Peltigera britannica (?) => P. aphthosa; und Peltigera venosa

Es gibt 7 Antworten in diesem Thema, welches 405 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von KaMaMa.

  • Hallo,


    ursprünglich dachte ich, das sei etwas ganz leichtes.

    Aber wie das bei Erstfunden so ist - es fehlt die Erfahrung, um abschließend sicher zu sein.

    Deshalb stelle ich meinen Fund hier vor, in der Hoffnung, dass jemand die Bestimmung bestätigen oder gerne auch verbessernd in die richtige Richtung lenken kann.

    Trivial ist, dass es sich um eine Peltigera, mit Grünalgen und Cephalodien handelt.

    Es bleiben zwei Peltigera-Arten (P. leucophlebia und P. aphthosa) in der engeren Auswahl.


    Zum Fund:

    An einer Böschung neben dem Wanderweg durchs Ködnitzbachtal an der Südseite des Großglockners-Massivs wachsen große Thalli (um 15 cm) einer intensiv laubfroschgrünen Peltigera.

    Der Fundplatz war in ziemlich genau 2000m Höhe noch unterhalb der Waldgrenze.

    Bild 0 Fundstelle irgendwo vorne rechts


    Die Flechte wuchs unter einem kleinen Abri eines Felsblocks heraus.

    (Weitere Wuchsstellen wurden andernorts gefunden, weshalb ich ein kleines Läppchen mitnahm.)

    Die Flechten sind hier eingebettet in Moospolster über Schiefer.

    Die Lagerränder sind rundlich, wellig und aufsteigend, die am Rand die weißlichen Ränder der Unterseite zeigend.

    Die genommene Lappenprobe hat eine Breite von > 3cm.

    Die Flechte ist steril, Apothecien sind nicht zu erkennen.

    Auf der Oberseite des Thallus befinden sich flächig deutlich sichtbar Cephalodien.

    Bild 1 Grüne Peltigera an schattiger Böschung


    Bild 2 Etwas näher...


    Bild 3 Noch näher, aber leider unscharf, da morgens im Schatten und freihand fotografiert - die dunklen Cephalodien sind dennoch deutlich sichtbar.


    Die folgenden Fotos sind an einer kleinen Probe gemacht:

    Bild 4 Oberseite getrocknet: glatt, mintgrün mit graubraunen Cephalodien


    Bild 5 Nass färbt sich der Thallus wieder intensiv apfelgrün, die Cephalodien braun bis blau-grau (hier nasser Zustand)


    Es kommen Peltigera aphthosa und Peltigera leucophlebia in Betracht, die sich von der Oberseite betrachtet stark ähneln.

    Die Unterseite der Flechte ist auch hier wieder einmal bestimmungsrelevant und ausschlaggebend!

    Im Folgenden Fotos der Flechtenprobe im feuchten Zustand:

    Bild 6 Angefeuchtete Probe im Abendlicht


    Bild 7 Oberseite feucht


    Bild 8 Unterseite im feuchten Zustand


    Bild 9 Unterseite im feuchten Zustand


    Peltigera leucophlebia soll deutliche erkennbare, dunkle Adern besitzen.

    Ich vergleiche mit den abgebildeten Unterseiten bei Italic.

    Die Adern sind dunkel auf weißlichem Grund - dadurch sehr gut erkennbar - und setzen sich vom Rand bis weit in die Mitte des Thallus fort.

    Die Fläche wird hierdurch vom Rand zur Mitte hin sukzessive dunkler.


    So sieht die Unterseite des Flechtenfundes nicht aus:

    Der Hell-Dunkel-Übergang ist hier abrupt, die Adern am Rand zwar erkennbar aber hell (cremefarben) auf hell (weiß), dadurch nicht sehr deutlich erkennbar.

    Am hellen Rand sind deutlich Rhizinien vorhanden, büschelig, erst weiß, dann bräunlich; in der Mitte dunkelbrauner Filz.

    Das Zentrum der Unterseite ist ab einer Grenzzone durchgängig dunkel filzig und ohne erkennbare Aderung und ohne weiße Felder.

    Die Struktur der Unterseite passt recht gut zu den bei Italic gezeigten Fotos (insbesondere das letzte Foto) von Peltigera aphthosa, jedenfalls wesentlich besser als zu den Fotos der Unterseiten von P. leucophlebia.


    Auch die Struktur der Cephalodien soll sich bei beiden Arten unterscheiden.

    P. aphthosa habe im Gegensatz zu P. leucophlebia habe Cephalodien mit planen bis schwach konvexen, glatten Oberseiten und glatteren Rändern, die Cephalodien von P. leucophlebia werden als konvex, hirnförmig, randlich wellig bis kanelliert beschrieben.

