Flechten im Fränkischen Sandkasten

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  • Hallo zusammen!

    Hallo Ingo, ogni volta !


    Letzte Wochenende war ich auf Einladung von Ingo für einen Tag im Nürnberger Land, wo Ingo mich zu den lokalen Flechten-Sensationen führte.

    Die Tour erbrachte einige persönliche Erstfunde. :gbravo:

    Mein herzlicher Dank gilt Ingo : Es war ein sehr schöner Tag in netter Gesellschaft mit tollen Funden!


    Ein paar Impressionen:

    Die Gegend dort ist sehr sandig, die Böden sauer und mager ("Fränkischer Sandkasten") und dem entsprechend gibt es viele Kiefernwälder.

    Einige Stellen der Kiefernwälder sind nur licht bestanden und bieten Rentierflechten eine gute Entwicklungsmöglichkeit.

    Wir mussten nicht lange suchen, um Cladonien - speziell Rentierflechten - zu finden.

    Bild 1 Cladonien-Kiefern-Wald mit Rentierflechten


    Bild 2 Cladonia arbuscula zwischen Kiefernnadeln (u.a. P+ orange). Die zierlichen Ästchen wenden sich in alle Richtungen und besitzen mehr als 3 Verzweigungen.


    Bild 3 Cladonia arbuscula, die Wald-Rentierflechte, mit 4 Ästchen pro Verweigung und offenen Achseln


    Am Waldwegrand durfte ich noch eine kleine Peltigera aufspüren.

    Die in Rückbildung begriffenen Sorale (Bildeinsatz rechts, C-) auf der Thallusoberseite, die senkrecht aufsteigenden Apothecien lassen an P. didactyla denken.

    P. extenuata hätte C+ rot reagierende Sorale.

    Bild 4 Peltigera didactyla / Soral im 2. Bildeinsatz rechts (C-)


    Größere Ansammlungen von Cladonia digitata an einem verrottenden Baumstamm lassen sich durch die rundlichen Grundschuppen gut erkennen.

    Die Grundschuppen sind unterseitig grünlich sorediös, gelegentlich an der Basis orange gefärbt.

    Die Art ist rotfrüchtig, was ihrer Attraktivität nicht schadet.

    Wie der Name andeutet, sprossen an den Bechern gelegentlich fingerartige Auswüchse.

    Bild 5 Cladonia digitata an morschem Holz


    Totholz ist immer eine nähere Betrachtung wert.

    Im nächsten Foto (6) z.B. wächst eine Cladonie mit feinmehlig sorediösen Säulen ohne Becher und rotem Krönchen.

    Höchstwahrscheinlich C. macilenta, nur die Farbe ist mir ein wenig zu gelblich.

    Wer weiß...

    Bild 6 Rote Säulenflechte auf Totholz - vermutlich C. macilenta. Auf der Rückseite eine braunfrüchtige Becherflechte (Bildeinsatz).


    Mit der Nase immer dicht am Boden stößt man zwangsläufig auch auf unscheinbare Flechtenarten.

    Bild 7 Nein! Kein Dreck, sondern Placynthiella cf. icmalea Placynthiella uliginosa mit schwarzbraunem, körnigem Thallus und braunen Apothecien in großer Zahl (inkl. Parasit).


    Zwischen größeren Klumpen der Placynthiella finden sich auch immer wieder größere, grün kontrastierende Thalli: steril, körnig, aus grünen und blass rosa Körnchen bestehend.

    Orange Nuancen fehlen vollständig, was für T. pseudogranulosa spräche (dort wäre C+purpur zu erwarten).

    Dichtstehend kugelige, gelbgrüne Sorale. C+ rot, nirgends C+ purpur.

    Damit sollte T. granulosa vorliegen, die normalerweise Apothecien ausbildet oder zumindest ausbilden kann.

    Bild 8 Trapeliopsis granulosa, hier steril


    Es gibt einige gelbliche Cladonienarten. Bisher konnt ich keine davon finden.

    Hier auf sandigem Boden und dem Totholz wachsen etliche gelbliche Arten.

    Die folgende Flechte ist sehr unförmig, hohl und besitzt einige wenige rote Fruchtkörper.

    Der Thallus reagiert auf K und P negativ, fluoresziert unter UV weißlich.

    Ich mochte deshalb Cladonia sulphurina vermuten.

