Vielleicht Peltigera malacea → P. neckeri

Es gibt 6 Antworten in diesem Thema, welches 388 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von kruenta.

  • Moin,


    am Waldrand ist mir mal wieder eine Peltigera untergekommen, die zu den bekannten nicht zu passen scheint. Auffällig ist das Fehlen von Adern unterseits. Oberseits ziemlich glatt. Relativ großlappig fast wie canina.

    die hier ganz links in grünlich

    Wenn ich beim Schlüsseln nach glatter Oberseite gehe, komme ich zu elisabethae, die auszuschließen ist, weil die Rhizinen nicht konzentrisch angeordnet sind. Oder aber zu deren Verwechslungsart P. neckeri, die aber unterseits dunkel sein sollte.


    Also den anderen Weg, mit haariger, rauer Oberseite, dann kommt man zu P. malacea - was ja wahrscheinlich auch die Art ist, die man am ehesten erwartet, wenn man keine Adern unterhalb hat. Allerdings heißt es bei der, dass die nur selten Apothecien habe, was ja hier nun gar nicht zutrifft, und auch das Fehlen von Rhizinen ist nicht zu beabachten. Diese sind ziemlich kurz und büschelig.

    Es scheint vereinzelte Härchen oberseits zu geben (links unten und oben rechts unter dem Apothecium)


    Mit lichenicolem Besatz


    Etwa 20 m noch ein weiterer Flecken, der evtl. dazugehören könnte, diesmal ohne Apothecien,

    LG, Bernd

    Pilze aus Litauen, sofern nicht anders angegeben.

    Einmal editiert, zuletzt von kruenta ()

  • Hallo Bernd,


    ich wäre eher bei P. hymenina: Die Thallusränder steigen flatterig auf, der Thallus ist ohne Filz, die Unterseite randlich ockerbraun, Adern nur angedeutet zu erkennen.

    Ferner heißt es: Apothecien an kurzen Lappen (also ohne lange, fingerartige Auswüchse).

    Vermutlich ist der Thallus in feuchtem Zustand relativ schaff und weich.


    Was meinst du dazu?


    LG, Martin

  • Hallo Martin, man kann das ja nie ganz ausschließen. Aber von der P. hymenina [neckeri] habe ich mittlerweile auch einen ganzen Batzen gefunden. Das sieht schon noch mal anders aus. Nirgends so ganz ohne Adern und eher nicht so hell bleibend. Die Apothecien sind zudem, wenigstens vielfach, direkt am Lappen ansitzend ohne gefingert zu sein. Etwa bei dem zweiten Exemplar sind vier (junge) Apothecien am Rand - da war ich noch mal nachschauen und musste dann den Text korrigieren, weil man die Apothecien auf den Fotos nicht sieht, wenn man weiß dass sie da sind aber erahnen wo. Oberseitig heißt es, dass es da nur vereinzelte/winzige Haare gibt. Von Filz ist da keine Rede "smooth or often thinly scabrid-tomentose with erect hairs especially towards the lobe margins, usually glabrescent in the central part." (Fungi of Great Britain and Ireland). Falls das trotzdem hymenina sein sollte, dann nur in der Variation "neohymenina+". Ich werd die Tage nochmal Bilder von trocken und nass einstellen.


    LG, Bernd

  • Hallo Bernd, hallo Martin,


    auch wenn Fotos täuschen können, so bin ich mir hier doch ziemlich sicher, dass es sich um Peltigera neckeri handelt. Der Fundort inkl. der Vergesellschaftung mt P. canina, der typische Habitus mit den teilweise nach oben umgeschlagenen Lappen, die auf mich recht steif und starr wirkenden (dicklichen) Thalli, die kurzen, gebüschelten Rhizinen (ein sehr wichtiges Merkmal), die an kurzen Lappen sitzenden Apothecien (jung noch rotbraun, etwas älter dann schon dunkelbraun, siehe Foto 3) und die schwache Bereifung an den Lappenenden, da passt doch eigentlich alles.


    Auf jeden Fall ist P. neckeri nicht auszuschließen, nur weil die Unterseite mal nicht ganz so dunkel ist, wie man es vielleicht erwartet. Es ist auch im vorliegenden Fall immer noch eine Unterseite, die nach meinen Erfahrungen viel mehr zu P. neckeri tendiert als zu P. hymenina.


