Russula sericatula cf. - Schwachreagierender-Wildledertäubling

Es gibt 8 Antworten in diesem Thema, welches 1.179 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von kuhmaul.

  • Hallo Pilzfreunde,


    manchmal gibt es Plätze im Wald wie der Vordergrund im folgenden Bild, die einem beim Bestimmen ganz schön ins Grübeln bringen können.

    Neben einer R. firmula (Nadelbaum), drei verschiedenfarbige R. melitodes (Laubbaum) und eine aus dem R. integra Aggregat (Nadelbaum) wurden dieses Jahr an dieser Stelle aufgelesen, aber ob das stimmt muss ein extra Beitrag noch klären. So wundert es auch nicht, dass ich den heutigen Fund optisch erst als eine weitere R. melitodes eingeschätzt hatte und nur phlegmatisch dazu die Fotos machte. Na gut, ihr wollt ja unbedingt mal wieder einen Täubling sehen...


    1) Fundort: Fichtenparzelle mit zwei bis drei Hainbuchen Sträuchern/Bäumchen; gegenüber vom Weg Fichten, Birke, >10m Buche und Stieleiche


    Aber hier erstmal die Eckdaten zum Fund:


    R23-036 sericatula

    08.10.2023 - 11:54

    --------

    Eingestufte Art evtl: melitodes

    Anz. Exemplare: 1

    Hutgrösse cm: 6

    Evtl. mögl. Baumpartner: Hainbuche, Fichte


    Auffälliges Merkmal: - Hut rissig wg. Trockenheit, Stiel stark gelblich gefärbt, Hut körnig, bereift

    Sonst. Angaben: - SpP optisch mehr IVb wie IVc

    --------

    GESCHMACK, mild,

    SPORENPULVER, IVb,

    --------

    FUNDORT, Mischwald, bei Laubbaum, bei Nadelbaum, Waldweg, Laubschicht, Nadelstreu, trocken,

    BÄUME 10m UMKREIS, Fichte (Picea), Hainbuche (Carpinus),

    EXEMPLARE, älter, einzeln,

    HUT GRÖSSE, 5 - 10 cm,

    HUT FARBE, grün / gelb-grün, gelb / orange-gelb, bräunlich/braun, gefleckt, ausblassend,

    HUT OBERFLÄCHE, gedrückt/vertieft, matt, bereift, rauh/körnig, felderig/rissig,

    HUT MITTE, dunkler, br/gr/sw,

    HUT RAND, glatt - nicht gerieft,

    PEELING, 1/3 maximal,

    UNTER HUTHAUT, weisslich,

    LAMELLEN, spröde, beige bis hellocker, rel eng-stehend, Y-gabelig, Stiel-gabelig, queradrig,

    SCHNEIDE, etwas dunkler, braun, rost, fleckig,

    STIEL OBERFLÄCHE, ockerlich/bräunlich, fleckend, reifartig, runzelig/geriffelt,

    STIEL ZUSTAND, dick über 2cm, weich, voll, wattig,

    GERUCH, neutral, schwach, Brot/Gebäck,

    --------

    Chemie:

    FeSo4, negativ / falb-ocker,

    GUAJAK (8 sec), Stiel: ++ hell dann dunkler, Lam: ++ hell dann dunkler,

    PHENOL (gepr.),

    KOH (gepr.),

    NH3 (gepr.),

    --------


    2) gewachsen direkt bei dem linken kleinen Hainbuchenstrauch


    3) es hatte leider schon länger nicht mehr geregnet und der Pilz machte keinen so frischen Eindruck mehr


    4) Hutgrösse 6cm, Hutfarben: gelb, dunkel-rosa-braun gefleckt , irgendwie auch grün-gelb, (Hut ausgeblasst?); Huthaut: rissig, rau


    5) der Stiel war mit über 2cm sehr kräftig, längsgerieft und bestimmt im Alter erst so schön gelblich geworden, die Stielspitze mehlig bereift, die Konsistenz vom Stiel voll aber weich


    6) die Lamellen dicht, am Stiel oft gegabelt, auch Y-gabelig, leicht queradrig und die Schneide verm. durchs Altern bräunlich/rostfleckig


    7) vorstellbar wäre es ja, dass der ganze Hut einmal so rosa-braun-dunkel-braun und mehr ins ocker anstelle gelblich war


    8) hier sieht man schön die Bereifung im Bereich des Hutrandes; die Huthaut abziehbar nur 1/3r (durch Trockenheit?)


    9) das Sporenpulver passt mit seinen "Rotanteilen" gut zu IVb; weder IVa noch IVc werden als optisch passend angesehen.

    - wir haben den Geschmack "mild" und die Sporenpulverfarbe "IVb" des Pilzes ermittelt.


