Ein leerer Wald

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  • Hallo zusammen,


    Ich bin neu hier und habe ein Thema bei dem man mir vielleicht helfen kann. Oder vielleicht bin ich mit der Ansicht nicht alleine?


    Ich sammle schon seit meiner Kindheit Pilze und kenne in meinem Landkreis und der Umgebung (Baden-Württemberg Nähe Stuttgart) sehr viele Stellen mit vielen Arten von Speisepilzen. Es gab hier noch kein Jahr in dem ich nichts gefunden habe. Nicht einmal nicht verzehrbare Pilze.


    Doch seit 2023 ist das alles anders. Eigentlich geht es hier immer im Sommer schon gut los was Steinpilze, Hexenröhrlinge oder Pfifferlinge angeht. Was hier auch sehr ergiebig vorkommt ist der Sommertrüffel (teilweise ist die Wahrscheinlichkeit Trüffel zu finden hier viel größer als Steinpilze). Aber es geht hier nicht ums Trüffelsuchen.


    Anfang September geht es dann schon langsam los mit den anderen Pilzen wie Täublingen, Waldchampignon, Steinpilzen, anderen Pfifferlingsarten oder auch dem Herbsttrompeten. All diese Pilze kamen hier schon immer in Massen vor. Da hat es gereicht mal kurz nach der Arbeit in den Wald zu fahren und hatte genug Pilze fürs Abendessen. Heute muss ich meine Pilze zum kochen im Einzelhandel kaufen.


    Seit 2023 ist hier eine extreme Flaute die ich bisher so noch nie erlebt habe. Steinpilze sind wie verschollen. Pfifferlinge ebenso. Auch Trüffel gab es vor allem in diesem Jahr an allen Stellen keine, zumindest konnte mein Hund absolut nichts Orten. Es ist natürlich auch selbstverständlich das man nicht jedes Jahr mit einem vollem Korb nach Hause geht.


    Was bleibt ist die große Frage: Wieso?


    Ich kann mir das leider nicht erklären. Hier gab es die letzten beiden Jahre genug Regen, dass Wetter hat gepasst und beim Blick auf die Wetterdaten im Vergleich zu 2020 z. B. Sah es dieses Jahr bisher sogar viel viel besser aus und 2020 da gab es hier Unmengen an Pilzen. Das Wetter würde ich da halt schon Mal komplett ausschließen.


    Liegt es an der Waldpflege oder der Waldkalkung? Vor 2 1/2 ca. Jahren gab es hier Waldkalkungen und seit dem sind die Wälder hier extrem Verkrautet. Wälder die von der Flora her sehr ausgeglichen waren sind nun voll mit Springkraut, Brombeeren, Brennnesseln und vielem mehr. Orchideen die man hier in vielen Buchen-Eichen Mischwäldern gefunden hat sind seit dem auch verschwunden. Die waren immer super Fotomotive. Wenn ich in den Wald gehe fühlt es sich oft an wie ein Dschungel. Es scheint mir als würde niemand diese Wälder pflegen was ich auch sehr schade finde. Vielleicht hängt es auch mit den Waldkalkungen zusammen. Zeitlich passt es ja. Danach waren die Wälder auch voll mit dem ganzen Unkraut.


    Am Ende bleibt natürlich die Unsicherheit und die große Frage wieso hier aktuell absolut nichts wächst. Es gab in der Vergangenheit viel trockenere Jahre und selbst da ist der Wald im September/Oktober förmlich explodiert im Pilzwachstum. Nur dieses Jahr ist es wirklich extrem. Eigentlich ist das Wetter in diesem Jahr perfekt. Aber bisher ist eine gähnende leere im Wald.


    Was meint ihr? Woran könnte das liegen?

  • Guten Morgen


    Bei uns in Brandenburg ist es genau so. kein Pilzwachstum jedweder Art. Noch vor Wochen gab es massenhaft Pfifferlinge, einige Steinpilze Massen an Netzhexen und auch Flockenstieligen Hexen. Krause Glucken konnte ich finden verschiedene Täublinge.

    Seit Wochen kein messbarer Regen, mal 5l, mal 9l und das war es. Seitdem ist absolute Funkstille im Wald.

    Vor einigen Jahren hatten wir auch so eine Trockenphase und dann gab es eine kurze aber heftige Pilzsaison bis in den November hinein.

    Voriges Jahr hatten wir auch Steinpilze unter Schnee.

    Für die nächsten 10 Tage ist bei mir in der Region kein Regen angesagt. Ich befürchte, das wars dann für dieses Jahr.