    Anders sieht es bei der zweiten Peltigera (der in 20 m Entfernung) aus, da geht es schon mehr in Richtung P. hymenina. Die Fotos dieses Fundes geben aber insgesamt nicht genug her, um eine Artdiagnose abzugeben.


    Bin auf weitere Fotos gespannt.


    LG Ingo

  • Hallo Ingo, hallo Martin,


    vielen Dank für Eure Meinungen. Also Martin hatte Recht, dass die Lappen ziemlich dünn sind und im feuchten Zustand recht labil sind. Allerdings ist das eine Eigenschaft, die selten quantifiziert wird, nur bei P. malacea, habe ich gestern irgendwo gesehen, stand, dass die ziemlich kräftig, um 1,5 mm dick, sein soll. Das trifft hier nicht zu. allerdings meint die hiesige Literatur (1998), dass P. malacea zu den häufigeren Arten zählen soll. Ob das so noch Bestand hat, bin ich mir nicht sicher, da um diese Zeit viele Daten noch standorttreu(Sitz von Instituten, Museen, Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln) erfasst wurden und vielfach nur den Großraum Vilnius widerspiegeln.

    Also eher nicht P. malacea, womit neckeri und hymenina überbleiben, oder irgendwelche neo-Abspaltungen. Im trockenen Zustand, noch keine Fotos, die gibts morgen bei Tageslicht, kann ich keine Behaarung an dem Lappen erkennen.

    Gestern waren die Arten in unterschiedlicher Farbe aufgrund unterschiedlichem Feuchtigkeitsgehalt anzutreffen, weswegen sie mir aufgefallen war. Heute, nach Regen, ist sie ähnlich grün wie rufescens rechts. Dass die gesuchte Art gestern grüner als rufescens und damit wohl feuchter war, würde ich in der größeren Kapazität für Wasseraufnahme sehen (was ja experimentell zu be- oder widerlegen wäre, also jedenfalls die Trocknungsdauer nach Vollbad). Das ist von Nr. 1.

    Die Fotos bringen erstmal keine neuen Erkenntnisse, also jedenfalls für mich.

    Es ist definitv so, dass auf es auf meinen Wiesen, und mehr noch auf den Weiden, mehr Peltigeras werden. Die Beweidung mit Schafen scheint dem sehr zuträglich zu sein, gerade magere Stellen mögen die und knabbern die dort vorhandenen dünnen Kräuter ab (außer so aromatisches Zeug wie Thymian, Dost, Sandstrohblume oder Golddistel), sodass offener Boden bestehen bleibt (mal abgesehen davon, dass der kalkhaltige magere Boden wohl beste Voraussetzungen bietet). Auch die gelegentliche Mahd mit Trommelmäher, der auf dem Boden geschleift wird und deswegen oft als suboptimal bzgl. Tierbestand angesehen wird, gegenüber einem Balkenmäher, scheint nicht zu schaden. Also den Flechten sicher nicht und dem Insektenbestand auch nicht. Zudem ist gerade dieser Bereich etwas höher gelegen (was man hier so Hügel nennt) und in Hauptwindrichtung offen - da das vor 35 Jahren noch Acker war, müssen die ganzen Flechten ja irgendwoher gekommen sein.


    Hier auf Peltigera ein Laufkäfer, Bembidion cf. quadrimaculatum, ca. 4-5 mm groß


    LG, Bernd

  • Hallo Bernd,


    die neuen Fotos bestärken mich in der Annahme, dass es sich nur um Peltigera neckeri handeln kann. Du zeigst jetzt auch explizit die für P. neckeri typischen Risse und Brüche in den Thalli (das dritte der neuen Fotos) und man erblickt auf diesem Foto auch wieder die kurzen gebüschelten Rhizinen auf der Unterseite des Lappens.

    Hier ein Foto von typischer P. neckeri aus dem Sommer, nach einer längeren, recht trockenen Phase mit geringem Wachstum.


    Auffällig sind die recht derben, dicklichen Thalli mit zahlreichen Rissen und die büscheligen Rhizinen an den umgeschlagenen Unterseiten.


    Dein Fund vermittelt vom Habitus einen etwas anderen Eindruck, allerdings waren die Thalli wohl auch anderen (feuchteren) Umweltbedindungen ausgesetzt und befanden sich im intensiven Wachstum, zu erkennen auch an den noch recht jungen und in der Entwicklung befindlichen Apothecien.


