Lichenicoler Ascomycet auf Lepra amara => Opegrapha anomea

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  • Hallo zusammen,


    beim Sichten meiner Flechtenproben aus den Vogesen bis ich nunmehr bei einer Probe angelangt, bei der es sich vermutlich um einen lichenicolen Pilz auf L. albescens handelt.


    Fundumstände:

    Auf den Hängen der Vogesen wachsen verzahnt Nadel-, Laub- und Mischwälder, hier an Le Hohneck abschnittsweise mit dominierender Rotbuche (Fagus).

    Bild 1 Blick auf die bewaldeten Hänge der Vogesen


    Hier, in niederschlagsreicher Lage, sind die Rotbuchenstämme dicht mit Epiphyten bawachsen.

    Bild 2 Rotbuchenwald


    Bild 3 Flechtenüberwachsene Rotbuchenstämme - so sehen zuhause nur die Hainbuchen aus...


    Eine häufige Flechtenart auf den Rotbuchenstämmen ist Lepra albescens (ehemals Pertusaria) mit ihrem typisch gezontem Vorthallus, dem wachsig glänzenden, knorpeligen Thallus und den flachen, weißen Soralen.

    Bild 4 Lepra albescens mit gezontem Vorthallus und weißen, flachen Soralen auf grau-grünem bis grün-grauem Thallus.


    Bild 5 Rotbuche hat Lepra ==Gnolm23


    An einigen Baumstämmen befanden sich in diesen Flechten schwarze Fruchtkörperbildungen, die offenbar nicht zur Flechte gehören.

    Bild 6 Lepra mit Soralen und schwarzen Fruchtkörpern ==Gnolm11


    Die Verteilung und Anordnung der schwarzen Fruchtkörper sprcht gegen die Vermutung, der Pilz sei nur von der Flechte überwachsen.

    Bild 7 Weitere befallene Lepra-Thalli


    Bild 8 Die schwarzen Ascomata haben eine Größe um 2 mm oder mehr


    Bild 9 Probe mit Maßstab


    Bild 10 Schnitt durch Fruchtkörper - Das Stoma sitzt nicht auf Borke auf, sondern auf weißer Pilzmedulla.

    Dies und die Verteilung der Fruchtkörper im/auf dem Flechtenthallus sprechen für mich für einen lichenicolen Pilz.


    Bild 11 Schnitt durch Sammelfruchtkörper aus Bild 10 mit bernsteinfarbenem Hymenium und dunklen Sporen (in Wasser, Durchlicht)


    Bild 12a Bernsteinfarbenes Hymenium in Wasser


    Bild 12b Ungequetschte Probe und Lugol-Reaktion:

    Asci (um 60x15 µm) und Sporen (um 24x8 µm) inamyloid (J-)

    Paraphysen (DM um 2,5 µm)

    Hymenialgallerte euamyloid (J+ blau)

    Braune Sporen außerhalb der Asci oder in kollabierten Asci => braune Sporen überreif/überaltert


    Bild 13 Hyaline Sporen auf Schnittfläche, 3-fach querseptiert mit deutlichen Einschnürungen an den Septen und runden Zelllumina.


    Ich sehe schwach verzweigende Paraphysen, mit etwa 2,5 µm Durchmesser (ohne Bild), keine Anastomosen.


    Bild 14 Überreife, braune Sporen mit braun-warzig ornamentierter Sporenwand.

    Ich messe Sporengrößen um 23-25 x 7,5-9,0 µm.


    Beim Schlüsseln mit Hawkesworth ("Artifical Keys to the Lichenicolous Fungi of Great Britain, Ireland, the Channel Islands, Iberian Peninsula, and Canary Islands", 2010) gelange ich über Unterschlüssel 2E bei Frage 17f zur Gattung Plectocarpon. Plectocarpon könnte von den Sporen her passen. Lepra oder Pertusaria werden als Wirt nicht erwähnt.


    Könnte hier eine Plectocarpon spec. vorliegen?

    Was meint ihr dazu?


    LG, Martin


    PS: Korrekte Bestimmung feundlicherweise durch W. von Brackel: Opegrapha anomea. Siehe auch Beitrag #5

  • Nachtrag:

    Ich hatte ganz vergessen, zu erwähnen, dass die Asci 8-sporig sind.

    Es gibt wohl auch Plectocarponarten mit 4-sporigen Asci.

    Bild 15 Ascus in BWB - 8-sporig


    Im aktuellen Herzogia (37) stellt W.v.Brackel eine neue Plectocarponart (P. aremoricum) aus Nordfrankreich vor.

    Der Schnitt durch das Stroma und die Sporen sehen schon sehr ähnlich aus!


    Laut Synopsis zu D.Ertz et al. "A world monograph of the genus Plectocarpon (Roccellaceae, Arthoniales)" von 2005 gibt es 32 Arten der Gattung; bis heute sind es sicher mehr geworden...

    Leider wird auch dort keine Art, die auf Lepra vorkommt, erwähnt.

    Zumindest stand irgendwo geschrieben, dass die hochspezialisierten, parasitischen Arten der Gattung Plectocarpon meist auf Wirten der Gattung Peltigeraceae (manchmal auch auf Parmeliaceae) vorkommen. Lepra zählt zu den Peltigeraceae - immerhin!


    Vielleicht hat jemand eventuell eine Idee hierzu?


    LG, Martin

  • Hi Ingo!


    Daran hatte ich auch schon gedacht...

    Mal schaun, ob ich mich traue ihn mit sowas zu belästigen.


    LG, Martin

  • Hallo Ingo,


    zwischenzeitlich hatte ich deinem Rat folgend Kontakt aufgenommen:

    W. von Brackel hatte natürlich sofort anhand der Fotos und Beschreibungen den Pilz als zur Gattung Opegrapha gehörend erkannt und letztlich durch Untersuchen des überlassenen Belegs als Opegrapha anomea kategorisiert.


    O. anomea ist im Hawksworth-Schlüssel (2010) enthalten.

    Dort hatte ich den Pilz gesucht, habe aber den falschen Unterschlüssel gewählt, da die Fruchtkörper für mich wie Perithecien (falsch) in einem Stroma (falsch) wirkten.

    Offenbar handelt es sich aber um Fruchtkörper, welche, wie es der Schlüssel schön umschreibt, das Hymenium bei Reife freilegen.

    Schaut man sich das Fotos 11ff genau an, so sind die Asci wie in einem Apothecium parallel nach oben ausgerichtet und nicht radial auf eine Öffungspore eines Peritheciums hin.

    Kann man also erkennen. Man muss halt wissen, worauf es ankommt.

    <=> 1.Fehler ==Gnolm23


    Beim Rückwärtsschlüsseln stoße ich auf die die Abzweigung "Ascomata unilocular / multilocular", also einkammrig, mehrkammrig. Hier wäre ich falsch abgebogen, in der irrigen Meinung, die FK seien mehrkammrig, stromaartig.

    = wie viele Fruchtkörper?

    Tatsächlich handet es sich bei O. anomea um zusammengewachsene, einkammrige, Einzel-FK.

    In Bild 12 lassen sich neben den großen FK-Gruppen, die ich als Beleg herausgelöst hatte, auch kleine Einzel-FK erkennen.

    Hier würde ich beim nächsten Mal leicht wieder scheitern, den Unterschied zu einem echten Stroma zu erkennen...

    <=> 2.Fehler ==Gnolm4


    Die nächste Hürde wäre eine genauere Analyse der lugolgefärbten Ascusspitzen gewesen.

    Das ist mir bei dem harten FK nicht gut gelungen, da meine "Dünn"-Schnittversuche durch die harte Struktur zu dick und nicht quetschbar waren.

    Die Asci hätte ich auf andere Art herauspräparieren müssen.

    Im Zweifel ist der Punkt wohl immer bestimmungsrelevant und darf nicht salopp übersprungen werden.

    <=> 3.Fehler ==Gnolm21


    Aber dann führt der Weg durch den Bestimmungsschlüssel direkt zu O.anomea. ==Gnolm8

    Nicht ganz trivial dieser Pilz - aber es gibt erheblich schwierigere!


    LG, Martin

  • KaMaMa

    Hat den Titel des Themas von „Lichenicoler Ascomycet - Plectocarpon spec?“ zu „Lichenicoler Ascomycet auf Lepra amara => Opegrapha anomea“ geändert.
  • Hallo Ingo


    Neinnein! Seine Bestimmung ist schon ganz und gar nachvollziehbar, aber halt nicht trivial, wie ich als Noch-immer-Einsteiger und Quereinsteiger finde. Ich habe nur versucht, mein Scheitern scherzhaft aufzuarbeiten. Da merkt man bei ihm halt die lange Erfahrung und große Expertise - ganz besonders bei den lichenicolen Arten. Und dass er sich mit so einer Anfrage abgibt, finde ich nicht unbedingt selbstverständlich. Das finde ich überaus freundlich und entgegenkommend.


    Das Pilzreich ist gigantisch groß. Selbst die lichenisierten Arten sind Legion und ungeheuer variabel. Bei den lichenicolen Arten wird es dann endgültig duster: Dafür interessieren sich einfach relativ wenige Leute.


    Es vergeht kaum ein Ausflug, während dem man nicht auf Neues, Ungesehenes stößt. Aber gerade das macht es mit so reizvoll.


    LG, ==12

    Martin