    Waldkalkung kann ich bei uns ausschließen, zumindest weiß ich nichts von solchen Maßnahmen, ich würde davon erfahren.


    Grüße Frank

  • Hallo Wunderwalde,


    deine Beobachtungen kann ich weitgehend bestätigen. Hier im Mittelhessen ist richtige Flaute, und das seit zwei Monaten. Es gab zwar einen tollen Frühstart und schon Ende Mai und im Juni reichlich Pfifferlinge, aber seit Ende Juli/Anfang August ist Ebbe.


    Nach den reichlichen Regenmengen von Oktober 2023 bis Frühsommer 2024 ist das schwer nachvollziehbar.


    Allerdings haben wir dieses Jahr eine extreme Schneckenplage.


    Die haben dieses Jahr sogar die Pfifferlinge vertilgt, obwohl die sonst von Schnecken eher gemieden werden. Hier im Forum waren Fotos von regelrechten "Schleimlöchern" zu sehen, wo Pilze standen.


    Insgesamt war der Regen in den letzten Wochen sehr ungleichmäßig über Deutschland verteilt. Nicht nur die Gesamtmenge, sondern auch der Zeitpunkt dürfte da eine Rolle spielen. Von daher vermute ich mal, dass es in den nächsten Wochen große regionale Unterschiede gibt. Holzbewohnende Pilze findet man derzeit noch am ehesten, ein paar Krause Glucke konnte ich schon einsacken.


    Beste Grüße,


    Frank

  • Hallo Wunderwalde,


    ich muss zugeben: für mich war das Pilzaufkommen schon immer ein Buch mit sieben Siegeln.


    Klar, bei der höchsten Waldbrand-Gefahrenstufe ist im Wald nichts los. Und generell kommt hinsichtlich Menge und Artenvielfalt mehr im September/Oktober als in anderen Monaten.


    Aber sonst?


    Extrem trockene Frühlinge - klar: keine Morcheln. Extrem feuchtes Frühjahr, auch mit geeignetem Vorlauf zur Morchel-Hochsaison: Nichts :huh:


    Ähnlich empfinde ich es mitunter im Sommer/Herbst.


    Mein subjektiver Eindruck ist: Pilze mögen am liebsten Durchschnitt. Wenn Temperaturen und Regenmengen genau so sind wie im Jahrzehntemittel (vor dem Klimawandel), dann ist das am ergiebigsten. Zu viel Regen mögen sie genauso wenig wie zu viel Hitze. Ob dieser Eindruck wissenschaftlichen Untersuchungen standhalten würde, weiß ich aber nicht.


    Bei uns war es zum Glück so, dass es noch nie einen kompletten Totalausfall gab.


    Auch dir wünsche ich, dass die Pilze bei euch in der Gegend bald sprießen.


    Beste Grüße

    Sabine

  • Im Juli gab es hier das letzte Mal halbwegs vernünftig Pilze, seitdem ist Ebbe. Als Pilzgruppe sind wir oft mit einem Stand bei Volksfesten dabei. Gerade jetzt im Herbst ist es Krampf an halbwegs vernünftige Pilze zu kommen. Es geht insofern gerade noch, weil man dem Pilzsammler diverse Baumpilze und ein paar wenige Ausreisser zeigen kann, während der verdutzte Standard-Sammler sagt "ich finde üüüüberhaupt nix" Und Recht hat er - seit August ist der Wald leer. Die Ausreisser findet man nur, indem man auf spezielle Pilze jagt macht, Regenmengen Apps nutzt und Moorgebiete abklappert. Wenn ich in den "normalen" Wald gehe, dann ist da gähnende Pilzleere. Nur hin und wieder scheint eine Art nicht länger warten zu können und bricht dann durch. So kamen nach einem Regenguss vor 2 Wochen mal ein paar Glucken in einem begrenten Gebiet oder jetzt aktuell gerade Boviste/Stäublinge (z.b. Birnen). Aber das ist natürlich kein Pilze sammeln, sondern eher aufspüren/jagen.

    Etwaige Bestimmungen meinerseits sind mit keiner "Verzehrfreigabe" verbunden. Bitte sucht hierfür einen Sachverständigen auf, der sich die Pilze vor Ort genau ansehen und sie hinsichtlich Verzehr viel besser bestimmen bzw. ihren Zustand bewerten kann.

