Ostern auf der Alb

Es gibt 10 Antworten in diesem Thema, welches 1.142 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von ogni volta.

  • Servus zusammen,


    an Ostern war ich auf einem Familientreffen auf der (schwäbischen) Alb bei Wittstaig. Zumindest an einem Tag war das Wetter für einen Spaziergang gut genug, sodass wir uns aufmachten eine der vielen Burgen zu erklimmen. Natürlich hielt ich auf dem Weg auch die Augen offen, ich finde es immer spannend andere Habitate zu entdecken. In diesem Fall ein submontaner Wald auf Kalk (Weißjura) mit westseitig Buchen und ostseitig hauptsächlich Fichten und Tannen. Offenbar war das Wetter die Wochen zuvor günstig, denn wir konnten einige schöne Funde machen.


    Ich fange gleich mit unserem Ziel an, damit ihr eine Ahnung bekommt wie es dort aussah:

    Blick von der Burg Hohengundelfingen auf Wittstaig, einem Dorf welches im Wesentlichen aus dem Gasthaus und fünf weiteren Häusern besteht.


    Aber zurück ins Tal: trotz der Höhe von ca 700 müNHN war die Botanik dort oft schon in voller Blüte:

    So die schönen Pestwurzen und im angeschwemmten Kalksinter zwischen Wasserminze zwei Spitzmorcheln (Morchella elata agg.) Dort hätte ich nicht damit gerechnet, aber was verstehe ich schon von Morcheln.


    zwei Erdkröten auf Honeymoon


    Gyromitra ancilis auf Fichtenstümpfen fanden wir mehrfach am Wegrand



    Diesen schönen Bechern im Sauerklee konnte ich zunächst keinen Namen geben, da die typsichen Wirte auf den ersten Blick nicht vorhanden waren.

    Zu Hause konnte ich sie als aufgrund der überwiegend vier Kerne als Anemonenbecherlinge (Dumontinia tuberosa) bestimmen.

    Jetzt beim Einfügen der Fotos habe ich sie auf dem ersten Bild mittig entdeckt.. ^^ (leider mit quengelndem Kind im Nacken nicht allzu scharf geworden)


    Dann folgte für mich das Osterei schlechthin, ein lange ersehnter Erstfund: leuchtende Prachtbecher (Caloscypha fulgens). Mehrmals habe ich sie bei mir zu Hause schon versucht gezielt zu finden, immer erfolglos. Im Grünstreifen neben dem Weg, wo kurz vorher der Balkenmäher gestutzt hatte entdeckte ich sie dann. Hätte der Mäher ihre leuchtenden Bruchstücke nicht überall verteilt hätte ich sie womöglich übersehen.. aber zum Glück waren es so viele, dass ich genügend intakte für eine Fotosession fand.


    Dafür habe ich dann sogar mein Stativ aufgebaut und den Rest der Gruppe voranziehen lassen, zum Glück hatten sie so viel Verständnis für den verrückten Pilzler, der irgendwas von 'den findet man nur einmal im Leben' faselte. Jaja...




    Das Exzipulum verfärbt bei Verletzung blau. Das lässt sich auch unter dem Mikoskop beobachten.


    Von diesem schönen Fund noch völlig high, ich meine erleuchtet, folgte auf einem Fichtenstumpf gleich der nächste Kracher:




    Diese Lorchel hätte ich makroskopisch als Gyromitra gigas angesprochen. Das große Exemplar habe ich mitgenommen, wie befürchtet ist es jedoch noch zu jung. Na mal schaun ob es noch nachreift. Solange bleibt das natürlich Spekulation. Das wäre für mich auch ein Erstfund, Jörg Hannes2 , Du findest die Teile doch regelmäßig- könnte das hinkommen?


    Auf dem Abstieg gabs noch ein paar Flechten:


    Wenn ich nachdenke wie lange ich Graphis scripta agg. zu Hause gesucht habe, bis ich sie endlich einmal fand.. und hier waren gesamte Buchenstämme voll davon, toll!


