Diverse alpine Risspilze

Es gibt 10 Antworten in diesem Thema, welches 786 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Clavaria.

  • Hallo zusammen, Ditte


    Ich war am Samstag bei strahlendem Sonnenschein auf dem Gemmipass.


    Ich verbrachte dort vier Stunden in diesem steinigen Hang, mutmasslich viel Kalk, aber wohl nicht überall.

    Dort gibt es zahlreiche Flächen von Dryas octopetala, Salix herbacea, Salix retusa und Salix reticulata:


    Schwer beladen ging ich mit 15 Risspilz-Kollektionen und 12 anderen Sachen heim.

    Die Bestimmung ist wie erwartet eine Sisyphus-Arbeit.

    Ich bin noch lange nicht fertig, aber stelle hier schon mal die ersten rein, damit es nicht zuviel auf einmal ist.


    1:

    Ein Winzling, die Hüte hatten weniger als 10 mm Durchmesser. Aufgrund der lilagrauen Töne am Stiel meine ich, dass es irgendwo in die Gruppe um Inocybe pusio gehört.

    Einen vernünftigen Vorschlag habe ich aber nicht. Geruch banal spermatisch.


    Sporen: 8.5-10.0-11.2 x 5.9-6.3-7.0 µm, Q = 1.38-1.58-1.68 (n=20)


    Zystiden ziemlich dünnwandig, 39-49-68 x 11-15-17 µm (n=10).


    Pleurozystiden ähnlich.


    Kaulozystiden im oberen Stieldrittel vorhanden, aber recht spärlich.



    2:

    Den hier habe ich recht früh gesammelt, als ich dachte ich finde eh nicht viel.

    Sie sind am Rand etwas angetrocknet, ich hätte sie gar nicht mitnehmen sollen. Aber nun ist es so, also versuchen wir es.

    Einen Geruch konnte ich nicht feststellen.


    Obendrein sind sie noch verwurmt.


    Sporen: 8.7-9.9-11.7 x 5.3-5.9-6.3 µm, Q = 1.43-1.69-2.05 (n=20)



    Cheilozystiden oft sehr dickwandig: 49-54-59 x 14-16-19 µm (n=10)


    Pleurozystiden etwas länger.


    Im oberen Stieldrittel zahlreiche schlanke, oft wellige Kaulozystiden.


    Meine Schlüsselversuche enden nach Bon bei Inocybe gausapata oder flocculosa, die aber deutlich kleine Sporen haben soll.



    3:


    Eine kleine Gruppe mit gelblichem Stiel, leuchtenden Lamellen, ohne deutlichen Geruch.



    Sporen: 9.6-10.5-11.9 x 5.2-5.9-6.5 µm, Q = 1.57-1.78-1.95 (n=20)



    Cheilozystiden dickwandig, in KOH deutlich gelb, 42-48-55 x 13-16-20 µm (n=10)


    Pleurozystiden ebenso.


    Im oberen Stieldrittel reichlich Kaulozystiden.


    Die Bestimmung ist so eine Sache, ja nachdem wie stark ich den gelblichen Stiel beachte.

    Wenn ich den als "gelb" interpretiere, komme ich nach Bon am ehesten auf Inocybe luteipes. Aber die soll nur am obersten Apex Kaulos haben.

    Andererseits könnte es auch eine "banale" Inocybe canescens sein.



    4:

    Diese hier wuchsen mitten in einem Dryas-Polster. Geruch sehr stark spermatisch.



    Sporen: 9.4-10.4-11.5 x 5.3-6.1-6.6 µ, Q = 1.45-1.71-1.93 (n = 20)



    Cheilozystiden oft subcapitat, gelbgrün in KOH, dickwandig, 57-67-85 x 16-18-24 µm.


    Echte Kaulozystiden gibt es keine, der Stiel ist bedeckt von diesen zylindrischen, oft schwach bräunlich inkrustierten Fasern.


    Das sollte in die Gruppe um Inocybe cincinnata gehören. Vielleicht Inocybe obscuroides?

    Ich finde aber keine Hinweise, dass die alpin vorkommen kann. Und die Sporen passen auch nicht so richtig.



    5:

    Noch eine Knacknuss. Diese hier hatten einen schwachen, eigentümlichen Geruch, der mich an Leder erinnerte.



    Sporen: 8.4-9.8-11.8 x 4.8-5.6-6.0 µm, Q = 1.56-1.76-2.11 (n=20)


    Cheilozystiden: 39-46-51 x 14-16-19 µm, dickwandig


    Pleurozystiden ebenso.


