


    > https://www.ncbi.nlm.nih.gov/p…s/PMC7388190/#!po=31.6216



    Mein vorläufiges Ergebnis:


    Bryopistillaria sagittiformis (Pat.) „cf“


    Olariaga, Huhtinen, Læssøe,J.H. Petersen & K. Hansen, comb. nov. Fig. 7. MycoBank MB831378.


    hier die Schlüsselstelle wo die Ceratellopsis Gruppe von der neuen Gattung Bryopistillaria getrennt wird:


    14. Medulla-Hyphen < 2,5 μm breit; subhymeniale Hyphen nicht geschwollen, < 2,5 μm breit; auf abgestorbenen Pflanzenresten;


    Schnallen (immer(?) vorhanden........Ceratellopsis p.p.


    14. Medulla-Hyphen 2,5-6(-9) μm breit; subhymeniale Hyphen rund-rundlich, 4-10(-12) μm breit; oft auf lebenden


    Moose; Schnallen fehlend............Bryopistillaria sagittiformis



    Die rundl. Zellen sind bei mir ein Schwachpunkt, weil ich wegen der weichen, wässerigen Konsistenz das Subhymenium nicht


    differenzieren konnte. Ich habe +/- undeutlich rundl. Zellen mit Fragezeichen.



    Bryopistillaria sagittiformis, Syn. Ceratellopsis sagittiformis


    In fungi o. temp eu S. 1097 wird C. sagittiformis noch mit Schnallen und etwas größeren Sporen angegeben, als in der Neukombination als


    Bryopistillaria



    Für mich ist diese Gattung inkl. Umfeld völliges Neuland,


    aber vielleicht kannst du mit den Angaben trotzdem etwas anfangen



    Meinen Fund habe ich fertig bearbeitet und ihn wahrscheinlich morgen mit mehr Details und Bildern hochladen



    Mit freundlichen Grüßen Armin


  • Hallo nochmal,


    ich darf kurz zusammenfassen was mir Klaus Siepe dankenswerter Weise zum oben vorgestellten Fund schrieb:

    - das Vorhandensein von Schnallen im Hymenium sowie einer sterilen/fertilen Spitze ist wohl kein eindeutiges/geeignetes Trennmerkmal.

    - die fraglichen Zystiden sind wohl etwas herausgelöste Basidiolen

    - auf der obigen Datenlage sowie dem Vorkommen auf/bei Moosen ist der Fund wohl am ehesten (Sporen etw. zu klein, Subhymenium, Schnallen?) als Bryopistillaria cf sagittiformis ss. Olariaga et al. zu benennen


    an dieser Stelle nochmal herzlichen Dank!

    Ingo

  • Noch ein kleiner Nachtrag: als ich heute auf dem Heimweg meinen Zug knapp verpasste habe ich die Zeit bis zum Eintreffen des Nächsten genutzt um auf dem naheligenden Pendlerparkplatz ein paar Moospolster auf den Randsteinen zu inspizieren. Ich kann es selbst kaum glauben, da fand ich schon wieder eine Gruppe Ceratellopsis. (Die Fundorte liegen ca 35km entfernt) Entweder großes Dusl oder sie sind vielleicht wie viele unscheinbare Pilze einfach oft übersehen. Rein makroskopisch halte ich sie für die selbe Art, versuche sie aber sobald ich Zeit dazu habe auch noch zu mikroskopieren.


    der Randstein war heute Morgen noch schneebedeckt, durch die Hecke sieht man den Schnee auf der Schattenseite noch hindurchschimmern



    interessanterweise gehen sie hier auch auf ein direkt angrenzendes, stark vermodertes Stängelchen über




    Viele Grüße Ingo

  • Ahoj, Ingo,


    spannend, was es Alles gibt!


    LG

    Malone

    Link zu Pilzlehrwanderungen: Pilzschule Rhein-Main

    Link: Verzehrfreigaben gibt es online nicht

    Galerie: Pilzfotos "zum Anfassen"/Stereobilder

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  • Hallo Ingo,

    Zu den Schnallen ja oder nein:

    Ich fand bei meinem Fund keine Schnallen, die ich als eindeutig zu bezeichnen würde.

    Jedoch 2(3) Mal war ich schon im Grenzbereich. Mich würde es nicht wundern, beim nochmaligen, intensiven Suchen (bei meinem Fund) auch vereinzelt eindeutige Schnallen zu finden.