    Bild 9 Cadonia sulphurina - mit deformierten Podetien


    An den Kiefenstämmen befinden sich hübsche, weißliche Rosetten, die als Ishaugia aleutes zu erkennen sind.

    Die Thallusmitte ist die Flechte mit kleinen zylindrischen Isidien übersät.

    Ihr Thallus reagiert im Tüpfltest arttypisch.

    Bild 10 Imshaugia aleurites


    Reichlich zu finden ist die Zierlichen Becherflechte, Cladonia gracilis - ein Artenaggregat.

    Entsprechend vielgestaltig sind die Erscheinungsformen der bräunlichen Flechtenart.

    Sie ist als nadelspitze Pfrieme zu finden oder mit schlanken Bechern.

    Auch mit zahnradkranzartigen Becherränder, an denen braune Pyknidien sitzen.

    Oder mit sehr langen, senkrecht emporstrebenden Auswüchsen. Oder...

    Bild 11 Cladonia gracilis (rechts auch mit Bechern) neben Rentierflechten


    Am Rande des Waldes liegt Sand in einer ehemaligen Sandgrube offen zutage.

    Die Vegetation hier ist schütter, die Bodenbildung schreitet nur langsam voran.

    Bild 12 Sandflächen mit offener Vegetation und viel Totholz - idealer Raum für Bodenflechten!


    Auch hier ist C. gracilis zu finden:

    Bild 13 C. gracilis auf bemooster Streuschicht über Sand


    Bild 14 Bräunlich grüne Cladonie mit schmalen, geschlossenen Bechern - eventuell auch C. gracilis?


    Auf dem Totholz wächst eine weitere gelbliche Cladonie, diese mit deutlich ausgeprägten Bechern.

    Rote Früchte auf feinmehligen Podetien.

    Im Gegensatz zu den ungestalten Strukturen bei C. sulphurina (Bild 8) fluoresziert diese Flechte nicht in UV.

    Bild 15 Cladonia deformis - eigentlich recht formschön, wie ich finde. Was soll der Name?

    Ich bin der Meinung, die Bezeichnungen von C. sulphurina und C. deformis gehören über Kreuz getauscht!

    Was soll hier deformiert sein? Hingegen die buckligen Podetien bei C. sulphurina...


    Bild 16 Auch hier in der Sonnenglut auf Sand: Rentierflechten. Ach ja, das schwarze Zeug ist auch hier kein Dreck.


    Bild 17 Peltigera wächst hier in großer Zahl. Aber welche Art? (Offenbar P. rufescens)


    Bild 18 Vermutlich P. rufescens: Graubraun auf trockenem Boden mit tief geteilten Lappen, bereifte Oberseite, weiße Unterseite, austeigende flatterige Ränder. Auffallend steril. Links im Bild wächst vermutlich eine andere Peltigera.


    Ein gutes Stück mit dem Auto weiter, an anderer Stelle das Highlight des Tages:

    Dibaeis baeomyces auf verdichtetem, sandhaltigem Boden auf einer Rodungsfläche am Orkwald.

    Bild 19 Dibaeis baeomyces hat gestielte, kugelige, rosa Apothecien auf einem körnigen, weißen, manchmal zart rosa angehauchten Thallus auf saurem Boden. Die Stielchen sind zart rosa gefärbt.


    Bild 20 D. baeomyces mit scharlachroter Cladonia floerkeana (es gibt von anderer Seite die nicht unbegründete Meinung C. straminea!) im Hintergrund


    Bild 21 Ausgedehnter Thallus von D. baeomyces mit einigen rosa Fruchtkörpern zwischen Zwergsträuchern


    Bild 22 Thallus von D. baeomyces schützt das sandig lockere Susbstrat vor Erosion, was zu solchen kissenförmigen Strukturen führt.


    Hier eine letzte gelbliche Cladonie aus der C.coccifera-Gruppe, mit deutlichen und reich verzweigten Bechern, mit roten Apothecien auf Sandboden.

    Wer erkennt die Art?

    Ich würde auf Cladonia pleurota tippen.

    Bild 20 Cladonia cf. pleurota oder eher C. coccifera, da nicht feinmehlig sorediös.

    Auf dem Weg zurück zu den Wagen wären wir fast auf diese Flechte getreten.

    Der unbedarfte Spaziergänger sieht hier nichts.

