Clitopilus prunulus / abprunulus

Es gibt 3 Antworten in diesem Thema, welches 643 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Markus Wilhelm.

  • Liebes Forum,


    am Dienstag habe ich mehrere Kollektionen Mehlräslinge auf einem Friedhof in Weißensee (Berlin) gefunden. Auf Hinweis von Climbingfreak im zoom Forumstreffen letzten Dienstag, dass das inzwischen mehrere Arten sind, habe ich nachgelesen und mikroskopiert. Und hab jetzt so ein bisschen das Dilemma, dass meine Merkmale irgendwie zwischen Clitopilus prunulus und Clitopilus abprunulus zu liegen scheinen. Weil ich auch sonst noch gar keine Diskussionen zur Merkmalsvarianz gefunden habe, dachte ich, vielleicht können wir meine Kollektion mal diskutieren, so dass es in Zukunft vielleicht auch anderen helfen kann.


    Meine Fruchtkörper riechen stark nach Mehl, deswegen schließe ich Clitopilus chrischonensis, der nicht nach Mehl riechen soll, im vorhinein aus. Um auf die Metachromasie, durch die er sich auch unterscheidet, zu testen, hätte ich kein Kresylblau. Pleurozystiden habe ich auch keine gesehen, nach Cheilos hab ich nicht geschaut (von beidem hätte C. chrischonensis wohl reichlich).

    C. abprunulus soll sich durch leicht kleinere gedrungenere Sporen, einen exzentrischen Stiel, einen leicht gräulichen Hut und aufgeblasene breite (>10 μm) Hyphen der Lamellentrama unterscheiden.

    Ich stelle mal die eine Kollektion vor, die andere ist ähnlich, Link dazu gibts unten.


    So sehen die Fruchtkörper makroskopisch aus:


    Deutlich erkennbar exzentrischer Stiel, das könnte aber am gedrängten Wachstum liegen. Außerdem leicht graubräunliche Hutfarben, was vermutlich ein Witterungseinfluss ist - dort, wo der untere FK vom oberen geschützt war, ist der Hut weiß.


    Dann die Lamellentrama:

    Es gibt aufgeblasene Zellen die breiter als 10μm sind (die Eichung meiner Strichplatte beim 100er Objektiv ist 97μm/100Teilstriche), allerdings auch solche, die normal filiform sind, wie für C. prunulus beschrieben. Wie die Abbildungen der Lamellentramas (sowohl prunulus als auch abprunulus) in der Publikation sieht diese hier nicht aus.


    Hier ist nochmal ein Übersichtsbild Lamellentrama mit kleinerer Vergrößerung(ca 160 o 250, hab ich vergessen), da sind Bereiche mit vorwiegend filiformen und mit vorwiegend aufgeblasenen Zellen auch nochmal auszumachen:


    Und dann die Sporen (aus dem schon auf dem Hut vorhandenen Sporenabwurf)

     


    Vermessen komme ich auf (n=20): (8,5-)8,6-10,0-11,2(-11,3) μm x (4,7-)5,2-5,8-6,7(-6,8) μm

    Die Länge passt halbwegs gut zu C. abprunulus, allerdings sind sie dafür etwas schmal, wodurch auch der Quotient (1,5-1,7-2,0) nicht mehr so richtig passt. Die Publikation gibt an: (8) 8.5–11 (12) × (5) 5.5–8 mit Mittelwerten von 9,4x6,3, und für den Quotient 1,23-1,49-1,76.


    Für C. prunulus gibt Erhard Ludwig (8) 10-12 (14) x 5-6 (8) an (ohne Quotient), da würden meine auch drin liegen. Das war aber natürlich vor der Abgrenzung von C. abprunulus.


    Tja, und jetzt hänge ich etwas, weil meine Merkmale irgendwie gefühlt zwischen den Unterscheidungsabgrenzungen stecken. Im Moment tendiere ich zu C. prunulus, wegen der passenderen Sporenform und weil die aufgeblasenen Lamellentramahyphen trotzdem sehr langgezogen sind. Was denkt ihr?


    Danke euch und liebe Grüße,


    Lara



    Noch ein paar Links / zum Weiterlesen:


    Für die, die noch weiter schauen wollen, ist hier die zweite Kollektion von mir, etwas stämmiger und mit Sporen die etwas weiter nach oben ausreißen, aber insgesamt ähnlich: https://www.inaturalist.org/observations/222083919


    Hier findet sich die Veröffentlichung / Erstbeschreibung von C. abprunulus: https://doi.org/10.1007/s11557-020-01603-6


    Auf Wikipedia gibt es eine kurze Zusammenfassung der Artabgrenzung, https://de.wikipedia.org/wiki/Mehl-R%C3%A4sling


    Im Kibby Band 4 ist C. abprunulus auch schon vorgestellt, wie ich heute festgestellt habe.

  • Hallo Lara,


    bei relativ neu beschriebenen Arten ist es oft so, dass die von den Autoren beschriebenen morphologischen Unterschiede noch nicht ganz sattelfest sind.

    Im konkreten Fall haben die Autoren ja überhaupt nur 3 Kollektionen aus Nordmazedonien morphologisch untersucht, wenn ich da nichts übersehen habe. Z.B. dass C. prunulus immer zentral gestielt ist, würde ich jetzt mal spontan in Zweifel ziehen (hab mir allerdings nie groß Gedanken darüber gemacht). Die Neubeschreibung von C. abprunulus dürfte in erster Linie auf die abweichende ITS-Sequenz zurückzuführen sein (nur ca. 96% Übereinstimmung mit der des Epityps von C. prunulus, den dieselben Autoren designiert haben).


    Es ist ja immerhin schon ein interessantes Ergebnis deiner Untersuchung, dass du die angelblichen morphologischen Unterschiede anhand deiner Kollektion nicht nachvollziehen kannst. Insofern würde ich die Bestimmung einfach einstweilen offenlassen. Klarheit im konkreten Fall würde wohl nur eine Sequenzierung der ITS bringen.


    Beste Grüße

    Matthias

  • Hallo Lara


    Diese beiden sehr ähnlichen Clitopilus-Arten sind wohl schwer morphologisch trennbar.

    Im Feld kann man nicht entscheiden, ob man eine Kollektion mitnehmen soll oder nicht. Und alle mitnehmen kann man nicht.

    Meine Kollektionen von C. crischonensis und C. cystidiatus letztes jahr waren wohl eher Glückstreffer.


    Mit den markanten Zystiden kann man wohl C. cystidiatus und C. crischonensis recht gut mirkoskopisch abtrennen.

    Wie gut das mit C. abprunulus funktioniert, bleibt abzuwarten. Da ist mit der Original-Beschreibung vermutlich nicht das letzte Wort gesprochen.


    Leider bringt auch die Sequenzierung oft keine Klarheit. Bei meiner C. crischonensis war der Ergebnis eindeutig.

    Aber bei C cystidiatus war es völlig unklar, weil ebenso Belege von prunulus als auch cystidiatus als Treffer kamen.

    Somit bleibt vielfach wieder nur die Morphologie als "sicherer Hafen" für die Bestimmung.

    Ich würde wetten, dass ein wesentlicher Anteil der prunulus-Sequenzen in der Genbank eigentlich zu einer anderen Art gehören.


    Was nun deine Kollektion angeht... ja, da würde ich aber eher zu prunulus tendieren.


    Gruss Raphael

  • Hallo zusammen,


    das mit den Zystiden ist eigentlich geklärt: es sind keine echten Zystiden sondern Auswüchse, die je nach Witterung gebildet werden, auch Prof. Heinz Clémençon ist dieser Meinung. Ich beobachte z.B. oft eine kleine Art um C. hobsonii, oft erst spät im Jahr. Die findet man als "Ästchendreher" recht oft. Es ist wahrscheinlich C. argentinus. Mit fädigen Haaren mit Kristallen, auch auf der filzigen Hutoberfläche. Nach Gattungsdiagnose gibt es das eigentlich nicht. Die Sporenmasse und deren typische Ornamentierung variieren aber erheblich. Wie Raphael schon erwähnte, tragen Sequenzierungen auch nicht wirklich zu einer Lösung bei. Pilze wachsen eben manchmal so, dass wir Zweifel haben. Aber gleich neues zu kreieren, ist wohl nicht die schlaueste Lösung. Wir haben ja mit der ständigen hin-und herschiebung neuer Gattungsnamen schon genug Probleme....

    Viele Grüsse, Markus