Kleine Erdflechte Placidium squamulosum vs. tenellum

Es gibt 8 Antworten in diesem Thema, welches 362 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von KaMaMa.

  • Hallo Zusammen,


    angeregt durch einen social media Beitrag von einem Lichenologen von der Insel habe ich mich heute am späten Nachmittag mit dem restlichen Licht aufgemacht um nach kleinen Bodenflechen auf einer selten genutzten Wendeplatte neben einer Bahnanlage in meiner Nähe zu suchen. Ich bin fündig geworden.


    Ich komme bei der Flechte im Spannungsfeld zwischen Placidium squamulosum und P. tenellum heraus.


    P. squamulosum überlappt bzw. grenzt direkt bei eigentlich allen morphologischen Paramtern an P. tenellum wobei letztere dem Namen folgend zarter gebaut ist.

    Mir sind heute abend nur dicke Schnitte gelungen. Dies werde ich noch einmal wiederholen - die Rhizohypen sollen bei P. tenella dünner sein, so auch die Zellen im unteren Cortex. Beides konnte ich mikroskopisch noch nicht zweifelsfrei darstellen.

    Was ich machen konnte war ein Maß der Schuppen: 2.3 mm (1.3-3.9mm) das ist deutlich im unteren Bereich für P.squamulosum und grenzwertig groß für P. tenellum.


    Habt ihr da ggf. einen Hinweis? Auf eure Ansichten bin ich gespannt. Schon einmal vielen Dank dafür.

    Peter


    (1) Die Fleche besteht aus kleinen Schüppchen 1. ca. 3,5 (bis 3,9) mm Durchmessend; diese mit zahlreichen Perithecien.


    (2) Zwischen den Schüppchen reichlich Nostoc (will ich noch mikroskopieren).


    (3) Unterseite der Schüppchen mit sehr feinen Haftfasern/hypen


    (4) Im dicken Schnitt weitgehend farblose Perithecien mit oberflächlicher Pigmentierung.


    (5) Paraplektenchymatishe Rinde. Quetschpräparat, kann nicht zwischen Ober- und Unterrinde differenzieren. Letztere ist wohl undeutlich ausgeprägt also eher Oberrinde.


    (6) Asci mit Sporen 15-16µm x 5,8-6,2µm. Von der Breite her im eher im Bereich von P. tenellum aber hier auch überlappend. Und ich habe noch nicht genug gemessen.


    (7) Hymenium.



    (8) Flechtenlager in situ.


    (9) Kleine Wendeplatte nahe einer Bahnanlage die außer durch Radfahrer selten befahren und teils überwachsen ist. Ansonsten viel Peltigera rufescens, Enchylium tenax und massig Nostoc an diesem Ort.

  • Hallo Peter,


    ein sehr hübscher Fund!


    Im deutschen Schlüssel bei Wirth et al. komme ich mit deinen Angaben bis zu Schritt 12. Dort werden die Schuppendicke und die Sporenmaße zur Unterscheidung herangezogen, um P. rufescens (und P. lachnum, alpin, auszuschließen) von zwei weiteren Arten (P. squamolosum und P. pilosellum) zu unterscheiden. P. tenellum taucht im dt. Schlüssel von 2013 gar nicht auf und gilt lt. Italic als mediterrane Flechte z.B. der Garrigue und offener Steppen bis in die Mongolei, (noch) nicht typ. deutscher Landschaftsformen. Ich würde deshalb P. tenellum nicht in die engere Wahl zulassen.


    Zur Absicherung gegen P. rufescens könnte man die Schuppendicke messen und sich die Flechte zudem im trockenen Zustand mal genauer anschauen (Cortexfärbung, wenn nicht durchweicht). Die Färbung im trockenen Zustand mag zur Unterscheidung helfen, ob rötlich braun (P.r.) oder nicht (P.p.), ob glänzend (P.r.) oder nur schwach glänzen bis matt (P.p).


    Dennoch glaube ich, das der Fund eher auf P. squamulosum herauslaufen wird, da das Substrat (Erde) hierfür typischer ist, während P.rufescens eher auf nacktem Kalkstein und nur selten auf Erde zu finden sein soll.


