Nachdem ich bereits vor kurzem einen (Ein)Blick in die Welt der coprophilen Pilze gegeben habe, möchte ich das nun mit einem weiteren Beitrag fortführen.
Leider bin ich aus gesundheitlichen Gründen noch nicht wieder in der Lage, größere Runden in der Natur zu drehen und somit auf Zusendungen lieber Pilzfreunde angewiesen, um wenigsten am Mikroskop und mittels Fotoapparat meinem Hobby fröhnen zu können. Nachdem mich Meike & Michael bereits Anfang April mit einigen Dungproben „versorgten“ (à oben), schickte mir meine sächsische Pilzfreundin Heidrun Proben vom Reh (Berbisdorf bei Radeburg), Hirsch (Sächsische Schweiz, Großer Winterberg, Brandstelle und Königsbrücker Heide) sowie Wildschwein (Sächsische Schweiz, Großer Winterberg, nahe Brandstelle).
Die folgenden zwei Fotos mögen euch einen Eindruck von den Untersuchungsgebieten geben.
Danke Heidrun (Brandstelle)
und Enno (Königsbrücker Heide)
Insgesamt konnte ich auf den erwähnten Proben 41 Arten feststellen, von denen ich Euch ca. die Hälfte gern in Wort und Bild vorstellen möchte.
Die im Text und auf den Fotos genannten Maße stammen von eigenen Messungen der untersuchten Pilze.
Voranstellen möchte ich einen Satz von lockpicker (18.05.2023, PF.eu), den ich nicht besser hätte formulieren können.
ZitatFür einen Mykologen ist jeder Pilz gleich viel wert, egal ob es ein unscheinbares kleines 1mm Kügelchen auf einem Haufen Tierdung ist oder ein wunderschöner großer Steinpilz.
In dem Sinne. Vergesst für eine kurze Zeit die großen Pilze und taucht ein mit mir in eine Welt, die vielen Menschen, selbst engagierten Pilzfreunden, weitgehend unbekannt ist.
Starten möchte ich diesen Beitrag mit drei kleinen Dungtintlingen, wobei ich mich über Narcissea (= Coprinopsis) ephemeroides, den Kleinen Ringtintling besonders gefreut habe, fand ich ihn doch letzmalig vor 15 Jahren. Der Pilz ist durch seinen aufsteigenden Ring gut charakterisiert. Er wuchs sowohl auf Hirsch- als auch Wildschweindung.
Ebenfalls an Hirsch- und Wildschweinlosung konnte ich Coprinopsis stercorea, den winzigen Struppigen Misttintling, nachweisen. Dieser gehört zu den häufigsten Tintlingen an Dung.
Auffällig ist das Velum, das im ausgereiften Zustand aus 25 -55 µm großen kugeligen, feinwarzigen Zellen (Sphaerozysten) besteht, zwischen denen sich schmale, verzweigte Bindehyphen befinden.
Zum Anfärben habe ich Kongorot benutzt, wodurch die Mikrostrukturen besser sichtbar werden.
Recht häufig an Rehdung fruktifizierte Parasola misera, der Zarte Tintling.
Hier „aufgeblüht“ und in voller Schönheit. Der Hutdurchmesser beträgt ca. 3 mm!
An kleinen Becherlingen gab es auch einige zu entdecken wie z.B. Coprotus leucopocillum.
Die Art ist durch die weißlichen Apothecien, biseriaten Asci und relativ großen Sporen gut festgelegt.
Erfreulich war der Nachweis von Lasiobolus macrotrichus, eine Species, die durch ihre kräftigen Haare (hier bis 550 x 45 µm, laut Literatur sogar bis über 1000 µm) bereits makroskopisch auffällt.
Mikroskopisch ist die Art durch die spindeligen Sporen (hier bis 24 x 9 µm) charakterisiert.
Massenpilze an bereits älterer Wildschwein- und Hirschlosung waren zwei warzigsporige Arten der Gattung Saccobolus, Sektion Eriobolus.
Deren winzige Apothecien erinnern bei Reife durch die aus dem Hymenium ragenden violetten Ascusspitzen an die Gattung Ascobolus.
Hier als erstes Saccobolus verrucisporus.