    Die Färbung des Bodens verrät ihre Anwesenheit:

    Placynthiella oligotropha, die Heide-Schwarznapfflechte

    Bild 21 Placynthiella oligotropha mit körnigem, (feucht) gelbgrünlichem Thallus und schwarzen, berandeten Apothecien. Im feuchtem Zustand unter der Lupe ein hübsches Flechtlein!


    Ich hoffe, wie immer, auf korrigierende und lehrreiche Kommentare. :gnicken:


    Liebe Grüße, Martin



    P.S.

    Bestimmt hat Ingo auch einiges zu erzählen, vielleicht findet er ein bisschen Zeit dafür? :gzwinkern:

  • Hallo Martin,

    danke für diesen wunderbar bebilderten Bericht unseres Ausflugs! Ich hab mich sehr gefreut Dich mal persönlich kennen lernen zu dürfen und mit Dir einen Tag lang durch den Sand zu kriechen. Ich bin tatsächlich leider noch nicht groß zu Bestimmungsversuchen gekommen aber ein paar Bilder kann ich schon jetzt beitragen. Vielleicht auch etwas zum "Drumherum" - die Flechten hast du ja schon toll portraitiert. Ich danke Dir jedefalls dass Du mich auf einige Flechten gestoßen hast, die ich aus stehender Position ganz klar als "Dreck" abgetan hätte! Wenn ich von den Flechten, die ich mitgenommen habe später noch was bestimmen kann werde ich es einfach hier nachtragen.


    Unser erstes Ziel war ein typischer "Steckalaswald" wie der Nembercha sacht- ein durch den kargen Sandboden und zusätzliches jahrhunderte?langes Absammeln der Nadelstreu (als Einstreu für die Nutztierhaltung) ausgemergelter und verkümmerter lichter Kiefernwald. Wobei dieses besondere Habitat in den letzten Jahrzehnten zunehmend geschrumpft ist, da heute natürlich niemand mehr mit dem Rechen in den Wald geht um Einstreu zu holen. Daher wird es dieser "Kultur"landschwaft ohne weitere menschliche Eingriffe ähnlich ergehen wie den Trockenrasen, die nicht mehr regelmäßig beweidet werden. So fanden wir in den Wasserabflussrinnen bereits dichte Bestände von hunderten von Jungkiefern und auf der nun wieder bodenbildenden Nadelstreu scheinen Moose langsam die Flechten zu verdrängen. Richtig ausgedehnte Rentierflechtenbestände konnten wir dort schon gar nicht (mehr) finden, es waren meist kleinere verstreute Tupfer. Dennoch gab es dort (zumindest für mich) einen noch überraschend mannigfaltigen Cladonienbestand.


    Doch eins nach dem anderen, auf dem Weg in den Wald konnten wir auch schon ein paar (offtopic) Sachen finden:


    1)


    Am Wegrand des mit Kalksteinen geschotterten Weges wuchsen diese Stendelwurzen (Epipactis spec.). Leider hatte ich meine Kamera direkt vom Mikro abgebaut und die Belichtungskorrektur nicht wieder zurück gestellt. Das ist mir dummerweise erst nach einigen Bildern aufgefallen.


    2)


    Die schwarze Königskerze (Verbascum nigrum) trägt eine gewagte Farbkombination.


    So, nun denn, wir biegen ab auf einen kleinen Waldpfad und nach ein paar Metern zeigen sich schon die ersten Bodenflechten.


    Am auffälligsten, weil am größten, waren natürlich die Rentierflechten:

    3)

    Man erkennt links eine kaltweisse, etwas gröbere und rechts und oben eine feinere leicht gelblich tingierte.


    Die linke reagiert K+ (schwach gelb), die rechte K-; beide P+ (rot-orange). Beide sind vorwiegend in eine Richtung gekrümmt, damit würde ich mit dem "kleinen Wirth" die linke C. rangiferina und die rechte C. arbuscula nennen wollen.


    C. cf rangiferina


    C. cf arbuscula, jeweils oben P und rechts K


    4) Die folgenden meist verzeigten Cladonien mit offenen Achseln konnte ich noch nicht bestimmen. Edit: vermutlich C. gracilis



    5) Die hier hätte ich mal frech mit dem Arbeitsnamen C. furcata benannt, muss ich mir aber noch genauer ansehen.


