Risspilze ohne Ende

Es gibt 12 Antworten in diesem Thema, welches 1.209 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Matthias.

  • Hallo zusammen


    Mein gestriger Ausflug in den hochmontanen Nadelwald beschwerte mir sehr viele Risspilze.

    Habitat ist bei allen das gleiche: Auf ca. 2000m bei Pinus, Picea und Larix auf Dolomit.


    Hier schon mal die ersten drei, den Rest muss ich noch untersuchen.

    Ditte wenn es dir zu viele Anfragen sind, darf du das ungeniert sagen ;)

    Ich weiss ja, wieviel du zu tun hast. Aber vielleicht ist was dabei das dich interessiert.


    1:

    Die Kollektion ist etwas unglücklich, weil die Hüte leicht nass sind. Am Standort war ich gar nicht sicher, ob es ein Risspilz ist.

    Geruch spermatisch.


    Hier kann man die Hutstruktur etwas besser erkennen.


    Schnittbild


    Sporen deutlich höckerig, 7.8-8.6-9.3 x 5.7-6.1-6.7 µm, Q = 1.26-1.42-1.63 (n=20)



    Cheilozystiden auffallend dünnwandig, praktisch alle mit Kristallen, 41-48-51 x 12-16-20 µm


    Pleurozystiden ähnlich, etwas länger


    Im oberen Stieldrittel findet man stellenweise Büschel von Kaulozystiden, einige davon leicht dickwandig, andere keulig oder etwas unregelmässig.


    Nach Kokkonen & Vauras scheint mir Inocybe borealis nicht schlecht zu passen.

    Das Makrofoto dort zeigt zwar viel hellere Fruchtkörper.

    Ich habe aber eine eine kürzliche Publikation von Pancorbo & Esteve-Raventos gefunden, die Makrofotos zeigen die meiner Kollektion recht nahe kommen.



    2:

    Diese hier wuchsen direkt auf dem sandigen Weg. Geruch wieder spermatisch.

    Die Fruchtkörper unten rechts zeigen einen leicht schuppigen Hut, dam würde ich nicht zu viel Beachtung schenken.

    Alle anderen Fruchtkörper hatten keine Schuppen.


    Im Schnitt meine ich leichte Rosatöne zu sehen.



    Die Sporen sind auffallend schlank, oft fusiform, schlank rhomboid oder fast boletoid.

    9.6-10.9-12.3 x 5.1-5.7-6.3 µm, Q = 1.68-1.93-2.26 (n=20)



    Cheilozystiden: 44-56-69 x 15-17-20 µm


    Pleurozystiden ähnlich



    Kaulozystiden nur im oberen Stieldrittel, zahlreich


    Mit diesen schlanken Sporen komme ich auf kein klares Ergebnis.

    Im Moment vermute ich, dass es einfach eine etwas untypische Inocybe nitidiuscula ist.



    3:

    ok, das wird eine ziemliche Herausforderung ^^

    Ich wäre im Feld nie darauf gekommen, dass es ein Risspilz ist. Der ganze Fruchtkörper ist schneeweiss, auch die Lamellen.

    Weil ich es für einen Weisssporer hielt, machte ich zu Hause einen Abwurf. Sporenpulver: Weiss.

    Geruch übrigens spermatisch.


    Dann aber unter dem Mikroskop die grosse Überraschung, dass ich offenbar einen albinistischen Risspilz gefunden habe.

    Vermutlich ist er morphologisch nicht bestimmbar, ich habe ihn trotzdem mal brav untersucht.


    Schnittbild, da sieht man schön die weissen Lamellen.



    Cheilo- und Pleurozystiden: 63-72-81 x 16-20-26 µm


    Die Sporen sind fast farblos, was zum weissen Sporenpulver passt.

    8.5-9.6-10.4 x 5.7-6.1-6.8 µm, Q = 1.48-1.56-1.70 (n=20)


    Kaulozystiden auch hier nur im oberen Stieldrittel, zahlreich und büschelig.


    Der Rest folgt morgen oder übermogen.


    LG Raphael

  • Grüß dich, Raphael, also zu eins: ich glaub nicht an I. borealis. Ich hab ein paar Kollektionen untersucht, die hat andere Sporen (und mein Durchschnitt ist auch ein anderer), und auch die Zystiden sehen anders aus. Blöd ist, dass die ursprüngliche Farbe der Hüte und auch die Oberfläche vermutlich durch Feuchtigkeit nicht auszumachen ist/sind. Was ich von den Stielen sehe, sieht eigentlich ganz bereift aus. Sicher, dass die nur oben bereift sind? Falls ja, käme I. amicta in Frage, die solche bestrumpften Stiel hat, auch die Sporengröße und die Zystidenform würden passen und auch dass die Zystiden im Schnitt recht kurz sind. Die Farbe wäre sehr dunkel - aber vielleicht wegen der Feuchtigkeit. Etwas anderes fällt mir dazu so nicht ein....

