Liebe Freunde der kleinen und etwas speziellen Pilze.
Nachdem ich euch vor einigen Wochen erstmals mitgenommen habe in die Wistinghauser Senne, freue ich mich, euch einen weiteren Einblick in die Vielfalt der dortigen Dung-Funga geben zu können. Wichtige Informationen zum Gebiet findet ihr am Anfang meines ersten Senne-Beitrages.
Auch dieses Mal haben Meike und Michael keinen Aufwand gescheut, um neue Proben zu sammeln, welche sie mir kürzlich zur Untersuchung zuschickten. Auf den folgenden Bildern bekommen wir einen Einblick in das Gebiet, sehen Meike bei der „Arbeit“ und natürlich die Produzenten (Exmoor-Ponys und Taurusrinder). Danke, dass ihr mir die schönen Fotos für diesen Beitrag überlassen habt!
Der Fokus lag dieses Mal auf Dung, der schon eine ganze Weile in der Natur „reifen“ konnte.
Die Hoffnung, dass sich darauf Arten finden ließen, die eine längere Entwicklungszeit benötigen, ging letztendlich auf. Doch seht selbst.
Sehr auffällig und mit vielen Exemplaren auf dem Exmoor-Dung präsent war Coprinellus hepthemerus, ein hübscher kleiner Tintling.
Das Velum dieser Art besteht sowohl aus Seten als auch aus warzigen kugeligen Zellen, den sogenannten Sphaerozysten. Es gibt nur wenige coprophile Arten mit dieser Merkmalskombination, so dass die Species auch aufgrund ihrer Sporengröße recht einfach zu bestimmen ist.
Ein gutes Bestimmungsmerkmal sind auch die auffälligen, bis 2 µm großen seitlichen Keimporen.
Überreif geben die verfallenden Fruchtkörper ein beinahe surrealistisches Bild ab.
Immer wieder schön anzusehen ist Ascobolus immersus mit seinen riesigen violetten Sporen. Da ich dieses Mal nur ein überreifes Apothecium fand, greife ich gern auf den ersten Beitrag zurück (da war er Teil einer Collage) und zeige euch den Pilz nun in seiner ganzen Schönheit.
Sieht man nicht so oft. Leerer Ascus mit geöffnetem Deckel (Oberculum).
Bisher noch nicht vorgestellt habe ich einen der häufigsten Dungpilze überhaupt. Die Rede ist von Coprotus sexdecimsporus, einer 16-sporigen Art, wie der Name schon sagt. Die etwa 0,5 mm großen, weißlichen Ascomyceten tauchten erstmalig an Exmoor-Äpfelchen auf, nachdem diese fast zwei Wochen in der Feuchtkammer reiften.
Selten sieht man die Asci in so einem fotogenen Zustand.
Der folgende Discomycet, den ich fand, war für mich eine riesengroße freudige Überraschung! Ein Einzelexemplar, welches bereits durch seine Größe auffiel (der Durchmesser betrug immerhin 7 mm!) Die trüb rötlichbraune Färbung und der auffällig fransige Rand ließen mich sofort an Pseudombrophila ripensis denken, eine Art, die ich bisher nur aus der Literatur kannte.
Ein Schnitt durch das Apothecium zeigte das für die Art typische Sklerotium, wodurch bereits makroskopisch kaum Zweifel an der Bestimmung blieben,
was sich letztendlich auch mikroskopisch bestätigte.
Hier kann man das charakteristische braune intrazelluläre Pigment zwischen den Paraphysen erkennen.
Die Art hat in Pilze-Deutschland erst vier Einträge und fehlt in den meisten Bundesländern, bisher auch in NRW! Ein spektakulärer Fund!
Auch wenn ich dem folgenden Pilz keinen Namen geben konnte, zeige ich ihn euch gern. Mal wieder ein Pillenwerfer (Pilobolus spec.), der sein Sporangium abschoss, als ich ihn mit der Präpariernadel berührte.
Es folgen zwei winzige Pyrenomyceten, die man makroskopisch durchaus verwechseln könnte. Beide zeichnen sich durch ein dichtes Bollwerk von spitzen schwarzen „Haaren“ im Halsbereich aus. Und beide gehören zu den Arten, die man erst auf älterem Dung findet.
Zuerst Coniochaeta leucoplaca, deren Fruchtkörper hier gerade einmal reichlich 0,1 mm groß waren und die sich verzweifelt an einer Strohfaser festzuhalten versuchten.
Die einseitig abgeflachten Sporen sind deutlich kleiner als die der im ersten Beitrag gezeigten Coniochaeta vagans.
Ein weiterer „Igelpilz“ ist Trichodelitschia minuta. Meist sieht man nur dessen aus dem Substrat ragende Haarschöpfe. Mit viel taktilem Aufwand habe ich zwei der birnenförmigen, um 0,4 mm großen Pseudothecien für folgende Collage präparieren und im Ganzen sichtbar machen können.
Interessant finde ich die folgende Aufnahme.
1. Ascus von oben 6-sporig mit einer unreifen Spore
2. Ascus unreif
3. Ascus 8-sporig, normal entwickelt
4. Ascus apikal mit einer atypischen, unseptierten Spore
Zwei Asci mit reifen, normal entwickelten Sporen .