    Kaulozystiden gibt es bis zur Basis. Oben haben sie öfter noch Kristalle.


    Weiter unten sind sie dünnwandiger und unregelmässiger.


    Mit der Bestimmung tue ich mich schwer. Nach Bon könnte es Inocybe tenerella (ined.) sein.


    Das war's fürs erste, die nächsten Tage folgt dann noch mehr.


    LG Raphael

  • Hallo Raphael,


    die lilastieligen Arten finde ich ganz spannend, ich durfte neulich eine finden und habe nach der Recherche im Forum gelernt (natürlich von Ditte), dass die lilastieligen Risspilze mittlerweile eine größere aufgesplittete Gruppe darstellen. Vieles wurde damals als I.pusio verortet, was wohl aber eine nordische Art ist, die gar nicht bei uns vorkommt und bis auf einen lila Stiel nichts gemeinsam hat mit den hier vorkommenden lilastieligen Arten. Um sich bei den lilastieligen Arten zurechtzufinden, kommt man nach Ditte um folgende Publikation von Ditte und Bernd nicht herum: https://link.springer.com/article/10.1007/s11557-021-01712-w (Downloadlink).


    Dort findet sich folgende Zusammenfassung:


    "Die hier beschriebenen Arten mit lila-pinkfarbenen Stielen sind eine weitere schwierige Gruppe, die in der Schlüsselarbeit von Bon (1997) zur Sektion Lilacinae (R. Heim) gehören würde. Gut bekannt und sehr verbreitet ist I. cincinnata var. major (siehe Kuyper 1989). Genetische und morphologische Unterschiede zeigen jedoch, dass es sich um ein Taxon handelt, das den Rang einer eigenen Art verdient. In diesem Rang muss es als I. obscuroides P.D. Orton (Orton 1960, und siehe oben) bezeichnet werden. Während diese Art relativ leicht zu erkennen ist, ist dies bei I. cincinnata var. cincinnata nicht der Fall. Der gleiche Typ von lanzettlichen Zystiden, der für diese Art typisch ist, kann bei mehreren anderen Arten derselben Gruppe gefunden werden, wie zum Beispiel bei I. drenthensis, I. gaiana, I. minima, I. sitibunda oder I. tiburtina. Die genannten Arten unterscheiden sich von I. cincinnata nicht nur molekular, sondern auch durch eine Kombination abweichender Merkmale wie Habitat, Vorhandensein oder Fehlen von Velipellis, Sporengröße usw. (siehe oben). Inocybe lampetiana könnte mit I. amethystina verwechselt werden, die nach unseren eigenen Beobachtungen eine eher seltene Art ist und nicht mit Alnus assoziiert ist (siehe Kuyper 1986), wie es bei I. lampetiana der Fall ist. Die ähnlich lila-pinkfarbenen Stiele von I. dryadiana können auf den ersten Blick mit I. griseolilacina verwechselt werden, diese Art unterscheidet sich jedoch beispielsweise durch typischerweise subkapitate hymeniale Zystiden. Inocybe knautiana unterscheidet sich von allen genannten Arten mit violett-lila Stielen durch unterschiedlich geformte hymeniale Zystiden. Inocybe pusio unterscheidet sich von letzterer durch deutlich ventrikose und spindelförmige hymeniale Zystiden, kleinere Sporen und, laut der ursprünglichen Beschreibung, kein weißliches Velipellis (Karsten 1889)."


    So, ich hatte Glück, das Mikroskop zeigt bei meinem Fund eben keine lanzettlichen Zystiden (dann wäre es komplizierter), sondern subutriforme, halslose und in KOH3% nicht gilbende Zystiden mit Kristallschopf. Damit komme ich zu I. knautiana. Leider sinds gar keine schönen Bilder geworden, da ich die ISO-Zahl unbemerkt verstellt hatte:

    vgl. auch hier: https://www.inocybe.org/genus-…-smooth-spored/knautiana/


    Die genaue Beschreibung zu I.knautiana lässt sich auch bei Bandini & Oertel nachlesen. Dort auch etwas größere Sporen als bei den Verwechslungspartner. Auch das passt wie die Faust, hier meine Messungen: 9,0-10,0 µm (av. 9,6 µm, SD 0,3 µm) x 5,2-5,9 µm (av. 5,6 µm, SD 0,2 µm); Q = 1,7-1,8 (av. 1,7, SD 0,0)(n = 9)


    Cheilos


    Der Name Knautiana bezieht sich übrigens auf Knautia avernensis, die Ackerwitwenblume, eine „hübsche Sommerblume mit zart-blauvioletten Blüten“. Ob man den Pilz jetzt auf Deutsch „Ackerwitwenblumenrisspilz“ nennen muss? Einen deutschen Namen haben die Beiden ja nicht vergeben ^^ .


