Friedhofsfunde vom Jahresende

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  • Hallo zusammen, ich musste mal wieder etwas frische Luft schnappen und da weitere Ausflüge für mich derzeit nicht drin sind habe ich auf einem alten Friedhof etwas Ruhe gesucht. Ich habe mich an den vielen verschiedenen Moosen und Flechten, die sich auf den teils Jahrhunderte alten und oft (zu meinem Glück) "ungepflegten" Gräbern angesiedelt haben erfreut. Nach Pilzen schauen oder gar etwas bestimmen zu wollen war gar nicht mein Plan, aber wie es so ist bleibt der Blick dann doch an etwas Pilzlichem hängen, was erst fotografiert und dann irgendwie doch wieder in die Tasche wandert. Naja ihr kennt das vermutlich. Ein paar Eindrücke möchte ich mit euch teilen.






    Diese Galerinas hätte ich, wären sie etwas größer und auf Holz gewachsen, vermutlich als G. marginata durchgehen lassen, auf dieser Sandsteinmauer im Polsterkissenmoos halte ich mich vornehm zurück. Hübsch anzuschaun sind sie allemal.


    Winterstielboviste lugen gerade eben aus dem dicken Dachdrehzahmoos, sodass sie fast ungestielt erscheinen.


    Arrhenia spathulata war häufig anzutreffen



    Ebenso wie Bryoscyphus dicrani. Die haben offenbar ein gutes Jahr, sie waren in vielen Ceratodon purpureus Polstern zu finden


    Athelia spec. beim Fressen


    Hübsch anzusehen war diese vermutlich Lecanora muralis (?) mit Befall, der sie violett einfärbt. Martin ( KaMaMa ) schon mal begegnet?




    Diesen kleinen Mützen wollte ich eigentlich auf den Zahn fühlen. Weil ich wusste, dass ich erst einige Tage später zum mikroskopieren kommen würde hatte ich sie aufs Wellblechdach unseres Fahrradschuppens zwischen andere Moospolster gelegt. Dummerweise kam ein Nachbar just auf die Idee sich ein Moos-Terrarium zu bauen und so ward das Stückchen unauffindlich verbaut. Es bleibt daher bei cf Chromocyphella musciola. Da kommt aber doch noch einiges Anderes auch in Frage.


    Omphalina pyxidata. Ich hatte es noch nicht erwähnt, die Grabmale sind fast alle aus dem hiesigen Sandstein gefertigt, was das Vorkommen dieser Art plausibel macht. (ich habe sie aber zur Sicherheit mikroskopiert)


    Hier bin ich ein paar Tage später nochmal hin- ich habe mich noch nie näher mit Rickenellas beschäftigt, aber es kam mir eigenartig vor, dass die kleinhütigen (vielleicht bis 3mm) die ich aus dem Frauenhaarmoos im Wald kenne die Gleichen sein sollen wie diese großen (mit locker 10-15mm) aus dem Offenland, die fast schon an Hygrocybe cantharellus erinnern.



    ein paar Tage später leider bereits mit Trockenschaden; die Zystiden auf allen Teilen sind gerade zu erahnen


    Pileo-

    Caulo-

    Cheilozystiden

    Sporen: (4.6) 5.2 - 6.9 (7.3) × (2.4) 2.5 - 3.29 (3.3) µm

    Q = (1.5) 1.8 - 2.4 (2.6) ; N = 22


    mit FN geschlüsselt kam aber doch nix anderes als R. fibula heraus.




    Diese minimalistischen "Giganten" hätte ich gerne zumindest grob eingeordnet, leider waren sie schon zu hinüber, wollten keine Sporen mehr geben und auch sonst war nichts allzu brauchbares mehr zu erkennen. Schade. Ich habe noch nie so große Pilze mit so wenig Lamellen gefunden. Vielleicht haben unsere Offenlandspezis ja eine Idee?


