Waldkalkung und Pfifferlinge?

Es gibt 6 Antworten in diesem Thema, welches 1.476 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von mikromeister.

  • Servus zusammen,


    ich habe gestern von einem Phänomen erfahren, was mir bis dato unbekannt war: die Waldkalkung.

    Auslöser war, dass ich in den letzten Tagen einige Waldexkursionen in Oberschwaben Nähe Bodensee durchgeführt habe und trotz günstiger Wetterbedingungen der letzten Wochen zwar ein paar Rotfußröhrlinge, Knollenblätterpilze und Unmengen an Zwergenfeuer finden konnte, aber nichts aus der klassischen Speisepilzwelt. Ich habe einige tolle moosige Stellen im Nadelwald gefunden, die bei warm-feuchten Wetter *eigentlich* super Pfifferlingsstandorte sein müssten (zumindest kenne ich das so aus dem Schwarzwald und Österreich), dort war aber absolut nichts zu finden. Im Laubwald sah es ähnlich aus.

    Man kann jetzt natürlich argumentieren, dass noch nicht mal August ist und ich mich einfach gedulden soll, aber mein Bruder trägt die Eierschwammerl in Österreich schon seit 2 Wochen kiloweise nach Hause aus Bergwäldern über 1000 Meter, wo der Sommer erst deutlich später Einzug hält als bei uns hier. Und der Pfifferling ist bekanntermaßen ein eher wärmeliebender Pilz.


    Ich hab dann mal die letzten Jahre Revue passieren lassen und mir ist aufgefallen, dass ich eigentlich generell weder Pfifferlinge noch Steinpilze in meinen Hauswäldern am Bodensee jemals in nennenswerten Mengen gefunden habe. Zwar gab es hier und da mal vereinzelt ein oder zwei Exemplare, aber nie auch nur annähernd Mengen, die für eine Mahlzeit gereicht hätten.


    Ich dachte immer "das ist halt so". Aber warum eigentlich? Wir haben hier schöne, abwechslungsreiche Wälder und gute Niederschlagsmengen im Vergleich zu anderen Teilen in Deutschland. Eigentlich spricht nichts dagegen, dass man hier auch Pfifferlinge in guten Mengen finden sollte.


    Ich habe dann mal recherchiert und bin zufällig auf die oben genannte Waldkalkung gestoßen. Das Thema wurde bereits in anderen Threads hier schon besprochen, zum Beispiel hier: Jetzt wird auch noch gekalkt...


    Böses ahnend habe ich mal Waldkalkung in Verbindung mit meinem Heimatort gesucht und prompt einige Zeitungsartikel mit Fotos gefunden, wo stolz berichtet wurde, wie die Wälder im direkten Umkreis meines Heimatorts mit Unimog und Hubschrauber mal wieder ausgiebig gekalkt wurden || Da meines Wissens insbesondere der Pfifferling sehr empfindlich ist, was die richtigen Bodenbedingungen angeht, und generell magere und saure Böden liebt, würde das natürlich einiges erklären.


    Norbert S. erwähnt im verlinkten Thread außerdem das Springkraut als Fungizid - davon gibt es hier in den Wäldern teilweise Unmengen. Kann das auch mit der Kalkung zusammen hängen?


    Ich freue mich auf eure Meinung zu diesem kontroversen Thema.

  • Hallo,


    um sich mit diesem Thema noch etwas mehr vertraut zu machen, empfehle ich u.a. zwei Artikel, die man auf waldwissen.net lesen kann:


    Kalk im Wald – muss es sein?


    Kalk oder nicht Kalk? Untersuchungen in Brandenburg zur Wirkung auf Boden und Bestand


    Viele Grüße.

    »Experts do not exist,

    we all are beginners

    with greater or lesser knowledge.«

    Luis Alberto Parra Sánchez


    Gnolmokratisches:

    100 PCs Startkapital - 4 PCs (2023 an Boletaceae bei KiZaRü/Psathyrella-Challenge verloren) u. - 21 PCs (2024 an Schwarzhex hilmgridd gespendet) = 75 PCs in stock

  • Hallo Thorwulf, danke für deine Links. Sehr interessant. Mir ist inbesondere dieser Abschnitt aufgefallen:

    Zitat

    Die Bodenvegetation reagiert auf Kalkung mit einer Zunahme an ruderalen Störungszeigern und Nitrophyten, vor allem an Brombeere, Himbeere und Reitgräsern. Azidophyten, vor allem Moose, gehen zurück und die Artenzusammensetzung von Mykorrhizapilzen und Bodenfauna verändert sich stark.

    Interessant ist hier, dass ich durchaus schon eine Reihe an Stellen kenne, die mit großen Moosteppichen bedeckt sind. Aber vielleicht sind die nicht ganz so empfindlich.

  • Ich habe einige tolle moosige Stellen im Nadelwald gefunden, die bei warm-feuchten Wetter *eigentlich* super Pfifferlingsstandorte sein müssten (zumindest kenne ich das so aus dem Schwarzwald und Österreich), dort war aber absolut nichts zu finden. Im Laubwald sah es ähnlich aus.

    Ich habe in meinem Flachlandrevier ein paar sehr gute Pfifferlingstellen und kann beim besten Willen nicht feststellen was da dran besonders ist. Allgemein wachsen hier flächig sehr wenige Pfifferlinge. Ungezieltes Suchen ist praktisch sicher völlig erfolglos.
    Stellen, die im Gebirge super ausschauen sind hier weder für Steinpilze noch für Pfifferlinge passend. Diese typischen saueren Standorte mit Heidelbeeren, die im Gebirge ertragreich sind, sind hier einfach tot. Und das ganz ohne Kalken und mit kalkigem Eiszeitschotter als Untergrund.


    Das einzige, was ich jemals rausfinden konnte ist, dass Pfifferlinge zwar hohe Niederschläge lieben, gleichzeitig aber extrem empfindlich auf Staunässe sind.

    Ich denke die übliche Hanglage im Gebirge mit dem doppelten Niederschlag als im Flachland ist einfach günstig.


    Es gibt sowohl über jahrzehnte standorttreue Mycelien, als auch solche, die nur temporär verrottende Biomasse nutzen und dann wieder verschwinden.

  • Es gibt sowohl über jahrzehnte standorttreue Mycelien, als auch solche, die nur temporär verrottende Biomasse nutzen und dann wieder verschwinden.

    Ja, gibt es. Aber verrottende Biomasse und Pfifferlinge stehen sicherlich nicht in Zusammenhang, weil die sich über Ektomykorrhiza-versorgen.


    LG Michael

  • Interessant ist hier, dass ich durchaus schon eine Reihe an Stellen kenne, die mit großen Moosteppichen bedeckt sind.

    Nun, dies sagt noch nicht allzu viel was aus. Die meisten Moose sind im sauren Milieu Zuhause, also bei einem pH-Wert unter 6. Sie können jedoch auch noch in neutralen bis leicht alkalischen Böden bestehen, wenn entsprechende Rahmenbedingungen gegeben sind, vor allem wenn Feuchte u. Schatten soweit passen.


    In der Natur ist es halt immer noch so wie zu Beginn: Es geht da nach den Naturgesetzen zu, die wir noch nicht alle kennen, und somit gibt es da immer wieder einige Überraschungen.


    :kaffee:

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  • verrottende Biomasse und Pfifferlinge stehen sicherlich nicht in Zusammenhang, weil die sich über Ektomykorrhiza-versorgen.

    Vielleicht macht das am Boden rumliegende Geäst auch nur ein angenehmes Klima.

    Nicht untypisch sind z.B. Pfifferlinge, die ganz exakt unter niedergebrochenen Birkenreisig wachsen.


    Vielleicht ist der typische Standort im Gebirge in den Heidelbeeren auch nur an deren Schatten und nicht an den Boden gebunden. Eine interessante Idee.