Unterschied Champignons, Ackerlinge und Träuschlinge

Es gibt 12 Antworten in diesem Thema, welches 707 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Pilzfreund77.

  • Liebe Pilzfreunde,


    ich habe heute einen kleinen Pilz m.E korrekt als Krönchenträuschling bestimmt. Ich erspare Euch die schlechten Fotos hierzu, mir gehts auch um etwas anderes: Den Pilz zu identifizieren, befriedigt mich nicht. Mir fehlt auch im ansonsten tollen Kosmos-Handbuch von Gminder der Hinweis, was die Unterschiede zwischen den Familien innerhalb einer Ordnung makroskopisch ausmacht, und dann wiederum, was die Gattungsunterschiede exakt definiert. Über die Systematik "finde" ich zwar die Art. Und ich "sehe" mittlerweile meist auch schon im Feld, ob es sich um einen einen Champignon, Ackerling oder Träuschling handelt. Nur: ich kann nicht genau definieren, woran ich das sehe. Was grenzt den Champignon exakt und makroskopisch von den Träuschlingsverwandten ab? Etwa die Lamellenfarbe, oder etwas anderes? Und wenn Lamellenfarbe – stimmt das immer? Und dann weiter: innerhalb der Familie der Träuschlingsverwandten, was grenzt da makroskopisch eindeutig den Träuschling vom Ackerling ab - die schiere Farbenpracht? Usw. ... Über einen Hinweis, wie ich mir in diesen und ähnlichen, eher grundsätzlichen Fragen ohne Mikroskop mehr Klarheit verschaffen kann (Literatur z.B.?) wäre ich sehr dankbar … den so einfach einen Pilz als Art "erkannt" zu haben, macht mir noch nicht so viel Freude.


    Herzlich

    Pilzfreund77

  • Hallo Pilzfreund77,


    Champignons: typischerweise dickfleischige, dickstielige Pilze, oft mit Geruch nach Anis, Marzipan oder auch Karbol/Tinte, oder mit "typischem Champignongeruch", den man in jedem Supermarkt problemlos testen kann, Hut meist weiß, seltener braun oder braunschuppig, Stiel weiß. Lamellen jung rosa. Sporenpulver dunkel schokoladenbraun wie Bitterschokolade. Fleisch verfärbt nach Malträtierung gelb oder rot, selten orange.


    Ackerlinge: ziemlich dünnfleischig/dünnstielig, Geruch mehl- oder kakaoartig, Hutfarbe von weißlich über gelb nach braun reichend, Stiel oft dem Hut gleichfarbig, meist gelblich. Stielring häutig-fetzig. Lamellen nie rosa. Sporenpulver schmutzig braun, erdbraun, tabakbraun.


    Träuschlinge: ziemlich dünnfleischig/dünnstielig (Ausnahme: Rotbrauner Riesenträuschling). Geruch oft leicht rettich-/radieschenartig. Hut oft schmierig-schleimig, Hutfarben sehr variabel. Stielring gerieft/gerippt. Lamellenfarbe grau, oft mit lilafarbigem Stich. Sporenpulver dunkel lilagrau.


    Mikroskopisch sind große Unterschiede da, willst du die auch wissen?


    FG

    Oehrling

    PSVs dürfen weder über I-Net noch übers Telefon Pilze zum Essen freigeben - da musst du schon mit deinem Pilz zum lokalen PSV!

  • Lieber Oehrling,


    Ganz herzlichen Dank für deine Antwort! Das mag sich jetzt sehr penibel anhören, aber in gewisser weise beschreibt Deine Antwort genau mein Problem: Wenn der Hut des Champgignons "meist" weiß ist, er "oft" nach Anis riecht, usw., dann sind es eben deshalb nicht die definitiven Abgrenzungsmerkmale. Ich verstehe schon, dass es um die Kombination vieler Merkmale geht - aber das absolute Alleinstellungsmerkmal auch in deiner Auflistung sind die rosa Lamellen, oder? In dieser Art suche ich für mich nicht die allgemeinen Beschreibungen über das, was "oft" oder "meist" zutrifft, sondern die zwingenden Abgrenzungen … mir ist auch klar, dass sich diese Fragen überall, und so auch hier, vom Makro- ins Mikroskopische verschoben haben, aber die Einteilungen müssen ja mal makroskopisch begonnen haben …


    Herzliche Grüße

    Pilzfreund77

  • In dieser Art suche ich für mich nicht die allgemeinen Beschreibungen über das, was "oft" oder "meist" zutrifft, sondern die zwingenden Abgrenzungen

    Nun, wir haben es hier mit der Natur zu tun und nicht mit Menschengemachtem. Zwingende Abgrenzungen findest du in der Mathematik oder der Jurisdiktion, aber nicht in der Pilzkunde. Dazu ist die Pilzwelt noch viel zu unerforscht.

    Wenn alles so klar und einfach wäre, bräuchte man nicht 20 Jahre, um bei Pilzen wirklich durchzublicken.

    FG

    Oehrling

    PSVs dürfen weder über I-Net noch übers Telefon Pilze zum Essen freigeben - da musst du schon mit deinem Pilz zum lokalen PSV!

  • In dieser Art suche ich für mich nicht die allgemeinen Beschreibungen über das, was "oft" oder "meist" zutrifft, sondern die zwingenden Abgrenzungen

    Nun, wir haben es hier mit der Natur zu tun und nicht mit Menschengemachtem. Zwingende Abgrenzungen findest du in der Mathematik oder der Jurisdiktion, aber nicht in der Pilzkunde. Dazu ist die Pilzwelt noch viel zu unerforscht.

    Wenn alles so klar und einfach wäre, bräuchte man nicht 20 Jahre, um bei Pilzen wirklich durchzublicken.

    FG

    Oehrling

    Lieber Oehrling,


    ja, vielleicht suche ich etwas, was ich so gar nicht finden kann. Ich verstehe schon: Charakterisieren, statt definieren. Andererseits: Wenn der Pilz rosa Lamellen hat, ist es definitiv kein Ackerling. Das wäre also schon zwingend. Schreibst Du selbst. Aber wenn er einen weißlichen Hut hat, ist Champignon zwar wahrscheinlich, aber es ist nicht zwingend kein Ackerling. Das wäre also kein sicheres Abgrenzungsmerkmal ...


    Nun, jedenfalls werde ich meine Frage wohl die nächsten 20 Jahre, wenn ichs denn solange mache auf diesem Planeten, selbst ergründen müssen und abwarten, ob und gegebenenfalls welche eindeutigen Begriffe hier (makroskopisch) möglich sind …


    HG

    Pilzfreund77

  • Hallo Pilzfreund,


    ich habe schon öfters Leute den Rissigen Ackerling mit einem Champignon verwechseln sehen, das ist also keinesfalls außerhalb der Welt.

    Freilich gibt es auch noch etliche mikroskopische Merkmale zur Unterscheidung von Champignon, Ackerling und Träuschling. Z. B. sehen Champignonsporen extrem anders aus als Ackerlingssporen und die nochmal anders als Träuschlingssporen, und Träuschlinge haben Chrysozystiden, die Ackerlinge oder Champignons nicht haben. Also da gibt es schon recht harte Kriterien der Abgrenzung. Aber die kannst du erst dann richtig würdigen, wenn du mikroskopierst - und das kostet aber mal richtig Zeit und Geld..


    FG

    Oehrling

    PSVs dürfen weder über I-Net noch übers Telefon Pilze zum Essen freigeben - da musst du schon mit deinem Pilz zum lokalen PSV!

  • Hi,


    bis jetzt ist ein wichtiges Merkmal zu kurz gekommen, nämlich die Spp-Farbe. Die sollte bei alles 3 Gattungen schon unterschiedlich sein.


    l.g.

    Stefan

    Risspilz: hui; Rissklettern: bisher pfui; ab nun: na ja mal sehen...


    Derzeit so pilzgeschädigt, das geht auf keine Huthaut. :D


    Meine Antworten hier stellen nur Bestimmungsvorschläge dar. Verzehrsfreigaben gibts nur vom PSV vor Ort.


    PSV-Prüfungstemine 2024: hier

  • Deine theoretischen Überlegungen/Fragen finde ich sehr bemerkenswert; weil ich einmal meinen persönlichen Pilzschlüssel erstellen wollte, kommen mir solche Reflexionen auch vertraut vor. Der ganz große Pilzexperte bin ich nicht, aber vielleicht helfen dir die folgenden Ausführungen trotzdem ein bisschen weiter:


    Zunächst ist das, was du dir wünschst, nämlich einzelne, eindeutige Unterscheidungsmerkmale, vermutlich das, was sich jeder wünscht - was es aber leider selten gibt. Manchmal existieren solche Merkmale, in den weitaus häufigeren Fällen aber eben nicht.


    Eine Pilzgattung hat meist ein ganzes Konglomerat von ÜBLICHEN Merkmalen, die auf konkrete Arten zwar MEISTENS zutreffen, aber es gibt eben meist kein Merkmal, das für ALLE Arten der Gattung zutrifft - und das sie zugleich von allen Arten AUSSERHALB der Gattung unterscheidet.


    Es führt also meist kein Weg daran vorbei, auf mehrere, auf verschiedene Merkmale zu achten. Deshalb erscheinen mir die üblichen Bestimmungsschlüssel auch nicht ganz zweckmäßig, weil sie mit Gewalt die Komplexität der (Pilz-)welt auf eindeutige "ja" - "nein" Entscheidungen herunterbrechen wollen. Das mag mit viel Verbiegungen sogar halbwegs funktionieren, aber das macht diese Schlüssel hochkomplex und wenig praktikabel und vor allem unintuitiv.


    Außerhalb der Pilzwelt funktioniert das Erkennen übrigens auch nicht nach dieser Methode! Eine Person z.B. erkennt man ebenfalls nicht an dem EINEN, eindeutigen Merkmal - und kommt im Übrigen auch gar nicht auf die Idee, dergleichen zu versuchen. Oder nehmen wir das Beispiel Automodelle: Fast jeder weiß, wie ein VW-Käfer ausschaut und würde einen solchen problemlos auf der Straße erkennen. Aber gibt es das EINE Merkmal, das den Käfer sicher von anderen Autos unterscheidet? Und selbst wenn es ein solches Merkmal gäbe: Kaum ein Mensch ginge so vor, dieses eine Merkmal heranzuziehen, um einen Käfer zu erkennen. Das wäre einfach weltfremd und unpraktikabel. Warum man es bisweilen bei Pilzen so versucht (auch ich übrigens) ist eine Frage, die ich noch nicht ganz zu Ende reflektiert habe. Wahrscheinlich geht man nur in Situationen so vor, solange man sich noch gar nicht gut auskennt. Und wer kennt sich mit den Geheimnissen der Pilzwelt schon gut aus...?


    Also MEHRERE Merkmale beschreiben normalerweise eine Pilzgattung, nicht ein einziges. Und wenn man sie kennt und tausendmal gesehen hat, dann erkennt man einen Champignon (meist) intuitiv und zwar selbst dann, wenn ein einzelnes Merkmal dem Idealbild eines Champignons krass widerspricht.


    Erschwerend kommt übrigens hinzu, dass die Definition vieler Pilzgattungen noch lange nicht abgeschlossen ist. Wie soll man z.B. "Rüblinge" erkennen, wenn die Wissenschaft sich noch gar nicht einig ist, was ein Rübling genau ist und ob es diese Gattung überhaupt gibt??


    Aber um auch eine kleine konkrete Hilfe zu leisten: Die von dir genannten Gattungen kann man, finde ich, recht einfach voneinander abgrenzen (bei anderen ist es viel schwieriger). Champignons haben freie Lamellen, bei den beiden anderen Gattungen sind die Lamellen am Stiel angewachsen. Das Sporenpulver (und damit auch die Lamellen bei ausgewachsenen Exemplaren) sind bei Träuschlingen fast schwarz, bei Ackerlingen braun.

  • Hallo in die Runde,


    das Problem kommt mir bekannt vor...


    Zwei Gedanken bzw. sich daraus ergebende Fragen, die mir dazu noch durch den Kopf gehen:


    Vermutlich ist es bei dir dazu schon "zu spät", mir hat für den Einstieg aber sehr geholfen, mich von den wissenschaftlichen Gattungen zu verabschieden und zu Formgruppen überzugehen, also Pilze anhand ihrer Form/Aussehen und insbesondere Sporenpulver zu charakterisieren, und mir dann Schritt für Schritt anzusehen, welche wissenschaftlichen Gattungen in jeder Form vorkommen. Und im ersten Schritt stark zu vereinfachen, also bspw. war alles mit *- weissem Sporenpulver im Rüblinghabitus eben ein Rübling, und Rübinge hatte ich als Saprophyten abgelegt. Dass die Gruppe in Collybia, Gymnopus und viele weitere zerfällt, diese alle gar nicht näher verwandt und teilweise parasitisch leben, und es dann noch diverse "Ausreißer" gibt, die ich in eine andere Formgruppe gepackt hätte, war dann die "Verfeinerung" im zweiten Schritt. In dem hänge ich immer noch und werde, denke ich, das auch den Rest meines Lebens ;)

    Geholfen hat mir dabei insbesondere das vereinfachte Schema von Rita Lüder: https://kreativpinsel.de/produ…-pilzsystematik-download/


    Und, dass muss ich leider immer wieder feststellen, der alte Pareys hilft hier auch ungemein, weil das Buch eben genau so gestaltet ist, dass es in Gattungen (bzw. innerhalb der Gattung weiter in Sektionen usw.) und vor jeder "Gruppe" eine Beschreibung der Gruppe liefert- um Formgruppen zu lernen finde ich immer noch sehr hilfreich.


    Vielleicht gibt es da ja auch andere, aktuellere Bücher, die ähnlich nach Formgruppen gehen?



    Das zweite ist eher eine Frage, die ich selbst hätte, aber sie passt denke ich hier in den Dunstkreis:


    Soweit ich weiß, gehört zu jeder beschriebenen Art eine "Diagnose", also eine wissenschaftliche Beschreibung, wie die Art zu erkennen ist. Ich dachte, dass es entsprechend auch Gattungsdiagnosen geben sollte.

    Ist dass so, oder läuft das bei Gattungen, Familien usw. anders?

    Und: Gibt es da irgendwo einen Index, wo man sich die Originaldiagnosen von jedem Taxon besorgen kann, oder muss man im Zweifel selbst recherchieren, wo die veröffentlicht wurde?


    Viele Grüße
    Michael

  • Hallo Michael,

    in jedem besseren Pilzbuch sind Gattungsdiagnosen enthalten. Z. B. im Großen BLV-Pilzfüher (Gerhardt) oder im Handbuch für Pilzsammler (Gminder) ist jeder Gattung eine ausführliche, treffende Gattungsdiagnose vorangestellt. Nur die meisten Leute lesen bzw. finden die gar nicht, da sie glauben, Pilze nur mit Foto- bzw. Bildvergleichen und Hin-und-Her-Blättern bestimmen zu können/zu müssen. Nicht einmal die Nützlichkeit von Artbeschreibungen/Artdiagnosen wird von vielen erkannt.

    FG

    Oehrling

    PSVs dürfen weder über I-Net noch übers Telefon Pilze zum Essen freigeben - da musst du schon mit deinem Pilz zum lokalen PSV!

  • Hallo Oehrling,


    danke für die Antwort! Allerdings sehe ich gerade, dass mein Beitrag sprachlich teils ziemlich verunglückt ist, und meine Frage zielte eher in Richtung Originaldiagnosen.

    Ist aber auch egal, geht denke ich zu weit vom Threadthema weg.

    Und die Info, dass Gattungsbeschreibungen bei diversen Pilzbestimmungsbüchern mitgeliefert werden, wäre vielleicht für Pilzfreund77 und seine originale Frage wieder interessant?


    Danke nochmal

    Michael

  • mir ist auch klar, dass sich diese Fragen überall, und so auch hier, vom Makro- ins Mikroskopische verschoben haben, aber die Einteilungen müssen ja mal makroskopisch begonnen haben …

    Hallo Pilzfreund77,


    ich glaube tatsächlich, dass man in vielen Fällen schon makroskopisch die unterschiedlichen Huthaut-Typen unterscheiden kann, auch wenn das Mikroskop am Ende dabei hift:


    Agaricus: liegende bis leicht aufsteigende Hyphen (Übergang Kutis zu Trichoderm), nie schleimig/gelifiziert

    Agrocybe: stehende, kugelige Zellen (Hymeniderm), mit oder ohne Gelschicht

    Stropharia: liegende, stark gelifizierte Hyphen (Ixokutis)


    Gruß,


    Wolfgang

  • Liebe Pilzfreunde,


    Ganz herzlichen Dank für Eure wertvollen Hinweise! Ich denke, dass ich einerseits einen Fehler gemacht habe, indem ich mir die "Eindeutigkeit" zu äußerlich gedacht habe, also irgendwie als einzelne Merkmale. Wenn ich nämlich eine Raubkatze von einem Huftier unterscheiden will, dann beschreibe ich ja auch das ganze Tier, und dann kommt vieles (vier Beine, zwei Augen usw.) ja auch doppelt vor. Andererseits aber: Auch diese mehr "bildhaften" Gattungsbegriffe im Tierreich sind dennoch so absolut eindeutig bzw. ausschließend, dass ich ein Zebra nie ein Raubtier nennen würde, selbst wenn irgendwelche genetischen Gemeinsamkeiten gefunden werden würden. Bei den Pilzen dagegen scheint mir das oft recht beliebig zu sein … ich werde es daher wohl so versuchen, wie es Vidar empfohlen hat: Mit dem einen Auge die Wissenschaft beobachten, mit dem anderen Auge aber meine eigene Begriffsbildung verfolgen und sehen, wie weit ich beides eben zusammenbringe … oder nicht.


    Viele Grüße

    Pilzfreund77