Mikroskopisch kann die Gattung anhand der in Clustern angeordneten Sporen sicher angesprochen werden.
Diese „Sporenbündel“ sind meist recht stabil, können aber bei Überreife unter dem Druck des Deckglases auseinander driften, wie hier geschehen.
Makroskopisch nicht zu unterscheiden ist Saccobolus beckii.
Diese Art hat jedoch größere Sporenbündel und Sporen, welche zudem deutlich gröber ornamentiert sind.
In der Lasiobolus ähnelnden Gattung Trichobolus (Haare mit Septen, Lasiobolus ohne) gibt es neben einigen seltenen achtsporigen Arten mit Trichobolus sphaerosporus und Trichobolus zukalii auch zwei mit jeweils einem mehr als tausendsporigen Ascus.
Trichobolus zukalii ist dabei die häufigere der beiden Species.
Ein gutes Trennmerkmal der beiden Arten sind Sporengröße und Sporenquotient.
Kommen wir nun zu einigen Pyrenomyceten, gern auch „little black dots“ (kleine schwarze Punkte) genannt.
Die oft äußerst kleinen und unscheinbaren Pilze entfalten ihre ganze Schönheit i.d.R. erst unter dem Mikroskop.
Nahezu auf jeder Dungprobe findet man Vertreter der artenreichen Gattung Podospora. Einige von ihnen sind vielsporig und z.T. auffällig behaart. Davon zwei Beispiele.
Podospora setosa mit deutlichem „Haarschopf“.
Selten findet man die Art völlig ohne bzw. lediglich mit einigen stark reduzierten Seten.
Typisch sind die schlanken, 128-sporigen Asci.
Bereits makroskopisch beeindruckend ist Podospora granulostriata mit ihren oft über einen Millimeter großen Perithecien.
Leider fehlt mir von den riesigen 512-sporigen Asci ein aktuelles Mikrofoto, sodass ich nur zwei Makroaufnahmen anbieten kann.
Die Art fruktifiziert fast ausnahmslos an Cervidendung (Hirsch, Reh).
Ein nahezu ebenso großer „Gigant“, allerdings ein achtsporiger, ist Podospora intestinacea.
Ich fand einige Perithecien nach vierwöchiger Reifung in Feuchter Kammer an Hirschlosung.
Diese Art benötigt einige Zeit für ihre Entwicklung, weshalb man sie nur an älteren Dungproben findet.
Weit verbreitet an Dung ist auch die Gattung Schizothecium. Zu den häufigsten Arten an Wildlosung zählt dabei Schizothecium vesticola.
Gattungstypisch sind sogenannte Squamofolien (Schuppenblätter, zusammenklebende Haarbüschel) am Hals der Perithecien.
Diese oft üppigen und vielzelligen Büschel sind bei Schizothecium vesticola stark reduziert und bestehen meist nur aus einzelnen, apikal verdickten und zuspitzenden Zellen.
Laut Literatur sind die acht Sporen bei dieser Art meist einreihig (uniseriat) in den Asci angeordnet, jedoch können sie auch zweireihig (biseriat) sein, wie nachfolgendes Bild beweist.
Weiter geht es mit einigen bitunikaten Pyrenomyceten, also Arten mit doppelwandigen Asci.
Dank ihrer bis 150 µm großen spitzen Seten sind die winzigen Pseudothecien von Trichodelitschia minuta auf den Dungproben nicht zu übersehen und ein beeindruckender Anblick.
Die zweizelligen Sporen sind bei dieser Art durch ihren deutlichen „Sporenkragen“ und eine dreiteilige Gelhülle gut charakterisiert.
Letztere ist allerdings auf den folgenden Bildern mehr zu erahnen als zu erkennen.
Mit Sporormiella möchte ich eine weitere artenreiche Gattung vorstellen, bei der die Bestimmung der einzelnen Arten vor allem Einsteigern anfangs oft Probleme bereitet. Hier ist es vor allem wichtig, verschiedene Mikromerkmale zu beurteilen. Dazu gehören u.a. die Anordnung der Sporen in den Asci, die Anzahl ihrer Zellen, Sporenform und Verlauf der Keimspalten sowie Art der Septierung. Auch ist die Ausprägung der Ascusbasis ein wichtiges Merkmal.