Und hier mehrere Asci, nachdem der innere Sporenschlauch den äußeren durchbrochen hat. Meist bleiben ein bis zwei Sporen zurück, die vermutlich keine große Chance auf ein zukünftiges Leben haben.
Ähnlich kleine, jedoch unbehaarte Fruchtkörper finden wir in der Gattung Phomatospora. Die beiden an Dung fruktifizierenden Arten P. coprophila und P. minutissima fallen bereits makroskpisch durch ihre schlanken, zugespitzten Hälse auf.
Während die hyalinen Sporen von P. minutissima schräg im Ascus angeordnet sind, liegen die etwas kleineren der hier gefundenen Phomatospora coprophila Pol an Pol. Die Arten sind typische Spätbesiedler an Dung. Da ist man kurz davor, dass Substrat zu entsorgen und plötzlich sind sie auf einmal da, die winzigen und unscheinbaren Perithecien.
Hatte ich im ersten Teil bereits einige Sporormiella-Arten vorstellen können, so freue ich mich, mit Sporormiella teretispora eine weitere Species dieser Gattung zeigen zu dürfen.
Mit kurzgestielten Asci und S-förmig geschwungener Keimspalte erinnert die Art sehr an die häufige Sporormiella intermedia, ist jedoch u.a. durch größere Sporenmaße gut zu unterscheiden.
Deutlich seltener als die vierzelligen Arten der Gattung sind die vielzelligen. Da ist jeder Fund schon ein Erlebnis! Daher möchte ich hier Sporormiella cf. heptamera vorstellen, auch wenn leider nur ein unreifes Exemplar entdeckt werden konnte.
Sehr gefreut habe ich mich über den Fund von Delitschia didyma, deren Pseudothecien bereits durch ihre Größe auffielen.
Die Gattung ist wie Sporormiella und Trichodelitschia durch doppelwandige (bitunikate) Asci charakterisiert. Sie zeichnet sich durch braune, einfach septierte Sporen aus. Deren Septen können sowohl gerade als auch schräg angeordnet sein. Letzteres ist schön auf dem folgenden Foto zu sehen.
Die Sporen liegen bei dieser Art einreihig im Ascus.
Ein weiterer überragender Fund gelang mit Podospora austrohemisphaerica, einer erst 1999 beschriebenen Art, welche bereits makroskopisch dank ihrer kräftigen, deutlich behaarten Perithecien nicht zu übersehen war.
Wie alle Arten der Gattung sind die Sporen zweizellig und bestehen aus einem braunen apikalen Sporenkopf und einer hyalinen Basalzelle (Pedicel). Dieses ist bei dieser Species auffällig groß.
Die Sporen besitzen zudem apikal und basal je vier unscheinbare gelatinöse Sekundäranhängsel (Caudae), die allerdings ohne speziele Färbemethoden nur schwer zu erkennen sind. Auf dem folgenden Foto kann man zumindest drei dieser apikalen Caudae erahnen (durch Pfeile markiert).
Die wenigen deutschen Funde stammen alle aus dem letzten Jahrzehnt, was vermuten lässt, dass die ursprünglich von der Südhalbkugel beschriebene Art (Name!) ein Gewinner der Klimaerwärmung ist.
Abschließend möchte ich euch mit Arnium macrotheca eine mindestens ebenso bemerkenswerte und äußerst seltene Art zeigen. Ein einzelnes Perithecium hatte sich zu einer Gruppe der soeben vorgestellten Podospora gesellt, wo es mir dank der außergewöhnlich großen Haarbüschel auffiel.
Die Sporen sind biseriat angeordnet und besitzen nicht die gattungstypischen Caudae, sondern sind von einer unregelmäßigen Gelhülle umgeben.
Um die Gelhülle sichtbar zu machen, versuchte ich die Probe mit Indian Ink (Schwarzer Tusche) anzufärben. Leider war meine Tusche völlig überaltert, so dass die Farbreaktion nicht gelang. Dafür entstand jedoch ein zutiefst psychedelisches „Kunstwerk“ , welches das letzte Bild dieses Beitrages sein soll.
Für mich ist es immer wieder verblüffend, welch Artenvielfalt sich auf den Dungproben entfaltet. Auch nach gut 25 Jahren intensiver Beschäftigung mit dieser Materie weiß ich zu Beginn einer Untersuchung nie, was mich letztendlich erwartet! Umso schöner ist es, wenn wie in diesem Fall so viele schöne und interessante Arten nachgewiesen werden können.
Meine im ersten Beitrag zur Wistinghauser Senne geäußerte Vermutung, dass bei künftigen Untersuchungen weitere Arten entdeckt werden können, hat sich voll und ganz bestätigt! Bei dieser Bestandsaufnahme konnten insgesamt 22 Species gefunden werden, von denen 13 neu für das Gebiet waren. Zusätzlich zu den 27 Species der Aufsammlung vom April sind wir nunmehr bei 40 coprophilen Arten, von denen einige echte Raritäten darstellen! Somit ist das Gebiet bereits jetzt ein Hotspot - und da haben wir mit den Untersuchungen gerade erst vor wenigen Wochen begonnen! Ich bin gespannt, wie das weitergeht.
Liebe Grüße vom Nobi