    10 Der Bestimmungsvorgang selbst erwies sich diesmal als nicht ganz einfach, da wohl sämtliche mikroskopischen Register gezogen werden müssen.

    - sind "inkrustierte Primordialhyphen vorhanden?" und/oder "Pileozystiden vorhanden?" ist der nächste Schritt

    - 10x Objektiv, Sulfovanillin (SV), in der Huthaut sind keine grau-schwarz eingefärbten Pileozystiden erkennbar.

    - Hey, das ist schon mal was, meine Vermutung mit R. melitodes ist damit raus, die wären fast schwarz und keulig gewesen.


    11) weiter in SV, 40x Objektiv, sichtbare johannisbeer-rote Pünktchen deuten jetzt auf eine Inkrustation von Primordialhyphen in der Huthaut hin.

    - Ob das zutrifft, zeigt der nächste Schritt in Karbolfuchsin (KF), auf Bild 8 ist ja eine Bereifung auf dem Hut zu erkennen und deshalb wahrscheinlich


    12) KF, inkrustierte Primordialhyphen sind vorhanden, sogar büschelig.


    13) KF, eine typische Primordiahyphe, starr-zylindrisch, mehrfach septiert, verteilt inkrustiert, diese sind meistens unter 5 mü breit


    14) KF, ein Büschel Primordialhyphen, leicht schnabelig, keulig und mit Überbreite hier zu 6,5+ mü, also schon aussergewöhnlich breit

    - Resumee bisher: mild, IVb, ohne Pileozystiden, mit überbreiten Primordialhyphen, mittelgrosser und nicht zerbrechlicher Pilz

    - dies führt uns zu den Amethystinae und den Integroidinae, überprüfen noch in Kongorot die HDS-Haare und damit das Ausscheiden auch der Chamaeleontinae


    15) Kongo, die Chamaeleontinae scheiden zu Recht aus, die hätten überwiegend keulig-kopfige Haare, hier zylindrisch-knorrig-wellig und lang septiert

    - links oben ein Büschel Primordialhyphen


    16) Kongo, selten aber auch ab und zu Haare, die apikal oder mittig aufgeblasen sind


    17) Kongo, auch die Haare mal stark kopfig-blasig oder auch nur schwach verjüngt


    18) Kongo, die knorrig-welligen Haare bis zu 5 mü breit, nicht keulig-kopfig, ok jetzt also ohne Chamaeleontinae


    19) Zu der Trennung von den Amethystinae und den Integroidinae sagt EINHELLINGER:

    - Amethystinae ohne schwarzfärbende Hyphen (Lactiferen) - und Integroidinae mit schwarzfärbende Hyphen in der STIEL-Rinde in/mit Sulfovanillin (SV)

    - SV, die Untersuchung der STIEL-Rinde von meinem Fund zeigt eindeutig schwärzlich eingefärbte Hyphen


    20) SV, dieses Ergebnis zeigt in die Richtung zu den Integroidinae


    21) SV, die Gegenprobe mit einem Stück STIEL-Rinde von Russula turci (Amethystinae) aus meinem Pilz-Herbar(R20-046)

    - EINHELLINGER hat Recht, OHNE schwarz eingefärbte Stiel-Hyphen (Lactiferen) bei den Amethystinae in SV, also auch ausgeschieden.


    22) Kongo, diese spindelartige Zystide aus der Lamellenschneide vom Fund mit dem "Schnuddel" dran, würde lt. Mikrozeichnungen auch passen


    23) Wasser, die Sporen sind relativ gross, rundlich bis breit-ellipsoid


    24) Melzer, Warzen überwiegend spitz-stachelig, teils auch niedrig stumpf und teils inamyloid


    25) Melzer, die Warzen mehrfach über 1,30 mü hoch


    26) Melzer, das Ornament ist isoliert-stachelig mit einzelnen feinen Verbindungen


    27) Melzer, primitiver Stackingversuch, schön isoliert-stachelig, der Hilarfleck amyloid


    28) Sporen-Messprotokoll, der Mittelwert von 9,3 x 8 mü ist zwar hoch, aber auch SARNARI weist auf Makrosporenformen von 9,8 x 8 mü hin



    EINHELLINGER verweist auf Seite 332 / 3b hinter R. sericatula noch auf eine R. luteoviridans und R. mollis, ob dies hinter meinem Horizont noch weitergeht ist unklar.

    Das war jede Menge Stoff um so einem ausgetrockneten Täubling einen Namen zu verpassen, zumal das vorgestellte Habitat eher einen Nadelholzpilz wie einen Laubholzbewohner mit Carpinus vermuten lässt. Das nächste mal nehme ich eine KI-Pilz-App, da geht die Bestimmung "Ratz-Fatz"


    Ich hoffe es war euch nicht zu langweilig und auch... dass die Experten zu meinem Erstfund Russula sericatula ihren Kopf nicken und nicht schütteln.