    Ja, ich würde bei zwei nach Zysitden und Sporen zu schließen, auf I. nitidiuscula tippen. Mit der Hutfarbe bin ich nicht sehr glücklich, recht gelblich kommt die rüber, aber vielleicht rügt das wieder wie beim letzten Mal. Außerdem gibt es auch solche Kollektionen.

    Ja, und drei ist nach dem, was ich sehe, auch vermutlich I. nitidiuscula.

    Was weitere Funde angeht: Morgen kann ich mir noch was anschauen, aber dann bin ich 10 Tage weg und nicht im Internet. Das nur zu deiner Info, dass du dich nicht wunderst, wenn ich nicht antworte.

    Herzlich, Ditte

  • Hier sind noch Fotos von amicta, die haben wir in einem MycBav -Artikel besprochen, aber die Fruchtkörper sehen längst nicht immer gleich aus, sondern auch so wie hier. Und was auch für amicta spricht sind die seltsam geformten Caulozystiden, wie ich sie auch bei dir sehe:

  • Liebe Ditte


    Danke dir! Bei dem Albino dachte ich auch an nitidiuscula, war aber sehr unsicher.

    Gibt es solchen Albinismus oft bei Risspilzen? Ist das erste Mal dass ich sowas sehe.


    Bei 1 habe ich auch gedacht, der Stiel sei ganz bereift. Aber unter der Hälfte konnte ich tatsächlich keine Kaulos finden.

    Es gab sehr viele lange, freistehende Fasern, aber nichts was an Zystiden erinnert. Der Stiel wirkt wohl deshalb wie bereift.

    Ich habe gerade nochmal ein Präparat gemacht und gründlich gesucht - nichts.


    Ich lasse den wohl sequenzieren, für amicta wäre es der zweite kartierte Nachweis (der erste war meiner vom Juni). Für borealis wäre es der erste.


    Die anderen Kollektionen mikroskopiere ich jetzt, stelle sie dann später oder morgen hier rein.


    LG Raphael

  • Guten Morgen, Raphael, also ja, Albinos gibt es, aber nicht häufig. Was ganz besonderes in der Hinsicht ist die I. leucocephala, die ich als eigene Art behandel, obgleich sie sehr nahe an I. turfae dran ist genetisch, aber sie hat eben auch viel kleinere Sporen - außerdem ist sie eben schon beschrieben. Hab ich selbst noch nie gefunden, aber von anderen bekommen.

    Herzlich, Ditte

  • So, nun folgt der Rest. Habitat ist weiterhin überall das gleiche.


    4:

    Diese hier haben evtl. auch etwas Schaden an der Hutoberfläche von der Feuchtigkeit.

    Aber die Mikromerkmale sind sehr markant, also sollten sie trotzdem bestimmbar sein.

    Geruch nicht spermatisch, eher pelargoniumartig.




    Sporen recht klein, 7.8-8.8-10.6 x 4.5-5.1-6.4 µm, Q = 1.53-1.74-2.20 (n=20)



    Die Zystiden sind dünnwandig und haben so eine harzige Kappe, was mich direkt zu Inocybe leptocystis führte.

    Abmessungen: etwa 43-56-63 x 16-19-24 µm (habe nur wenige gemessen, es war schwierig sie komplett sichtbar zu machen)


    Bei den Kaulozystiden scheiden sich dann die Geister in der Literatur.

    Die Funga Nordica und Ludwig geben an, dass es keine Kaulos gibt. Nach inocybe.org ist der Stiel oben bereift.


    Also, im oberen Drittel gibt es viele Zystiden, keulig und einige sogar mit Kappe.


    Kurz unter der Stielmitte findet man aber auch sehr viele, sie sind dort schlanker, aber doch klar als Zystiden erkennbar.


    Und selbst direkt an der Stielbasis findet man noch welche. Sie sind dort noch etwas schlanker.


    Kann das trotzdem Inocybe leptocystis sein? Ich finde keine andere Art mit solchen Zystiden.



    5:

    Diese leuchtend ockergelben Pilzchen haben mir schon beim Sammeln grosse Freude bereitet, und bei der Untersuchung noch mehr.

    Geruch spermatisch.




    Sporen: 8.2-10.2-11.2 x 4.8-5.6-6.2 µm, Q = 1.66-1.81-2.15 (n=20)




    Cheilozystiden in KOH leuchtend gelb, sehr schlank und lang: 64-75-94 x 13-16-24 µm (n=10)


    Pleurozystiden ebenso


    Die Kaulozystiden sind kräftig braun pigmentiert, das sieht man schon auf dem Foto an dem bräunlich bereiften Stiel.


    Solche Kaulos gibt es bis zur Stielbasis.


    Also das gehört sicher irgendwo in die pholiotinoides-Gruppe.

    Vielleicht auch pholiotinoides selber, wobei das Habitat eher unpassend ist. Da gab es wirklich nur Pinus, Picea und Larix.

    Die anderen, neu beschriebenen Arten aus der Publikation 2022 scheinen mir nicht zu passen.

    Dann gibt es noch Inocybe muricellata, die aber offenbar anders interpretiert bzw. mit pholiotinoides vermischt wurde, da fehlt mir gerade der Durchblick.



    6:

    Zum Abschluss noch eine Mallocybe, von der ich nur ein schreckliches Foto am Standort habe.


    Ich habe noch keine Infrastruktur für gute Studioaufnahmen. Besser kriege ich es im Moment nicht hin.


    Geruch unauffällig, vielleicht etwas fruchtig.


    Sporen: 8.5-10.2-12.5 x 5.8-6.5-7.8 µm, Q = 1.34-1.57-2.00 (n=20)



    Cheilozystiden reichlich und voluminös, etwa 43-56-68 x 15-18-23 µm (n=6).


    Mit diesen Zystiden meine ich, es könnte wieder Mallocybe gymnocarpa sein. Die hatte ich neulich schon in der gleichen Region aber etwas tiefer.


    So, das war's für heute was die Risspilze angeht.


    LG Raphael

  • Hi Raphael, auf den letzten Drücker sozusagen: also 1. kann es sein, dass deine Kamera irgendwie einen Gelbtick hat? Das war jetzt öfter so. Also das Aussehen der Hüte ist zu gelb, aber die unregelmäßig geformten Sporen (das ist irgendwie immer so bei leptocystis) und die Zystiden: ja. leptocystis.

    Zu zwei: ja sicher pholiotinoides -Gruppe: Da musst du dir die letzten Artikel anschauen und gucken, welche am besten passt. Ich denke auch sicher nicht, dass das pholiotinoides ist. Ich hab keine Zeit mehr, das zu vergleichen. Was muricellata und co angeht: da sitzen wir grad an einem kleinen Artikel....

    Die dritte: bei so großen Zystiden kanns eigentlich nur gymnocarpa sein. Sporen sind ja auch wieder groß. Makroskopisch ist nix zu machen. Bitte sequenzieren lassen, und wenn es gymnocarpa ist, dann hätte ich fürs Buch eine dritte Kollektion für die Maße, das wär gut.

    So weit und ich melde mich jetzt ab...

    Ciao Ditte

  • Ich antworte mal, wohlwissend dass du es erst irgendwann liest :)


    Ja, das mit den Farben ist so eine Sache. Manchmal schalte ich den automatischen Weissabgleich nicht ab, wenn ich am Display meine die Farben wären gut.

    Ich muss das wohl immer manuell machen.


    Nr. 2: Ich habe da schon am Nachmittag in den Papers gestöbert, schlussendlich passt pholiotinoides (abgesehen vom Habitat) oder Ludwig's I. fissuratula am besten.

    I. orioli soll kleinere Sporen haben, und ist auch eine Laubwald-Art. I. carissima würde vom Habitat her passen, ist aber nicht so kräftig gefärbt und hat auch kleinere Sporen.

    Von I. fissuratula habe ich nur die Original-Beschreibung anhand einer Kollektion, deshalb ist es fraglich ob die Hüte immer so rissig sind.

    Fazit: Sequenzieren.


    Nr. 3 gebe ich auch zur Sequenzierung.


    LG Raphael

  • Servus Raphael,


    I. leptocystis hatte ich erst einmal. Die hatte etwas gedrungenere Sporen als deine, ist aber sonst sehr ähnlich. Sogar dieses feine Aufschuppen zum Hutrand hin stimmt überein:

    I. leptocystis


    Beste Grüße

    Matthias

  • Hi, Raphael, mal sehen, was bei der Sequenzierung rauskommt: ja vielleicht eine etwas untypische (Fundort und auch die Farbgebung und die kaum aufgeschuppte Hutmitte) pholiotinoides - vielleicht aber auch nicht ... :)

    Da hattest wirklich erst einmal I. leptocystis, Hias? das wundert mich, die ist doch so häufig bei euch da unten.....

    Herzlich, Ditte

  • Huhu Ditte,

    was heißt "bei uns da unten"? Wir sind doch oben g:D

    I. leptocystis wurde nach 2000 in den bayerischen Alpen gerade 2mal kartiert, und die ist ja an sich nicht schwer zu bestimmen.

    Tatsächlich hatte ich sie erst einmal. Kann natürlich auch Zufall sein.


    Liebe Grüße

    Hias

  • Tja, unten von wo aus gesehen...? :) Und was heißt bayrische Alpen? Meinst du in alpiner Höhe - da hab ich sie nie gefunden, weil ich da höchst selten war - aber weiter unten: Also beispielsweise in Pfronten auf dem Breitenberg hab ich sie schon etliche Male gefunden und in niedrigerer Höhe bei Pfronten, dann bei Krün und bei Berchtesgaden. Und über die Grenze in Österreich auch etliche Male.

    Liebe Grüße nach Süden, Ditte

  • Ich hab sie auch "unten" gefunden so auf 1020 m Höhe, bei Klais/Mittenwald, genau dort, wo auch diese braunfaserige I. fibrosa gewachsen ist. Im Voralpenland scheint es sie nicht zu geben oder sie ist halt sehr selten hier.


    Liebe Grüße nach oben :grolleyes: :gkopfkratz: