Noch eine saxicole Zeichenflechte - Arthonia calcarea

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  • Hallo zusammen,


    angespornt vom letzen Fund einer (wohl) Opegrapha demutata habe ich mich an eine Flechte aus dem Urlaub gemacht.


    In einer Burgruine in Nordhessen habe ich innerhalb des Gemäuers (wohl meist bis dauerschattig) eine etwas unter Handtellergroße graue sehr in den Stein eingesunkene Flechte mit lirelliformen Apothecien gefunden die überwiegend sternförmig gruppiert waren. Ich habe eine ganz kleine Probe mitgenommen, in der Hoffnung sie irgendwann einmal bestimmen zu können. Mein Versuch möchte ich mit euch teilen. Wie immer hoffe ich auf Feedback (und schiele mal freundlich zu KaMaMa - aber auch allen anderen Flechtenbegeisterten)!


    Ich sehe eine vorwiegend endolithisch wachsende Krustenflechte mit lirelliformen schwarzen Ap die das Lager überragen. Ich bin mir bei der Ansprache des Steins nicht sicher. In der Gegend findet sich hauptsächlich Kalkstein. Das muss aber nicht heißen das dieser dort in der Burg verbaut wurde.

    Chemie (an sehr kleinen Stücken) C-, K-?, KC wie K, P-.

    Sporen sind 4 Zellig/3-Septiert mit 12.7-13.9 x 3.4-3.8 µm Größe.

    Ap. Länge 415 µm (min-max 288-598) (Ende zu Ende ohne ggf. Krümmung mit einzubeziehen)

    Ap. Breite 136 µm (min-max 103-160)


    Nach Italic und Wirth (1994) komme ich zu Arthonia calcarea. Bzw. Opegrapha calcarea bei Wirth.


    Könnt ihr das nachvollziehen?


    Vielen Dank

    Peter


    (1) Flechtenlager mit vielen lirelliformen Apothecien. Darum einige weitere vor dem Hintergrund einer weiteren staubig gelben, weitgehend soridiös aufgelösten Flechte.


    (2) Übersichtsaufnahme des Lagers.


    (3) Detail. Die Apothecien stehen etwas über, der Thallus sinkt überwiegend zwischen kleine Steinchen (Quartz?) ein.


    (4A) An Teilen dieses Fragments lief die Chemie

    (4B) Weitere Fragmente (hier nicht verwendet). Ich wollte eigentlich nur ein Fragment in Größe 4A entnehmen. Der Stein ist so mürbe gewesen, dass sobald ich ihn mit der Taschenmesserspitze berührt habe diese 3 Fragmente abgeplatzt sind. Manche Flechten begünstigen Verwitterung.


    (4C) Vorwiegend habe ich auf diesem Brösel gearbeitet der sich noch im Tütchen fand. Dieser wurde in Wasser unter einem Deckglas zerrieben.

    Oben links noch unter dem Stereomikroskop, oben rechts ein erster Blick durchs Mikroskop.


    (5) Die Probe war immer noch recht körnig, also wurde ein gutes Fragment mit einer Präpariernadel (Akupunkturnadel) auf einen neuen OT abgeschoben.

    Das Hymenium ist farblos. Das Excipulum wohl geschlossen pigmentiert (auch unter dem Subhymenium der Bruchstücken ist Pigment). Die Asci sind sehr dicht gepackt. Sehen interessant aus.

    (6) Wie die Sporen nun aussehen ist mit noch ein Rätsel.


    (7A) Nach Zugabe von KOH Keine Farbreaktion, es entpackt sich aber zur Freude ein Ascus.


    (7B) Ich sehe 3-fach septierte Sporen, keulig. Mit etwa 12.7-13.9 x 3.4-3.8 µm Größe, eingeschränkt beurteilbar da ich nur 3-4 Sporen messen konnte.


    (8A) Nach Zugabe von J färbt sich das gesamte Hymenium, zumindest die Paraphysen.


    (8B) Detail zu 8A


    (9) Photobiont ist Threntepohlia sp. (Grünalge mit organgenem Pigment)

    2 Mal editiert, zuletzt von PBR () aus folgendem Grund: Kleine Ergänzung

  • Hallo Peter,


    wieder eine interessante Kruste!


    Beim Lesen deines Flechtenfund heute morgen fiel mir als erstes der stark verwitterte Sandstein auf (Quarzkörner). Kalkstein ist das meiner Meinung nach nicht. Ich komme aus einer Gegend mit Muschelkalk und u.a. kalkgebundenem Sandstein. Also hatte ich mich in der Anfangszeit darauf verlassen, dass die Steine hier, insbesondere auch die Werksteine an Friedhofs- und Burgmauern, kalkhaltig sein müssten.