    Kann ja sein! Kommentare erwünscht.


    Danke bis bald mal wieder


    claus

  • Lieber Claus,


    Danke für deinen tollen Beitrag. Deinen Ausführungen würde ich folgen. R.sericatula hatte ich noch nie in der Hand. :thumbup:


    Persönlich hätte ich mir ja etwas Arbeit erspart und keine Lactiferen der Stielrinde untersucht - welche Amethystinae sollte denn auch in Frage kommen.


    VG Thiemo

    Bestimmungen anhand von Fotos sind immer unter Vorbehalt und mit Restrisiko!

    Sichere Freigabe zum Verzehr können nur Pilzsachverständige vor Ort geben!

  • Persönlich hätte ich mir ja etwas Arbeit erspart und keine Lactiferen der Stielrinde untersucht - welche Amethystinae sollte denn auch in Frage kommen.

    Hallo Thiemo,


    danke für deine hochgeschätze Antwort zum Pilz, das stimmt mich doch zuversichtlicher dass die Richtung stimmen könnte.


    Naja, das mit den Laticiferen wird aber bei jedem Schlüssel, ob MONEDERO, BRESINSKY, EINHELLINGER oder ROMAGNESI abgefragt, da muss man durch. Ich glaube auch kaum, dass da alleine das Sporen-Ornament eine saubere Trennung der Amethystinae von den Integroidinae erlaubt.

    EINHELLINGER u. Co. verweist ja auf eine evtl. vom Regen ausgeblasste R. amethystina hin und soll auch noch mit stärker isoliertem Ornament daherkommen als die übrigen Amethystinae. Ok, das mit der eigenen R. turci Stielcortex Untersuchung war nur interessehalber durchgeführt, hätte ich mir sparen können. Wer sich für mehr Bilder zu Russula sericatula interessiert, hier bei Goo... gibt es weitere.


    Danke und Grüsse an alle meine Lehrmeister, speziell Thiemo und Oehrling (das musste mal sein!)


    claus

  • Hallo Claus,

    Ich glaube das ist etwas zu viel des Lobes für mich. Zumindest wüsste ich selbst gar nicht, was ich dir beigebracht haben könnte. ==Pilz26


    Naja, das mit den Laticiferen wird aber bei jedem Schlüssel, ob MONEDERO, BRESINSKY, EINHELLINGER oder ROMAGNESI abgefragt, da muss man durch. Ich glaube auch kaum, dass da alleine das Sporen-Ornament eine saubere Trennung der Amethystinae von den Integroidinae erlaubt.

    Stimmt schon, dass das so in den Schlüsseln steht und ich wollte auch keine Kritik an deiner Vorgehensweise üben. Ich respektiere deine vollständigen Untersuchungen. :daumen:

    Für mich habe ich entschieden, dass Schlüssel zwar hilfreich sein können aber nicht das gedruckte Gesetz in der Vorgehensweise der Pilzbestimmung sein müssen. Du standest vor der Überlegung ob Amthystinae oder Integroidinae. Amethystinae mit gelben Sporenpulver gibt es letzlich nur R.turci/amethystina agg. & R.roseipes. Da würde ich überlegen, welche Merkmale diese denn abgrenzen. Neben dem Punkt, dass diese alle Guajak negativ wären, sind auch andere Merkmale wie der von dir beschriebene kräftige Stiel und wenige zerbrechliche Habitus, der eben nicht zweifarbigen Hut (selbst ausgeblasste R.amethystina haben eine dunklere Zone in der Hutmitte) neben dem Sporenornament und der Form der Haare für mich Ausschlusskriterium genug. Daher glaube ich man "muss" da nicht durch, man kann da durch ;) .

    VG Thiemo

    Bestimmungen anhand von Fotos sind immer unter Vorbehalt und mit Restrisiko!

    Sichere Freigabe zum Verzehr können nur Pilzsachverständige vor Ort geben!

  • Für mich habe ich entschieden, dass Schlüssel zwar hilfreich sein können aber nicht das gedruckte Gesetz in der Vorgehensweise der Pilzbestimmung sein müssen.

    ...

    Daher glaube ich man "muss" da nicht durch, man kann da durch

    Klar Thiemo, sehe ich im Nachhinein gewissermaßen ja auch ein.

    Nur, hat denn ein Täublings-Interessent mit weniger praktischer Erfahrung so wie ich sie habe ohne solch einem Schlüssel überhaupt eine Chance zu einem hinreichend plausiblen Ziel zu kommen? Dazu noch einen Erstfund, willst ihn unbedingt im Forum zeigen und ziehst dadurch alle Register auch im Schlüssel um ja nicht hinten runter zu fallen?


