Hallo Pilzfreunde,
manchmal gibt es Plätze im Wald wie der Vordergrund im folgenden Bild, die einem beim Bestimmen ganz schön ins Grübeln bringen können.
Neben einer R. firmula (Nadelbaum), drei verschiedenfarbige R. melitodes (Laubbaum) und eine aus dem R. integra Aggregat (Nadelbaum) wurden dieses Jahr an dieser Stelle aufgelesen, aber ob das stimmt muss ein extra Beitrag noch klären. So wundert es auch nicht, dass ich den heutigen Fund optisch erst als eine weitere R. melitodes eingeschätzt hatte und nur phlegmatisch dazu die Fotos machte. Na gut, ihr wollt ja unbedingt mal wieder einen Täubling sehen...
1) Fundort: Fichtenparzelle mit zwei bis drei Hainbuchen Sträuchern/Bäumchen; gegenüber vom Weg Fichten, Birke, >10m Buche und Stieleiche
Aber hier erstmal die Eckdaten zum Fund:
R23-036 sericatula
08.10.2023 - 11:54
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Eingestufte Art evtl: melitodes
Anz. Exemplare: 1
Hutgrösse cm: 6
Evtl. mögl. Baumpartner: Hainbuche, Fichte
Auffälliges Merkmal: - Hut rissig wg. Trockenheit, Stiel stark gelblich gefärbt, Hut körnig, bereift
Sonst. Angaben: - SpP optisch mehr IVb wie IVc
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GESCHMACK, mild,
SPORENPULVER, IVb,
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FUNDORT, Mischwald, bei Laubbaum, bei Nadelbaum, Waldweg, Laubschicht, Nadelstreu, trocken,
BÄUME 10m UMKREIS, Fichte (Picea), Hainbuche (Carpinus),
EXEMPLARE, älter, einzeln,
HUT GRÖSSE, 5 - 10 cm,
HUT FARBE, grün / gelb-grün, gelb / orange-gelb, bräunlich/braun, gefleckt, ausblassend,
HUT OBERFLÄCHE, gedrückt/vertieft, matt, bereift, rauh/körnig, felderig/rissig,
HUT MITTE, dunkler, br/gr/sw,
HUT RAND, glatt - nicht gerieft,
PEELING, 1/3 maximal,
UNTER HUTHAUT, weisslich,
LAMELLEN, spröde, beige bis hellocker, rel eng-stehend, Y-gabelig, Stiel-gabelig, queradrig,
SCHNEIDE, etwas dunkler, braun, rost, fleckig,
STIEL OBERFLÄCHE, ockerlich/bräunlich, fleckend, reifartig, runzelig/geriffelt,
STIEL ZUSTAND, dick über 2cm, weich, voll, wattig,
GERUCH, neutral, schwach, Brot/Gebäck,
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Chemie:
FeSo4, negativ / falb-ocker,
GUAJAK (8 sec), Stiel: ++ hell dann dunkler, Lam: ++ hell dann dunkler,
PHENOL (gepr.),
KOH (gepr.),
NH3 (gepr.),
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2) gewachsen direkt bei dem linken kleinen Hainbuchenstrauch
3) es hatte leider schon länger nicht mehr geregnet und der Pilz machte keinen so frischen Eindruck mehr
4) Hutgrösse 6cm, Hutfarben: gelb, dunkel-rosa-braun gefleckt , irgendwie auch grün-gelb, (Hut ausgeblasst?); Huthaut: rissig, rau
5) der Stiel war mit über 2cm sehr kräftig, längsgerieft und bestimmt im Alter erst so schön gelblich geworden, die Stielspitze mehlig bereift, die Konsistenz vom Stiel voll aber weich
6) die Lamellen dicht, am Stiel oft gegabelt, auch Y-gabelig, leicht queradrig und die Schneide verm. durchs Altern bräunlich/rostfleckig
7) vorstellbar wäre es ja, dass der ganze Hut einmal so rosa-braun-dunkel-braun und mehr ins ocker anstelle gelblich war
8) hier sieht man schön die Bereifung im Bereich des Hutrandes; die Huthaut abziehbar nur 1/3r (durch Trockenheit?)
9) das Sporenpulver passt mit seinen "Rotanteilen" gut zu IVb; weder IVa noch IVc werden als optisch passend angesehen.
- wir haben den Geschmack "mild" und die Sporenpulverfarbe "IVb" des Pilzes ermittelt.
10 Der Bestimmungsvorgang selbst erwies sich diesmal als nicht ganz einfach, da wohl sämtliche mikroskopischen Register gezogen werden müssen.