    Anbei einige Fotos von Cephalodien des Flechtenfundes.

    Bild 10 Cephalodien


    Bild 11 Cephalodien


    Bild 12 Cephalodien


    Im Großen und Ganzen kommen mir die Cephalodien eher flach und oberseitig plan als konvex vor, aber ich finde das nicht eindeutig genug.


    Trotzdem bin ich der Meinung, das aufgrund der Struktur der Unterseite der Flechte Peltigera aphthosa vorliegen sollte.

    Was ist eure Meinung zu dieser wirklich schönen und seltenen Flechte?


    LG, Martin



    PS:

    Einige Höhenmeter weiter bei knapp 2300m an der Wegböschung auf Erde: Peltigera venosa.

    Bild 13 Fundstelle von P. venosa - man muss schon sehr genau hinsehen! Die größeren Thalli sind gerade fingernagel-groß.


    Hier sollte kein Zweifel bestehen...

    Bild 14 Peltigera venosa


    Bild 15 Peltigera venosa


    Bild 16 Die Unterseite von P. venosa ist fast noch schöner als die Oberseite.

    Diese Flechtenart bildet kleine säckchenförmige Cephalodien auf der Thallusunterseite aus!

  • Hallo Martin, tolle Funde hast du da. Also ich bin da schon bei leucophlebia, die Adern sind doch gut sichtbar, wenn auch nur im weißen Randteil. Ohne diese grünen schon selbst gesehen zu haben.


    Allerdings frage ich mich bei den Peltigera des öfteren, ob das Artkonzept bei den einzelnen Arten nicht von Autor zu Autor genauso stark variiert, wie die Variabilität der Arten. Oder stärker.


    LG, Bernd

  • Guten Morgen Bernd,


    sehr schön gezeigt werden die beiden Arten P. leucophlebia und P. aphthosa von Rolf Wagner auf seiner Seite "Flechten, Moose und Pilze", auf die schon Ingo Sennepilz hingewiesen hat, weil sie gut ist. Ich finde die Unterseite des Fundes passt erheblich besser zu P. aphthosa. P leucophlebia hat sehr deutliche, dunkle Adern, bilden ein dunkles Netz, wodurch die Unterseite allmählich zur Mitte hin verändert, ohne sprunghaften Übergang zu einer geschlossen filzigen Fläche.


    ABER:

    Es gibt eine dritte, ähnliche Art, die im Wirthschen Schlüssel nicht genannt wird, aber sowohl bei R. Wagner auftaucht und auch im französischen Flechtenführer als ähnliche Art bzw. Verwechslungsart genannt wird: Peltigera britannica.


    Eigenschaften

    1) Ablösbare Cephalodien: Zitat "P. britannica... à surface souvent ridée pourvue des fossettes, à céphalodies adhérant au thalle par une zone centrale (peltées) et à bord +/- ondolé et cannelé et decollé du thalle." Die Beschreibung passt sehr gut zu den großen Cephalodien auf dem Fund:

    Bild 17 Große, randlich "kannelierte" Cephalodien; sie sehen wie Miniaturausgaben von Krustenflechten mit Randloben aus. Trockener Zustand.


    Diese Cephalodien können mit wenig Auswand abgelöst werden, was bei P. aphthosa nicht gehen soll, da sie dort flächig am Cortex anhaften.

    Bei Britannica sind sie nur lose verwachsen und leicht ablosbar. Da die Ränder der Cephalodien bei Britannica frei sind und etwas überstehen, ist nach dem Ablösen ein Fleck mit freiliegendem Mark sichtbar, der etwas kleiner als das abgelöste Cephalodium ist.

    Bild 18 Abgelöste Cephalodien neben der kleinen Anwachsstelle.


    Die überstehenden Ränder und die lockere Verbindung zum Thallus sind auch im Querschnitt erkennbar:

    Bild 19 Querschnitt durch ein Cephalodium. Das Cephalodium besitzt überstehende Ränder und ist locker mit dem Thallus verwachsen.


    2) Runzelige Thallusoberfläche von P. britannica wird als "... ridé pourvue des fossettes..." beschrieben, also etwa "faltig durch Vorhandensein von kleinen Gräben".