Beginnen möchte ich mit der häufigen Sporormiella australis. Sie gehört zu einer Gruppe mit abrupt kurzstieligen Asci und Sporen mit +/- S-förmig geschwungenen Keimspalten.
Der untersuchte Fruchtkörper befindet sich mittig im Bild, während im unteren Teil einige bereits ausgesporte Pseudothecien zu sehen sind.
Ähnliche Sporenmaße weist Sporormiella lageniformis auf.
Bei dieser Art ist jedoch die Septierung der Sporen überwiegend schräg, wodurch die Mittelzellen +/- rautenförmig erscheinen. Auch sind die Asci nicht so auffällig kurz gestielt.
Sporormiella muskokensis ist eine weitere Art mit schräger Septierung. Man findet sie in der Regel an Wildlosung.
Dung vom Wildschwein ist eines ihrer bevorzugten Substrate, wo sie nach meinen Beobachtungen an nahezu jeder zweiten Probe fruktifiziert.
Die Sporen sind deutlich kleiner als bei der vorherigen Art, wobei die beiden basalen Sporen uniseriat und die oberern sechs biseriat angeordnet sind.
Ahmed & Cain geben die Sporengröße bis 32 x 6 µm an, während ich sie mit etwas größeren Sporen kenne.
Eine Art, die sich gewöhnlich recht spät auf den Dungproben entwickelt ist Sporormiella leporina.
Bereits makroskopisch fällt sie durch nahezu kugelige Pseudothecien mit winzigen Papillen auf.
Mikroskopisch zeichnet sich Sporormiella leporina durch langstielige Asci und schmale Sporen mit parallelen bis leicht schrägen Keimspalten aus.
Eine der wenigen Arten der Gattung mit uniseriaten Asci ist die kleinsporige Sporormiella pulchella, die ich an Reh und Hirsch fand.
Jeweils Zufallsfunde, entdeckt bei der Untersuchung nahezu gleich aussehender winziger „schwarzer Punkte“, weswegen ich kein Makrofoto zeigen kann.
Die Art wurde bisher nur wenige Male in Deutschland nachgewiesen, in vielen Bundesländern fehlt sie ganz.
Waren die Pseudothecien (Fruchtkörper) der soeben vorgestellten drei Arten max. 0,3 mm groß, so fällt die folgende Species durch ihre nahezu doppelte Größe auf.
Es handelt sich um Sporormiella heptamera, eine Art mit großen siebenzelligen Sporen.
Hier im unreifen Zustand, wobei die Sporengröße um 75 x 18 µm keine Zweifel an der Bestimmung lässt.
Ein Höhepunkt der Untersuchungen war der erst fünfte sächsische Nachweis von Sporormia fimetaria.
Obwohl ich die Art erst vor kurzem gezeigt habe, möchte ich sie gern an dieser Stelle nochmals vorstellen.
Die kleinen kugeligen Cleistothecien (hier 0,15 mm) kann man schnell übersehen. Es gehört schon etwas Glück dazu, sie zu finden.
Der folgende Bildausschnitt beträgt ca. 3,5 x 1,5 mm!
Wenn auch der äußere Anblick eher unspektakulär ist, so sind die Asci dank ihrer Sporenpakete mit je acht 16-zelligen Sporen ein echter Hingucker!
Es ist immer wieder ein großes Erlebnis, wenn einem so etwas schönes bei der mikroskopischen Untersuchung begegnet.
Ich hoffe, dass ich den einen oder anderen inspirieren konnte auch selbst einmal nach diesen weitgehend unbekannten Wesen zu schauen.
Es lohnt sich und es gibt noch jede Menge zu entdecken! Die Kleinheit der gezeigten Pilze ließ mich fototechnisch oft an meine Grenzen stoßen. Ich bitte das zu tolerieren.
Allen, die mich in die Welt der kleinen Dungpilze begleitet haben, sage ich von Herzen Dankeschön!
Vielleicht könnt ihr nun nachempfinden, dass für mich ein Fund von z.B. Sporormia fimetaria um ein vielfaches interessanter ist als der gefühlt tausendste Fund eines Fichtensteinpilzes.
Wobei ich letzteren schon aus kulinarischen Gründen recht gern mag!
LG, Nobi