    Das wars,

    kommt gut rüber,

    Ingo

  • Hallo Ingo,

    beim letzten würde ich nichts anderes als Cuphophyllus virgineus vermuten.

    Grüße Axel

    "Das Artensterben ist der neue Klimawandel. Der Verlust der Biodiversität ist die wahre Krise des 21. Jahrhunderts"

    aus Glaubrecht: "Das Ende der Evolution"

  • Servus Axel, danke für deine Meinung! von oben hab ich auch zuerst daran gedacht, aber die spärlichen und gegabelten Lamellen brachten mich wieder davon ab. Vielleicht spielt da aber auch die Jahreszeit bzw. ein möglicher Frostschaden bei Entwicklung eine Rolle, da fehlt mir die Erfahrung. Bzw. wären für C.v. die FK ja wiederum klein und könnten möglicherweise deswegen so wenige und entfernt stehende Lamellen haben? Ich muss gestehen von denen, weil sie ja meist in größeren Trupps auftreten, immer stattlichere Exemplare angesehen und berochen zu haben und nie bewusst ein junges. Das muss ich bei Gelegenheit nachholen.

    VG Ingo

  • Hi, die Lamellen kleben völlig durchnässt stielnah zusammen und narren einen, da es das Muster entfernt stehender, gegabelter Lamellen ergibt. Dieses Phänomen habe ich zu dieser Jahreszeit bereits oft gesehen auch bei unterschiedlichsten Arten. Ich bin hier auch beim Jungfernellerling.


    Schöne Runde.


    LG Sebastian

  • Hallo Ingo,


    ich bin da ganz bei Axel und Sebastian, das kann nur Cuphophyllus virgineus mit „verklebten“ Lamellen sein.


    Noch kurz zu deiner Rickenella fibula: Von Bon wurde eine var. pseudocantharellus beschrieben, die auch im Ludwig (Band 1) erwähnt wird.


    Solche kräftigen (fleischigen) Exemplare mit Hutdurchmessern bis über 2 cm habe ich schon öfters in noch jungen Sandmagerrasen und dort an recht trockenen und exponierten Standorten gefunden. Immer standen sie in einer sehr lückigen Vegetation mit noch großen Beständen an akrokarpen Pioniermoosen. Auf dem folgenden Foto sieht man Rickenella fibula var. pseudocantharellus inmitten von Polytrichum juniperinum.


    Rickenella fibula var. pseudocantharellus


    Im Netz findet man sehr wenig zu dieser möglicherweise seltenen, aber sicher auch häufig verkannten Variante, ein Foto fand ich nur hier:

    Rickenella_fibula_var_pseudocantharellus


    Ob es sich bei diesen Pilzen um eine Standortmodifikation, eine Variante oder aber eine eigene Art handelt, müsste in Ermangelung mikroskopischer Unterschiede wohl eine Sequenzierung zeigen.


    Einen guten Rutsch


    Ingo

  • Hallo Ingo, danke für deinen Kommentar zur Rickenella! Aufgefallen waren mir diese zwei Varianten bereits im Sommer, als ich in Schweden auf Mooskissen in küstennaher postglazialer Felslandschaft mehrheitlich diese großen, stämmigen Ricknellas mit ausladendem, oft gewelltem Hut fand, während im Wald die Variante mit kleinen, meist kreisrunden Hüten vorherrschte. Das von dir verlinkte Foto zeigt genau diesen Phänotyp. Vielleicht nimmt sich ja mal jemand ihrer Genetik an.

    Ein gutes neues (Pilz-)Jahr!

    Ingo

  • Hallo,

    wir haben diese Varietät von der Rickenella auch schon gefunden unter den selbene Bedingungen wie Ingo.

    Erst hatten wir sie für eine Hygrocybe gehalten, aber da paßte ja mikroskopisch nichts.Zum Glück sind wir dann auf die richtige Lösung gekommen.