- sind "inkrustierte Primordialhyphen vorhanden?" und/oder "Pileozystiden vorhanden?" ist der nächste Schritt
- 10x Objektiv, Sulfovanillin (SV), in der Huthaut sind keine grau-schwarz eingefärbten Pileozystiden erkennbar.
- Hey, das ist schon mal was, meine Vermutung mit R. melitodes ist damit raus, die wären fast schwarz und keulig gewesen.
11) weiter in SV, 40x Objektiv, sichtbare johannisbeer-rote Pünktchen deuten jetzt auf eine Inkrustation von Primordialhyphen in der Huthaut hin.
- Ob das zutrifft, zeigt der nächste Schritt in Karbolfuchsin (KF), auf Bild 8 ist ja eine Bereifung auf dem Hut zu erkennen und deshalb wahrscheinlich
12) KF, inkrustierte Primordialhyphen sind vorhanden, sogar büschelig.
13) KF, eine typische Primordiahyphe, starr-zylindrisch, mehrfach septiert, verteilt inkrustiert, diese sind meistens unter 5 mü breit
14) KF, ein Büschel Primordialhyphen, leicht schnabelig, keulig und mit Überbreite hier zu 6,5+ mü, also schon aussergewöhnlich breit
- Resumee bisher: mild, IVb, ohne Pileozystiden, mit überbreiten Primordialhyphen, mittelgrosser und nicht zerbrechlicher Pilz
- dies führt uns zu den Amethystinae und den Integroidinae, überprüfen noch in Kongorot die HDS-Haare und damit das Ausscheiden auch der Chamaeleontinae
15) Kongo, die Chamaeleontinae scheiden zu Recht aus, die hätten überwiegend keulig-kopfige Haare, hier zylindrisch-knorrig-wellig und lang septiert
- links oben ein Büschel Primordialhyphen
16) Kongo, selten aber auch ab und zu Haare, die apikal oder mittig aufgeblasen sind
17) Kongo, auch die Haare mal stark kopfig-blasig oder auch nur schwach verjüngt
18) Kongo, die knorrig-welligen Haare bis zu 5 mü breit, nicht keulig-kopfig, ok jetzt also ohne Chamaeleontinae
19) Zu der Trennung von den Amethystinae und den Integroidinae sagt EINHELLINGER:
- Amethystinae ohne schwarzfärbende Hyphen (Lactiferen) - und Integroidinae mit schwarzfärbende Hyphen in der STIEL-Rinde in/mit Sulfovanillin (SV)
- SV, die Untersuchung der STIEL-Rinde von meinem Fund zeigt eindeutig schwärzlich eingefärbte Hyphen
20) SV, dieses Ergebnis zeigt in die Richtung zu den Integroidinae
21) SV, die Gegenprobe mit einem Stück STIEL-Rinde von Russula turci (Amethystinae) aus meinem Pilz-Herbar(R20-046)
- EINHELLINGER hat Recht, OHNE schwarz eingefärbte Stiel-Hyphen (Lactiferen) bei den Amethystinae in SV, also auch ausgeschieden.
22) Kongo, diese spindelartige Zystide aus der Lamellenschneide vom Fund mit dem "Schnuddel" dran, würde lt. Mikrozeichnungen auch passen
23) Wasser, die Sporen sind relativ gross, rundlich bis breit-ellipsoid
24) Melzer, Warzen überwiegend spitz-stachelig, teils auch niedrig stumpf und teils inamyloid
25) Melzer, die Warzen mehrfach über 1,30 mü hoch
26) Melzer, das Ornament ist isoliert-stachelig mit einzelnen feinen Verbindungen
27) Melzer, primitiver Stackingversuch, schön isoliert-stachelig, der Hilarfleck amyloid
28) Sporen-Messprotokoll, der Mittelwert von 9,3 x 8 mü ist zwar hoch, aber auch SARNARI weist auf Makrosporenformen von 9,8 x 8 mü hin
EINHELLINGER verweist auf Seite 332 / 3b hinter R. sericatula noch auf eine R. luteoviridans und R. mollis, ob dies hinter meinem Horizont noch weitergeht ist unklar.
Das war jede Menge Stoff um so einem ausgetrockneten Täubling einen Namen zu verpassen, zumal das vorgestellte Habitat eher einen Nadelholzpilz wie einen Laubholzbewohner mit Carpinus vermuten lässt. Das nächste mal nehme ich eine KI-Pilz-App, da geht die Bestimmung "Ratz-Fatz"
Ich hoffe es war euch nicht zu langweilig und auch... dass die Experten zu meinem Erstfund Russula sericatula ihren Kopf nicken und nicht schütteln.
Kann ja sein! Kommentare erwünscht.
Danke bis bald mal wieder
claus