Soussillon 24.05.2024

Es gibt 14 Antworten in diesem Thema, welches 1.494 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Ditte.

  • Hallo zusammen


    Am Freitag wollte ich eine kleine Wanderung machen, und dabei ein wenig nach Pilzen Ausschau halten.

    Es endete damit, dass ich die meiste Zeit kauernd vor in einer völlig unerwarteten Pilzvielfalt verbrachte.


    Der Weg startete in einem trockenen, steilen Kiefernwald. Dort gab es kaum Pilze, dafür aber umso mehr auf einer Waldlichtung, die als Pferdeweide dient.

    Hier machte ich einen ungeplanten Exkurs in die Coprophilie:


    1:

    Hiermit konnte ich vor Ort nicht viel anfangen. Irgendwie war mein Verdacht, es könnte ein Ackerling sein.

    Auffällig ist der weiss gesäumte Hutrand.

    Schlussendlich kam ich auf Agrocybe fimicola, für die offenbar genau diese weissen Velumreste typisch sind.


    Die Sporen passen gut zur pediades-Gruppe.


    Die Basidien sind rein 1- und 2-sporig.


    Zystiden irgendwie lageniform, oft kopfig.



    2:

    Eine schnell ausblassende Conocybe auf altem Mist. Es dürfte Conocybe rickenii sein:


    Sporen recht gross für die Gattung.


    Basidien 1- und 2-sporig.


    Die Cheilozystiden sind meistens recht nutzlos bei der Bestimmung von Samthäubchen.


    Wichtig ist die Stielbekleidung, hier gab es einzelne lecythiforme Elemente.



    3:

    Diese kräftig braunen Kahlköpfe gab es reichlich: Deconica coprophila.


    Sporen in KOH


    Cheilozystiden dicht gedrängt.



    4:


    Diesen Düngerling mit Velumresten am Hut gab es massenhaft. Man beachte den schuppig aufreissenden Hut.

    Mit der dunklen Farbe müsste es eigentlich Panaeolus papilionaceus sein. Aber mal schauen:


    Die Sporen passen, gross und hexagonal.


    Aber die Cheilozystiden sind allesamt kopfig und recht kurz.


    Obendrein hat er bis etwa 200 µm von der Schneide entfernt auch zahlreiche Pleurozystiden.


    Alles in allem finde ich, dass Ludwig's Varietät Panaeolus papilionaceus var. capitatocystis recht gut passt.

    Nur diese Pleurozystiden passen irgendwie gar nicht...


    5:

    Der hier ist wenigstens schon makroskopisch ansprechbar. Panaeolus semiovatus.


    Sporen gross und stark abgeplattet.


    Cheilozystischen lageniform.



    6:

    Dieser Düngerling war irgendwie schwierig.

    Am besten scheint mir Panaeolus subfirmus zu passen, den ich mir aber eigentlich kräftiger vorstelle.


    Sporen zitronenförmig und abgeplattet.


    Cheilozystiden lageniform und etwas kopfig, keine Pleurozystiden.



    7:

    Schliesslich noch ein Dungträuschling. Davon gibt es ja leider mehrere, die man nur mikroskopisch unterscheiden kann.

    Und meistens ist es dann wieder und wieder die gleiche häufige Art (semiglobata).

    Aber dieses Mal hatte ich Glück, es ist Protostropharia dorsipora.


    Leicht zu erkennen an dem stark exzentrischen Keimporus.


    Cheilozystiden flaschenförmig.


    Chrysozystiden selten, aber man findet welche.



    So weit erstmal die Dungpilze, am Nachmittag folgt dann der Rest.


    Gruss Raphael

  • also, nun noch ein paar Nichtdungpilze.


    8:

    Dieses Samthäubchen wuchs in der Nadelstreu bei Pinus und Picea. Ich habe es als Conocybe pulchella bestimmt.


    Sporen mittelgross, mit deutlichem Keimporus.


    Cheilozystiden unauffällig, wie immer.


    Stielbekleidung gemischt aus lecythiformen Kaulozystiden und anderen Elementen.


    HDS mit einzelnen schlanken Pileozystiden.



    9:

    Gymnopus ocior. Schon makroskopisch mit den gelben Farbtönen gut ansprechbar.

    Die wuchsen nicht im Wald, sondern auf der Pferdeweide etwas abseits vom Dung bei Populus tremula.


    10:

    Für Lyophyllum deliberatum eigentlich etwas früh im Jahr, vor allem auf 1800m wo vor vier Wochen noch Schnee lag.


    Aber mit diesen rautenförmigen Sporen kann es nichts anderes sein.



    11:


    Die beiden Spitzmorcheln durften stehen bleiben.


    12:

    Ein Rätsel, falls jemand Lust darauf hat. Was seht ihr hier?



    13:

    Marasmius oreades. Sie rochen untypisch nach Thymian, liegt wohl am Habitat.



    14:

    Weichritterlinge scheinen ein gutes Jahr zu haben. Diese hier wuchsen in der Nadelstreu bei Pinus und Picea.

    Die Bestimmung ist ja immer so eine Sache. Die Gattung ist zwar inzwischen recht gut bearbeitet, aber einfach wird das wohl nie sein.

    Für die Arten mit Brennhaar-Zystiden gibt es nun immerhin einen aktuellen Schlüssel.

    Dieser führt mich zu Melanoleuca fontenlae.


    Sporen breit elliptisch, ansonsten halt typische Melanoleuca-Sporen.


    Ich brauchte drei Präparate, bis ich endlich Cheilozystiden fand. Pleurozystiden gab es keine.


    Kaulohymenium mit echten Zystiden und zahlreichen keuligen Elementen.



    15:

    Noch ein Weichritterling. Der Hut ist mehr grau, das muss nichts heissen. Aber der Stiel ist stark faserig.

    Hier habe ich noch keine richtig gute Bestimmung. Vielleicht Melanoleuca favrei, sonst passt nichts so richtig.


    Sporen wieder ähnlich.


    Dieses Mal waren die Cheilozystiden einfach zu finden. Pleurozystiden keine.


    Echte Kaulozystiden konnte ich nicht finden, nur keulige Elemente.



    16:

    Weichritterling Nr. 3. Hier könnte man anhand der gelblichen Lamellen einfach mal Melanoleuca cognata dran schreiben.

    Aber es ist was völlig anderes, vermutlich Melanoleuca paedida.


    Sporen wieder sehr ähnlich wie vorher.


    Massenhaft Brennhaar-Zystiden an der Schneide.


    Und dieser hier hat auch zahlreiche Pleurozystiden.


    Am Stiel nur keulige Elemente.



    17:

    Eine kleine Telamonia in der Nadelstreu. Mit Geruch irgendwo zwischen fruchtig und pelargoniumartig.

    Ich meine das gehört irgendwo in die Gruppe um Cortinarius diasemospermus.


    Sporen schlank und fein warzig.



    18:

    Noch eine grössere Telamonia. Geruch schwach aber angenehm, unspezifisch.

    Was es ist? Keine Ahnung, nach dem AdC komme ich auf Cortinarius ochraceosafranopes ad int., zu dem es aber kaum Literatur gibt.

    Ein Fall für die Sequenzierung.


    Sporen jedenfalls grob warzig und auch eher schlank.



    19:

    Eine rätselhafte Telamonia bei Pinus, Picea und Betula. Einiges spricht für Cortinarius vernus, aber die Fruchtkörper sind viel zu kräftig.

    Geruch am Standard stark nach Rettich, später eher fruchtig, mit Pelargoniumkomponente oder sogar etwas spermatisch.

    Einen brauchbaren Vorschlag habe ich nicht.


    Sporen grob warzig.


    So, bald habt ihr es überstanden. Es folgen dann noch drei Risspilze.

  • Schlussendlich noch drei Risspilze, mit denen ich mich lange abgemüht habe.

    Aber ohne die Hilfe von Ditte geht es wohl nicht. Ich warte sehnsüchtig auf den Schlüssel :)


    20:

    Diese hier wuchsen in der Nadelstreu von Pinus und Picea, auf Kalk. Sie hatten allesamt diesen stumpfen Buckel.

    Geruch schwach, unauffällig.



    Sporen: 8.6-10.0-11.9 x 5.6-6.0-6.6 µm, Q = 1.47-1.67-1.90



    Cheilozystiden etwa 64-88 x 14-20 µm. Einzelne mit sandigem Hals. Pleurozystiden ähnlich.


    Im oberen Drittel zahlreiche Kaulozystiden.


    Ich bin nicht sicher wie wichtig diese kräftige Hutfarbe ist. Je nachdem komme ich in die Nähe von I. glabripes, virgatula oder I. auricoma.

    Aber so richtig passt mir keine von beiden.



    21:

    Dieser hier wuchs auf praktisch nackter Erde. Geruch spermatisch.



    Sporen: 9.6-10.7-12.0 x 5.8-6.5-7.1 µm, Q = 1.43-1.64-1.82



    Cheilozystiden: 52-81 x 13-19 µm


    Kaulozystiden auf der ganzen Stiellänge vorhanden.


    Es ist wohl irgendwas aus der Gruppe um Inocybe leiocephala, subpaleacea. Die Sporen sind aber für die meisten Arten eine Spur zu gross.



    22:

    Diese hier wuchsen in der Nadelstreu bei Pinus, Picea und Larix. Geruch schwach fruchtig.




    Sporen recht gross: 9.7-11.3-12.8 x 5.7-6.1-6.7 µm, Q = 1.66-1.84-2.04



    Zystiden schlank gestielt, mit zahlreichen Parazystiden, 60-88 x 16.23 µm.


    Kaulozystiden nur im oberen Stieldrittel.


    Mit den gängigen Schlüsseln lande ich immer wieder irgendwo bei virgatula oder fuscidula/glabripes, die aber alle deutlich kleinere Sporen haben.

    Fazit: Ich habe keinen valablen Vorschlag was sein sein könnte.


    Bin gespannt, ob sich das per Ferndiagnose etwas machen lässt.


    Viele Grüsse

    Raphael

  • Hallo Raphael,


    was für ein schönes und interessantes Feuerwerk. Deine Morchel (1. Bild unter 11) erinnert mich an Morchella deliciosa mit den dunklen Farben und den runden, geschwungenen Waben, die teils die Rippenstruktur "unterbrechen".


    12 Fichtenzapfenhelmlinge?


    Für die Arten mit Brennhaar-Zystiden gibt es nun immerhin einen aktuellen Schlüssel.

    Oh, wie interessant, den kenne ich nicht. Ich wäre an einer Quellenangabe sehr interessiert. Ich verwende nach wie vor die Mini-Melanoleuca-Monografie von Münzmay für die Weichritterlinge. Hilft hier aber nichts, da Sachen wie Stielfleischfarbe und Inkrustination der Stieltrama abgefragt werden. Sicher ist der aber unvollständig und nicht aktuell.


    Zu den Telamonien und Inocybe schweige ich lieber mal, bin sehr gespannt, was Ditte dazu sagt.


    Vielen Dank für die umfassende und systematische Dokumentation der Arten.


    LG Sebastian

  • Hallo Raphael, was für spannende Funde, vielen Dank für das teilen.

    Immer wieder lehrreich. BG Andy

    Mit meiner Bestimmung erteile ich keine Verzehrfreigabe. Für Speisezwecke bitte von einem PSV (Pilz-Sach-Verständigen) kontrollieren lassen.

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    Einmal editiert, zuletzt von CH-Andy ()

  • Deine Morchel (1. Bild unter 11) erinnert mich an Morchella deliciosa mit den dunklen Farben und den runden, geschwungenen Waben, die teils die Rippenstruktur "unterbrechen".

    Hallo Sebastian


    Kann gut sein, ich habe die Morcheln nicht genauer angeschaut. Einzelexemplare lohnen sich ohnehin selten.



    12 Fichtenzapfenhelmlinge?

    Halb richtig:


    Hier wuchsen Mycena plumipes und Strobilurus esculentus Seite an Seite.

    Von oben konnte man den Unterschied nur anhand der Hutform erahnen.



    Oh, wie interessant, den kenne ich nicht. Ich wäre an einer Quellenangabe sehr interessiert.

    Antonín et al 2023. Two new European species of Melanoleuca (Fungi, Agaricales) with comments on the M. graminicola group. Systematics and Biodiversity. 21(1, no. 2218375)


    Preprint gibt es hier:

    https://www.researchgate.net/publication/366842815_Melanoleuca_monticola_and_M_romanensis_two_new_European_species_of_Melanoleuca_and_comments_to_M_graminicola_group

    Den fertigen Artikel kann man auf Researchgate anfordern.


    Damit man wirklich damit arbeiten kann, braucht man auch die anderen Melanoleuca-Papers von Antonin et al. der letzten Jahre mit den vollständigen Beschreibungen und Synonymisierungen.


    Gruss Raphael

  • Super, vielen Dank, habe alles gefunden.


    Das macht ja bedingt Mut. Einerseits kann man damit arbeiten, andererseits zeigen die Arbeiten wie kompliziert es werden kann, Arten überhaupt morphologisch unterscheiden zu wollen. Hinzu kommt bei der Sequenzierung teilweise der Anspruch einer Multilocusanalyse unter Einschluss der Tef1 und rbp2 (da die ITS scheinbar nicht immer die beste Option zur Artabgrenzung darstellt). Da wirds dann nach meiner bescheidenen Erfahrung schon sehr kompliziert, auch für den ambitionierten Amateur.


    Auf jedenfall eine spannende Gattung, die mich schon immer gereizt hat. Werde da mal nun auch wieder genauer hinschauen.


    LG Sebastian

  • Hallo Raphael,

    sehr interessante gut dokumentierte Funde. P. papilionaceus var. capitatocystis finde ich mit den kurzen, kopfigen Cheilos ausgesprochen typisch. Auf Zystiden an der Lamellenschneide habe ich bei meinem Fund leider nicht geachtet.
    Bei Conocybe pulchella tendiere ich aufgrund von Sporengröße und Standort eher zu C. subpubescens.

    LG Karl

  • Hallo Raphael,


    sehr interessante Beiträge, vielen Dank! Bei den meisten dieser Pilze würde ich gar nicht erst an einen Bestimmungsversuch wagen, würden sie meinen Weg kreuzen. Umso spannender finde ich es, die so gut dokumentiert und mikroskopiert zu sehen, vorher schon einmal die Richtungen zu raten und dann deine Bestimmungsvorgänge nachzuvollziehen.


    Viele Grüße

    Emil

  • Bei Conocybe pulchella tendiere ich aufgrund von Sporengröße und Standort eher zu C. subpubescens.

    Hallo Karl


    Hm, das ist wirklich schwierig zu entscheiden. So richtig im Wald wuchsen sie nicht, es war nur eine Zeile Bäume zwischen Weg und Wiese.

    Die Sporenmasse überschneiden sind nach FE11. Aber es stimmt, für C. pulchella sind meine Sporen im Schnitt eher am unteren Ende.

    Der sehr zarte Habitus (alle Hüte kleiner als 15 mm) spricht wieder mehr für pulchella.

    Da fällt es mir schwer, eine solide Entscheidung zu treffen.


    Gruss Raphael

  • Hier meine Gedanken, bzw. Fragen zu den drei Funden nach dem, was ich sehe, Raphael, zu 20: Zystiden und Sporengrösse erinnern stark an die Pholiotinoides-Gruppe, Hutfarbe auch. Bist du wirklich sicher, dass die nur oben bereift ist?

    21: bist du hier ganz sicher, dass die bis unten bereift ist und das nicht nur so aussieht (Scheinpruina)?

    22: hast du gecheckt, ob die Basidien 2-sporig sind überwiegend?

    Herzliche Grüße ...Ditte

  • Hallo Ditte


    Zu 20:

    Ja, habe kurz unter der Stielmitte ein Präparat gemacht, da konnte ich keine Kaulos finden.

    Hier und da zylindrische Hyphenende, die aber wohl nicht spezifisch sind:


    Hier noch eine Nahaufnahme, wo man die Stieloberfläche besser sieht:

    Unten scheint er mir eher scheinbereift zu sein, das sind wohl die zylindrischen Hyphenenden.



    Zu 21:

    Das habe ich nochmal nachuntersucht. Offenbar hatte ich letztes Mal mehr Glück als Verstand und habe im unteren Stielbereich auf Anhieb einige Zystiden gesehen.

    Bei der Nachuntersuchung an zwei Präparaten musste ich lange suchen, bis ich endlich eine fand. Also würde ich nun auch eher sagen: Nur im oberen Drittel bereift.



    Zu 22:

    Habe ich auch nochmal kontrolliert, aber nur 4-sporige Basidien gefunden.


    Gruss Raphael

  • Guten Morgen, also bei dem neuen Foto von Nr 20 sieht die Hutfarbe mehr rötlich aus. In Verbindung mit dem oben rötlichen Stiel, der Sporengrösse und dem oben bereiften Stiel, der die pholiotoides-Gruppe ausschließt, tippe ich auf die einfachste Möglichkeit: nitidiuscula.

    By the way: auricoma kannst du als Art gänzlich vergessen, denn da weiss niemand, was das ist. Und glabripes hat ja viel kleinere Sporen. Die Nr 21 könnte auch in die Gruppe nitidiuscula/involuta gehören.

    Aber beides ohne Gewähr. Ich müsste mir selbst ein Bild von den Zystiden machen.

    Über Nr 22 mit den grossen Sporen muss ich noch nachdenken, wenn ich wieder zuhause bin und meine Festplatte habe, im Augenblick bin ich auf einem Schiff.

    Herzlich, Ditte

  • Guten Morgen, also ich hab da nochmal drüber nachgedacht und mit den Arten verglichen, die so große Sporen haben und nur oben bereift sind, aber eigentlich passen die alle nicht - bis auf wiederum am ehesten auf nitidiuscula, die manchmal so große Sporen haben kann. Mehr geht so leider nicht, herzlich Ditte