    6) C. gracilis war häufig anzutreffen


    7) Die könnten C. cornuta sein - Martin, die hast du nicht zufällig eingesteckt oder? (ich nämlich leider nicht) Edit: siehe Martins Kommentar unten vermutich ebenfalls C. gracilis


    Auch einige Großpilze gab es, als wären sie beleidigt, dass wir nur Flechten anschauen wollten, positionierten sie sich an unübersehbaren exponierten Stellen oder in knalligen Farben als wollten sie sagen HIIIEER ihr dämlichen Schwammerlsucha ohne Körbchen, wir sind auch noch da!

    8)


    harzige Sägeblättlinge (Neolentinus adhaerens)

    9)

    dickschalige Kartoffelboviste (Scleroderma citrinum)

    10)

    Gelberla

    11)

    Ok, nicht ganz so groß.. Marasmiellus spec. (nicht untersucht, es sollte ja um Flechten gehen)


    Nach einer Stärkung ging es dann in eine ehemalige Sandgrube auf einer Binnendüne („große Sandhölle“). Dort gibt es aufgrund des steiler abfallenden Bodens offene Sandflächen, die im Sommer extrem heiss werden und daher ein etwas anderes Artenspektrum erwarten ließen.



    Ein Weg führt drumherum, es wird Landschaftspflege betrieben, sprich hin und wieder die Jungkiefern entfernt. Die Gerippe wurden am Rand dann aufgetürmt und beherbergen mittlerweile auch eine hübsche Cladonienlandschaft, aus der Martin ja bereits einige Exemplare gezeigt hat.


    12) Ein typischer Großpilz dieses Habitats ist der Erbsenstreuling (Pisolithus arrhizus), den ich am Wegrand noch zufällig fand; aber auch nur da er bereits streute.


    13) Am Totholz wuchsen auch diese Zinnober"trameten" (Pycnoporus cinnabarinus), offenbar war es die letzen Wochen feucht genug, die hätte ich hier eher nicht erwartet.


    Die typische Fauna dieser ariden Landschaft flog auch einmal an uns vorbei: blauflüglige Ödlandschrecken (Oedipoda caerulescens). Leider zu schnell um sie abzulichten und das namensgebende Blau lässt sich nur im Flug wahrnehmen.


    Wir hatten Glück und es war "nur" 24C Lufttemperatur- bei einem 30C Tag hätten wir auf diesen Part wohl verzichten müssen, über dem Sand dürften das dann nämlich eher 50C sein. Trotzdem lief uns alsbald der Schweiss den Rücken herunter.


    Obwohl wir also schon nicht mehr ganz frisch waren konnte ich Martin noch zu einer dritten Etappe an eine Hochspannungstrasse überreden.


    Wer sich nun fragt was das für eigenartige Spuren im Sand waren- das haben wir uns auch gefragt. Auf dem Rückweg sind wir dann drauf gekommen. Man muss dazusagen, die nächste geteerte Straße befindet sich vor der dunklen Waldsilhouette am Horizont. Viel Spass beim rätseln;)

    14)

    Wo es viele Kartoffelboviste gibt fühlen sich auch deren Parasiten wohl: Pseudoboletus parasiticus


    15)

    rotfrüchtige Cladonien gaben schöne Bilder mit Farbtupfen ab


    16)

    hier habe ich mir mal als Arbeitsname C. rei notiert, aber auch noch nicht näher drauf geschaut.


    17)

    meine Hoffnung für diese letzte Tour waren die kleinen rosa Köpfchen alias Dibaeis baeomyces.

    Ich hatte sie letztes oder vorletztes Jahr hier einmal im Winter gefunden. Die Lager hatte ich damals von Ferne auch nur für "Dreck", in diesem Fall für irgendwelche auskristallisierten Salze gehalten. Hätten nicht zufällig welche „geblüht“, wäre ich niemals drauf gekommen.

    Genauswenig wie auf die beiden Erdflechten (Placynthiella) die mir Martin zeigen konnte. Da war ich schwer beeindruckt als ich unter der Lupe Massen an Apothecien sehen konnte.


    So das wars erstmal von mir, ich hoffe ihr hattet auch ein wenig Freude mit uns im Sandkasten, Danke nochmal Martin, dass Du den weiten Weg auf Dich genommen hast!


    Viele Grüße

    Ingo

  • Hallo Ingo,


    schön, das du so tolle Erklärungen zur Gegend und weitere Fotos beisteuerst!

    Für die Orchideen und Pilze hatte ich an diesem Tage gar kein Auge, da mein Blick zu sehr auf den Boden, das Totholz und die Baumstämme fixiert war - die hast ausnahmslos allesamt du entdeckt, wenn ich mich Recht erinnere. Es ist schon erstaunlich, wie betriebsblind man wird, hat einen erst z.B. das Flechtenfieber gepackt.