    Sowie an einer ausgewaschenen Felsgrotte diese adretten Knöpfle (man verzeihe mir den stümperhaften Versuch den Lokalkolorit wiederzugeben)



    links nativ, rechts Lugol

    Sporen 16.6 - 23.8 (24) × 7.9 - 9 (10.2) µm Q = (1.6) 1.8 - 3 (3.1) ; N = 9

    Auch wenn sie im Schwäbischen gefunden wurden hören sie wohl auf den Namen "Jenaer Grubenflechte" (Gyalecta jenensis) und sind nicht selten an feuchten Karbonatgesteinen.

    Bestimmt habe ich mit Wirth/ Flechten BW. Die Beschreibung passt gut, es gäbe wohl noch einige Verwechslungspartner, die aber im Vergleich viel seltener wären.


    An dieser Stelle muss ich mich bei Martin KaMaMa entschuldigen, dass ich einfach so in seiner Nachbarschaft wildern war ohne Bescheid zu geben- aber ein Treffen war leider wegen Krankheit, Autopanne und Familienchaos nicht im Bereich des Realistischen.. mir hat es dort aber sehr gut gefallen, vor allem die vielen Kalkmagerrasen haben mich angelacht und irgenwann möchte ich dort nochmal im Herbst hin! Vielleicht geht dann mal was zusammen?


    Zum Abschluss noch ein paar Farbtupfer: Kü(h)chenschellen (Pulsatilla spec.)


    Danke fürs Mitkommen, Korrekturen und Kommentare wie immer willkommen!

    Ingo

  • Hallo Ingo, ogni volta ,


    das war ja ein lohnender Ausflug mit richtig tollen Funden. Glückwunsch besonders zum Prachtbecherling - der fehlt mir definitiv noch als Fund.

    Aber die kleinen, gelben Becherchen (Gyalecta) sind ja auch nicht unprächtig. Die finde ich mittlerweile hier öfters. In deinem Bericht hat mich am meisten verwundert, dass es Gegenden gibt ohne Schiftflechten - Ui!

    Also, wenn du mal in der Gegend bist, melde dich ruhig, bestimmt geht da was!


    LG, Martin


    PS: Ich habe mir seit deinem Bericht über den Nürnberger Cladonien-Kiefernwald vorgenommen, dort mal vorbeizufahren und mir die Sache anzuschauen. Ich hab damals gleich mit Google-Earth ausgeknobelt, wo das sein muss. So etwas habe ich damals nicht gesehen, als ich noch in der Erlangen wohnte. Vielleicht fahre ich heuer im Frühjahr/Sommer mal rüber. Wir könnten uns sehr gerne mal treffen. :gnicken:

  • Hallo Ingo,


    da hast Du einen schönen Ausflug mit tollen Funden gemacht. Bei deiner Lorchel bin ich unsicher. Die ist schon sehr wenig hirnartig gewunden für G. gigas. Das erinnert mich ein wenig an junge Zipfellorcheln. Der Fundort an Fichte spricht hingegen für diese Art. Vielleicht kannst Du die ja demnächst noch einmal besuchen.


    VG Jörg


    P.S.: Ich habe G. gigas noch nie mikroskopisch nachgewiesen gefunden.

  • So die schönen Pestwurzen und im angeschwemmten Kalksinter zwischen Wasserminze zwei Spitzmorcheln (Morchella elata agg.) Dort hätte ich nicht damit gerechnet, aber was verstehe ich schon von Morcheln.

    Hallo Ingo,

    Spitzmorcheln und Rote Pestwurz mögen sich und kommen öfter zusammen vor,

    viele Grüsse

    Matthias

  • Hallo Ingo,

    sehr schöner Bericht mit tollen Funden, Caloscypha, wow!

    Allerdings meine ich auf Foto Nr. 8 rechts zwei unscharfe Blättchen vom Scharbockskraut zu erkennen.