    Natürlich falsch gedacht: Ist die (Werk)steinoberfläche nur lange genug der Witterung und dem säuerlichen Regenwasser (CO2) ausgesetzt, wird der Kalk aus der Oberfläche gelöst und bleibt saures oder schwach kalkhaliges Gestein übrig. Die Kalkbindung geht verloren und der Sandstein bröselt. Bei quarzgebundenem Sandstein ist die Verwitterung zwar anders, er ist aber von Hause aus sauer. Ein Test mit Säure zeigt bei verwittertem Sandstein meist keine Bläschenbildung, auch wenn das ursprüngliche Gestein kalkhaltig war.


    Bei der Flechtenbestimmung ist nun aber gerade die Entscheidung, ob kalkhaltiger Stein oder saures Gestein (Silikat), sehr wichtig.

    Wenn dir bei der Probennahme die Oberflächenschicht des Steins quasi entgegenfiel, hast du ja Material, um diese These an deiner Probe zu überprüfen.

    Oder nimm ein bisschen Säure mit vor Ort.


    Bei der Lugolreaktion des Hymeniums bin ich unentschlossen, ob hier nicht hier auch eine Blau-Orange-Blau-Abfolge vorliegt. Für J+blau gibt es mMn viel zu viel Orange. Wichtig ist natürlich, zwischen den Reaktionen J und K/J des Hymeniums zu unterscheiden! Nun zeigst du eine ausbleibende K-Reaktion, anschließend die Lugol-Reaktion. Ich frage mich, ob du das an der gleichen Probe beobachtet hast. Vorsicht, es gilt K <> K/J! Wird die Reaktion auf J im Schüssel benötigt, darf zuvor keinesfalls KOH zugesetzt worden sein.


    Was sind eigentlich die gelblichen Strukturen auf dem Thallus?

    Eine andere, aufsitzende, gelbe Flechte? Oder Algen? Oder gehört das zu der Zeichenflechte? Bereifung? Hast du das mikroskopiert? Reagiert es mit K mit Farbumschlag?


    Die 3-septierten Sporen weisen bei Wirth zum Opegraphaschlüssel. Dort geht es über 1*-6*-7-8 zur Frage nach dem Gestein. Ich würde vermuten, dass hier kalkfrei richtig wäre und würde deshalb Silikat wählen. 8-9* Die Scheiben sind auf den Fotos langgestreckt und unbereift. 10 Hier wird es kniffelig, ich würde die Apothecienmaße heranziehen, sicherstellen, dass das Hymenium in J und in K/J unterschucht wurde, in mich gehen, ob der Thallus deutlich sichtbar war (das scheint vielleicht auf den Fotos nur so, wegen des Kontrastes zur gelben Nachbarflechte)... O. confluens käme ev. in Betracht, kommt aber nach Wirth auf salzbeeinflussten Steinen an der Küste vor, bei Italic hingegen ist sie ein Sysnonym für O. calcarea und häufig auch im höchsten Apennin. Ein rosa überhauchter Thallus in deinen Lupenbildern fällt auf. Ich würde deshalb 10* wählen, da sie sicher nicht nicht halophytisch ist. Jetzt folgt bei 11 eine interessante Bemerkung: "Wenn Sp. stets 4z, 11-22 x 3-5, Hymenium oben J+blau, unten J+orangerot, Subhymenium J+hellblau, vgl. O. ochrocheila"!

    Als ich das gelesen hatte, musste ich sofort an deinen letzten Post denken. Lustigerweise fehlt O. ochrocheila im Wirth, weil sie nach Alyxoria verschoben wurde. Vielleicht hast du zweimal die gleiche Flechte gefunden?


    Über die Pfade kalkhaltiges Substrat und Rinde gelangt man übrigens auch zu A. ochrocheila, sie ist also recht substratvag.

    Das Excipulum von A. ochrocheila soll aber K+rot/braun reagieren, braue Bereifung auch. Das würde ich mit 20%iger KOH unter dem Mikroskop an enem Queschnitt überprüfen. Wenn die Bereifung fehlt, kann sie nicht reagieren. Sie könnte durchaus, wenn auch schwach, vorliegen. "Ap.rand oft mit braunorangem, K+rotem Reif."

    Bei Italic werden immer etliche zusätzliche Strukturgrößen genannt (Dicke Excipulum, Hymenium, Subhymenium, Durchmesser Paraphysen, etc.), die würde ich zur Absicherung ebenfalls mit überprüpfen.


    Krustenflechten sind ein kniffliges aber schönes Hobby!


    LG, Martin

  • Hallo Martin,


    danke für Deine ausführliche Antwort. Ich werde die Punkte bearbeitnen - das wird aber nicht ganz so schnell gehen wie bei der letzten. Morgen steht ein Familienfest an und heute Nachmittag/Abend gehe ich mit dem großen (6) zur langen Nacht der Fledermäuse.


