Hallo zusammen!
Hallo Ingo, ogni volta !
Letzte Wochenende war ich auf Einladung von Ingo für einen Tag im Nürnberger Land, wo Ingo mich zu den lokalen Flechten-Sensationen führte.
Die Tour erbrachte einige persönliche Erstfunde.
Mein herzlicher Dank gilt Ingo : Es war ein sehr schöner Tag in netter Gesellschaft mit tollen Funden!
Ein paar Impressionen:
Die Gegend dort ist sehr sandig, die Böden sauer und mager ("Fränkischer Sandkasten") und dem entsprechend gibt es viele Kiefernwälder.
Einige Stellen der Kiefernwälder sind nur licht bestanden und bieten Rentierflechten eine gute Entwicklungsmöglichkeit.
Wir mussten nicht lange suchen, um Cladonien - speziell Rentierflechten - zu finden.
Bild 1 Cladonien-Kiefern-Wald mit Rentierflechten
Bild 2 Cladonia arbuscula zwischen Kiefernnadeln (u.a. P+ orange). Die zierlichen Ästchen wenden sich in alle Richtungen und besitzen mehr als 3 Verzweigungen.
Bild 3 Cladonia arbuscula, die Wald-Rentierflechte, mit 4 Ästchen pro Verweigung und offenen Achseln
Am Waldwegrand durfte ich noch eine kleine Peltigera aufspüren.
Die in Rückbildung begriffenen Sorale (Bildeinsatz rechts, C-) auf der Thallusoberseite, die senkrecht aufsteigenden Apothecien lassen an P. didactyla denken.
P. extenuata hätte C+ rot reagierende Sorale.
Bild 4 Peltigera didactyla / Soral im 2. Bildeinsatz rechts (C-)
Größere Ansammlungen von Cladonia digitata an einem verrottenden Baumstamm lassen sich durch die rundlichen Grundschuppen gut erkennen.
Die Grundschuppen sind unterseitig grünlich sorediös, gelegentlich an der Basis orange gefärbt.
Die Art ist rotfrüchtig, was ihrer Attraktivität nicht schadet.
Wie der Name andeutet, sprossen an den Bechern gelegentlich fingerartige Auswüchse.
Bild 5 Cladonia digitata an morschem Holz
Totholz ist immer eine nähere Betrachtung wert.
Im nächsten Foto (6) z.B. wächst eine Cladonie mit feinmehlig sorediösen Säulen ohne Becher und rotem Krönchen.
Höchstwahrscheinlich C. macilenta, nur die Farbe ist mir ein wenig zu gelblich.
Wer weiß...
Bild 6 Rote Säulenflechte auf Totholz - vermutlich C. macilenta. Auf der Rückseite eine braunfrüchtige Becherflechte (Bildeinsatz).
Mit der Nase immer dicht am Boden stößt man zwangsläufig auch auf unscheinbare Flechtenarten.
Bild 7 Nein! Kein Dreck, sondern Placynthiella cf. icmalea Placynthiella uliginosa mit schwarzbraunem, körnigem Thallus und braunen Apothecien in großer Zahl (inkl. Parasit).
Zwischen größeren Klumpen der Placynthiella finden sich auch immer wieder größere, grün kontrastierende Thalli: steril, körnig, aus grünen und blass rosa Körnchen bestehend.
Orange Nuancen fehlen vollständig, was für T. pseudogranulosa spräche (dort wäre C+purpur zu erwarten).
Dichtstehend kugelige, gelbgrüne Sorale. C+ rot, nirgends C+ purpur.
Damit sollte T. granulosa vorliegen, die normalerweise Apothecien ausbildet oder zumindest ausbilden kann.
Bild 8 Trapeliopsis granulosa, hier steril
Es gibt einige gelbliche Cladonienarten. Bisher konnt ich keine davon finden.
Hier auf sandigem Boden und dem Totholz wachsen etliche gelbliche Arten.
Die folgende Flechte ist sehr unförmig, hohl und besitzt einige wenige rote Fruchtkörper.
Der Thallus reagiert auf K und P negativ, fluoresziert unter UV weißlich.
Ich mochte deshalb Cladonia sulphurina vermuten.
Bild 9 Cadonia sulphurina - mit deformierten Podetien
An den Kiefenstämmen befinden sich hübsche, weißliche Rosetten, die als Ishaugia aleutes zu erkennen sind.
Die Thallusmitte ist die Flechte mit kleinen zylindrischen Isidien übersät.
Ihr Thallus reagiert im Tüpfltest arttypisch.