    FG

    Oehrling

    PSVs dürfen weder über I-Net noch übers Telefon Pilze zum Essen freigeben - da musst du schon mit deinem Pilz zum lokalen PSV!

  • Hallo Martin,

    dass es Gegenden gibt ohne Schiftflechten - Ui!

    Ja so unterschiedlich ist das, ich fand damals in Kornburg auch nur eine einzelne ca 3cm große Plaque an einer Hasel in direkter Gewässernähe, das wars! Auf der Alb waren die Buchenstämme großflächig damit überzogen, und das war noch weit oberhalb des Flusstals.

    Vielleicht fahre ich heuer im Frühjahr/Sommer mal rüber

    Das würde mich sehr freuen mit dir mal hier um die Bäume zu ziehen! hier gibt's einige interessante Flechtenwälder v.a. die ganzen sandbewohnenden Arten sind bestimmt ein Schmankerl für dich:)



    Lieber Jörg,

    Das erinnert mich ein wenig an junge Zipfellorcheln

    jetzt wo du es sagst könnte ich mir das bei den auffällig hochgezogenen Falten auch vorstellen.



    das war sie von ihrer faltigsten Seite...

    Vielleicht kannst Du die ja demnächst noch einmal besuchen.

    Leider ist das ausgeschlossen da (mit Kleinkindern) fast eine Tagesreise weit weg von meinem Wohnort. Wir haben da nur Urlaub gemacht. Aber wenn sich einer der lokalen Mitleser berufen fühlt, kann ich gerne eine Wegbeschreibung geben.



    Hey Matthias,

    Spitzmorcheln und Rote Pestwurz mögen sich

    achsooo mit Pestwurz gehn die auch? - ich wusste ja bisher nur von Dill...



    Hallo Öhrling,

    Allerdings meine ich auf Foto Nr. 8 rechts zwei unscharfe Blättchen vom Scharbockskraut zu erkennen

    unscharf ja, aber…

    zum Glück ist kein APR was? ;)


    Danke für eure Kommentare!

    Ingo

  • Servus zusammen, nochmal ein Nachtrag von mir. Gestern abend fand ich die Gyromitra hinten im Kühlschrank wieder- ich bin nicht früher dazu gekommen mich mit ihr zu beschäftigen und nachdem ich sie auch nicht regelmäßig gelüftet hatte ging ich nun davon aus, dass ich sie verschimmelt entsorgen kann. Aber nein, sie war in bestem Zustand und sogar gereift! Damit hätte ich niemals gerechnet nach meinen bisherigen Erfahrungen mit Gyromitras. Als ich die Dose öffnete wurde mir eine Salut-Wolke Sporen entgegen geschossen!

    Damit kann ich nun Gyromitra gigas bestätigen.



    Paraphysen mehrfach verzweigt mit messingfarbenem Pigment


    Sporen mit Kappen an den Polen, zwei kleinen und einem großen Öltropfen

    (27.9) 28.3 - 31.2 (31.3) × (11.5) 11.7 - 12.7 (13.1) µm Q = (2.2) 2.4 - 2.6 (2.7) ; N = 16


    mein bwb ist leider hinüber, daher ungefärbt, aber auch ohne Färbung erkennt man ein deutliches, überwiegend warziges bis angedeutet netziges Ornament


    Ich habe mich sehr gefreut dass ich sie doch noch fest machen konnte, denn das Aussehen war in diesem jungen Stadium ja noch nicht typisch und ich hatte sie außer von Jörgs Beiträgen auch noch nie zuvor gesehen.


    Viele Grüße

    Ingo

  • Hallo Ingo,


    Glückwunsch!

    Je matschiger der Pilz ist, desto mehr Sporen hat er gebildet. In dieses Stadium rücken Flechtenapothecien nie vor. ==Pilz25

    Aber wie bekommt man den sein BWB kaputt und wie äußert sich das denn?


    LG, Martin