    Einmal editiert, zuletzt von durnik ()

  • Ich war gestern auch mal wieder eine große Runde im Wald drehen (Sachsenwald, HH/SH). Und auch hier ist es fast pilzleer. Und überhaupt, der Anblick der Bodenvegetation war schon schlimm. Wohin man auch blickt, alles braun und trocken. Und sehr licht in vielen Bereichen. Man kann vielfach vom Weg aus in die sonst zugewachsenen Baumbestände hinein- und hindurchsehen (bei wohl vorwiegend Nadelbäumen). Mir scheinen da auch viele junge Bäume den Löffel abgegeben zu haben. Ich bin aber leider nicht firm genug das zu beurteilen. Auffallend diesbezüglich waren auch die vielen Holzstapel der Baumverwerter mit dünnem Holz. Dicke Stämme sah ich fast gar nicht. Hängt vielleicht zusammen?


    Den Rückgang des Pilzwachstums meine ich hier aber schon einige Jahre beobachten zu können. Schleichend aber stetig. Durch das Massenwachstum mancher Arten hin und wieder fällt es vielleicht nicht so auf.


    Was denke ich über die Gründe?

    Ich vermute daß so kleine "Kipppunkte", die nicht im öffentlichen Gesprächsfeld der Klimakrise kommuniziert werden, angekratzt werden. Jeder weiß von dem gewaltigen Rückgang der Insekten, dem Rückgang der Vogelpopulation, sollte auch wissen vom kommenden Absterben vieler Bäume, dem Rückzug vieler heimischer Baumarten in eigentlich recht kurzer Zeit. Auch die Bodenproblematik durch Landwirtschaft etc. ist vielen ein Begriff. Daß die Natur miteinander irgendwie mit allem und jeden irgendwie miteinander verbunden ist und sich gegenseitig auch braucht, weiß man ebenfalls. Aber da haut die Menschheit eben weiterhin ihre Lücken rein, alleine dadurch wie Mensch lebt und wirkt auf diesem Planeten. Er wird sich auch nicht ändern, bin ich überzeugt. Mensch gibt nicht freiwillig her was er sich erstmal angeignet hat. Mensch will sich nicht selbst zurücknehmen, weniger verdienen, schlechter wohnen, schlechter essen, schlechter leben. Was er hat, will er nicht wieder hergeben. Und je besser es ihm geht desto weniger wird er dazu bereit sein. Mensch strebt nach mehr, Vernunft hin oder her.

    Und so wird es weiter laufen!!!


    Zurück zu dem kleinen Kipppunkt.

    Man merkt, glaube ich, daß das Wegbrechen diverser Konstanten in der Natur (wie die erwähnten Insekten etc.) zu Reaktionen führen. Die üblichen Abhängigkeiten untereinander funktionieren nicht mehr wie sie sollten. Und damit muß jeder in diesem gemeinsamen Netz klar kommen. Und damit ändert sich vieles. Wahrscheinlich auch die Beziehung zwischen Pflanze und Pilz. Ganz sicher aber, und das haben viele nicht auf dem Schirm, die ganz kleine unscheinbare Welt, die in Wirklichkeit doch so riesig ist. Die Mikroben, Bakterien und all das winzig kleine Leben in unseren Böden und der weiteren Natur. Und wir kennen nur so wenig davon überhaupt.

    Ich befürchte, daß auch dort die funktionierenden Abläufe gestört sind. Abläufe, die uns nichtmal klar oder überhaupt bekannt sind. Dabei sind sie essentieller Bestandteil des Lebens.

    Wenn es dort nun zu großen Veränderungen gekommen sein sollte, weil vielleicht auch dort ein Artensterben oder ähnliches einen gewissen Punkt erreicht haben könnte, dann wirkt sich das auch irgendwann aus. Vom kleinsten zum Größten.

    Ich könnte mir vorstellen daß wir damit gerade erste Bekanntschaft machen. Die Leben im, am und auf dem Boden bemerken ihre Probleme und müssen versuchen damit klar zu kommen. Die Mikroorganismen, die kleinen Bodenbewohner, die Insektenwelt, die kleinen wie größeren Tiere, der Pilz, der Farn, der Baum, ... der Mensch. Zu Wasser gilt das natürlich auch.


    Daran denke ich derzeit. Und jedes Lebewesen versucht sich anzupassen, muß an sich denken.

    Könnte so´n Ding sein gerade. Der Versuch zurechtzukommen.

  • Hallo, ja das selbe Bild aus Österreich / Steiermark, zuerst zu heiß im August und zu trocken, dann jetzt das Mega Unwetter und zu kalt, aber warum wachsen dann keine Pize mehr, wie ausgelöscht, nur wenn man auf die Alm fährt dann findet man ausschließlich Eierschwammerl / Pfifferlinge .. ich sehe seit Wochen nur noch gelb, Ich gehe mindestens 1x pro Woche in unterschiedliche Wälder, überall das selbe Bild, leergefegt .... :(

  • Hallo Miteinander,

    auch hier in der Gegend sind die Wälder zum Teil richtig leer. Schon letztes Jahr war es so - irgendwann mal Mitte Oktober/Anfang November kamen ein paar Röhrlinge.

    Dieses Jahr konnte man Morcheln, Maipilze usw. früher als sonst (ca. 2-3 Wochen) finden. Im Juni sah ich einige typische Herbstpilze.... Danach - nichts mehr. Röhrlinge? 2-3 schwarzhütige Steinpilze, ein paar Schönfüße - sonst nichts. Ach ja, nur Pfifferlinge gab es bis zum Abwinken.


    In den letzten 2 Wochen: hier und da ein paar Täublinge, einige Semmelstoppeln, ein paar Baumbewohner, gestern erstaunlicherweise 2 Herkuleskeulen, ab und zu ein paar Mehlräslinge und bleiweise Trichterlinge, einige Helmlinge und sonstige Minis (Käsepilzchen und so). Im Nadelwald auf ca. 900 Höhenmeter unter einem Baum schaute 1 kleiner Steinpilzkopf aus dem Moos.


    Ansonsten ist der Waldboden sehr weich, die Blätterschicht ziemlich hoch. Das Moos ist eigentlich saftig grün, die Wiesen auch. Das Wetter ist zur Zeit auch ok - bis Mai gab es viel Regen, dann eine Zeit der Dürre - seit einigen Wochen ein Wechsel von Regen- und Sonnentage. Die Temperaturen waren letzte Woche ziemlich im Keller - seit einigen Tagen wieder "normal".


    Das ganze finde ich deprimierend und beängstigend. Warten wir ab und schauen, was die Zukunft bringt - es bleibt ja nichts anderes übrig.


    Viele Grüße aus Lörrach

    Dodo

    Die Welt ist schön, weil sie bunt ist==Gnolm16

    "Mit dem Leben ist es wie mit einem Theaterstück. Es kommt nicht darauf an, wie lang es ist, sondern wie bunt"

    (Lucius Annaeus Seneca)

  • Hallo Wunderwalde,


    wenn man den Wald kalkt, verändert man die gesamte Grundlage des Ökosystems, viele Arten machen das nicht mit, stattdessen gefällt das anderen. Das ist eine Kalamität, nicht viel anders als ein Waldbrand oder eine lange Überschwemmung oder Umpflügen. Anschließend entwickelt sich das Biotop neu, mit einer völlig anderen Artzusammensetzung. Anfangen tun dabei die Pionierpflanzen "Unkraut". Die meisten bisherigen Pilzarten machen das nicht mit und bis sich neue etabliert haben, dauert es etwas - bis dahin ist dann aber die Kalkwirkung weg oder eine neue Behandlung erfolgte, oder Kahlschlag oder oder, der Wald hat dann keine Zeit sich zu entwicklen und eine gewisse Artenvielfalt herauszubilden. Bzw. man erhält eine Artenkollektion von solchen Arten, die mit den ständigen Veränderungen klarkommen.


    Dass auch an sonst unveränderten Standorten die Pilze im Jahr und von Jahr zu Jahr variieren ist normal, einerseits wetterbedingt andererseits hält sich ja in der Folklore auch die Position, dass man bestimmte Mondphasen braucht. Wie auch immer, dass man Pilze vielfach nicht verstanden hat, sieht man ja schon daran, dass man nur recht wenige Arten züchten kann und die anderen sich solchen Versuchen entziehen.


    Die Rolle der Insekten ist wohl auch nicht zu vernachlässigen, diejenigen, die in Pilzen ihre Larvalentwicklung haben, sind sicher auch an der Verbreitung der Sporen beteiligt. Allerdings stehe ich der Behauptung eines generellen Insektenschwunds skeptisch gegenüber. Was man hat, ist die Vernichtung der Lebensräume vieler Insekten (Wiesen und Weiden weil die Tierzucht in Ställe verlagert wurde oder gar abgeschafft werden soll), Ackerstreifen, Raine, weil die Äcker größer werden. An den entsprechenden Stellen verschwinden die für solche Biotope typischen Insekten und alles was in der Fresskette folgt.


    LG, Bernd