    Glückwunsch zum 2ten Fund.

    Bin gespannt auf die Mikros.

    Ich denke, es ist jetzt aus mit dem beschaulichen Leben im Untergrund. Die weißen Keulchen wollen in die Öffentlichkeit, heraus aus der exotischen Minderheit mit sporadischem Auftreten.

    Gruß Armin

  • Hallo an alle die den Thread noch verfolgen, mittlerweile bin ich dazu gekommen die neue Kollektion noch zu mikroskopieren.

    Zudem habe ich auf dem Parkplatz vor meiner Arbeitsstelle (nicht der o.g. Pendlerparkplatz) noch drei weitere "Vorkommen" entdeckt. Damit denke ich, dass diese winzigen Keulchen keineswegs soo selten sind, sondern wohl eher übersehen. Mit Kenntnis der entsprechenden Habitate und den jetztigen Witterungsverhältnissen (um 0 Grad, auch leichter Frost schadet offenbar nicht) liessen sie sich ohne lange Suche finden.


    Von daher schaut doch auch mal in feuchten Moospolstern nach der Farbe Weiss wenn ihr auf Octospora Suche seid- ich kann mir kaum vorstellen dass ihr nicht auch mal fündig werdet.





    Mikroskopisch unterschieden sie sich (für mich) nicht, neben der vom Pendlerparkplatz habe ich auch die letzte hier gezeigte Kollektion untersucht.


    Übersichten:

    P1 (100x)


    P2 (leicht gequetscht, daher breiter, 100x)


    Die Spitzen waren bei jungen Keulchen immer steril, bei älteren nie, sodass ich davon ausgehe, dass das lediglich ein Reifungsprozess ist (jew. 400x).




    Ein Subhymenium konnte ich nicht darstellen, da es mir ohne Auflichtmikroskop nicht gelang die Keulchen zu sezieren. Sie auf gut Glück zu zerpflücken war nicht erfolgreich. Allerdings habe ich versucht die Vollpräparate im Verlauf des Mikroskopierens immer wieder etwas mehr sachte zu quetschen um zumindest das Hymenium von der Medulla zu trennen. Eine Gradwanderung, sie sind derart fragil dass schon ein kleines auf das Deckglas Tippen zu viel zu undefinierbarem Gries führt.




    Das war das einzige Bild auf dem ich mir einige subglobose Zellen im "Subhymenium" einbilden könnte (Sterne)


    Aus dem gleichen Grund kann ich auch Schnallen nicht sicher ausschliessen, im Vollpräparat fand ich keine, aber es gelang mir nicht die Hypen zu separieren um dies genauer beurteilen zu können (und ich habe am Ende ein Marmeladenglas mit benutzten Objektgläsern fast vollgehabt ;))


    Die Kristalle lagen teils in Clustern vor


    "entwurzelte" Keule (400x). Haare am Stiel konnte ich keine finden.

    Die Hyphen (auch die generativen in der Medulla) lagen zwischen 3-5µm Dicke


    Einen verwertbaren Sporenabwurf erhielt ich nur von P2 (P1 war zulange im Kühlschrank) die Maße quasi identisch mit der ersten Kollektion vom Spielplatz.


    (5) 5.1 - 5.9 (6.1) × (2.2) 2.5 - 3 (3.3) µm

    Q = (1.7) 1.9 - 2.2 (2.4) ; N = 22


    Die Sporen sind damit wieder etwas schlank im Verleich zu dem was Olariaga et al. für Bryopistillaria sagittiformis angeben (4.5–6.5 × 3–3.5 μm) aber mangels besserer Alternativen bleibe ich dabei.


    So das war der Ausflug in den Keulenwald, danke für euer Interesse, Kommentare wie immer herzlich willkommen,

    viele Grüße

    Ingo

  • Hallo Ingo,

    das sieht nach viel Arbeit aus.

    Ich denke das Foto vom "Subhymenium" sieht doch recht gut nach rundlichen Zellen aus.


    Natürlich kann man beim Quetschen vereinzelte Basidien nicht ausschließen, die eventuell rundl. Zellen vortäuschen können, trotzdem denke ich, dass du hier richtig liegst.


    Das Thema Schnallen ja/ nein wird wohl eine Frage bleiben. Vielleicht werde ich in den nächsten Tagen (?) ein Exsikkat in Ruhe nach Schnallen bearbeiten.

    Gruß Armin