    LG Sebastian

  • Hallo Raphael und Sebastian, zunächst zu deinen Inos, Raphael: Nummer 1 würde ich unbedingt sequenzieren lassen, Nummer 2, 3, und 5 sind meines Erachtens alle dieselbe Art und zwar I. canescens. Von I. luteipes hab ich den Typus untersucht, das sehen die Zystiden ganz anders aus. Die Stiele von canescens können ganz bereift sein, aber auch nur sehr spärlich in der unteren Hälfte und das Aussehen ist ziemlich variabel - wie ich aus eigener Erfahrung mit etlichen Kollektionen weiß. Sehr typisch sind diese Caulos mit dem langen gewundenen Hals. Nummer 4, hm, also ich denke schon, dass du ganz oben direkt am Lamellenansatz metuloide Zystiden finden müsstest. Gruppe obscuroides könnte sein, aber ich bin nicht sicher. Würde ich auch sequenzieren lassen.


    Zu deinem Fund, Sebastian: du sagst nicht, welcher Baum dabei war, war es Buche? Ja, könnte knautiana sein. Übrigens haben alle unsere neuen Arten deutsche Namen bekommen, die sind alle in der Datenbank der deutschen Funde enthalten, um die sich Frank Dämmrich so super kümmert. I. knautiana heißt der Witwenblumen-Risspilz.


    Herzlich, Ditte

  • Hallo Ditte, es gab dort Eichen und auch Buchen. Ich habe den auch zur Sequenzierung geschickt. Ergebnis steht aber aus. Es gab eben auch alle Altersstadien und eben auch diese typisch ausgelassen Varianten. Leider habe ich diese Stadien gar nicht dokumentiert, da ich das am Fundort noch nicht wusste, es erst später in der Beschreibung auf inocybe.org gelesen habe.

    Ah, mit den Datenbanken muss ich mich wohl dann nochmal beschäftigen. Ich danke dir.


    Lieber Raphael, vielen Dank für deine tollen Dokus.


    LG Sebastian

  • Hallo Ditte


    Vielen Dank, mit den drei canescens kann ich mich anfreunden. Dass die Kaulos bei der bis unten reichen können, wusste ich nicht.

    Die anderen lasse ich sequenzieren.


    Ich bin jetzt bis Sonntag an einer kleinen Tagung, die weiteren Kollektionen könnten etwas auf sich warten lassen.


    LG Raphael

  • Hallo zusammen


    So, nun kommen ein paar weitere Risspilze.


    6:

    Bei dem hier bin ich der Meinung, dass er identisch mit Nr. 1 ist:




    Sporen: 8.6-9.5-10.8 x 5.6-6.2-6.9 µm, Q = 1.36-1.54-1.69 (n=20)


    Cheilozystiden wieder fast dünnwandig, 17-46-57 x 15-17-20 µm (n=10)


    Pleurozystiden gleich


    Im oberen Stieldrittel gibt es Kaulozystiden, meist ohne Kristalle.



    7:

    Ein Höckersporer mit ganz bereiftem Stiel. Geruch war unauffällig.



    Die Sporen sind sehr unregelmässig. Einige mit grossen, rundlichen Höckern.


    Andere eher eckig, rundlich oder fast sternförmig. 10.2-11.1-12.5 x 7.7-8.5-9.6 µm, Q = 1.07-1.31-1.47 (n=20)



    Zystiden wieder recht dickwandig, 55-61-69 x 15-19-22 µm.


    Pleurozystiden


    Kaulozystiden überall sehr zahlreich, bis zur Basis sehen sie gleich aus.


    Hier bin ich auf nichts wirklich Passendes gekommen. Irgendwo in die Nähe von Inocybe favrei denke ich.



    8:

    Da soll noch jemand sagen, dass alle Risspilze braun und hässlich sind.

    Ich habe drei Kollektionen davon, nicht bei allen war das Velum so reichlich.

    Geruch spermatisch.




    Schnittbilder von zwei Kollektionen. Auffallend ist das weisse Fleisch in der Knolle.


    Sporen: 11.2-12.0-14.0 x 6.4-7.5-9.3 µm, Q = 1.32-1.60-1.88 (n=20)


    Cheilozystiden: 31-42-58 x 11-15-17 µm, n=10


    Die Zystiden sind oft braun pigmentiert.


    Kaulozystiden im oberen Stieldrittel zahlreich, wie die Cheilozystiden.