    Ja, Likes hat es von etlichen auch Täublingskennern genügend gegeben, da danke ich auch dafür.

    Aber trotz meiner Bemerkung „Kommentare erwünscht“ sind außer von Thiemo, dann Wartezeit bis heute, bis jetzt keine weiteren Kommentare zu meinem Beitrag eingegangen was ich für diesen „alltäglichen Pilz“ als äußerst nachdenklich für mich empfinde und hiermit mal die Flucht nach vorne antrete. Thiemo wird es mir verzeihen, dass ich lieber auf zwei Beinen stehen möchte.


    Also, bin ich etwa verkehrt abgebogen? Fehlbestimmung? Schlüssel falsch nachzitiert? Blödsinn geschrieben? Bilder unzureichend? Neue Mikro-Aufnahmen nötig? Oder doch richtig bestimmt?


    Alles noch offene Fragen… Und: wer nicht fragt bleibt dumm und ich möchte dazu lernen.


    LG

    claus

  • Hallo Claus

    Auch wenn ich (nur) ein Daumen hoch gemacht habe. Deine Dokumentation ist aus meiner Sicht -> Top und da steckt sehr viel Arbeit dahinter. Ich hoffe, das ich nächstes Jahr auch so tolle Bilder von den Sporen hinkriege, die sind einfach fantastisch.

    Ob es sich hier nun um den gezeigten Fund handelt, kann ich nicht beurteilen -> hierzu gibt es andere Täublingskenner mit mehr Wissen.

    Ich selber nehme immer eine Kollektion zum bestimmen, nur ein Exemplar hat mich in der letzten Zeit sowas von ungelöste Fälle beschert.....

    BG Andy

  • Ich selber nehme immer eine Kollektion zum bestimmen, nur ein Exemplar hat mich in der letzten Zeit sowas von ungelöste Fälle beschert.....

    Ha, ja, da hast du Recht, das ist wohl die Ursache für meine Ungeduld und der Erwartung dass andere mir eine Richtung zeigen anstelle weitere Neufunde abzuwarten. Das habe ich nicht bedacht und muss abwarten, ob es mir passt oder nicht. Danke für deine Antwort! :gwinken:


    Grüsse aus der Rhön

    claus

  • Hallo claus,

    Ich habe noch einmal nachgeschaut und nachgeschlüsselt. Du bist Nirgends falsch abgebogen.


    Du landest klar bei der Schlüsselfrage [Amethystinae VS Integroidinae] und dann in den Integroidinae. Hier gibt es die Graustieltäubling - zu denen dein Pilz offenbar nicht gehört - und die nicht-grauenden Arten. Davon kennt meine Literatur zwei: R.caerula & R. sericatula. Der Buckel-Täubling ist es offensichtlich auch nicht, die Art ist konstant violett, prominent gebuckelt und braucht die Kiefer. Daher wäre ich ebenso beim Schwachreagierenden Wildleder-Täubling.


    Hier hast bei deinem Fund allgemein den großen Vorteil einen Täubling mit inkrustierten Primordialhyphenn und ohne Pileozystiden gefunden zu haben. Grob geschätzt scheiden damit schon mal ca. 85% aller Russula-Arten aus.


    Auch deine beobachteten Mikromerkmale (Sporenornament, Primordialhyphen, Terminalzellen d. Haare) passen zu R.sericatula. SARNARI erwähnt sogar den gelbbraun verfärbte Stielrinde. Ich denke, trotz des Einzelexemplars kannst du den Namen so drannschreiben. :)


    Vor ein paar Tagen hatte ich in einem anderen Thread einen Täubling als "möglicherweise R.maculata" betitelt. Da gab es auch keinerlei weitere Beiträge zum eigentlichen Thema, weder ein "danke" oder "ich sehe das anders" vom Anfrager(!), noch weitere Beiträge um die ich auch explizit gebeten hatte, da ich mich in der Sektion praktisch nicht auskenne. Urlaub, viel Arbeit, Hochsaison im Forum - sind wohl alles mögliche Gründ dafür.

    VG Thiemo

    Bestimmungen anhand von Fotos sind immer unter Vorbehalt und mit Restrisiko!

    Sichere Freigabe zum Verzehr können nur Pilzsachverständige vor Ort geben!

  • Hallo Thiemo,


    ich danke dir für deine Antwort und werde den mit dem Namen Russula sericatula cf erstmal so eintüten.


    Diese Funde bei diesem verflixten Fichtenwaldplatz mit dem einzelnen Hainbuchenstrauch kostet mich noch meine letzten Nerven, aber vielleicht ergibt sich ja dort mal wieder die Gelegenheit ein frischeres Exemplar aufzugreifen.

    Ok, belassen wir es dabei, herzlichen Dank nochmals und liebe Grüsse in den Steigerwald... :thumbup:


    claus