    Ich habe dann heute mal nach den Peltigera neckeri in meinem Garten geschaut (ich habe dort diverse Peltigera-Arten angesiedelt) und war selber überrascht wie stark sie sich in Folge des sehr regenreichen Sommers verändert hatten. Das Foto spricht für sich:


    Die Thalli sind verblüffend groß und eher dünn, auf der Unterseite sind kaum Adern erkennbar und die Rhizinen sind recht schwach entwickelt. Außerdem setzt gerade die Entwicklung der Apothecien ein.


    Wenn ich zunächst noch bei deinem zweiten Fund (die in 20 m Entfernung) unsicher war und P. hymenina nicht ausschließen wollte, so denke ich jetzt, dass alles was du hier gezeigt hast, P. neckeri ist.


    Noch kurz zur Dicke der Peltigera-Thalli, diese ist in erheblichem Maße von den Umweltbedingungen abhängig und für Peltigera neckeri findet sich bei

    https://www.researchgate.net/publication/237165429_Synopsis_of_the_genus_Peltigera_lichenized_Ascomycetes_in_British_Columbia_with_a_key_to_the_North_American_species


    in der Tabelle 6 die Angabe: "(thin to) thick". Die Thalli von P. neckeri müssen also nicht unbedingt "dick" sein. Was ist nun "thin" oder "thick" in µm? Dazu findet sich in der umfangreichen Publikation einleitend die folgende Erläuterung:


    "Lobe thickness is correlated to a considerable extent with environmental conditions and can also be species specific. Thalli may be classified as either membranous (i.e., less than 200 pm), thin (between 200 and 400 pm), thick (i.e., between 400 and 1000 pm), and very thick (i.e., over 1000 pm). Measurements should be taken on thalli in a moist condition."


    Die meisten Peltigera-Arten weisen eine Thallus-Dicke von 200 bis 300 pm (µm) auf. Präzise Messungen gibt es wenige, aber z.B. hier:

    https://www.annbot.net/PDF/anbf33/anbf33-223.pdf (Anatomical study of Peltigera canina, P. membranacea and P. praetextata).


    Für P. neckeri habe ich keine Angaben gefunden, nach meinen bisherigen Beobachtungen reicht die Spanne aber bei dieser Art von ca. 250 µm bis über 500 µm (geschätzte Werte). Das ist eine recht große Spanne, passt aber zu der Angabe in der oben angeführten Publikation über die nordamerikanischen Arten. Unter durchschnittlichen Bedindungen und an eher trockenen Standorten sind die Thalli relativ dick, aber die Art kann (unter anderen Bedindungen) offensichtlich auch recht dünne Thalli entwickeln. Damit einhergehend können zusätzlich auch die Unterseiten sehr unterschiedlich aussehen. Zitat aus der obigen Synopsis: "Peltigera neckeri is highly variable".


    LG Ingo

  • Hallo Ingo, na diese Fotos von Dir sehen ja den meinigen sehr ähnlich.


    Erstmal habe ich noch die Bilder von Nr. 1 in trocken, oberseits erscheint mir das glatt, wobei die nicht eingekrausten (wie bei rufescens oder ponojensis), sondern eingerollten äußeren Lappenteile das vielfach abdecken bzw. beschatten. Mittig grau, nach außen mit blauem Stich.

    Unterseits fehlen Adern, nur ganz vereinzelt sind die "Aderzwischenräume" zu erkennen. Die äußeren büscheligen Rhizinen sind kaum 1 mm lang, die inneren bleiben auch unter 2 mm.

    Bei Nr. 2 war ich mir nicht sicher, ob das alles zusammengehört, aber wenn ich mir Deine Bilder anschaue, dann sieht man da auch (ganz links mittig und links oberhalb des umgedrehten Lappens), dass die Außenkante nach unten gebogen ist, so wie man das regelmäßig bei canina antrifft. Der gleiche Lappen wie vordem, der war aus irgendwelchen Gründen lose, diesmal so, dass man auch die (ziemlich jungen) Apothecien sieht

    an der Rosette sind teilweise solche nach unten gebogenen Außenkanten zu sehen, aber auch hier mit Rissen


    Ich werde die dann als P. neckeri ablegen, herzlichen Dank!


    LG, Bernd

  • kruenta

    Hat den Titel des Themas von „Vielleicht Peltigera malacea“ zu „Vielleicht Peltigera malacea → P. neckeri“ geändert.