    Die Orchideen sind schon ein sehr schöner Fund. Ich mag besonders die kleinen, unscheinbareren Arten. Ihre Schönheit erschließt sich erst in Ruhe bei genauer Betrachtung. So ist es auch mit den Flechten. Deine schönen Fotos kommen da genau recht.


    Es ist ein wundervoll anderes Habitat als hier am mittleren Neckar mit dem kalkhaligen Lösboden, muss ich sagen, und doch gar nicht sooo weit entfernt.

    Ich bin immer noch erstaunt, wie viele der Cladonien und Cladonienarten, die ich zusammen mit dir entdecken durfte, in der Beschreibung im Wirth/Hauck/Schulz als in Zwergstrauchheiden und auf Sandboden vorkommend beschrieben werden, z.B. die ganz gelbliche C. coccifera-Gruppe. Das passt natürlich ganz prima zum Habitat.


    Die Unterscheidung der Cladonien ist überhaupt nicht einfach, die Übergänge verfließen. Das betrifft Färbung (gelb-gelblich-weißlich-grün-grau? Wie ist der Feuchtegehalt? Was ist mit dem Weißabgleich?), Form (Verzweigte Säulen? Unförmige Becher? Schmale Becherchen ohne Boden? Trichter?), Oberflächenbeschaffenheit (glatt, warzig, rau, rissig, schuppig, schollig, grob sorediös, ...) und Tüpfelreaktion (Ab wann ist gelblich gelb? Welches Orange ist schon ein Rot?). Selten ist es eindeutig. Immer wieder stolpere ich über die Details und meine, das passt nicht so, wie ich zuerst dachte...

    Bild A1: Reihe von Cladonien aus dem Sandkasten mit mehr oder minder fließenden Übergängen in Form und Farbe


    Binnendünen gibt es auch im Oberrheingraben. Bestimmt lohnt sich auch dorthin mal ein Abstecher. Allerdings ist dort alles stark zersiedelt, das zieht mich nicht sehr an.

    Also werde ich mir die Keuperberge der Region hier nochmal genauer ansehen, sind sie doch von (Stuben)Sandstein gekrönt und so manche kleinere Sandgrube kann gefunden werden. Die seltsame Bezeichnung Stubensandstein beruht wohl darauf, dass man früher den daraus gewonnenen Sand zum Ausfegen der Stube verwendet hat (Anmerkung für den geneigten Leser).



    Vermutlich würde ich anstatt in die Rheinebene wieder nach Osten fahren, jetzt, wir ich weiß, wo es sich lohnt und wie sehr es sich lohnt!

    Die fränkische Alb/Schweiz ist auch nicht mehr sehr weit entfernt und sie gilt als noch als flechtenartenreicher als die schwäbische Alb! (Vielleicht gibt es dort mehr Dolomit?)


    Vielleicht können wir das Erlebnis bei Gelegenheit wiederholen. Das würde mich sehr freuen.

    Jetzt habe ich aber noch zu tun mit den im Kästchen wartenden Proben. Das geht noch ein paar Tage.



    Ende September fahre ich zum Großglockner für drei Nächte. Den Kurztripp habe ich gestern noch buchen können. Uiuiui, ich bin ja so gespannt, was mich dort erwartet!


    Ganz viele Grüße aus der Region Franken (BW) ins richtige Franken (BY),

    Martin


    Die Spuren im Sand sind jedenfalls keine Orkhufabdrücke.

  • ...ach ja, zu deiner Frage wegen Cladonia cornuta:

    Cornuta hat im oberen Bereich feinmehlige Säulen, unter Teil berindet.

    Die Podetien in deinem Bild würde ich als gefeldert berindet beschreiben, aber ohne Soredienbildung, und: in der unteren Hälfte sind links im Bild kleine abstehende Schuppen zu erkennen.

    Beide Arten reagieren P+orange, was nicht hilfreich für die Unterscheidung ist.

    Ich würde hier die gleiche Flechtenart wie in Bild 11 gezeigt sehen, die ich C.gracilis zuordnen würde, denn in Bild 11 sind rechts etwas weiter hinten die ersten schlanken Becher mit Auswüchsen zu erkennen.


    Schwierig, vielleicht ist die Flechte auf deinem Foto noch nicht alt genug, um Sorale zu bilden, die Schüppchen am Stiel und der Rest passen aber vielleicht doch besser zu C. gracilis (oder etwas ganz anderem?).

    Vergleiche mal mit den Beschreibungen und Fotos hier bei Italic:

    C. cornuta

    C. gracilis


    Im französischen Flechtenführer für Bodenflechten wird übrigens ausdrücklich erwähnt, dass C. gracilis im Cladonion arbusculae vorkommt, während C.cornuta kaum im Wald anzutreffen sei. Das widerspricht der Beobachtung zumindest nicht.


    Martin

  • Hallo Ingo,


    danke für Zeigen und Mitnehmen.


    Die Sandgrube ist eine tolle Gegend. Die merke ich mir einmal vor.


    Viele Grüße,

    Steffen

  • Servus Martin, danke für deine Kommentare!

    Die Unterscheidung der Cladonien ist überhaupt nicht einfach, die Übergänge verfließen. Tüpfelreaktion (Ab wann ist gelblich gelb? Welches Orange ist schon ein Rot?). Selten ist es eindeutig

    Ja daher hatte ich mich bisher auch davor gedrückt diese Dinger bestimmen zu wollen, aber jetzt da du mich da mit hereingezogen hast 8o hab ich halt mal etwas rumgetüpfelt. Ohne Erfahrung sind die Angaben in den Artbeschreibungen natürlich noch schwieriger zu interpretieren, dazu kommt dir Variabilität. Ich hatte bei den Rentieren auch eher ein knalliges Gelb mit K erwartet, aber im Vergleich mit der anderen Art die einfach nur eine stärkere Grundfarbe bekommen hat fand ich dann doch dass es gelb genug sein könnte ^^ Naja vielleicht findest du ja noch mehr heraus.


    Binnendünen gibt es auch im Oberrheingraben. Bestimmt lohnt sich auch dorthin mal ein Abstecher. Allerdings ist dort alles stark zersiedelt, das zieht mich nicht sehr an.

    Also werde ich mir die Keuperberge der Region hier nochmal genauer ansehen, sind sie doch von (Stuben)Sandstein gekrönt und so manche kleinere Sandgrube kann gefunden werden. Die seltsame Bezeichnung Stubensandstein beruht wohl darauf, dass man früher den daraus gewonnenen Sand zum Ausfegen der Stube verwendet hat (Anmerkung für den geneigten Leser).

    Naja sonderlich naturnah war es unter der Trasse im Industriebiet nun auch nicht... Da muss man halt Abstriche machen.


    Sand zum Ausfegen der Stube? :gkopfkratz: Ok, wenn man das so macht...vielleicht sollte ich meinen Kindern sogar dankbar sein wenn sie wieder mal ihre Schuhe nach dem Sandspielen erst in der Wohnung ausziehen?

    Vermutlich würde ich anstatt in die Rheinebene wieder nach Osten fahren, jetzt, wir ich weiß, wo es sich lohnt und wie sehr es sich lohnt!

    Die fränkische Alb/Schweiz ist auch nicht mehr sehr weit entfernt und sie gilt als noch als flechtenartenreicher als die schwäbische Alb! (Vielleicht gibt es dort mehr Dolomit?)

    Sehr gerne, ich werde mich mal nach Dolomit umschaun wenn ich mal wieder dorthin komme!


    Die Spuren im Sand sind jedenfalls keine Orkhufabdrücke.

    Nicht zu viel verraten.. wo sind denn unsere Detektive? hilmgridd vielleicht eine Idee? :saint:


    Schwierig, vielleicht ist die Flechte auf deinem Foto noch nicht alt genug, um Sorale zu bilden, die Schüppchen am Stiel und der Rest passen aber vielleicht doch besser zu C. gracilis

    Ja das kann ich nachvollziehen und auch von der Wahrscheinlichkeit her wird es wohl so sein. Ich denke mittlerweile, dass auch meine Kollektion Nr4 C. gracilis sein sollte.

    danke für Zeigen und Mitnehmen.
    Die Sandgrube ist eine tolle Gegend. Die merke ich mir einmal vor.

    Hallo Steffen, gerne, das ist schon ein Ort mit einem besonderen Flair. Einem Hitze- Flair ^^


    Viele Grüße

    Ingo

  • Sand zum Ausfegen der Stube? :gkopfkratz: Ok, wenn man das so macht...vielleicht sollte ich meinen Kindern sogar dankbar sein wenn sie wieder mal ihre Schuhe nach dem Sandspielen erst in der Wohnung ausziehen?

