Hallo Freunde der lichenisierten Pilze!
In einem lichten Abschnitt eines Eichen-Hainbuchen-Rotbuchenwald, auf kalkhaltigem Boden am mittleren Neckar hier bei mir in der Nähe, steht eine Eiche mit weißlicher Borke.
Im Wald darf viel Totholz stehen und liegen bleiben.
Bild 0 Im Eichen-Hainbuchen-Mischwald
Bild 1 Weißliche Krusten in Borkenrissen einer Eiche
Beim Betrachten der Borke mit der Handlupe fallen winzige, schwärzliche Fruchtkörperbildungen auf.
In entnehme ein Stückchen Borke zur Untersuchung.
Bild 2 Schwarze Fruchtkörper
Unter der Stereolupe erweisen sich die FK als Pyknidien und die Flechte als steril.
Die Pyknidien sind unregelmäßig rundlich geformt und in den grauweißen Thallus eingesenkt.
Sie haben einen schwarzbrauen Rand, die Konidienmasse ist weißlich.
Bild 3 Trockener, weißlicher, rissiger Thallus mit bräunlichen Flecken und dunklen Pyknidien unter der Streolupe
Die Pyknidien sind oberseits schüsselförmig weit geöffnet.
Sie sind klein und haben Durchmesser um 50-200µm.
Größere Pyknidien sind häufig von einem erhabenen, weißen Wall umgeben.
Bild 4 Trockener Thallus mit eingesenkten, becherförmigen, schwarz-braunen Pyknidien, gefüllt mit weißlicher Konidienmasse
Größere Pyknidien sind von einem weißen Wall umgeben (Bildeinsatz)
Bild 5 Kratzer zum Nachweis von Grünalgen im Thallus
Beim Färbetest mit KOH färbt sich der Thallus stellenweise orange-bräunlich, stellenweise grünlich.
Ein Test mit Wasser zeigt die gleichen Farben, die offenbar die Algen und/oder das Substrat durchscheinen lassen.
Der Thallus reagiert mit den flechtenüblichen Färbereagenzien (K, C, KC, P) negativ: R-
Die Konidienmasse quillt im angefeuchteten Zustand breiig und milchig aus den Pyknidien heraus.
Bild 6 Angefeuchtete Pyknidien
Bild 7 Der durchgefeuchtete Thallus erscheint grünlich bis orange/bräunlich
Unter dem Mikroskop lassen sich Trentepohlia-Algen finden, die für die grünen und orangen Farben des angefeuchteten Thallus verantwortlich sind.
Bild 8 Trentepohlia-Algenzellen mit typ. orangen Tröpfchen im Zytoplasma
Die Pyknidien offenbaren im Querschnitt unter dem Mikroskop angenähert Halbkugelform.
Sie sitzen auf der Algenschicht auf und sind in die weiße Epinektralschicht eingebettet.
Ein weißer Kragen umgibt die Pyknidien.
Das Excipulum zeigt an dünnen Abschnitten eine bräunliche bis violette Färbung.
Bild 9 Pyknidien-Querschnitt (400x) in Wasser, ungequetscht. Konidienmasse weiß, Excipulum stückweise bräunlich-violett (siehe Bildeinsatz 1000x).
In KOH verbt sich das Excipulum ins Grünliche um:
Bild 10: Gleicher, ungequetschter Querschnitt in verd. KOH (wg. Öl nur 100x). Excipulum grünlich verfäbt (Bildeinsatz 1000x).
In Wasser lösen sich nur wenige einzelne Konidien aus der gelartig verklebten Konidienmasse heraus.
In verdünnter KOH hingegen löst sich die Konidienmasse schnell in Einzelzellen auf, die davonschwimmen:
Bild 11 links: gequetschte Pyknidie mit weißlicher Konidienmasse, rechts: nach KOH-Zugabe löst sich die Konidenmasse in Einzelzellen auf
Die Konidien (Pyknosporen) liegen in Form von einzelligen, meist ungekrümmten, farblosen Stäbchen (bacilliform) vor.
Ihre Abmessungen liegen ungefähr bei 4-6 x 1 µm².
Bild 12 Konidien (Pyknosporen)
Mit dem Schlüssel für sterile Flechten mit Pyknidien (nach Wirth-Hauck-Schulz) komme ich auf nichts Rechtes.
Verwende ich den interaktiven, italienischen Schlüssel auf italic.units.it, gelange ich zu einer Flechte Inoderma byssaceum:
"Pycnidia emergent, 0.15-1.4 mm in diam., dark brown to black but thickly white-pruinose at least at the base, flattened to urceolate, with pale brown conidial masses usually protruding from the apical pore, the wall K+ greenish black, N+ slowly orange-brown. Conidia bacilliform, straight, (4-)5-6 x 1-1.5 µm. Photobiont trentepohlioid. Spot tests: thallus K-, C-, KC-, P-."
Aber ob das stimmen kann, bezweifle ich allerdings...
Die Beschreibung und die verlinkten Fotos auf Consortium of Lichen Herbaria passen recht gut - aber, dass die Flechtengattung Inoderma in "Die Flechten Deutschlands" nicht erwähnt wird, lässt mich stark am Schlüsselergebnis zweifeln.
Inoderma byssaceum soll laut Britsh Lichen Society auf alten Eichen in subozeanischer Lage leben, wahrscheinlich nicht so selten in Großbritannien vorkommen, wie nachgewiesen, da vermutlich übersehen oder mit L.ecanactis abietina verwechselt (dort Pyknidien C+ rot). In der Tschechischen Republik mehrfach nachgewiesen. Könnte also vielleicht hinkommen...
Hat jemand eine Idee zur gezeigten Flechte ( nupharlutea )?
Die Euamyloität der Hyphen (J+, KJ+ hellblau) habe ich an der Probe bisher nicht nachgewiesen.
LG, Martin