Bild 10 Imshaugia aleurites
Reichlich zu finden ist die Zierlichen Becherflechte, Cladonia gracilis - ein Artenaggregat.
Entsprechend vielgestaltig sind die Erscheinungsformen der bräunlichen Flechtenart.
Sie ist als nadelspitze Pfrieme zu finden oder mit schlanken Bechern.
Auch mit zahnradkranzartigen Becherränder, an denen braune Pyknidien sitzen.
Oder mit sehr langen, senkrecht emporstrebenden Auswüchsen. Oder...
Bild 11 Cladonia gracilis (rechts auch mit Bechern) neben Rentierflechten
Am Rande des Waldes liegt Sand in einer ehemaligen Sandgrube offen zutage.
Die Vegetation hier ist schütter, die Bodenbildung schreitet nur langsam voran.
Bild 12 Sandflächen mit offener Vegetation und viel Totholz - idealer Raum für Bodenflechten!
Auch hier ist C. gracilis zu finden:
Bild 13 C. gracilis auf bemooster Streuschicht über Sand
Bild 14 Bräunlich grüne Cladonie mit schmalen, geschlossenen Bechern - eventuell auch C. gracilis?
Auf dem Totholz wächst eine weitere gelbliche Cladonie, diese mit deutlich ausgeprägten Bechern.
Rote Früchte auf feinmehligen Podetien.
Im Gegensatz zu den ungestalten Strukturen bei C. sulphurina (Bild 8) fluoresziert diese Flechte nicht in UV.
Bild 15 Cladonia deformis - eigentlich recht formschön, wie ich finde. Was soll der Name?
Ich bin der Meinung, die Bezeichnungen von C. sulphurina und C. deformis gehören über Kreuz getauscht!
Was soll hier deformiert sein? Hingegen die buckligen Podetien bei C. sulphurina...
Bild 16 Auch hier in der Sonnenglut auf Sand: Rentierflechten. Ach ja, das schwarze Zeug ist auch hier kein Dreck.
Bild 17 Peltigera wächst hier in großer Zahl. Aber welche Art? (Offenbar P. rufescens)
Bild 18 Vermutlich P. rufescens: Graubraun auf trockenem Boden mit tief geteilten Lappen, bereifte Oberseite, weiße Unterseite, austeigende flatterige Ränder. Auffallend steril. Links im Bild wächst vermutlich eine andere Peltigera.
Ein gutes Stück mit dem Auto weiter, an anderer Stelle das Highlight des Tages:
Dibaeis baeomyces auf verdichtetem, sandhaltigem Boden auf einer Rodungsfläche am Orkwald.
Bild 19 Dibaeis baeomyces hat gestielte, kugelige, rosa Apothecien auf einem körnigen, weißen, manchmal zart rosa angehauchten Thallus auf saurem Boden. Die Stielchen sind zart rosa gefärbt.
Bild 20 D. baeomyces mit scharlachroter Cladonia floerkeana (es gibt von anderer Seite die nicht unbegründete Meinung C. straminea!) im Hintergrund
Bild 21 Ausgedehnter Thallus von D. baeomyces mit einigen rosa Fruchtkörpern zwischen Zwergsträuchern
Bild 22 Thallus von D. baeomyces schützt das sandig lockere Susbstrat vor Erosion, was zu solchen kissenförmigen Strukturen führt.
Hier eine letzte gelbliche Cladonie aus der C.coccifera-Gruppe, mit deutlichen und reich verzweigten Bechern, mit roten Apothecien auf Sandboden.
Wer erkennt die Art?
Ich würde auf Cladonia pleurota tippen.
Bild 20 Cladonia cf. pleurota oder eher C. coccifera, da nicht feinmehlig sorediös.
Auf dem Weg zurück zu den Wagen wären wir fast auf diese Flechte getreten.
Der unbedarfte Spaziergänger sieht hier nichts.
Die Färbung des Bodens verrät ihre Anwesenheit:
Placynthiella oligotropha, die Heide-Schwarznapfflechte
Bild 21 Placynthiella oligotropha mit körnigem, (feucht) gelbgrünlichem Thallus und schwarzen, berandeten Apothecien. Im feuchtem Zustand unter der Lupe ein hübsches Flechtlein!
Ich hoffe, wie immer, auf korrigierende und lehrreiche Kommentare.
Liebe Grüße, Martin
P.S.
Bestimmt hat Ingo auch einiges zu erzählen, vielleicht findet er ein bisschen Zeit dafür?