Kultivierung von Bäumen und Mykorrhizapilzen

Es gibt 7 Antworten in diesem Thema, welches 4.048 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von MarionS.

  • Hi @all!


    Ich bin Bonsaianer (naja, ich sollte nicht so angeben: ich hab ein paar Jungpflanzen und Rohlinge:shy: ) und mich fasziniert die Zusammenarbeit zwischen Pilzen und Bäumen.
    Im einschlägigen Fachhandel bekommt man zwar "Anzuchterde" für Mykorrhiza, aber ich finde es schöner, wenn zur Pilzzeit der Symbiont seinen altbekannten Fruchtkörper sehen lässt und so ebenfalls zu Ehren kommt. Derzeit hoffe ich, dass bei zwei meiner Eichen ein Steinpilz- und ein Fliegenpilzmycel angehen und sich heuer vielleicht der erste Fruchtkörper zeigt. Vor zwei Jahren habe ich jeweils eine Pilzkappe, also Fruchtfleisch mit Sporen darin, unter den Bäumchen vergraben. Der Korb mit dem Steinpilz duftet nach dem Gießen schon unverkennbar lecker pilzig, der andere nur schwach.
    Naja, für mehr als ein Reisschälchen Schwammerlsuppe wirds nicht reichen :)


    Auf der Seite der Bäume zeigt sich jedenfalls schon ein interessanter Effekt: die eine Stieleiche hat heuer noch überhaupt keinen Mehltau gehabt, die andere kommt mit ihrem Falschen Mehltau gut selbst zurecht, während ich die Nachbareiche, die noch keinen Untermieter hat, wieder mit einer Spritzung unter die Äste greifen musste.


    Ich möchte nun hier an dieser Stelle einen Thread zum Erfahrungsautausch einrichten - egal was man erzielen möchte: Pilze oder gesunde Bäume.

    Gruß,
    Marion


    Nein, ich esse meine Pilze nicht! :gklimper:
    Aber was essen meine Pilze? :gkopfkratz:

    Einmal editiert, zuletzt von MarionS ()

  • Hallo,


    da auch ich Bonsais mag und sowieso schon Pilze züchte, finde ich das Thema ebenfalls spannend. Auf dem Gebiet wird ja momentan intensiv geforscht, allerdings erfordern die gängigen, erfolgversprechenden Methoden, Mycel und Pflanzen unter sterilen Bedingungen zu kultivieren, einen labortechnischen Aufwand, den ich nicht betreiben will.


    Habe dann vor zwei oder drei Jahren erstmal einige Bäume aus Samen gezogen, um sicherzugehen, daß sie nicht bereits mit anderen Pilzen mykorrhiziert sind. Da ich damals noch ein sammeltechnischer Laie war, besorgte ich mir getrocknete Pilze im Supermarkt (Steinpilze, Birkenpilze, Pfifferlinge, Herbsttrompeten, etc.), verarbeitete die Hüte zu Pilzpulver und streute dieses alle paar Monate vor dem Gießen auf die Erde, bzw. rührte es in das Gießwasser und mischte es beim Umtopfen in die Erde. Ich hoffte, die Sporen würden eines Tages auskeimen und sich mit den vorbeikommenden Wurzeln verbinden, aber der Erfolg war leider gleich Null. Beim letzten Umtopfen fand ich nirgendwo verdickte Wurzeln, also nicht das kleinste Anzeichen von Mykorrhiza. Ich nehme an, die Supermarktpilze waren erhitzt worden, um Keime abzutöten und die Sporen daher nicht mehr keimfähig.


    Irgendwann hatte ich auch mal Mycel aus den Sporen von Trompetenpfifferlingen züchten können, dieses wollte sich aber nicht mit den ihm angebotenen Wurzeln verbinden und starb ab.


    Bei meinen internetrecherchen stieß ich eines Tages auf folgende Seite:
    Ektomykorrhiza
    Dort wird beschrieben, wie man relativ einfach Sämlinge mykorrhizieren kann, ohne gleich immensen Aufwand treiben zu müssen. Dabei werden die Wurzeln von geeigneten Sämlingen von der Erde befreit und Stücke von frischen Pilzen draufgelegt. Wenn dann aus letzteren Mycel herauswächst, muß es nicht erst suchend durch den Boden wachsen und die Gefahr, daß es durch Bakterien, Schimmel & Co niedergemacht wird, ist auch sehr viel geringer, als wenn man Pilzstücke im Topf vergräbt.


    Diesen Sommer habe ich es dann mal einen Vorversuch gestartet. Ich befreite ein paar meiner zwei- bis dreijährigen Eichensämlinge von ihrer Erde, spülte die Wurzeln und gab sie in Quarkbecher mit einem Loch im Deckel, durch das der Stamm herausragte. Den Boden bedeckte ich vorher mit feuchtem Torf und einer Papierschicht, was sich aber als schlecht herausstellte. Nächstesmal nehme ich Blähton oder Seramis, welches ich vorher abkochen werde. Nun nahm ich einen frischen Steinpilz, den ich in einem Park unter Eichen gefunden hatte, schnitt die verschmutzte Oberfläche weg und den Rest in Stücke, welche ich direkt auf die Wurzeln gab. Bereits nach drei Tagen in feuchter Atmosphäre sah ich Mycel aus den Pilzstücken sprießen. Einen Tag später dachte ich, ich müßte für mehr Feuchtigkeit sorgen, woraufhin sich die Pilzstücke mit Wasser vollsogen, um sich dann in stinkenden, schimmelnden Matsch zu verwandeln, so daß ich das Experiment nach einer Woche abbrechen mußte. Nächstesmal werde ich das ganze lieber in einem kleinen Gewächshaus unterbringen, denn trotz vorheriger Reduzierung der Blattmasse haben zwei der kleinen Eichen diesen Versuch nicht überlebt. Später wurde mir auch klar, daß ich die Pilzstücke auf die Wurzelspitzen hätte legen müssen, da nur dort eine Symbiose entstehen kann. Tja, hinterher ist man eben immer schlauer...
    20100616beoak1.jpg
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    In besagtem Park fand ich inmitten einer Gruppe Steinpilze eine gerade gekeimte Eiche, die ich natürlich mitnahm, in der Hoffnung sie wäre bereits mit Steinpilzmycel infiziert.


    Mal sehen, was bei alldem herauskommt. Für die nächsten Experimente habe ich mir Samen von Zistrosen besorgt, da diese viel einfacher zu kultivieren sind als Bäume und mit überraschend vielen Ektomykorrhizapilzen Symbiosen eingehen. Falls bei Zistrosen Stecklinge leicht wurzeln schlagen, wäre es dann auch einfacher, an neue mykorrhizafreie Versuchskandidaten zu kommen.


    Gruß, Carsten

  • (Drei Jahre später)


    Inzwischen kann ich sagen, dass ich mit der unsterilen Natur-Methode bislang praktisch zu 100% erfolgreich war.
    Die beiden oben genannten Eichen haben zwar immer wieder Mehltau, kommen aber gut damit zurande. Vor zwei Jahren habe ich auch eine Linde mit einem Rotfußröhrling verheiratet, und gerade eben die dritte Eiche mit meinem Urlaubssouvenir, Gelben Knollenblätterpilzen, gespickt.


    Im Endeffekt habe ich jedem Baum einen ganzen Pilzhut beigegeben, ihn zu dem Baum ins Erdreich eingegraben, mit Lamellen oder Röhren nach unten. Ganz einfach mit in den Substratkorb, ohne irgendwelche weiteren Maßnahmen. Beim nächsten Umtpopfen im Frühjahr anderthalb Jahre später war von dem Pilz keine Spur mehr - aber im Herbst, pünktlich zu "ihrer" Zeit, fielen alle Bäume ein paar Tage lang beim Gießen durch einen mehr oder weniger intensiven Pilzgeruch auf. Der Steini und der Rotfuß sind im Geruch unverkennbar, der Fliegenpilz schon etwas schwieriger.
    Fruchtkörper hat aber noch keiner gebracht. Entweder sind die Bäumchen zu klein, oder die Myzele unbefruchtet - wobei ich von der Linde nicht glaube, dass die keinen Pilz groß kriegt, immerhin hatte die vorher Fälblinge. Als ich das bemerkte, hatte ich sie schon geimpft, die Rotfüße scheinen die Fälblinge erfolgreich verdrängt zu haben.


    Dieses Jahr habe ich ein paar Knollis von weiter auseinanderliegenden Stellen gesammelt und drei Stück ins Substrat eingebracht. Mal sehen, ob das zur Befruchtung taugt.

    Gruß,
    Marion


    Nein, ich esse meine Pilze nicht! :gklimper:
    Aber was essen meine Pilze? :gkopfkratz:

  • Bei den Pilzen, die ich beobachte, habe ich verschiedenes Verhalten festgestellt.
    Die Täublinge kommen ab einer bestimmten Wärme, ich denk mal, wenn ihre Wirtspflanzen genug abgeben, und bleiben bis zum Ende der Saison. Birkis, Steinis, Rotfüße und Fliegenpilze haben eine mehr oder weniger feste Zeit (die sich eventuell auch von Myzel zu Myzel unterscheiden kann) und kommen dann, wenn die Bedingungen richtig sind: es muss feucht genug sein.
    Von Austernpilzen weiß ich, dass sie zumindest in ihrer Wildform Frost brauchen.

    Gruß,
    Marion


    Nein, ich esse meine Pilze nicht! :gklimper:
    Aber was essen meine Pilze? :gkopfkratz: