Zwei Cladonien oder zwei Spielarten einer?

Es gibt 10 Antworten in diesem Thema, welches 962 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von PBR.

  • Liebes Pilzforum,


    dies ist mein erster Beitrag hier (eine Vorstellung kommt noch, versprochen - es fällt mir nur leichter so einzusteigen).

    Im Moment versuche ich mich in Flechten einzuarbeiten und komme bei einem Cladonia fund nicht wirklich weiter - somit wollte ich einmal nach Hilfe fragen.


    Es handelt sich um zwei Proben von einem verottendem Baumstamm (für mich nicht bestimmbar), beide auf Rinde zusammen mit Moos, die ich in der Leinemarsch vor Hannover gesammelt habe:


    (alle Beschreibungen spiegeln meine Anfängerinterpretation wieder - geschlüsselt habe ich mit Wirth Die Flechten Baden-Württembergs 2. Aufl. 1995, aber kam an einigen Stellen auf nicht eindeutige Abzweigungen, wohl auf die Anfängerinterpretation zurückzuführen und Cladoninen sind halt schwierig...).


    Sehe ich wirklich 2 Arten vor mir (die teilweise ineinander wachsen) oder sind es nur morphologische Spielarten der selben Art?


    Vorab schon einmal vielen Dank!

    Peter




    Probe 1

    Ca. 2.5 cm hohe schlanke Podetien mit Soredien und Schuppen (in der unteren 1/2) ohne Becher und überwiegend mit 1 Spitze (an einem 2 Spitzen).

    Diese auf einem starken Bett aus kleinen sorediösen Grundschuppen.

    Chemie K-, P+ (etwas verzögert, orange)

    Meine Einschätzung wäre C. coniocraea, ggf. auch C. ochrochlora (letzere aber eher unwahrscheinlich).


    1) Übersicht


    2) K (links) und P (rechts) Reaktionen

    3) Detail Podetienspitzen


    Probe 2

    Ca. 1.5 cm-3 hohe schlanke Podetien mit Soredien und teilweise wenigen Schuppen und mit schlanken Bechern (teilweise "Gestapelt").

    Es ist auch ein Podetium mit Morphologie wie in Probe 1 in der Gruppe.

    Auf einem starken Bett aus kleinen sorediösen Grundschuppen.

    Chemie K-, P+ (etwas verzögert, orange)

    Ich komme beim Schlüsseln bei C. fimbriata oder C. pyxidata raus, bin mir aber absolut nicht sicher. Für ersteres spricht ein Podetium das "Fingerchen" zeigt.

    Mit ganz leichten Abwandlungen kam ich auch bei C. ramulosa raus - ich habe die einmal gezeigt bekommen, da sahen die Podetien deutlich wilder aus.


    4) Übersicht


    5) Detail Podetium

    6) Aufsicht Podetium

    7) Podetium mit Schuppen.



    8) Chemie P (links) K (rechts)



    Noch weitere Bilder aus dem Feld:

    9) Verottender Baumstamm mit Moos und Cladonien

    10) Bechertragende Cladonien in situ

    11) Säulencladonien in situ

  • Wow, gleich so ein klasse Einstieg.

    Viel Spaß und Erkenntnisse im Forum wünsche ich dir.

    Was die Flechten anbetrifft, können die Spezialisten sicher was dazu sagen.


    Viele Grüße

    Thomas

    AUCH VON MIR KEINE ESSENSFREIGABE. EINE BESTIMMUNG IST OHNE JEDE GARANTIE.

  • Hallo Peter,


    herzlich willkommen im Forum.

    Sehr gelungene Vorstellung und tolle Fotos.

    Bei der Bestimmung kann ich dir leider nicht helfen, denke aber, dass sich von den Flechtenkennern jemand äußern wird.


    Liebe Grüße

    Reinhard

  • Hallo Peter,


    Schön, dass mal wieder jemand etwas über Flechten schreibt!


    Cladonien finde ich sehr verwirrend und mitunter sind sie die Hölle.


    C. coniocraea hat meines Wissens nach ausschließlich sorediöse Podetien, während dein Fund deutlich jede Menge Schüppchen besitzt. Das gilt sowohl für die Säulenvariante aus auch für die bechertragenden Podetien auf deinen Fotos. Sehe ich das richtig?

    Voraussetzend, es handelt sich um die gleiche Art: Hast du schon über C. ramulosa nachgedacht? Zu dieser sehr variablen Art gelangt man im Cladonienschlüssel "Die Flechten Deutschlands", wenn man die nicht zu knapp vorkommenden Schuppen nicht unterschlägt. C. ramulosa reagiert P+ langsam von gelb zu rot, heißt es - auf deinen Fotos könnte ich gut eine rote Farbreaktion sehen (viertletztes Bild).

    Dann bin ich mal mit dir gespannt, was du selbst hierzu meinst und auf was die Cladonienkenner hier gelangen werden!


    LG, Martin


    P.S. Es ist leichter, bei Antworten auf Fotos Bezug zu nehmen, wenn diese durchnummeriert sind.

  • Lieber Thomas, Reinhard, Martin. Danke für das Willkommen


    Martin: danke für Deine Einschätzung. Bei C. ramulosa komme ich auch raus wenn ich annehme, dass beide Podetien zu einer Flechte gehören. Hatte C. ramulosa mal gezeigt bekommen und da sah sie deutlich "wilder" aus.


    C. coniocraea hat meines Wissens nach ausschließlich sorediöse Podetien, während dein Fund deutlich jede Menge Schüppchen besitzt. Das gilt sowohl für die Säulenvariante aus auch für die bechertragenden Podetien auf deinen Fotos. Sehe ich das richtig?

    Ja, siehst Du richtig. Ich habe auf dem Weg zu C.c. keine (negativ) Abfrage zu den Schuppen bemerkt, bzw. wenn übersehen. Muss nacher nochmal nachschauen. Soweit ich das gesehen habe ist Die Flechen Deutschlands eine überarbeitete und erweiterte Variante von die Flechten Baden-Württembergs?


    Hinsichtlich P+ gelb-->rot. Das war so eine Reaktion, könnte gut passen. Wenn alles gut läuft kann ich ab heute abend Videos an der Stereolupe machen, kann man hier im Forum Gif oder Videos posten?



    So das war jetzt schnell zwischendrin, jetzt erstmal Kinder ins Bett bringen. Bis nacher.

    Peter

  • Hallo Peter,


    C.ramulosa kann so ziemlich jede Form annehmen - insofern ist sie wirklich wild! Die Bezeichnung passt. ;)


    Ob Videos hier einstellbar sind, weiß ich leider nicht.

    Und: Tatsächlich ist das von mir zitierte Buch der Nachfolger der "Flechten BWs", ganz richtig.


    LG, Martin

  • Na dann nehme ich mal C. ramulosa als Arbeitshypothese. Ich bin gespannt ob sich nochmal jemand meldet.


    Ein Video von der Färbereaktion hat leider noch nicht geklappt. Die Kamerasoftware die auf meinem Rechner läuft unterstützt die Kamera nicht mehr und die Version welche die Kamera unterstützt läuft nicht auf dem Rechner. Zum Mäuse melken.


    Ist Flechten Deutschlands ein lohnenswertes Update auf Flechten BWs?


    Peter

  • Hallo Peter,


    die Flechten BWs besitze ich gar nicht, nur den gleichnamigen Atlas, den gab es gebraucht für lau.

    (Übrigens weiß ich mittlerweile, die Bände gibt es, zwar ohne Bilder, auf englisch übersetzt bei den Briten zum Download.

    Da ich in BW wohne, lohnt sich der Atlas natürlich für mich.


    Die Flechten Deutschlands kann ich eigentlich uneingeschränkt empfehlen, die Bände sind klasse.

    Ich arbeite dauernd damit und wüsste gar nicht, was ich ohne sie täte.

    Wenn man allerdings schon die Flechten BWs besitzt... Schwierig zu beurteilen.


    Ich hatte heute eine C. coniocraea unter der Lupe, die ich fast schon als C. ramulosa eingestuft hätte, da sie etliche berindete Stellen unten an den Potedien hat. Und einiges an Schüppchen ist dort auch zu finden. Aber das ist eigentlich auch für Coiniocraea normal, die Schuppen sind nur wenige und der Gesamteindruck ist fein-sorediös.

    Deshalb bin ich dann zu C. coniocraea gelangt - eigentlich logisch:


    Dein Fund hat aber eine andere Qualität, was die Beschuppung anbelangt, und für Coiniocraea sind mir die Becher viel zu breit.

    Aber vielleicht sind es bei dir tatsächlich doch zwei Arten.

    Cladonien sind ja (leider) überaus gesellig!


    LG, Martin

  • Je mehr ich die Proben drehe und wende desto unsicherer bin ich mir (und desto weniger soredien haben sie...)

    Die Kinetik der P+ Farbreaktion war in etwa gleich, jedoch bei der Probe 1 (Bild 2) eher ins rotbraune und bei Probe 2 eher ins orangerote (Bild 4 unten + 8). Mir fehlt allerdings vollkommen die Erfahrung wie weit sowas innerhalb der selben Flechte variieren kann.


    Zum Thema "berindet". Wie erkenne ich das? Ich lese es, habe ein paar Fotos gesehen bei denen es super klar war. Aber in der Praxis finde ich das schwer festzustellen.


    Danke

    Peter

  • Hallo Peter,

    PBR


    Also ich sehe schon eine Menge Soredien auf deinen Fotos!


    Zu deiner Frage zur Podetienoberfläche:

    Berindet heißt, dass die Flechte oberflächlich einen gegen die Umwelt mehr oder minder dichten Cortex aufgebaut hat, um die Algenschicht darunter zu schützen.

    Fehlt die Rinde, fehlt auch die Algenschicht und die fasrige, meist weiße, machmal auch bräunliche oder braune, Medulla liegt frei.

    Es sei denn (!), Soredien werden an der unberindeten Stelle gebildet.

    Wenn man die Soredien wegkratzt, kommt darunter die meist weiße Medulla zum Vorschein.

    In diesem Fall wird die Oberfäche aber sorediös genannt, auf Rinde wird dann kein Bezuig genommen, denn berindet und sorediös schließen sich an der gleichen Stelle gegenseitig aus (um Soredien zu bilden zu können, muss die Rinde aufbrechen)


    Kurz und gut, etwas verknappt und damit sicher nicht immer richtig:

    berindet: grün und glatt (glatt heißt nicht unbedingt eben, sie darf schon warzig oder dergl. sein)

    unberindet: weiß (oder braun) und fasrig

    sorediös: grün und pulvrig, körnig

    beschuppt: mit abstehenden Blättchen

    und

    schollig: große grüne, leicht ablösbare, berindetete Einheiten, isidienartig


    Ich habe einst versucht, die unterschiedlichen Bereiche in Fotos zu markieren.

    Guck es dir mal an, ob dir das schlüssig erscheint und gib mir sehr gerne deine Meinung dazu!


    LG, Martin


  • Hallo Martin,


    danke für die erklärung. Soredien meine ich hablwegs sicher erkennen zu können (ob grob oder fein finde ich schwierig). Das Soredien und berindet sich ausschließen hatte ich so noch nicht begriffen - Deine Erklärung hilft! Deine Bilder auch. Danke! Ich versuche mir die mal zum visuellen Abgleich zu speichern.


    Unter dem gesichtspunkt war ich doch mit meiner beschreibung soridiös + geschuppt nicht so weit weg und würde jetzt mal überarbeiten zu unberindet, feinsoridiös, beschuppt.


    Peter