    Bei der J Reaktion (ist übrgigens rein J nicht K/J) tendiere ich zu vollständig Blau beim durchfokussieren. Die Asci färben sich nicht aber im Gegesnatz zur anderen Flechte sind die Paraphysen gefärbt (das ist was ich mit Bild 8B zeigen wollte).


    Bei den Quetschpräparaten konnte ich mit K keine Farbreaktion beobachten. Auch ist ein Bruchstück unter K (Stemi) eher transparent geworden.


    Die gelben Punkte halte ich für Soredien der nebenliegenden Flechte. Wahrscheinlich waren diese K+ rot. Sie stören hier beim Bestimmen doch --- darum das ? hinter K.


    Werde dran bleiben. Am Ende muss ich vielleicht Sequenzieren - oder nochmal jemanden fragen der sich noch besser auskennt (nur wen?)


    Soweit in Kürze. Nun gehts gleich los Mittagsschlaf+Fotos von der anderen Flechte machten.

    Viele Grüße


    Peter

  • Hallo Peter,


    es gibt hier etliche Leute, die sich besser auskennen als wir - nur melden sie sich nicht oder nur sehr selten zu Wort.

    Da fällt mir sofort Patrick ein, von dem ich hier leider schon länger nichts mehr gelesen habe: nupharlutea zuhülf!

    Mal schaun, ob es hilft...


    Ansonsten: Gute Mittagsruh!


    LG, Martin

  • Mittagsschlaf lieft gut, ich durfte Bilder machen. Mehr wird kommen.

    Ich war nur blöd und habe vergessen einen geeigneten Maßstab mitzunehmen. Werde mir wohl mal schnipsel mit Millimeterpapier mitnehmen (oder selbter Drucken, vielleicht auf Klebeetiketten).


    Etwas Gemessen habe ich für die vorliegende Flechte.


    Ap. Länge 415 µm (min-max 288-598) (Ende zu Ende ohne ggf. Krümmung mit einzubeziehen)

    Ap. Breite 136 µm (min-max 103-160)

    Die werte editiere ich auch mal in den Ursprungsbeitrag. Dann ist alles zusammen.


    Du bist ja auch ein bisschen im Nachbarforum unterwegs, ist da mehr mit Flechten? Sonst überlege ich mal vielleicht bei den Briten zu fragen, die sind was das angeht ja auch ganz gut dabei.


    Peter

  • Hallo Peter,


    im Nachbarvisum ist aus meiner Sicht etwas weniger los als hier. Antworten tut dort leider fast nur einer, und den triffst du hier auch.


    Auf FB bei den Franzosen ist es etwas lebhafter als hier. Die Mitglieder der englischsprachigeng Gruppen sind weltweit verteilt und dementsprechend oft kommen Posts von Down-Under, Amerika, Indien oder Fernost. Meistens wird nur ein Bild gezeigt und eine ID gewünscht, naja.

    Die ganze FB-Srruktur finde ich sowieso grauslig.


    Bei den Briten habe ich schon länger nicht mehr ins Forum (fungi.org.uk) reingeschaut. Ihr Forum ist ist lokaler, es lebt und ist recht aktiv. Zuletzt auch einige Diskussionen über Zeichenflechten, wie ich sehe...

    Das könnte also etwas bringen, dort damit vorstellig zu werden.

    Sehr gute Idee!


    LG, Martin

  • Kleines Update: ich habe über die BLAM Mailingliste Feedback bekommen: "Bei Flechte 1 (Nordhessen Burgruine) handelt es sich - wie von Ihnen bestimmt - um Arthonia calcarea. Alle gut dokumentierten Merkmale treffen auf diese zumindest im Süden Deutschlands seltene Art zu; in Norddeutschland ist Arthonia calcarea etwas häufiger und vor allem an alten Dorfkirchen zu finden."

    Es handelt sich wohl um den jetzt 2. bekannten Wachstumsort in Hessen.


    D.h. ich muss hier mal die Dorfkirchen abklappern...


    Gruß

    Peter

  • PBR

    Hat den Titel des Themas von „Noch eine saxicole Zeichenflechte“ zu „Noch eine saxicole Zeichenflechte - Arthonia calcarea“ geändert.
  • Hallo Peter,


    super, noch ein Volltreffer: Mit den Lirellenträgern hast du es heraus! ==Gnolm8

    Interessant fände ich noch die Überprüfung, ob der Thallus von A. calcarea J+ blau reagiert, wie es im Wirthschen Schlüssel erwähnt ist.

    Material hast du ja genug.


    LG, Martin