    VG und ein gesundes und erfolgreiches neues Jahr


    Ulla

  • Einen Nachtrag habe ich heute noch bearbeitet: in einem Mooskissen auf einem Grabmal fand ich einige langhaarige Schildborstlinge. Aufgrund des Fundorts hätte ich auf etwas anderes getippt als S. crinita, die ich eher auf feuchtliegendem Holz im Auwald kenne, mikroskopisch kommt aber von Sporenform, niedrigem, feinem Ornament und stark variabler Haarlänge bis über 1mm nichts anderes in Frage. Einzig die Haarwurzeln erscheinen hier außergewöhlich vielgliedrig. S. pilatii sollte nach Jeannerot deutlich größere Sporen haben, S. scutellata S. Schumacher 1990 sollte ein höheres Ornament haben. Den Schlüssel von Huijser habe ich leider nicht, ist wohl auch nicht mehr zu bekommen.

    Gibt es Einwände?








    Sporen in H2O:

    (15.9) 16.8 - 19.3 (19.4) × (11.1) 11.5 - 13.1 (13.3) µm

    Q = (1.3) 1.4 - 1.48 (1.5) ; N = 20

    Haarlänge maximal: 763 -1059 µm


    Viele Grüße

    Ingo

  • Hallo Ingo

    Ein schöner Fund, ich benutze diesen Schlüssel. Funktioniert jeweils auch ganz gut. BG Andy

  • Hallo Ingo.

    Den Schlüssel von Huijser habe ich leider nicht, ist wohl auch nicht mehr zu bekommen.

    Hier die Huijser-Schlüssel.

    - Alternativer Schlüssel (nederlandse)

    - Allgemeiner Schlüssel (english)

    Scutellinia-Schlüssel Huijser, 2020.pdf


    Weiteres siehe PN.


    LG, Nobi

    Hier geht es zu meinen Themen.

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    Chips: 72

  • Hallo Andy, ich habs nicht präzise geschrieben, auf diesen Schlüssel von Jeannerot hatte ich mich oben auch bezogen, dennoch danke fürs verlinken, so können ihn Mitleser schneller finden :thumbup:


    Und Nobi vielen Dank für den Huijser Schlüssel, jetzt bin ich up-to-date was die "Wimpernzwamen" betrifft!


    Leider fällt es Huijser auch schwer Sc. crinita und scutellata morphologisch zu trennen. Ich fürchte also ich muss die obige Kollektion bei cf citrina/ cf scutellata belassen, das niedrige Ornament* und die Variabilität der Haarlänge spricht für crinita, das "complex rooting" wäre wohl eher ein Indiz für scutellata. Ich kann nicht ausschließen, dass unter dem Mooskissen auf dem Grabmal mit Holzfasern durchsetzte Planzerde zB aus einer früher dort stehenden Pflanzenschale oder einem Kranz o.ä. liegen könnten, daher würde ich dem "Habitat" hier keine Bedeutung zumessen.

    *Zuderm muss ich zugeben, dass ich eine Beurteilung der Ornamentation schwierig finde. Die freiliegenden Sporen aus dem Abwurf hat es mir beim Durchziehen des bwb fast alle weggewaschen, die verbliebenen waren stark alteriert, auch das Erhitzen will sehr vorsichtig durchgeführt werden. Im Ascus gelang das besser, aber dort ist das Ornament schwieriger zu beurteilen. Im Durchfokussieren war es zwar besser zu sehen als auf dem statischen Foto, aber dennoch würde ich mir nicht zu trauen hier eine "Höhe" zu messen zu wollen.


    Dennoch eine schöne Gattung, an der ich nie vorbeigehen kann.

    Viele Grüße

    Ingo

  • Den Schlüssel von Huijser habe ich leider nicht, ist wohl auch nicht mehr zu bekommen.

    ogni volta


    Hallo,


    ich hatte 2023 Herrn Huijser per E-Mail kontaktiert. Er hat mir freundlicherweise ein gedrucktes Exemplar gesendet.

    Fragen kostet nichts!


    Grüße,

    Steffen