    Hallo Ingo,

    ähnliches hat man früher auch mit Wirtshaustischen gemacht, die Tischplatten sind meist aus unbehandeltem Ahornholz gewesen und mit Wasser und Scheuersand gereinigt. Das habe ich von meinem Ausbildungsmeister in den 80er Jahren erzählt bekommen,

    viele Grüsse

    Matthias

  • Na wenn die Tischplatte stark genug ist, macht das ja auch nix wenn jedes Jahr ein paar Millimeter runtergeschliffen werden. Und wenn die Oberfläche eh nur aus Kratzern besteht stört sich niemand an einem neuen Kratzer! Das versuche ich mal mitzunehmen für meinen Dielenboden. Warum habe ich mir nur die Mühe gemacht ihn einzulassen? :D

    Lieben Gruß

    Ingo

  • Nicht zu viel verraten.. wo sind denn unsere Detektive? hilmgridd vielleicht eine Idee? :saint:

    Hallo und erstmal Danke für die tollen Ausflugsbilder und den vielen Input.

    Richtig Klasse Expedition habt ihr da gemacht, ich habe mich sehr über diesen Beitrag gefreut!


    Nun zur Expertise:


    Ich finde es sehr bedenklich, dass ihr im Reservat einer stark bedrohten Art unterwegs gewesen seid!

    Wie bekannt ist, gibt es in und um Nürnberg viele Mythen und Sagen. Diese hier ist keine davon.

    Es handelt sich bei den von Euch gefundenen Spuren um Reviermarkierungen der so genannten "Raketenwürmern", Tremor tremors.

    Ron Underwood beschreibt diese Art seit 1990.

    Die unterirdisch lebenden Würmer können durch Erschütterungen (Schritte, etc..) aufgeschreckt werden. Das führt zu einer Abwehrreaktion

    ihrerseits, bei der sie mit ihren drei Zungen die Angreifer aus dem Boden heraus abschrecken. Dazu bewegen sie sich raketengleich (siehe Trivialname) unterirdisch auf die Opfer zu und reißen sie mit in die Tiefe!

    Glück gehabt, ihr Zwei!

    Aufhalten läßt sich wohl so eine Attacke nur durch Betonwände oder Dynamit. Ich hoffe, ihr hattet beides dabei?

    Allerdings läßt es vermuten, dass Forscher seltener angegriffen werden, da diese durch ihre langsame und bedächtige Fortbewegung wenig Erschütterungen verursachen.

    Auch mögen Raketenwürmer Flechten, besonders Cladonien. Deshalb konntet ihr sehr sicher die Region beobachten.

    Ich möchte Euch allerdings raten, bei nächsten Ausflügen auch die Fauna zu studieren, nicht dass ihr irgendwann an die großen Brüder der Tremor tremors geratet, die großen Sandwürmer, Tremors major!


    es grüßt

    Hilmi

    Liebe Grüße aus dem Vogtland

    die Schwarzhex

    :gwinken: Sandra

    (PC 100 - 10 (fürs APR 2020) = 90 - 15 (APR 21) = 75-10 (APR22) = 65 + 7 (APR 22 Auflösung) - 5 (Rätsel-Gedicht)= 67 - 10 (APR 23) = 57 + 5 Gnanzierung = 62 - 10 (Ast-Wette gegen Björn) = 52 - 10 (APR 24)- 1 (legaler Bestechungsversuch im Vorfeld des APR zugunsten GI)= 41

  • Hallo Sandra,


    vielen Dank für deine umfänglichen Gefährdungsanalyse bei Flechtensafaris im Fränkischen.

    Die Quelle "Neuer Physiologicus" weiß allerdings zum Thema Raketenwurm, dass diese deutlich kleinere Exemplare ausbilden können, als in reißerischen Hollywood-Filem dargestellt.

    Im Gegenteil muss sich der Raketenwurm wohl sogar vor hungrigen Gourmets (oder Gourmants) in Acht nehmen und gar um sein Leben bangen.

    Deshalb - Gottlob - Entwarnung von dieser Seite für uns Flechtenfreunde!


    Man weiß natürlich nicht, was diese kleinen Vettern des Raketenwurms in der mit nach Hause gebrachten Probenschachtel nächtens treiben...

    Ich hab' so etwas lieber stehen lassen.