    Das Placidium, das ich mal vor 2 Jahren gefunden hatte, ist hingegen wohl ein typische P. rufescens: Auf Steilfläche von Weinberg-Kalkstein, einem stark besonntem Standort, Thallus glänzend rötlich braun, etc:

    Meine Probe hatte übrigens auch nur Schuppen der Größe 3-4 mm


    LG, Martin

  • Hallo Martin,


    viele Dank für Deine Einschätzung - und danke fürs nachsehen im Aktuellen Wirth (der steht noch auf der Wunschliste) Ich habe mich heute mal bis zur Publikation aus '94 in der P. tenellum beschrieben wird vorgearbeitet. Du hast recht, sie ist für Süden+Mongolei beschrieben, das passt für hier nicht unbedingt. Ganz abseits davon - so richtig wird mir da nicht klar warum das als eigene Art geführt wird. Consortium of lichen herbaria bietet auch nicht viel an. Wenn man jetzt ketzerisch annimmt P. squamulosum kann noch ein bisschen kleiner sein? Molekular scheint es zumindest bei kleiner Gruppengröße einen Unterschied zu geben (Paper)


    LGBI3 führt P. tenellum auch nicht.


    In Die Flechten Baden-Württembergs schaue ich gerade nach (gestern Abend war ich zu müde), das läuft aber noch unter was anderem. Die vorgeschlagenen Parameter messe ich auch noch nach.

  • Hallo zusammen, wie versprochen:


    In trocknem Zustand würde ich die Flechte als beige bis ocker (etwa wie ein trockner Kaffeefitter) beschreiben.


    Ich komme auf folgende Messwerte:

    Durchmesser der Schüppchen (n=46): 1,8mm (0,96-3,36mm)

    Thallus Dicke (n=3): 204-286 µm

    Rhizohyphen dia (n=6, in KOH 2%): 4,31 µm (3.78-5.08)

    Medullary hyphae dia (n=6, in KOH 2%): 4,33 µm (3,41-5,34 µm)

    Upper cortex cell dia (in KOH 2%): 6,5-17,6 µm

    Lower cortex cell dia (in KOH 2%): 5,3-11,1 µm

    Sporen (n=16, in KOH 2%): 12,5µm (10,9-15,21µm) x 5,3 µm (4,4-6,3 µm)


    Dicke des Cortex mag ich nicht messen, die Schnitte sind nicht gut senkrecht auf der Schuppe.

    Größen passen mir nicht ganz zu P. squamulosum. Ich lasse die Werte hier erstmal so zur Diskussion stehen.

    Morgen ist ein langer Tag und das war mehr Arbeit als gedacht.


    Gruß

    Peter


    (10) Trockner Zustand


    (11) Trocken Detail


    (12) In den Rissen erkennt man gut die Rhizohypen


    (13) Schnitte sind heute besser gelungen


    (14) Thallusdicke, Tiefe mit RH

    (15) Oberer Cortex


    (16) Medulla


    (17) Unterer Cortex

    (18) Rhizohyphae


    (19) Sporen (in KOH)


    (20) Neben den großen Pyknidien Perithecien findet sich dieses (auch andere). Dort kleinere elypt Sporen ohne Binnenzeichnung.

    Zu groß für Konidien lt. Literatur. Unreife Sporen? (10-12µmx6-7µm)


    (21) Unreife Sporen?

    2 Mal editiert, zuletzt von PBR () aus folgendem Grund: Kleiner Fehler cekk dua -> cell dia Pyknidien->Perithecien. Ich sollte nicht übermüdet posten

  • Hallo Peter,


    Super dargestellt, mehr kann man nicht an Details zeigen!

    Da habe ich dank dir wieder einiges lernen können und habe sogar meinen alten Fund, den ich damals für P. squamolosum hielt, zu P. cf. rufescens korrigieren können.


    WHS-Schlüssel für Catapyrenium (Pyrenocarpe Flechte, Th. aus einzelnen Schuppen auf Erde oder Stein, Sp. 1z):

    1* Per. eingesenkt in Thallusschuppen - 3* Th. n. weiß bereift - 4* Sp. 1z - 6* Rhizohyphen hell, Asci einreihig in Asci, Asci zyl., n. keulig - 9* Per.wand farblos/hell, über 20µ dick, Schuppen über 250µ dick (sonst verschollene Art) - 10* Schuppen randlich nicht behaart - 11* auf Erde (damit nicht P.rufescens, passt auch sonst nicht gut) - 12* Schuppen dünn (d.h. < 400µm), 2-6mm, Mark mit kugeligen Lumnina - 14* Schuppen angedrückt, flach, Ränder anliegend, unbehaart, h. - d.braun (ohne rot/orange), matt- leicht glänzend (nicht stark), Sp. häufig unreif (!) => P. squamulosum: auf kalkh. Erde, nacktem Lehm, Löss, flachgründigen Feinerdinseln, Schotterflächen, Kiesgruben, ... in Lücken v. Halbtrockenrasen; warme, lichtreiche Orte, bis montane Stufe.


    Genau so sieht sie aus. Passt alles sehr gut zu dem, was du zeigst und schreibst!


    Nur die farblose Perithecienwand würde ich als hellbraun und nicht farblos erachten. Falls die Thallus-Unterseite schwärzlich wäre und die Perithecienwand unter 20µm dick wäre, könnte ev. doch eine andere Art vorliegen, das kannst du gerne gegenprüfen - ich glaube es jedenfalls nicht!


    LG, Martin

  • Hallo Martin,


    danke für Deinen erneuten Einsatz. Zum Schlüsseln bin ich gestern nicht mehr gekommen - ich wollte aus dem Präparat rausholen was geht. Und das hat dann einfach lange gedauert und wenig Hirn übrig gelassen.


    Mit Wirth 1995 komme ich spontan auch da hin, die Schlüssel scheinen sich da nicht groß unterschiedlich - habe jedoch nicht im Detail verglichen. Die Schuppendicke glaube ich mir jetzt bei wachem Geist selber nicht mehr. Auf meinem Bild 14 scheint es mit jetzt doch ein aufgebrochenes Perithecium zu sein. Hier ggf. nochmal nach arbeiten polieren.


    Ich glaube nun langsam auch an Placidium squamulosum, aber ich glaube auch daran, dass die Flechte die Referenzwerte einfach nicht kennt.


    Viele Grüße

    Peter


    PS: ich hatte auch einen gefärbten Schnitt, der lag aber nah am Rand vom Deckglas und das Immersionswasser hat sich immer verzogen und mit dem LCB vermischt... schöne sch...

  • Also meine Erfahrung bezüglich z B. Sporengrößen ist, wenn die eigenen Werte über die obere oder untere Grenze hinausgehen, nimm einen anderen Schlüssel (britisch, französisch, was immer) - häufig liegst du dann plötzlich innerhalb der Schranken. 10-15% Abweichung sind da manchmal drin.

    Ich vermute, bei den Flechten ist das mit der Statistik über die Variationsbreite noch so eine Sache ...


    Es ist wie bei den anderen Pilzen auch, die Gesamtheit der Parameter ist entscheidend. Bei jeder Art ist Variation vorhanden und aus evolutiven Gründen nötig. Manchmal ist die Variationsbreite innerhalb einer Art erstaunlich - Beispiel Haushund. ==Gnolm4

  • Eigentlich könnte das ja dann heißen ich mache hier einen Haken dran und kann endlich den Mikroskopierplatz aufräumen. Oder Schlafen.

    Aber da liegt noch so eine auffallend fein verzweigte Gallertflechte bei der ich schon dran bin.

  • Klingt nach Leptogium...


    Ich bin mit meiner Probe restlos frustriert und mache Schluss für heute.

    Vielleicht stelle ich sie morgen hier ein, vielleicht hat jemand anderes eine gute Idee...

    Gute Nacht einstweilen.