Lichenisiert oder nicht lichenisiert?

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  • Hallo,


    unter den Proben vom letzten Wochenende befindet sich eine interessante weiße Kruste, die sich leider als steril herausgestellt hat und deshalb nicht leicht bestimmbar ist.

    Ich bin mir nicht einmal ganz sicher, ob es sich überhaupt um eine Flechte handelt oder der Pilz nur mit, unter und über diversen Algen lebt.

    Andererseits meine ich zu sehen, dass zumindest ein Teil der Algenzellen von Pilzhyphen umwachsen sind.

    Die Probe weist viele dunkle Fruchtkörperbildungen auf, die sich leider als Pyknidien herausstellten.

    Mehre Anläufe, vermeintliche Perithecien zu analysieren scheiterten an der Tatsache, dass immer Pyknidien vorlagen.


    Zum Fund:

    Direkt am nordwestlichen Seerand (Bleichsees bei Löwenstein) steht ein sehr schmaler Baumgürtel aus Weiden, Pappel, Eichen.

    Einer der Eichenstämme ist auf der Westseite von weißen, flockigen Krusten überzogen, aufgelockert mit kleinen Trentepohlia-Grüppchen, Grünalgen, was dem Ganzen ein buntes Aussehen verleiht.

    Die Kruste färbt sich deutlich orange, wenn sie geritzt oder gequetscht wird, was in einem solchen Fall normalerweise auf eine Flechte mit Trentepohlia als Photobiont hinweist.


    Bild 1 Fundsituation in lichtem Eichenbestand , direkt hinter den Bäumen ist das Seeufer, hinter mit eine Beerenplantage (?) und Wiesen.

    Die Stelle, an welcher eine kleine Probe abgeschält wurde, ist im Anschluss orange gesäumt.


    Bild 2a Weiße Kruste auf Eichenborke, schwarze Pyknidien; freie orange Trentepohlia-Gruppen


    Bild 2b Gleiche Stelle nach Abschälen einer dünne Probe. Die orangen Ränder um die Schnittfläche herum weisen auf Trentepohlia als möglichen Photobionten hin.


    Zuerst meinte ich eine pyrenocarpe Flechte vorliegen zu haben.

    Die Kruste ist weiß, flockig, feucht sehr weich.

    Bereichsweise liegen orange und grüne Algenkolonieen über dem Thallus.

    Ein Teil der dunklen Fruchtkörper wirkt kugelförmig und ist in den Thallus eingesenkt, ein anderer ist eher flach und an Apothecien erinnernd, liegt auf den Thallus auf.

    Der Durchmesser liegt bei 150-200 µm.

    Alle Varianten stellen sich als Pyknidien heraus, die eine Unmenge an zweizelligen, schwach hellbraunen Pyknosporen (Größe 7-8 x 3,5-4,3 µm) beherbergen.

    Bild 3 Probe mit aufsitzenden und eingebetteten Pyknidien


    Bild 4 Flache Pyknidie vor und nach Quetschen im Mikroskop.

    Pynkosporen sind in dicken Schichten bräunlich.

    Das Quetschpräparat reagiert nicht auf KOH: keine Verfärbung der Sporen, Hyphen oder Pyknidienwand erkennbar.


    Die Form der Pyknosporen reicht von regelmäßig elliptisch / zylindrich bis unförmig schuhsolen- und erdnussförmig;

    oft mit einem größeren Öltropfen in jeder der beiden Sporenzellen.

    Meist ist eine leichte Einschnürung am Septum zu beobachten.

    Das Ende mancher Sporen weist eventuell einen sehr kleinen Appendix auf (oder beginnendes Auskeimen?)

    Bild 5 Pyknosporen zweizellig, schwach braun, 7-8 x 3,5-4,3 µm


    Der zuvor weiße Thallus verfärbt sich intensiv orange, wenn er gequetscht wird.

    Auf die üblichen Indikatorflüssigkeiten (C, P, J) reagiert der Thallus negativ.

    Nur K reagiert eventuell gelb(lich), was aber vermutlich durch die gelb-orangen Algen vorgegaukelt wird; das Kontrollpapier wird von der Lösung nicht verfärbt.

    Also: R-!

    Bild 6 Gequetschter Thallus färbt sich intensiv (Trentepholia)


    Der Thallus ist bereichsweise bis 100 mm dick und enthält nur stellenweise Algen.

    Hier Trentepohlia, dort coccoide Grünalgen.

    Eine flechtentypische Schichtung des Thallus ist nicht erkennbar.

    Dennoch wirken die Algenzellen unförmig, weil von farblosen Hyphen umwachsen (lichenisiert?).

    Bild 7 Querschnitt durch Kruste, Algen und Substrat


    Beim Schlüsseln nach Wirth (sterile Krusten mit auffälligen Pyknidien) gelange ich über

    1 Pyk. schwarz - 2* Pyk.träger unverzweigt, auf Rinde - 3* Pyk. nicht gestielt, warzig vorstehend bis eingesenkt - 7* Th. C- - 9* auf Rinde - 10* Pyk. bis 200µm, nicht K+purpurn; Th. nicht gelb-grau

    letztlich zu 11 und dort zum Widerspruch: entweder 11 Sporen septiert, aber fädig, spindelfö. o. keulig und länger als gemessen (> 13µm) oder eben 11* unseptiert.

    Nicht davon passt. Falsch abgebogen bin ich vermutlich nicht.


    Bleibt die wahrscheinlichere Alternative, dass der Pilz gar nicht lichenisiert ist.

    Vielleicht erkennt jemand die Sporenform dieser Anamorphen und hat einen Tipp, wo ich weitersuchen könnte?

    thorben96 vielleicht?


    LG, Martin