    Bild 20 Querfaltige Oberfläche (trockener Zustand)


    3) Schwarz filzige Unterseite: Die Unterseite ist bei Rolf Wanger nur randlich gut erkennbar. Dort besitzt sie gut erkennbare, cremefarbene Adern. Die Thallusmitte ist bei Ways of Enlichenment besser gezeigt. Die Mitte ist schwarz filzig ohne sichtbare Aderung. Auch die runzerlige Obeseite ist schön erkennbar. Die Thallusränder sind flatterhaft wellig aufsteigend, fast schon umgerollt, wodurch die randlich weiße Unterseite von oben deutlich erkennbar ist.

    Bild 21 Unterseite mit schwarzem Filz in der Mitte, heller Rand mit büscheligen Rhizinien (trockener Zustand)

    Die Rhizinien sind nicht flaschenbürstenförmig.


    Ich möchte dir deshalb Recht geben - es ist wohl keine P. aphthosa.

    Ich würde mittlerweile eher P. britannica sehen, die Beschreibungen passen meiner Meinung nach am Besten zum Fund.

    Vielleicht ist ja Ingo Sennepilz in der Nähe und möchte sich hierzu netterweise äußern? Er hat sicher eine profunde Meinung zum Thema.


    LG, Martin

  • KaMaMa

    Hat den Titel des Themas von „Peltigera aphthosa und Peltigera venosa“ zu „Peltigera britannica (?) und Peltigera venosa“ geändert.
  • Hallo Martin,


    herzlichen Glückwunsch zu dem tollen Fund. Mit den grünen Peltigera-Arten habe ich nur leider keinerlei Erfahrungen und sie kommen in meinem Exkursionsraum (Ostwestfalen und die angrenzenden Regionen von Niedersachsen und Hessen) auch nicht (mehr) vor.


    Wenn ich die exzellenten Detailfotos deines Fundes aber mit der mir zugänglichen Literatur und diversen Quellen im Internet vergleiche, dann möchte ich deinem Bestimmungsergebnis zustimmen. Das sollte Peltigera britannica sein.


    Die drei Arten (P. aphtosa, P. leucophlebia und P. britannica) sind sich allerdings sehr ähnlich und angesichts der (auch von Bernd betonten) Variabilität vieler Peltigera-Arten nur schwer und unter Vorbehalt einer gewissen Restunsicherheit zu bestimmen. Bei meiner "Recherche" zu den grünen Arten bin ich u.a. auch über ein Zitat aus MacCune, Bruce and Linda Geiser: Macrolichens of the Pacific Northwest. 2nd rev. & expanded ed. 2009 gestolpert, wo dann in Bezug auf die drei erwähnten Arten stand: "Intermediates are fairly frequent." Man wird also auch bei den grünen Schildflechten damit leben müssen, dass sich nicht jeder Fund zweifelsfrei bestimmen lässt.


    Dein zweiter Fund, Peltigera venosa, ist nicht weniger bemerkenswert. Diese Art ist zwar relativ leicht zu bestimmen, aber in Mitteleuropa wohl nur noch in hochmontanen und alpinen Lagen zu finden. Bei mir in NRW stammt der letzte Nachweis aus dem Jahr 1863 (!).


    LG Ingo

  • Hallo Ingo,


    recht herzlichen Dank für deine ausführliche Stellungnahme!

    Ja, die Arten sind nicht einfach und nicht zweifelsfrei unterscheidbar.

    Ich hatte zwischenzeitlich auch in Frankreich angefragt: Dort bekam ich als Meinung P. cf.aphthosa für diesen Fund genannt, wegen der wenigen und zu heilen Cephalodien, wegen des nicht rundlichen Thallusrandes etc. könne das vermutlich nicht Britannica sein.

    Nun, sicher bestimmen geht wohl nicht, das muss auch nicht unbedingt sein.


    Wichtiger ist die Beschäftigung mit der Materie und der Austausch mit anderen, um zu lernen.


    Danke und

    LG, Martin

  • Nachtrag zur Peltigera-Bestimmung:


    in der französischen FB-Gruppe wird der Fund u.a. als typisch Peltigera aphthosa engeschätzt.

    P. britannica hätte deutlich rundliche Loben, mehr und dicht liegende, deutlich schwärzliche Cephalodien, die sich von der Oberfläche abheben (hier in Bild 20 so hell, dass sie kaum zu erkennen sind).


    Da hier, im Gegensatz zur fr. Flechtengruppe, niemand diese Flechtenart aus persönlicher Anschauung kennt, denke ich mittlerweile, es liegt vermutlich eine Peltigera aphthosa vor.


    LG, Martin

  • KaMaMa

    Hat den Titel des Themas von „Peltigera britannica (?) und Peltigera venosa“ zu „Peltigera britannica (?) => P. aphthosa; und Peltigera venosa“ geändert.