    Hier habe ich den Verdacht, dass es Pseudosperma bulbosissimum sein könnte.


    Nun habe ich noch vier Mallocybe, die muss ich noch gründlich anschauen.


    LG Raphael

  • Hi Raphael, also vor allem die Sporen erinnern mich (natürlich nur nach dem zu urteilen, was ich bei dir sehe) an I. kuberae - solche Sporen sind sehr ungewöhnlich. Die Zystiden waren bei meinen beiden Funden extrem variabel, was an den unterschiedlichen klimatischen Gegebenheiten am Berg gelegen haben dürfte. Wär toll, wenn sie das wäre, dann hätte ich ein wirklich gutes Bild der Art für das Buch. I. favrei hat, soweit ich das von deinen Fotos her beurteilen kann eine andere Sporenform, schau unten.

    P. bulbosissimum kann stimmen. Ich würde alle sequenzieren lassen.

    Herzlich Ditte




  • Liebe Ditte


    Danke, ja ich lasse die drei sequenzieren.

    Dieses Jahr ist wirklich sehr gut für Risspilze, ich habe schon wieder zehn neue alpine Kollektionen.

    Ich komme gar nicht mehr nach mit Bestimmen.


    LG Raphael

  • So, hier kommen nun noch die vier Mallocybe.

    Sie gehen alle in die Sequenzierung, so richtig klar lässt sich wohl keine morphologisch bestimmen.


    9:

    Eine eher grosse Art mit schwachem Pelargonium-Geruch, Durchmesser bis 35 mm.


    Fleisch in der Stielbasis gelblich.


    Sporen: 8.3-9.2-10.2 x 5.0-5.4-5.8 µm, Q = 1.48-1.71-1.94 (n=20)



    Zystiden aus bis zu vier Elementen, das vorderste zylindrisch oder keulig, 17-22-27 x 7-9-10 µm.


    Wenn ich die gelbe Stielbasis als kritisches Merkmal betrachte, müsste es M. substraminipes sein.

    Aber da gefallen mir weder die Hutstruktur noch der Pelargonium-Geruch.

    Einigermassen passen könnte auch Mallocybe hebelomoides, wie Armada diese darstellt.



    10:

    Diese hier ist makroskopisch täuschend ähnlich, aber mikroskopisch ziemlich anders.

    Man muss wirklich jede Kollektion mitnehmen, am Standort kann man nicht entscheiden ob man sie schon hat.

    Auch diese hatte schwachen Pelargonium-Geruch.


    Hier ist die Stielbasis nicht gelb.


    Sporen sehr kurz und breit: 7.3-8.4-9.3 x 5.2-5.8-6.6 µm, Q = 1.27-1.45-1.67 (n=20)



    Zystiden oft kettenförmig aus rundlichen Elementen. Das Endelement rundlich, keulig oder fusiform.

    Ich habe jetzt nur die länglichen Endelemente gemessen: 19-23-31 x 9-12-15 µm (n=12)


    Wirklich bestimmen konnte ich ihn nicht. Vielleicht Ludwig's Mallocybe lagenicystidiata, aber die ist mir nicht so richtig klar.



    11:

    Noch eine kräftige Art mit deutlichen Hutschuppen. Geruch süsslich.


    Und hier ist die Stielbasis wieder gelb.


    Die Sporen sind klein: 7.0-8.5-9.5 x 4.8-5.2-5.7 µm, Q = 1.35-1.64-1.83 (n=20)


    Zystiden mehrheitlich keulig, 15-20-27 x 9-12-15 µm.


    Mit dem Geruch, der gelben Stielbasis, den eher kleinen Sporen und den Hutschuppen denke ich an Mallocybe substraminipes.



    12:

    Eine geruchlose Kollektion, jung mit reichlich Velum am Hutrand.


    Schon wieder eine gelbliche Stielbasis.


    Sporen etwas grösser als bei den anderen Kollektionen: 8.4-9.5-10.7 x 5.5-5.8-6.0 µm, Q = 1.51-1.74-1.94


    Zystiden kettenförmig aus oft sehr kurzen Elemente.

    Das vorderste habe ich nur gemessen, wenn es länglich ist: 15-20-25 x 7-8-9 µm (n=10)


    So, das war die letzte Inocybe-Kollektion von der Gemmi.

    Es gab noch ein paar Nicht-Risspilze, die stelle ich dann separat rein.

    Die Inocybe-Kollektionen von vorgestern folgen in Kürze, darunter eine wunderschöne Inocybe aurea.


    LG Raphael