    Hoffentlich hat Ingo nichts davon versehentlich eingesteckt. ==Gnolm11


    LG, Martin

  • Oh nein Hilmgridd,

    jetzt fällt es mir wie Sand aus den Haaren, natürlich! Wie naiv konnten wir sein? Ich hielt diese Spuren tatsächlich für Abrücke von Roller-blades eines vermutlich unter Drogen stehenden 90er Jahre Freaks, der mit Walkman in den Ohren nicht bemerkte dass er von der geteerten Straße abgekommen war. Aber ich hätte es eigentlich schon im letzten Dünen Habitat (Sand Hölle!! ==Gnolm12 ) erkennen müssen: Was wir für Pisolithus hielten ist in Wirklichkeit „Melange (Spice)“ produziert von der Sandwurm Spezies Shai Hulud HERBERT(1965).



    Und ich hatte den in der Hand.. hätte ich mal davon probieren sollen..


    Ich vermute der einzige Grund warum wir nicht selbst verspeist worden sind war unsere unglaublich langsame Fortbewegung und das bedächtige Auftreten um keine Flechten zu zertreten. Vielleicht haben die Würmer uns kriechend gar für ihres Gleichen gehalten?

    Nun das bedarf weiterer Untersuchungen!

    Mit etwas Dynamit zur Sicherheit lassen sich nebenbei auch wieder prima Offensandhabitate herstellen.

    Sonnenstichige Grüße

    Ingo

  • Hallo zusammen,


    diesen Wald, den ich auf euren Fotos erkannt habe, besuche ich alljährlich je nach Witterungslage in der zweiten Oktober- oder ersten Novemberhälfte, wenn es viel und ausgiebig geregnet hat. Die Erbsenstreulinge oder Pfifferlinge sind dann freilich schon hinüber. Aber dann gibt es dort Pilze zum Bei-jedem-Schritt-Drauftreten (viele sind im Sand "vergraben" und müssen ausgebuddelt werden), und ganz unglaubliche Arten, die man sonst nirgendwo findet. Ich habe dort schon gefunden: Sarcodon regalis, Sarcodon squamosus, Hydnellum aurantiacum, Phellodon confluens, Phellodon niger, Phellodon melaleuca, Bankera fuligineoalba, Rhizopogon obtextus, Rhizopogon vulgaris, den Frostschneckling, den Heide-Schleimfuß, dazu eine ziemlich vollständige Ritterlingsflöte: focale, equestre, frondosae, boudieri, virgatum, joachimii, avernense, terreum, albobrunneum, pessundatum, striatum (!), portentosum, aestuans. Man fühlt sich dort meist wie auf einer Live-Pilzausstellung, nur dass es keinen Eintritt kostet und keine Namensschildchen an den Pilzen hängen. KaMaMa die "Sandkästen" in der Oberrheinebene kommen auch in dieser Hinsicht mit der Artenvielfalt nicht nach. Für mich ist es eines der interessantesten Habitate in Mitteldeutschland überhaupt, bevor man wieder so etwas findet, müsste man nach Brandenburg oder Vorpommern zu einem anderen Ingo ;) :gwinken: fahren. Oder gleich nach Skandinavien.


    FG

    Oehrling

    PSVs dürfen weder über I-Net noch übers Telefon Pilze zum Essen freigeben - da musst du schon mit deinem Pilz zum lokalen PSV!


  • Hallo Oehrling,


    als ich den Sandkasten im Bild gesehen habe, war klar, das ich den sofort auf meine "da will ich hin Liste" gesetzt habe.


    Danke für Deine Infos.


    Viele Grüße,

    Steffen

  • Hallo Steffen,

    wir können uns im Spätherbst gerne auch mal dort treffen, wir dürften es mit jeweils etwa 90 Minuten Fahrt dorthin gleich weit haben.

    FG

    Oehrling

    PSVs dürfen weder über I-Net noch übers Telefon Pilze zum Essen freigeben - da musst du schon mit deinem Pilz zum lokalen PSV!

  • Hallo Steffen,

    wir können uns im Spätherbst gerne auch mal dort treffen, wir dürften es mit jeweils etwa 90 Minuten Fahrt dorthin gleich weit haben.

    FG

    Oehrling

    Hallo Oehrling,


    das ist eine super Idee; Danke. Das machen wir. Weiteres in privater Konversation.


    Ich freue mich, denn ich lerne gerne dazu.


    Viele Grüße,

    Steffen